• Nie Znaleziono Wyników

In dem weiten, unwirtlichen Gebiet, das zwischen dem Oranjefluß im Süden und dem Kunenefluß im Norden an der Grenze des portugiesischen Gebietes Angola an der Südwestküste Afrikas liegt, hatte die Rheinische Missionsgesell - schäft seit 1842 ihre segensreiche Arbeit in Damara- und Namaland unter den Stämmen der Herero und Hottentotten begonnen, nachdem sie seit 1830 mit gutem Erfolg in Natal gewirkt hatte. Hottentotten, Herero, Buschmänner, Kaffern undOwambo führten gegeneinander unaufhörlich Kriege, bei denen die Stationen der Missionare mehrmals in Flammen aufgingen. Ohne geord­

nete Rechtsverhältnisse gingen die Stämme gegenseitiger Vernichtung ent­

gegen. Weder Buren noch Engländer noch Portugiesen kümmerten sich um diese weiten Landstriche, die außer den Missionaren nur Händler und Jäger durchzogen. Da wandte sich die Rheinische Mission um Schutz an Deutsch­

land. Die deutsche Regierung fragte in London an, ob die englische Regierung den Schutz über die Europäer in Damara-und Namaland übernehmen wolle, trotzdem der damalige Kap-Gouverneur Bärtle Frere (1877—1880) hierauf drängte. England ging auf das Schutzangebot nicht ein. Nur in der Walfisch­

bai an der Küste wurde 1878 die britische Flagge gehißt. Nun fragte Bismarck an, ob die englische Regierung Hoheitsrechte in Damara- und Namaland beanspruche, was von London aus verneint wurde. Es war ein Niemands­

land, das dort lag. Da faßte der Bremer Kaufmann Lüderitz, der 1881 im englischen Lagos eine Faktorei angelegt hatte, den Plan, an dieser nicht be­

setzten Küste eine Faktorei zu gründen und fragte bei der deutschen Regie­

rung an, ob diese den Schutz über seine Gründung übernehmen wolle. Auf eine zusagende Antwort ließ Bismarck wiederum in London anfragen, ob

„Ihrer Majestät Regierung irgendeine Autorität in diesem Landstrich ausübe.“

Da die Regierung in London keine Hoheitsrechte beanspruchte, ließ Bismarck erklären, daß er den Schutz für die geplante Faktorei übernehmen wolle. Nun sandte Lüderitz 1883 seinen Vertreter H. Vogelsang nach der 1486 von dem Portugiesen Bartolomeo Dias getauften Bucht Angra Pequena, der heutigen Lüderitzbucht. Vogelsang schloß 1883 mit dem Hottentotten­

kapitän Joseph Fredericks in Bethanien einen Vertrag, wonach ihm die Bucht und ein Stück Hinterland übertragen wurde. Südafrika und England

DeutscheKamelreiterinderKalahariinDeutsch-Südwest

Die Erwerbung der deutschen Schutzgebiete 49 waren hiervon unangenehm überrascht. Nochmals fragte Bismarck im November 1883 an, ob England Ansprüche auf die Küste und das Hinter­

land erhebe. Diesmal beanspruchte England nur die Walfischbai. Lüderitz dehnte den Besitz bis zum Oranjefluß aus. Am 24. April 1884 telegraphierte Bismarck nach Kapstadt, daß das Reich den Schutz über dieses Gebiet über­

nehmen wolle. Der deutsche Konsul in Kapstadt erklärte, daß „das Terri­

torium, das Lüderitz gehöre, an der Westküste von Afrika unter der direkten Protektion Seiner Majestät des Kaisers“ stehe. Am 8. September 1884 wurde die englische Regierung von dieser Schutzübernahme verständigt. Das war die offizielle, feierliche Erwerbung des ersten deutschen Schutzgebietes.

Bismarck sandte nun den Forscher und Konsul Dr. Nachtigal auf dem Kanonenboot „Möve“ (1884) zu einem Erkundigungszug an die Westküste, wo überall in englischen, französischen und portugiesischen Gebieten deutsche Handelsniederlassungen lagen. Andere Stationen lagen in Land­

strichen, wo keine Macht die Oberhoheit ausübte, wie in Togo und Kamerun.

Vergebens hatten sich die Häuptlinge dieser Landstriche öfters an England um Schutz gewandt. Mit dem König von Togo schloß Nachtigal einen Schutz­

vertrag, ebenso mit den Königen Akwa und Bell in Kamerun. Der Sohn von King Bell war in Europa erzogen worden. Beide Könige waren Oberhäupter der Dualastämme, die diese Gebiete seit langem bewohnten.

Ein Gebiet, das wie kein zweites, ausgenommen der Sudan, wegen der Sklavenjagden berüchtigt war, bildete Ostafrika. Nominell stand es unter der Oberhoheit des Sultans von Sansibar, dessen Vorfahren vom Persischen Golf gekommen waren. Seine Gewalt reichte kaum über die Küste hinaus.

Das Hinterland war von Negerstämmen bewohnt, die in gegenseitigen Fehden und Kämpfen und durch die schrecklichen Sklavenjagden der Araber dem Untergang entgegensahen. In diesem Gebiete hißte der junge, energische, später viel befeindete Dr. Karl Peters in Mbusini am 19. November 1884 zum erstenmal die deutsche Flagge.

„Die Geschichte der Gründung von Deutsch-Ostafrika ist eine der Roman­

zen des schwarzen Erdteils,“ sagen die Engländer. Peters war 1884, nach­

dem er die Gesellschaft für deutsche Kolonisation gegründet, mit dem Grafen Pfeil, dem Referendar Kühlke und dem Kaufmann Otto, um den Engländern auszuweichen, in Verkleidung über Sansibar nach Ostafrika vorgedrungen, wo er mit mehreren Häuptlingen seine vielbeanstandeten Verträge abschloß, die ein Gebiet von 150 000 qkm unter deutschen Schutz stellten, den er auf die „Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft“ übertrug. Im Norden dieses Gebietes hatten die Brüder Denhardt ebenfalls Schutzverträge abgeschlossen.

4 Abs

50 Die Erwerbung der deutschen Schutzgebiete

Der Sultan von Sansibar, der anfangs um deutschen Schutz nachgesucht, protestierte in Berlin, wurde aber durch eine Flottendemonstration zum Nachgeben bestimmt. Der Araberaufstand 1888 zeigte, daß die „Deutsch- Ostafrikanische Gesellschaft“ ihrer Aufgabe nicht gewachsen war, und die Regierung übernahm das Schutzgebiet, in dem sie noch im gleichen Jahre durch Wißmann Ruhe und Ordnung herstellen ließ. Peters hatte einen kühn­

verwegenen Zug nach Uganda unternommen, wo er mit dem Sultan Mivanga einen Schutzvertrag abschloß. Die französischen Missionare waren für ihn eingetreten. Der Engländer Jackson, der ebenfalls einen Zug nach Uganda unternommen hatte, versuchte umsonst, den Sultan für England um­

zustimmen.

Durch Verträge mit den Eingeborenenhäuptlingen und mit den euro­

päischen Mächten wurden nach und nach die Grenzen der Schutzgebiete in Afrika gezogen. Durch die Kolonialkonferenz von Berlin (1884—1885), die sogenannte Kongokonferenz, wurden für die Kolonialpolitik in Afrika allge­

meine Richtlinien aufgestellt, die in der sogenannten Kongoakte enthalten sind. In sechs Abteilungen werden die Fragen des Freihandels und der Gleichberechtigung der Stationen im Kongogebiet, die des Sklavenhandels und der Neutralität, endlich die der Schiffahrt und der Besitzergreifungen im Küstengebiet geregelt. Das umstrittenste Gebiet war das des Freistaates am belgischen Kongo, daß König Leopold erworben hatte. Deutschland schloß mehrere Verträge, deren bekanntester der vom 1. Juli 1890 unter Caprivi über Helgoland und die Kolonien ist. In diesem trat Deutschland Uganda an England ab und erhielt hierfür Helgoland und die Suaheliküste von Deutsch- Ostafrika, für die es seinerseits 4 Millionen Mark an den Sultan von Sansibar bezahlte. In Deutschland wurde dieser Vertrag seinerzeit viel bespöttelt, da es „für einen alten Hosenknopf eine neue Hose“ gegeben habe. Der Aus­

spruch Caprivis: „England ist für uns wichtiger als Sansibar und Ostafrika“, und dieser Vertrag sind ein ganz markanter Beweis für Deutschlands Willen zu friedlicher Verständigung. Denn in der Anerkennung der Oberhoheit Englands über Sansibar gab es die ganze Ostküste seines Besitzes in Afrika der englischen Flotte preis. Weder als Angriffs- noch als Abwehrfront gegen­

über England konnte Deutsch-Ostafrika nunmehr in Frage kommen, da Sansibar in drohender Nähe lag. Der Weltkrieg hat dieses auch bewiesen.

Während England und Frankreich gegenseitig in Ausdehnung ihres Besitzes miteinander wetteiferten, wodurch der Krieg einige Male in gefährliche Nähe gerückt wurde, hatte Deutschland nur eine einzige gefahrdrohende Krise zu bestehen, und zwar die von Agadir im Jahre 1911, die zwar friedlich

Die Erwerbung der deutschen Schutzgebiete 51 ausgetragen wurde, aber doch eine Spannung zwischen Frankreich und Deutschland zuriickließ.

Auf der großen Insel Neuguinea hatte sich bis zum Jahre 1883 nur Holland festgesetzt. Aber in diesem und den folgenden beiden Jahren wurde auf dieser Insel auch die deutsche Flagge gehißt und dieses Ereignis mit sauer­

süßer Miene von England gutgeheißen. Das war fast die einzige Gelegenheit, bei der der Reichstag die Politik Bismarcks unterstützte. Das neue Gebiet er­

hielt den Namen Kaiser-Wilhelmsland. Zu ihm gehörten die Inseln des Bismarckarchipels und die Salomons-Inseln.

Auf der Jaluitinsel im Marschallarchipel hatte ein deutscher Marineoffizier schon 1878 einen Vertrag mit einem Häuptling abgeschlossen. Im Jahre 1886 wurden die Karolinen, Marianen und Palauinseln als deutscher Besitz er­

klärt, da Deutschland dort große Wirtschaftsinteressen hatte und England wie Deutschland 1875 entschieden hatten, daß die Inseln keiner Macht ge­

hörten, auch Spanien nicht, das zwar Ansprüche auf sie erhob, aber keine Gewalt auf ihnen ausübte. Als die Spanier auf ihren Besitzrechten bestan­

den, wurden diese von Bismarck anerkannt. Er hatte nämlich Leo XIII. als Schiedsrichter angerufen, der die Inseln Spanien zusprach.

Nach dem spanisch-amerikanischen Kriege verkaufte Spanien dieselben für 16 Millionen Mark an Deutschland. Nur die Insel Guam verblieb Amerika.

In Samoa gab es Zwistigkeiten zwischen Engländern, Amerikanern und Deutschen, deren Stellungnahme für oder gegen Eingeborenenhäuptlinge zu verschiedenen blutigen Streitereien Anlaß gab. Durch den Samoa-Vertrag, 14. November 1899, wurde Samoa unter Amerikas und Deutschlands Ober­

hoheit gestellt, nachdem England durch Überlassung von einigen Inseln von Deutschland entschädigt worden war.

Das ist in kurzen Umrissen die Geschichte des Erwerbes der Schutzgebiete.

Wesentlich anders als in diesen Ländern, die als Schutzgebiete der Ober­

hoheit des Reiches vollständig unterstanden, liegt die Sache in dem Pacht­

gebiet von Kiautschou in der chinesischen Provinz Schantung. Im Jahre 1897 verlangte Deutschland Sühne für die Ermordung von zwei Missionaren in Schantung. Nach einer Flottendemonstration und langen diplomatischen Verhandlungen mit China und den Mächten schloß Deutschland mit China 1898 einen Pachtvertrag auf 99 Jahre ab. In diesem wurde die Bucht von Kiautschou mit einem kleinen Teil des Hinterlandes und einigen kleinen Inseln in Größe von 550 qkm unter Deutschlands Oberhoheit gestellt. Damit hatte Deutschland einen wichtigen Flottenstützpunkt, Stapelplatz und Handels­

4*

52 Die Erwerbung der deutschen Schutzgebiete

markt in China erhalten, wo die Mächte England, Rußland, Frankreich, Amerika, Japan sich schon längst die besten Plätze gesichert hatten.

Mit der Erwerbung dieses Überseebesitzes war Deutschland nach und nach in den Wettbewerb der Nationen auf den Weltmarkt getreten. Ein neuer Abschnitt hatte begonnen, der der Kolonialpolitik, der viele Kreise in Deutschland „kühl bis ans Herz” gegenüberstanden, um einen Ausdruck Bebels zu gebrauchen, eine Politik, die uns vom Ausland sehr verübelt wurde, die aber heute von rein wirtschaftlichem Standpunkte aus so sehr als eine Existenznotwendigkeit für Deutschland empfunden wird, daß es kaum noch größere Kreise geben dürfte, die sich dieser Einsicht verschließen.

Die B erechtigung Deutschlands auf den Besitz