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Kolonialeriverb und Schutzverträge

Deutsche Forscher haben in ihren mühseligen Expeditionen und Reisen Blut und Leben hingegeben, um fremde Gebiete unserer Kenntnis nahe zu bringen; deutsche Missionare haben in der Zivilisation von Eingeborenen edle Taten vollbracht; deutsche Kaufleute haben unter großen Opfern Handel und Verkehr in unwirtlichen Gegenden entwickelt. Ihre Arbeit war recht und gut. Als Deutschland als schützende Macht auftrat, die gleiches Recht mit den anderen Nationen beanspruchte, da hatte die getane Arbeit ein anderes Gesicht bekommen.

Viel bemängelt, bespöttelt und bewitzelt wurden die Methoden des Er­

werbs der Schutzgebiete und die Art der Verträge, die Deutschland mit den eingeborenen Häuptlingen, Fürsten, Emiren und Sultanen abschloß, und die zum Besitz der Schutzgebiete führten. Ein beliebtes Witzwort bildeten seiner­

zeit im Deutschen Reichstage die „blauen Husarenröcke“, mit denen die Unterschriften der Häuptlinge unter die Verträge bezahlt wurden. An man­

chen Verträgen mag das eine oder andere zu bemängeln gewesen sein. Aber so, wie es oft dargestellt wurde, war die Sache nicht. Besonders die Häuptlinge an der Küste, die im Verkehr mit Europäern standen, waren nicht nur schlaue Leute, sie waren in ihrer Art sogar „gerissen“. Gerade an den beanstandeten Verträgen Peters’ sehen wir, daß nicht nur Ausbeutungsgier hinter ihnen steckte. Im Jahre 1885 sagte die Regierung in Berlin von ihnen: „Die Gesellschaft beabsichtigt, nach dem Vorbild anderer europäischer Gesell­

schaften, aus eigener Kraft in den erworbenen Gebieten eine geordnete Ver­

waltung herzustellen, für den Rechtsschutz und das Wohl der Bewohner zu sorgen und die Hilfsquellen des Landes auf eigene Rechnung zu entwickeln.“

Mehr hat eine Regierung niemals versprochen und mehr verlangt auch heute der Völkerbund nicht, der unsere Schutzgebiete unter die Mandatargewalt gestellt hat. Gerade die vielbeanstandeten Verträge, die Dr. Karl Peters mit dem Sultan von Uganda 1884 abgeschlossen hat, sind ein Schulbeispiel dieser Art. Der Sultan kannte Art und Leben der Europäer. In seiner Hauptstadt

Kolonialerwerb und Schutzverträge 133 wirkten französische Missionare. Mit ihrer Hilfe schloß Peters den Schutz­

vertrag zwischen Deutschland und dem Sultan. Wie die Engländer sich auch bemühten, den Sultan umzustimmen, er blieb fest. Vom englischen Protektorat wollte er nichts wissen. Gegen Helgoland willigte Deutschland endlich ein, den Schutzvertrag mit Uganda zu lösen.

Deutschland hat keines der Schutzgebiete durch einen Krieg an sich ge­

bracht, während die Kolonialmächte ihre großen Kolonien durch schwere Kriege eroberten. Wir brauchen nur an die Eroberung Cochin-Chinas durch Frankreich, an die Eroberung Südafrikas durch England zu denken. Diese Tatsachen, so bekannt sie sind, werden doch immer geflissentlich übersehen in der Wertung der Kolonialgeschichte, besonders, wo es sich um Deutsch­

land handelt.

Dazu gab es immer noch ein Mittel, um Ungerechtigkeiten in bestehenden Verträgen zu beseitigen: das war ihre Revision. Die Eingeborenen in unseren Schutzgebieten waren nicht so schutzlos, wie oft angenommen wird. Die Verhandlungen im Deutschen Reichstage zeigen, daß dort berufene Ver­

treter die Rechte der Eingeborenen wahrten. Auch heute dürfte es in der ganzen Welt schwerlich ein Parlament geben, in dem die Rechte der Ein­

geborenen so energisch verteidigt werden, wie sie seinerzeit im Reichstag zu Berlin verteidigt wurden.

Es dürfte weiter schwer sein, eine Macht zu nennen, die bessere Verträge mit den Eingeborenen abgeschlossen hat als Deutschland, sei es in Afrika, sei es in Asien. Selbst der Völkerbund hat unsere Schutzgebiete vergeben, ohne überhaupt die Eingeborenen zu befragen. Ebenso hat er die asiatischen Besitzungen der Türkei ohne die Zustimmung der betreffenden Völker ver­

geben, wie er auch das Recht der Chinesen auf Schantung schmählich preisgegeben hat.

Ich will hier nur das Vorgehen einer Macht näher beleuchten, die in der Kolonialgeschichte kaum genannt, die immer als die typische Vertreterin von wahrer Demokratie und Völkergerechtigkeit gepriesen wird, nämlich Amerikas. Die Art und Weise, wie es seine Kolonien erworben hat, ist wesentlich nicht sehr verschieden von der anderer Völker.

Auch heute noch steht die Insel Kuba mit drei Millionen Bewohnern unter Amerikas Oberaufsicht. Ruhiger ist der Inselstaat auch nicht geworden, als er unter Spanien war. Einige Daten möge man sich vor Augen halten. Die Negerrevolution von 1912 wurde durch die Flotte der Vereinigten Staaten

„demonstriert“, eine Aktion, die Präsident Taft beileibe nicht als Intervention erklärte. Ein neuer Aufstand brach 1917 aus, der durch die Kriegserklärung

134 Das koloniale Sündenregister Deutschlands und anderer Staaten Kubas an Deutschland am 7. April 1917 eine sonderbare Beleuchtung erfährt.

Sie hatte die obligatorische Militärpflicht und die Rationierung der Lebens­

mittel zur Folge. Ein neues Staatsgesetz wurde 1919 mit Hilfe des amerika­

nischen Generals Croivder eingeführt. Auch im Jahre 1921 ging er als Ver­

trauensmann Wilsons nach Kuba, um nach dem Rechten zu sehen.

Der Vertrag, durch den Kuba an die Vereinigten Staaten kam, ist kurz und bündig folgender:

„Daß Krieg sein soll und hiermit ist, und daß Krieg war seit dem 21. April im Jahre des Herrn 1898, den besagten Tag eingeschlossen, zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Königreich Spanien“, war am 25. April 1898 verkündet worden. Am 7. Juli 1898 wurde im Friedensvertrag zu Paris verkündet:

Artikel I.

„Spanien verzichtet auf jeden Anspruch von Souveränität über Kuba.

Und da die Insel nach der Evakuation Spaniens von den Vereinigten Staaten okkupiert wird, so werden die Vereinigten Staaten, solange die Okkupation dauert, die aus dem internationalen Recht sich ergebenden Verpflichtungen infolge der Tatsache der Besetzung zum Schutz von Leben und Eigentum übernehmen und erfüllen.

Artikel II.

Spanien tritt den Vereinigten Staaten die Insel Puerto Rico und andere unter spanischer Souveränität stehenden Inseln in Westindien ab, sowie die Insel Guam in den Marianen oder Ladronen.

Artikel III.

Spanien tritt den Vereinigten Staaten den Archipel ab, der als die Philip­

pinen-Inseln bekannt ist, sowie die Inseln, die in folgenden Grenzen liegen.“

Die bekannten Grenzen werden hier näher bestimmt. Amerika zahlte Spanien 20 Millionen Dollar, wogegen Spanien auf alle „Gebäude, Werften, Baracken, Festungen, Anlagen, Straßen und alles unbewegliche Eigentum“

verzichten mußte.

Eine lehrreiche Episode ist die Resolution des Senates der Vereinigten Staaten über die „Annektierung“ der Insel St. Domingo am 12. Januar 1871.

Ein Kommissar war 1869 vom Präsidenten Grant nach St. Domingo gesandt worden, mit dem ein „Annektierungsvertrag“ abgeschlossen wurde, der dann aber vom Kongreß nicht ratifiziert wurde. Infolgedessen wurde 1871 folgende Resolution gefaßt:

„Der Präsident der Vereinigten Staaten wird bevollmächtigt, drei Kom­

missare und einen Sekretär zu ernennen, wobei der letztere in der englischen

Kolonialerwerb und Schutzverträge 135 und spanischen Sprache bewandert sein soll, um zu der Insel St. Domingo oder anderen Plätzen zu reisen, wie es den Kommissaren nötig dünkt, um dort zu untersuchen, festzustellen und zu berichten über den politischen Zu­

stand und die Lage der Republik St. Domingo, die mutmaßliche Zahl seiner Bewohner und den Wunsch und die Disposition des Volkes der besagten Republik, annektiert und Teil des Volkes der Vereinigten Staaten zu werden, ferner über die physische, geistige und moralische Lage des besagten Volkes und ihren allgemeinen Zustand in bezug auf den materiellen Reichtum und die industrielle Befähigung, die Hilfsquellen des Landes, seine Mineral- und Ackerbau-Erzeugnisse, den Wasser- und Waldreichtum, den allgemeinen Charakter des Bodens, die Ausdehnung und Möglichkeit zur Anbaufähig­

keit, Klima und Gesundheit des Landes, über das Vorkommen und die Häufigkeit meteorologischer Erscheinungen, über die Schulden der Regie­

rung und ihre Verpflichtungen ..., über Verträge oder Abmachungen mit anderen Staaten, über den Umfang der Grenzen und des Territoriums; end­

lich darüber, welcher Teil durch Ansprüche Fremder, durch Zessionen und Konzessionen beansprucht wird, und welche Konzessionen und Gerechtsame allgemein gewährt wurden, zugleich mit den Namen der betreffenden Kon­

zessionäre; über die Bedingungen und Voraussetzungen, unter denen die Regierung von St. Domingo wünscht annektiert und als eines ihrer Terri­

torien ein Teil der Vereinigten Staaten zu werden. Hinsichtlich der besagten Regierung oder ihrer Territorien sollen die Kommissäre, sowie es ihnen wünschenswert oder wichtig erscheint, sich über die künftige Inkorporation der besagten Republik von Domingo in die Vereinigten Staaten als eines ihrer Territorien informieren.“

Sonderbar und seltsam mutet der Schluß der Resolution an, der kurz besagt, daß in dieser Resolution nichts enthalten sein, verstanden oder ge­

deutet werden soll, was wie eine politische Annektierung des Territoriums der Republik von Domingo durch den Kongreß aussehen könnte. Hieraus ersieht man ja deutlich, daß die Vereinigten Staaten nach außen hin ihr Gesicht wahren wollten.

Die „Annektierung“ der Hawai-Inseln, die am 7. Juli 1898 durch den Senat der Vereinigten Staaten „friedlich“ beschlossen wurde, war sie etwas anderes als die Schutz vertrage, die uns die Kolonien gebracht?

Im Jahre 1893 brach auf Hawai die Revolution aus, die von dem Minister der Vereinigten Staaten, Stevens, unterstützt wurde. Der Amerikaner Haworth schreibt darüber: „Ein halbes Jahrhundert hatten die Vereinigten Staaten den Wunsch gehegt, die Inseln zu annektieren. Stevens selbst war

136 Das koloniale Sündenregister Deutschlands und anderer Staaten begierig auf die Ausführung; wahrscheinlich wußte er, daß seine Vor­

gesetzten in Washington die gleichen Ansichten hegten. ,Die Hawaianische Birne ist jetzt vollreif, und dies ist die goldene Stunde für die Vereinigten Staaten, sie zu pflücken', so schrieb er an die Regierung.“ Am 15. Februar 1893 wurde ein Annektionsvertrag aufgesetzt, aber vom Kongreß verworfen, der sich dahin erklärte, daß der Minister Stevens in der Absetzung der Königin zu überstürzt vorgegangen sei, und zudem die Revolutionsregierung mehr aus fremden denn aus einheimischen Elementen bestehe.

Aber äufgeschoben war nicht aufgehoben. Vollständig annektiert wurden die Inseln, als die Vereinigten Staaten während des Krieges gegen Spanien die W ichtigkeit der Inseln als Flottenbasis erkannt hatten.

Die Resolution der Annektierung durch den Senat der Vereinigten Staaten lautet: „Da die Regierung der Hawai-Republik in rechter Form ihre Zu­

stimmung bezeigt hat, und zwar in der Art, wie es durch die Konstitution angeordnet ist, absolut und ohne Vorbehalt alle Rechte von Souveränität irgendwelcher Art in und über die Hawai-Inseln und ihre Gebiete, sowie über das absolute Leben und über das Eigentum aller öffentlichen Regie- rungs- oder Kronländer, öffentlicher Gebäude, Häfen, Militäranlagen und alles öffentliche Vermögen an die Vereinigten Staaten abzutreten und zu übertragen, mit jeglichem Recht und Zubehör:

Deshalb sei beschlossen, daß diese Abtretung angenommen, ratifiziert und bekräftigt ist, und daß die besagten Hawai-Inseln und ihre Gebiete annek­

tiert sein sollen und sind, als Teil des Territoriums der Vereinigten Staaten und deren höchster Gewalt unterstehen, und daß alle und jegliche Rechte und jegliches Eigentum, wie zuvor erwähnt, in den Vereinigten Staaten von Amerika aufgehn.“

Die Bevölkerung von Hawai ist rassenmäßig alles andere als nord­

amerikanisch. Nach der Statistik von 1920 gibt es dort 23 000 Eingeborene, 18 000 Halbblut, 27 000 Portugiesen, 5000 Portorikaner, 3000 Spanier, 110 000 Japaner, 23 000 Chinesen, 21000 Philippiner, 5000 Koreaner, 400 Neger und 20000 Amerikaner und andere Weiße, unter denen fast 3000 Russen sind. Die Hauptstadt Honolulu zählte 83 000 Einwohner. Der Ver­

kehr der Handelsschiffe betrug 1920 über 5 Millionen Tonnen, d. h. das Doppelte von 1910. Zudem wird die Hawai-Insel ein Flottenstützpunkt ersten Ranges. Wären für Chinesen und Ostasiaten seit 1898 nicht Einwan­

derungsbeschränkungen und Verbote gekommen, so würden die Inseln heute eine Hauptdomäne der gelben Rasse bilden. Für die Vereinigten Staaten

Kolonialerwerb und Schutzverträge 137 sind die Inseln von derselben Bedeutung im Pazifik wie Singapore für die Engländer. Beide Flottenstützpunkte werden mit der Zeit in solchem Maße ausgebaut, daß die gelbe Rasse sie schon heute als direkte Bedrohung ihrer Existenz ansieht. Einer Einkreisung derselben nach der Art, wie wir sie erlebt, sieht es verzweifelt ähnlich. Darum wird Amerika, trotz Monroe- Doktrin und Selbstbestimmungsrecht der Nationen die Inseln nicht freigeben, die es 1893 annektiert hat. Die Pan-Pazifik-Kongresse in Honolulu sprechen eine beredte Sprache. Im Weltkrieg wurden Menschen und Geld der Hawaianer „über Gebühr“ in Anspruch genommen. „Keine fernere Ein­

wanderung von Chinesen auf die Hawai-Inseln soll mehr stattfinden, aus­

genommen unter Bedingungen, die jetzt oder später durch die Gesetze der Vereinigten Staaten erlaubt werden, und keinem Chinesen soll es erlaubt sein, kraft dieses Inhaltes von den Hawai-Inseln aus die Vereinigten Staaten

zu betreten.

Die Vereinigten Staaten, die alle Güter übernahmen, übernehmen auch die Staatsschuld, aber nicht höher als im Betrag von vier Millionen Dollar.“

Der Präsident der Vereinigten Staaten sollte fünf Kommissäre ernennen, um dem Kongreß Vorschläge zur Gesetzgebung für die Inseln zu unter­

breiten. Unter diesen sollten, bezeichnenderweise, wenigstens zwei Ver­

treter der Hawai-Inseln sein. Zum Schlüsse sollten 100 000 Dollar oder so viel als erforderlich sein sollte, dem Hawaianischen Staatsschätze entnom­

men werden mit der Bestimmung, sie nach der „Diskretion“ des Präsiden­

ten der Vereinigten Staaten zu verwenden, um die „Resolution der Annektion durchzuführen“.

Die Annektion der Philippinen wird ausführlich in einem andern Kapitel behandelt werden. Aber dieser kleine Überblick über die Art, wie Amerika einige seiner Territorien erworben hat, genügt, um zu zeigen, daß Amerika keineswegs davor zurückschreckte, mit bewaffneter Faust Verträge zu er­

zwingen, wollte es fremde Gebiete oder Kolonien in seinen Besitz bringen.

Wollten wir das Kapitel der Indianerausrottung in der Vergangenheit oder das der Negerbehandlung in der Gegenwart heranziehen, dann dürften die moralischen Entrüstungen Wilsons ein seltsames Aussehen bekommen.

Übrigens hätte sich, wenn die Schutzverträge Deutschlands mit den ver­

schiedenen Häuptlingen wirklich so schlecht und ungerecht gewesen wären, wie es immer heißt, 1918 die günstige Gelegenheit geboten, diese Verträge zu revidieren. Der Völkerbund brauchte den Mandatarmächten nur den Auftrag zu geben, die von Deutschland einst abgeschlossenen Verträge zu überprüfen, um neue und bessere an deren Stelle zu setzen.

138 Das koloniale Sündenregister Deutschlands und anderer Staaten Die einheimische Bevölkerung der deutschen Schutzgebiete hatte sich in­

zwischen nicht nur nicht verringert, sondern sogar vergrößert; ein großer Teil derselben war mit moderner Kultur und internationalen Rechtsverhält­

nissen vertraut; dieser hätte zweifellos gewußt, um was es sich beim Ab­

schluß neuer Verträge handelte. Der Gedanke an eine Revision dieser Ver­

träge tauchte nicht einmal auf, auch ein Zeichen, daß dieselben doch nicht so schlecht waren, wie es von manchen Seiten immer so gern hingestellt worden ist. Wenn der Völkerbund eine Mandatarmacht einfach an die Stelle Deutschlands setzte, so gab er damit seine stillschweigende Zustim­

mung zu den Verträgen, durch die einst Deutschland seine Schutzgebiete erworben hatte.

Ich überlasse es dem Leser, die sich von selbst aufdrängenden Schluß­

folgerungen zu ziehen.

Nur eins möchte ich hier noch erwähnen, nämlich den Friedensvertrag, den Deutschland mit China am 20. Mai 1921 abgeschlossen hat. Hier weht der Geist, den der Völkerbund verkündet, aber in der Praxis nicht durch­

gesetzt hat. Kein Volk des Westens, keine Macht im Völkerbund, auch nicht Amerika, tritt so offen und frei auf den Standpunkt absoluter Gleichberech­

tigung einer Nation anderer Rasse gegenüber, wie es Deutschland hier tut.

Der „Omichand-Vertrag“ Lord Clives und der „Cabusier-Vertrag“ des Großen Kurfürsten von Brandenburg — zwei interessante Dokumente,

auf denen die Gründung von Kolonialreichen beruht

Zu den Erbauern eines „größeren Britannien“ gehört an erster Stelle Lord ( Jive, der Mann, dem die Engländer vor allen anderen die Gründung des Weltreiches in Indien verdanken.

Er war geboren im Jahre 1725 und kam 1744 zum ersten Male nach In­

dien, wo er sein Leben als „Clerk“, d. h. Schreiber in einem kleinen Kauf­

hause begann, was ihm so wenig zusagte, daß er einen Selbstmordversuch machte. Bald aber klang sein Name durch ganz Indien, als er die Festung Arkot in Südindien mit schwachen Kräften gegen die überlegenen Streit­

kräfte der Franzosen siegreich verteidigte. Zu dieser Zeit waren die Fran­

zosen in Indien viel mächtiger als die Engländer. Auch die Holländer und die Portugiesen besaßen in Indien noch eine ansehnliche Stellung. In Indien selbst gab es eine Reihe mächtiger und starker Reiche, von denen einzelne für sich größere Truppenmassen ins Feld werfen konnten, als England sie

Zwei interessante Dokumente 139 besaß. Die Engländer mußten froh sein, wenn sie geduldet wurden und ein bescheidenes Dasein im Schatten dieser Mächte führen durften. Durch den ehemaligen armen Schreiber, der mittellos nach Indien gekommen war, wurde es bald anders. Er machte England zum Herrn Indiens, des größten und reichsten Kolonialreiches, das je eine Macht besessen, das auch heute noch der wertvollste Besitz in Englands ausgedehnten Koloniallanden ist.

Lord Clive scheute vor gar keinen Mitteln zurück, um England diesen wert­

vollen Besitz zu sichern. Das Fundament, auf dem die endgültige Gründung des indischen Kolonialreiches beruht, ist der vielgenannte „Omichand-Ver­

trag“, den ein ganzer Wald von Intriguen umgibt.

Im Osten Indiens ziehen sich die fruchtbaren Gangesländer hin, die das reichste Land der Welt bilden. Bengal, das nominell unter der Oberhoheit des Großmoguls von Delhi stand, faktisch aber ein unabhängiger Staat unter dem Nawab war, wie hier der regierende Fürst genannt wurde, bildete ein internationales Streitobjekt. Im Mündungsgebiete des Ganges hatten Hol­

länder, Franzosen und Engländer ihre Faktoreien. Die Engländer hatten sich in Kalkutta niedergelassen, das sich alsbald zu einer blühenden Han­

delsstadt zu entwicklen begann.

Im Jahre 1742 hatte der afghanische Abenteurer Aliwardi Khan mit seinen unwiderstehlichen Scharen aus den Bergen des Nordens Bengal er­

obert. Er erwies sich als ein ausgezeichneter Herrscher. Als ihn seine Ge­

nerale dazu drängten, die gefährlich werdenden Engländer aus dem Lande zu treiben, gab er ihnen die Antwort: „Es ist schwer, das Feuer auf dem Lande zu löschen; wie soll man löschen können, wenn die See in Flammen steht?

Er meinte mit seinen Worten die überlegene englische Flotte. Sein Nach­

folger wurde sein Neffe, Mirza Mahmud, den er adoptiert hatte. Als er den Thron bestieg, wurde er Suradsch-ud-Daulu genannt, das bedeutet „Licht des Reiches“. Unter diesem Namen ist er in der Geschichte Indiens bekannt. Er wird geschildert als ein leidenschaftlicher, gewalttätiger, ehr­

geiziger Mann, oder besser Jüngling, da er bei seiner Thronbesteigung erst siebzehn Jahre zählte, der mit der unbedingten Despotie des Orientalen regierte. Er wußte, daß in seiner Hand die größte Macht Ostindiens vereint war. Engländer, Franzosen und Holländer buhlten um die Gunst dieses mächtigen Fürsten. Lange Zeit hatte auch Lord Clive um die Gunst dieses Despoten geworben, der sich bald mit den Franzosen, bald mit den Englän­

dern verbündet hatte. Da die Macht des Nawab für England immer gefähr­

licher wurde, faßte Lord Clive den Plan, ihn zu entthronen. Während er ihm die freundlichsten Briefe schrieb, trat er mit einigen Großen seines

140 Das koloniale Sündenregister Deutschlands und anderer Staaten

Hofes in Verbindung und zettelte eine Verschwörung an. Der Hauptagent

Hofes in Verbindung und zettelte eine Verschwörung an. Der Hauptagent