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Daß das Wort von dem deutschen Imperialismus, von dem Streben nach Weltherrschaft ein Spielen mit Worten, ein gefährliches Spielen war, ersehen wir am besten aus dem Kolonialbesitz der Großstaaten Europas. Durch die Monroe-Doktrin wurde Amerika, der Norden wie der Süden, als Betätigungs­

feld für Kolonialbestrebungen von Seiten europäischer Mächte ausgeschaltet.

„Amerika den Amerikanern!” Das ist der Sinn der Monroe-Doktrin. Eifer­

süchtig wacht Amerika über seinen Besitz. Trotzdem hat England sich bis heute einen ungeheueren Besitz in Kanada und Neufundland gewahrt. Ebenso hat Frankreich noch in Französisch-Kanada eine einflußreiche Sphäre. In den eigentlichen Kolonialgebieten, in Australien, in Ozeanien und in der Südsee, in Asien und in Afrika war die Weltherrschaft Englands vor dem Kriege eine fertige Tatsache. In Asien war sein mächtigster Konkurrent Rußland, das sein Gebiet vom Eismeer bis an die Grenzen Indiens vorgeschoben hatte, eine zu­

sammenhängende Ländermasse von 25 Millionen qkm. Das kleine Holland hatte sich seinen kostbaren Besitz in Insel-Indien gewahrt, wenn auch Eng­

land alle wichtigen Punkte, vor allem Singapore, besetzt hielt. Aus seiner reichsten und bedeutendsten Domäne, aus Indien, hatte England alle Rivalen hinausgedrängt. Nur mehr Bagatellen sind es, was Frankreich und Portugal dort besitzen. Wenn Frankreich auch einen wichtigen Besitz in Hinter-Indien hatte, so lag er rings von englischem Besitz eingekeilt. Einen wichtigen Faktor bildete der Besitz der Türkei, der von den Dardanellen bis an den Persischen Golf reichte, der auf der asiatischen Seite und in Arabien den Weg nach Indien flankierte, wie durch Ägypten die afrikanische Seite flankiert wurde. Durch den Krieg hat England diese drohenden Flanken seines wichtigsten Weltweges Indien - Ostasien zu Bollwerken seiner Welt­

politik ausgestaltet. Aus Ägypten und dem Sudan hatte England nach lang­

andauernden Fehden und in zäher Politik Frankreichs Einfluß aus­

geschaltet, das immer wieder versuchte, von seinem afrikanischen Nordwest­

besitz aus sich einen Zugang zu den Nilländern zu verschaffen. Wie für England die Verbindung Kap-Kairo als Grundstein seiner Afrikapolitik galt, so für Frankreich die Verbindung Niger - Nil. Wohl standen Ägypten und der Sudan rechtlich und politisch unter der Oberhoheit der Türkei. Die fak­

tische Macht hielt aber England fest in der Hand. Weder Italien noch

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Frankreich ließ es in seine Interessengebiete dringen. Einzig Abessinien be­

hauptete seine wirkliche Unabhängigkeit in dem ganzen weiten Erdreich von Afrika. Nominell unabhängig war die kleine Negerrepublik Liberia.

Die Besitzungen der ehemals übermächtigen Kolonialmächte Portugal und Spanien waren im Vergleich zu den Besitzungen Englands und Frank­

reichs bedeutungslos. Der belgische Kongostaat kam als weltpolitischer Faktor nicht entscheidend in Betracht, ebensowenig die im Verhältnis zu den Besitzungen Englands und Frankreichs kleinen Gebiete Deutschlands.

Australien und der ganze Inselbesitz Ozeaniens war mit Ausnahme der Philippinen und der Besitzungen Deutschlands und Frankreichs englischer Machtbereich. Kaukasien... 470 000 „ 10000 000 Sibirien... . 14 500 000 „ 12 000 000 Einflußgebiet von Mongolei und

Mandschurei... . 4 000 000 „ 10 000 000 England:

Amerika-Kanada... . 10 000 000 „ 7 000 000 Afrika... . 6000 000 „ 40000 000 Australien und Südsee . . . . 8 000 000 „ 7 000 000 Asien-Indien... . 5000000 „ 350 000 000 Vereinigte Staaten:

Philippinen... 300 000 „ 10 000 000 Frankreich:

Afrika... . 7 000 000 „ 30000 000 Asien-Indochina... 700 000 „ 18 000 000 Neu-Caledonien... 20000 „ 27 000 Polynesien... 5000 „ 25000 Neue Hebriden... 5 000 „ 30000 Holland:

Afrika, Kongostaat... . 2 000 000 „ 10 000 000

Die Kolonialkarte der Welt vor dem Kriege 21

Afrika, Erithrea... 100000 „ 450 000

Somaliland .... 350000 „ 600000

Tripolitanien (Libyen) . 1000 000 „ 500 000 Deutschland:

Afrika:

Deutsch-Ostafrika... 997 000 „ 7 645000

Deutsche 1 885 Deutsch-Südwestafrika .... 833 000 „ 180 000

„ 14 830 Palau-Inseln... 450 „ 4 000 Marschallinseln mit Nauru . . . 405 „ 10 000 Kaiser-Wilhelm-Land (Neuguinea) 181650 „ 250 000 Bismarckarchipel u. Salomon-Inseln

mit Buka und Bougainville . 50 000 „ 100000 Samoa... 2 572 „ 30 000 Die Angaben über unsere afrikanischen Kolonien stimmen genau. Die anderen Angaben gebe ich nur schätzungsweise, da die verschiedenen Sta­

tistiken voneinander abweichen, aber wesentlich doch so ziemlich stimmen dürften.

Wenn man die Ländergebiete von dem kolonialen Besitze Deutschlands mit denen der großen Kolonialmächte vergleicht, so muß man schon selt­

same Träume spinnen, um aus ihnen eine Weltvorherrschaft Deutschlands herauskonstruieren zu können. Weder an Größe noch an Bedeutung, weder an strategisch beherrschender Lage noch an Reichtum und Volkszahl boten die Schutzgebiete Aussicht auf eine Vorherrschaft unter den Nationen. Nicht einmal erreichte unser Kolonialbesitz mit rund 2% Millionen qkm Umfang

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auch nur den zehnten Teil von dem Englands oder Rußlands. Ohne Aus­

nahme waren die Schutzgebiete fast völlig unerforschtes Land mit vielfach grausam-wilder Bevölkerung, deren Erwerb von Anfang an auf die zivili­

satorische und kulturelle Kolonisation als Grundforderung hinwies, ehe sonst etwas aus diesen Gebieten herauszuholen war. Selbst das Gebiet von Kiautschou, das in der alten Kulturprovinz Schantung lag, harrte noch der Erschließung. Reichtümer und Schätze waren nicht zu holen, wie einst aus den goldschimmernden Reichen der Inkas oder den märchenhaft reichen Staaten der indischen Radschas. Schwere Arbeit mußte geleistet werden in Land und Volk, um dort einen Platz an der Sonne für die Weißen zu er­

schließen. Zudem lag keine von allen Kolonien auf einem überragend stra­

tegisch wichtigen Punkte, wie etwa Suez oder Singapore, so daß sie eine Be­

drohung für einen der umliegenden Staaten bedeutet hätte. Die meisten oder alle Kolonien waren ringsum von mächtigen Reichen eingeschlossen; die Basis des Mutterlandes lag Tausende von Seemeilen weg; die Küsten lagen schutzlos und offen. Die Besatzungen waren so schwach, daß kaum genügend Polizeisoldaten zum Schutze der öffentlichen Ordnung bereit­

standen. Von einer Militärmacht zu reden, die gegen eine Großmacht hätte eingesetzt werden können, wäre lächerlich. Der Krieg hat es bewiesen, daß das Gerede von der drohenden Weltmachtstellung Deutschlands durch die Kolonien Übertreibung war. Die meisten Kolonien brachten nicht einmal ein kriegsmarschmäßig ausgerüstetes Regiment auf die Beine. Wehrlos lagen sie rings von mächtigen Feinden umgeben.

In seinem Buche „England and Germany“ schreibt der Amerikaner Berna­

dotte Everly Schmitt einige Sätze, die allerdings etwas ganz anderes bewei­

sen sollen, nämlich die Überflüssigkeit unserer Flotte, die aber in Wirklich­

keit beweisen, daß Deutschland gerade durch seine Flotte in den Stand ge­

setzt wurde, aktive Kolonial- und Handelspolitik wie andere Mächte zu treiben, ohne kriegerische Ziele zu verfolgen. Er schreibt: „Was sind die Tatsachen? Zwischen 1884 und 1899, während des Zeitraumes, wo die deutsche Flotte quantite negligeable war, sicherte sich Deutschland all die Kolonien, die es zu Beginn des großen Krieges hatte, mit Ausnahme dessen, was Frankreich 1911 für das Protektorat über Marokko anbot. Zwischen 1906 und 1914, wo die deutsche Flotte im Bau war, entwaffnete England in Ägypten die französische Opposition, Frankreich erhielt Marokko, Italien nahm Tripolis, Österreich-Ungarn festigte seine Stellung in Bosnien, Ruß­

land annektierte praktisch die Mandschurei und stellte ein Protektorat über die Mongolei her. Selbst die kleinen Balkanstaaten beraubten den unsagbar

Die Kolonialkarte der Welt vor dem Kriege 23 elenden Türken, der der erklärte Freund Deutschlands war. Spanien erhielt einen Teil von Marokko und Belgien den Congo als Legat König Leopolds.

Deutschland allein erhielt nichts oder fast nichts; denn die Congo-Kon- zessionen von 1911 befriedigten seinen Appetit nicht. Ob die Mächte der Triple-Entente für dies Aushungern einer hungrigen Nation verantwortlich waren oder nicht, so ist es doch evident, daß die deutsche Flotte keinen an­

gemessenen Ausgleich bot für die kolossalen Summen, die zu ihrem Bau auf­

gewendet wurden, auch war sie Deutschland von keinem hohen Wert wäh­

rend des Krieges. Von Tatsachen aus bewertet, war die ganze Politik, die mit Flotten-Expansion verbunden war, ein bedauernswerter Mißgriff und ein Bock, für den Deutschland durch die Teilnahme Groß-Britanniens am Kriege zu zahlen hatte.

Dieses sicher unverdächtige Zitat eines nicht der Freundschaft für Deutschland verdächtigen Zeugen, das allerdings gegen Deutschland spre­

chen soll, könnte bei einer Anklage gegen Deutschland gar keine bessere Rechtfertigung für dessen friedliches Streben in dem kritischen Jahrzehnt vor dem Kriege darstellen. Man könnte den Schluß des Zitates so etwas wie „aus der Schule plaudern“ nennen in der offenherzigen Darlegung des Kriegsgrundes Englands, der nicht die Verletzung der belgischen Neutralität, wie es immer heißt, angibt, sondern einen ganz anderen Grund — den .Bock’

unserer Flotte, wie der Amerikaner von seinem amerikanischen Standpunkte aus es offen ausspricht. Sicher lag dem Kampfe Englands gegen unsere Schutzgebiete ebenso ein ganz anderes Motiv zugrunde, das in der Ver­

schiebung der Kolonialkarte nach dem Kriege zum Ausdruck kommt.

Ein englisches Urteil spricht ebenfalls in dürren Worten für das be­

scheidene Beiseitestehen Deutschlands im Expansionsbestreben der Kolonial­

mächte. „Im November 1912 annektierte Italien die türkischen Vilajets Tripolis und Benghasi, denen es den Namen Libyen gab. In demselben Jahre übernahmen die Vereinigten Staaten die Finanzkontrolle in Liberia, das 1910 ein Stück Hinterland an Frankreich hatte abgeben müssen. Im Jahre 1914 wurde das britische Protektorat über Ägypten verkündet.”

Man könnte noch auf die Annektion von Korea und Formosa durch Japan, die Expansion Rußlands in der Mongolei und Mandschurei, die Englands in Tibet und Persien, die Annektierung von Hawai und den Philippinen durch Amerika hinweisen. Wie man bei dem Kolonialbesitz Englands von fast 30 Millionen qkm, dem Rußlands von 20 Millionen qkm, dem Frankreichs von 10 Millionen qkm, von der Weltherrschaft Deutschlands bei seinen 2%

Millionen qkm sprechen kann, ist doch seltsam.

Die Verschiebung der kolonialen