• Nie Znaleziono Wyników

Veranderungen in der polnischen Verwaltungsstruktur

Nach allgemeiner Definition gilt ais Region eine verhaltnismaBig homogene Raumeinheit, die sich von anderen anliegenden Regionen durch naturliche oder er- worbene Merkmale abgrenzen lasst. Wahrend die Grenzen naturraumlich und geo- graphisch definierter Regionen keine groBeren Kontroversen hervorrufen, geben wirtschaftlich-administrativ bestimmte Regionen oft Anlass zu massiven Auseinan- dersetzungen. Der Regionalismus, verstanden ais eine Vorgehensweise von Verwal- tungsorganen zur Fórderung lokaler Kultur, lokaler Bedurfnisse und Aspirationen, findet im Wesentlichen Ausdruck in Bestrebungen hin zu einer gewissen kulturellen Absonderung und zur Betonung lokaler Errungenschaften (Sehenswiirdigkeiten, einheimische Kunst, Tradition) sowie in der Mundartpflege und geht oft einher mit Forderungen nach Sonderrechten innerhalb des Nationalstaats. Eine fiir das Gebiet einer Region zustandige Verwaltungsbehorde bedeutet gleichzeitig zahlreiche Ar- beitsplatze sowie Teilgebiete mit bedeutendem gesellschaftlichen Prestige. Man kann also sagen, dass wir es in der administrativen Aufteilung gleichzeitig mit kulturhisto- rischen und politischen Elementen zu tun haben. Die Ursachen der Kontroversen po­

litischer Art sind besser zu verstehen, wenn man sich die grundsatzlichen Verande- rungen in der Verwaltungsstruktur Polens im Laufe der Zeit vor Augen fuhrt.

Viele behaupten, dass seit der Zeit, ais Boleslaus III. (Schiefmund) das Land un­

ter seinen Sohnen aufteilte, der „Fluch des Schiefmund” uber Polen liege, das seit- dem immer wieder Teilungen und haufige administrative Veranderungen iiber sich hat ergehen lassen mtissen. Im 20. Jahrhundert lebte jede Generation in Polen unter einer anderen territorialen Verfassung.

Die Anstrengungen der Regierungen der II. polnischen Republik waren vor allem auf die Beseitigung der Unterschiede gerichtet, die nach den polnischen Teilungen

100 A d o lf Kiihnem ann

entstanden waren. Am 1. April 1939 war Polen aufgegliedert in iiber 40 Tsd. Klein- gemeinden, 3195 Dorfgemeinden, 264 Kreise (darunter 23 kreisfreie Stadte) und 17 Woiwodschaften (die Hauptstadt Warszawa hatte den Status einer Stadtwoi- wodschaft). Die durchschnittliche Woiwodschaft zahlte 1,5-3 Mio. Einwohner und ihre Flachę erstreckte sich auf 4,0-37 Tsd. km2.

1945 musste Polen seine Ostgebiete abtreten und es kam zu einer Verschiebung des Staatsgebietes von Ost nach West. Innerhalb dieser neuen Grenzen wurde eine Untergliederung in 16 Woiwodschaften vorgenommen (darunter zwei Stadte mit Woiwodschaftsstatus, Warszawa und Łódź).

1950 kamen noch weitere Woiwodschaften hinzu: Koszalin, Zielona Góra und Opole; in der Kraków, Poznań und Wrocław Woiwodschaft wurden zudem die Hauptstadte zu Stadtwoiwodschaften erhoben. Diese administrative Aufteilung in 22 Woiwodschaften, darunter 5 Stadte mit Woiwodschaftsstatus, hatte bis 1975 Bestand.

Haufiger wurden Veranderungen in der Aufteilung des Staates auf lokaler Ebene durchgefuhrt. 1954 wurden die Gemeinden aufgelost und 8889 Kleingemeinden ge- bildet. Spater wurde die Zahl wieder schrittweise reduziert - 1972 bis zur Halfte (4315). Ganz anders verhielt es sich mit den Kreisen. Die Zahl der Kreise ist von 299 (darunter 29 kreisfreie Stadte) im Jahre 1946 auf 391 (darunter 74 kreisfreie Stadte) im Jahre 1972 gestiegen. Am 1. Januar 1973 wurden die Kleingemeinden ganz abgeschafft und an ihre Stelle traten 2381 Gemeinden.

Bei der 1975 durchgefuhrten Neugliederung Polens in 49 Woiwodschaften wur­

den die Kreise abgeschafft. Im Buch Przerwana dekada1 begriindete Edward Gierek, der ehemalige I. Sekretar des Zentralkomitees der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei seine Entscheidung

Die spater ais „voluntaristisch” bezeichnete Reform von Gierek setzte einen Schlussstrich unter die nach 1918 vorgenommene administrative Aufteilung Polens in drei Verwaltungsebenen, die Kleingemeinden (Gemeinden), die Kreise und die Woiwodschaften. Infolge der Neuordnung stiegen Tausende Parteiaktivisten zu Be- amten in den 32 neu entstandenen woiwodschaftlichen Stadten auf und wurden da- mit zu Profiteuren der Reform.

Gierek hat sich 1980 aus der Politik zuruckgezogen, und direkt nach seinem Riicktritt kam es zu ca. 180 Antragen auf Revision der Woiwodschaftsgrenzen.

1982 hat die Regierung ein Gutachten iiber die Verwaltungsreform von 1975 be- stellt. Die dreijahrigen Untersuchungen haben bestatigt, dass sie die historisch ge- wachsenen kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Bindungen missachtet hat. Die

1 E. G ierek, P rzerw ana dekada, W arszaw a 1990.

Region zw ischen W irtschaft und P olitik 101

Verfasser des Schlussgutachtens, die Professoren A. Stasiak und J. Kołodziejski, sprachen sich fur eine zweistufige Gliederung des Landes in Gemeinden und Woi- wodschaften aus, dabei schlugen sie jedoch vor, die Zahl der Letzteren auf 41 zu verringem. Fiir die damalige Regierung, die mit irnmer gróBeren Wirtschaftsproble- men zu kampfen hatte und den Druck der im Entstehen begriffenen Opposition am eigenen Leib zu spiiren bekam, waren diese Vorschlage zu radikal, und somit wur­

den die Akten geschlossen.

So endete das Zeitalter der Volksrepublik Polen, in dem der Staat sich unter der alleinigen und einzig richtigen Fuhrung der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei befand. Wie der Aussage von Edward Gierek zu entnehmen ist, hatten trotz der offi- ziell einheitlichen Fuhrung „viele vorgefundene Sippschaften” das Sagen. Die ge- sellschaftlich-politische Wende um das Jahr 1989 machte eine tiefgreifende Um- strukturierung von Staat und Wirtschaft zusammen mit einer administrativen Neugliederung des Landes notwendig.

Der gesellschaftliche und politische Umbruch und die adm inistrative Neuverteilung

Im Mai 1990 wurde in der Mitte der Amtsperiode der Regierung T. Mazowiecki die Arbeitsgemeinschaft zur Ausarbeitung des Konzeptes fiir Veranderungen in der territorialen Struktur des Staates ins Leben gerufen. Die Arbeitsgemeinschaft schlug Anderungen fur eine Neugliederung des Landes vor, man wollte diese aber nicht durchfuhren, bevor man nicht die kiinftige Staatsform in einer neuen polnischen Verfassung festgelegt hatte, die planungsgemaB im Jahre 1991 anlasslich des 200- -jahrigen Jubilaums der Verkiindung der ersten Verfassung vom 03.05.1791 verab- schiedet werden sollte. Letztendlich kam es aber erst 1997 zu ihrer Verabschiedung.

Bis dahin war das Amt des Ministerprasidenten schon von einer ganzen Reihe von Politikem bekleidet worden. Praktisch jeder von ihnen hatte eine Verwaltungs- und Staatsreform angekiindigt. Es wurden irnmer neue Arbeitsgruppen von Sach- verstandigen berufen (beispielsweise die des Senators J. Stępień), schlieBlich sogar ein Regierungsbeauftragter fur die Verwaltungsreform bestellt (Prof. M. Kulesza).

Leider ereilte ąuasi alle das gleiche Schicksal: Ais die Arbeiten fast abgeschlossen waren, wechselte die Regierung und die Reformkonzepte landeten wieder in der Schublade. Weder die mit groBer Autonomie ausgestatteten „polnischen Lander”

nach der Fassung von L. Mażewski noch die Selbstverwaltungskreise nach dem Konzept von Prof. M. Kulesza erlebten ihre Umsetzung. Zugleich zeigten die Er- fahrungen der Regierung von Waldemar Pawlak, dessen Experten (wie zum Bei- spiel Prof. A. Stasiak) zu „intensiveren Anstrengungen bei der Aufbauarbeit im ge- genwartigen Rahmen der Gebietsselbstverwaltung” aufriefen und die Verantwortlichen aufforderten, „eher nach unten” herabzusteigen, ais „nach oben” zu klettem, dass der „Weg der naturlichen Evolution” nicht in Richtung einer burokratischen Macht- konzentration, sondem vielmehr in entgegengesetzter Richtung verlauft. Dies war

102 A d o lf K uhnem ann

der Stand der Dinge in der Politik, ais das Jahr 1997 anbrach. Es wurde klar, dass der Schltissel zur Veranderung des politischen Systems nicht in der Einrichtung oder Abschaffung eines Ministeriums oder einer Abteilung liegt, sondem in den Geldmittelstromen innerhalb Polens. In diesem Bereich kollidierten die Kompeten- zen der Gemeinden mit den Kompetenzen der Woiwodschaften. Die Gemeinden waren zu klein, um die Bedurfnisse der erheblich groBeren Regionen zu befriedi- gen. Letztendlich hingen alle am Geldhahn des zentralen Staatshaushaltes, wo je- doch die tatsachliche Gewalt nicht mehr durch die Selbstverwaltung, sondem durch einen Beamten des Finanzministeriums ausgeubt wurde. Dadurch hatten die Politi- ker immer eine gute Ausrede parat: Wann immer etwas schief lief, konnte man dem Finanzminister die Schuld in die Schuhe schieben, dem Mann mit den zugeknópften Taschen. Fur Soziologen und Volkwirtschafter ist dies ein Verhalnis nach dem Mu- ster „Schutzherr und Schutzlinge” und der direkte Weg in die Korruption.

Dass sich die Koalition schlieBlich doch noch der Verwaltungsreform angenom- men hat (mindestens in Erklarungen), mag iiberraschen. Immerhin war eine der Ur- sachen des Wahlerfolges von 1993, dass trotz der zuvor durch die „Solidamość”-nahen Parteigruppierungen durchgefuhrten personellen Neubesetzungen die Linksparteien SLD und PSL ihre alten Seilschaften in den hergebrachten Strukturen der Gebiets- kórperschaften, Organisationen und Finanzeinrichtungen hatten. Viele Anhanger dieser Parteien haben in den alten Verwaltungsstrukturen Karriere gemacht. Sie nutz- ten ihre fruheren Erfahmngen und bauten aus den noch bestehenden lokalen Seil­

schaften neue zugunsten der SLD und in noch starkerem MaBe fur die Bauempartei PSL. Warum sollte man zerstóren, was sich noch ais niitzlich erweisen konnte?

Aus dem, was die PSL in der Sache vorgeschlagen hat, war zu erkennen, dass man mit den Veranderungen in den Gebietskórperschaften der Selbstverwaltung und der óffentlich-rechtlichen Verwaltung nichts ubertreiben wollte. Der neue Pra- mierminister Leszek Miller stellte 1997 fest: „Man sollte eine Reform der Woi­

wodschaften anstreben”, obwohl er damals die Frage des „warum” offen lieB. Man wollte auch nicht sagen, um was fur eine Reform es sich konkret handeln sollte.

Das Biindnis der demokratischen Linken (SLD) hat sich fiir den Entwurf des Geset- zes uber die Selbstverwaltung der Kreise eingesetzt, und die Bauempartei (PSL) versuchte ihren Gesetzesentwurf uber die Selbstverwaltung der Woiwodschaften durchzusetzen.

Man konnte den Eindruck gewinnen, dass es fiir die Politiker aller Gruppierun- gen, die damals an der Macht waren, beąuemer war, „den Hasen zu jagen, ohne ihn zu erlegen”. Ein jeder gefiel sich dabei, so genannte allgemeine Leitlinien der Ge- bietsreform zu verkiinden, weil das doch zu nichts verpflichtete, im Gegenteil - es half, bei den Wahlem im Sinne einer „Sorge um den Staat” zusatzlich Punkte zu ge­

winnen, dagegen scheute man sich aber wie ein gebranntes Kind das Feuer, die Landkarten mit den Einzelheiten zum Verlauf der kiinftigen Woiwodschaftsgrenzen offen zu legen.

Region zw ischen W irtschaft und P olitik 103

Psychologie und das Gefiihl der Bedrohung sind starker ais Sachargumente. Jede gróBere Region Polens hat ihre eigenen Experten, die bereitwillig zu Diensten ste- hen, wenn es darum geht, Beweise vorzulegen, warum die Abschaffung dieser oder jener Woiwodschaft „aus der Sicht der kiinftigen Interessen des Staates unzulassig”

ist. Jacek Mojkowski2 erzahlte die Anekdote, dass die Befurworter der Woi­

wodschaft Lodz einmal ein Reformkonzept verwerfen wollten, weil die Bezeich- nung der gróBeren Region, in der sie eventuell aufgehen sollten, Łęczyce-Sieradz- Land und nicht, wie gewunscht, Woiwodschaft Łódź lauten sollte... Im heutigen Verwaltungsaufbau gibt es tatsachlich eine „Woiwodschaft Łódź”. Man sollte auch andere Beispiele in Betracht ziehen. Die finanziell gesehen starkste Woiwodschaft, die sich mit Abstand von allen anderen Woiwodschaften abhebt, ist laut Statistiken Masowien, obwohl doch jeder weiB, dass die Woiwodschaft diese Stellung einzig und allein der Hauptstadt Warszawa verdankt und das Umland in keiner Weise eine solche Sonderstellung verdient.

Letztendlich unterzeichnete Prasident A. Kwaśniewski 1998 das Gesetz iiber die territoriale Neugliederung des Staates in 16 Woiwodschaften sowie die Wahlord- nung fur die Gemeinderate, Landkreistage und Landtage (Sejmik) der Woi­

wodschaften. Die Tageszeitung „Rzeczpospolita”3 berichtete: „Der Staatsprasident hegt die Hoffnung, dass die verabschiedeten Gesetze sich bewahren, den Prozess der Dezentralisierung des Staates voranbringen und die Selbstverwaltung und die Stellung der Burger mit dem 1. Januar des kommenden Jahres starken werden” (zi- tiert nach der Verlautbarung des Presseamtes der Kanzlei des Staatesprasidenten).

Man schaffte also die formellen Grundlagen flir rechtliche und organisatorische Strukturen zur Zentralisierung des óffentlichen Verwaltungsbereiches.

Die Verschmelzung der Hauptstadt Warszawa mit der Woiwodschaft Masowien ermóglichte die Bildung der grofiten Woiwodschaft Polens, und zwar sowohl im Hinblick auf die Flachę (35 566 km2) ais auch auf die Einwohnerzahl (5146 Tsd.).

Allein die Hauptstadt Warszawa zahlte 2004 an die 1,7 Mio. Einwohner. Die fla- chenmaBig kleinste Woiwodschaft ist die Woiwodschaft Oppeln (9412 km2), wah- rend von der Bevolkerungszahl her die Woiwodschaft Lebus die kleinste Woi­

wodschaft (1009,2 Tsd.) ist; die Oppelner Woiwodschaft hat 1051,5 Tsd.

Einwohner, die Schlesische Woiwodschaft 4,7 Mio.

2 „P olityka” 1996, nr 11.

3 „R zeczpospolita” 1998, 27 lipca.

104 A d o l f K u h n e m a n n

Die Bedeutung des Staates in der Regionalpolitik

In der Struktur der regionalen Gliederung des Landes zeichnete sich eine neue Etappe von Umwandlungen ab. Kraft Verordnung des Ministerrates vom 27.04.2004 wurde die Systematik der Gebietseinheiten fur die Statistik (NUTS) be- kannt gegeben, was die Herausbildung eines neuen Netzes groBer Gebietseinheiten bedeutete. Diese Einheiten bilden die NUTS-l-Ebene und umschlieBen mehrere Woiwodschaften. Unter den 6 Einheiten gibt es eine siid-westliche Einheit, die aus der Niederschlesischen und Oppelner Woiwodschaft besteht. Die sudliche Einheit umschlieBt die Schlesische (4,7 Mio. Einwohner) und Kleinpolnische Woi­

wodschaft (3,3 Mio. Einwohner). Die Zahl der Raumeinheiten ist verhaltnismaBig gering, und vielleicht liegt gerade darin das regionalplanerische Konzept der Zukunft?

In der Europaischen Union unterscheidet man drei Typen von Raumeinheiten, also Regionen. Die erste Ebene bilden 68 Verwaltungseinheiten, wie die deutschen Lander oder die franzósischen „Bewirtschaftungszonen”. Die zweite Ebene liefert die Grundlage fur die Ausarbeitung und Erfassung regionaler Statistiken der Euro­

paischen Union und besteht aus 166 Einheiten. Dariiber hinaus gibt es eine Gliede­

rung von 822 kleineren Regionen und GroBstadten auf der dritten Stufe. Die euro­

paischen Regionen sind vor allem fiir statistische Zwecke geschaffene Erhebungseinheiten, die nicht immer den tatsachlichen wirtschaftlichen und admini- strativen Gegebenheiten entsprechen. Kulturelle Differenzen spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle4.

In der Raumbewirtschaftungsproblematik stellt sich unmittelbar die allgemeine Frage nach der Rolle des Staates in der Wirtschaft, aber auch die Frage der Gewal- tenteilung zwischen den politischen Interessensgruppen und Yerwaltungsebenen.

und der S elbstverw altung 138 295 366 388

- allgem ein 124 237 326 339

Region zw ischen W irtschaft und Politik 105

Die Geldstróme in den Geschaftsbereichen der óffentlich-rechtlichen Regie- rungsstellen und der Selbstverwaltung sind verhaltnismaBig groB: Je nach Ermitt- lungsmethode machen sie in Polen fast die Halfte des Inlandsproduktes aus. Die Be- urteilung der Rolle von Wirtschaft und Staat fallt je nach politischem und medialem Kalkiil unterschiedlich aus und kann liberał, sozial, „lumpenliberal” usw. gepragt sein. Die objektiven Bedingungen fur den Umbau des Wirtschaftssystems kommen dabei weniger zum Tragen. Eine Umsetzung dessen, was der Staatsprasident 1998 in Aussicht gestellt hat, namlich einen Prozess der Dezentralisierung des Staates so­

wie eine Starkung der Selbstverwaltung und der Position der Burger, ist in diesen Zahlen kaum zu erkennen.

* * *

Auf dem Wege von den Stammen der Urzeit in die industrielle Gesellschaft ge- langte die Entwicklung des verarbeitenden Gewerbes, wie es scheint, im 19. Jahr- hundert an einen Punkt, an dem die sich herausgebildete Nation ihrem Staatsgebilde eine optimale Organisationsform verliehen hat.

Seit dieser Zeit entwickelten sich produktive (und destruktive) Krafte in einer Weise, die die nationale Organisationsform mehr zum Hindernis oder sogar zur Be- drohung werden lieB. Die nationale Unabhangigkeit im Sinne des Vólkerrechts wur­

de immer mehr zur Fiktion. Gegenwartig wird der Begriff „Ausland” fur die Jugend Europas zu einem Teil der Erinnerungen ihrer Eltem. Fiir die Vorstande und Fiih- rungskrafte groBer Gesellschaften gilt ais HandlungsmaBstab heute praktisch nur noch die Bewertung des personalen Faktors, der Herstellungskosten und der Bedin­

gungen des Absatzmarktes.

Der Tatsache, dass „nationale Grenzen” in wirtschaftlicher und politischer Sicht immer mehr an Bedeutung verlieren, ist auch in der regionalen Problematik und in der regionalen Strukturpolitik im Rahmen des bisherigen Verwaltungsaufbaus des Staates Rechnung zu tragen. Die groBe Wende von 1989 eróffnete Mittel- und Ost- europa neue gesellschaftliche Entwicklungschancen. Die Region bleibt hier ein we- sentlicher Faktor der politischen Machtverteilung in der Wirtschaft (ais MaBstab fiir die Leistungsstarke des lokalen Absatzmarktes) sowie in der Kultur (Betonung lo­

kaler Werte und Emmgenschaften).

Aktive und erfolgreiche regionale Wirtschaftspolitik erfordert den Ausgleich zu groBer Ungleichgewichte in der Wirtschaftsentwicklung zwischen einzelnen Gebie­

ten sowie die Anerkennung regionaler Sprachen. Das zu verfolgende Ziel ist eine Steigerung der aktiven Auseinandersetzung mit der lokalen Kultur, die Entwicklung regionaler und lokaler Verkehrsmittel sowie der Schutz órtlicher Sehenswtirdigkei- ten und des Kulturerbes. Eine ausgewogene und nachhaltige Regionalpolitik kann der Politisierung des Regionalismus und der regionalen Frage vorbeugen.

Norbert Eickhof

Uniwersytet w Poczdamie

Opcje polityki regionalnej