• Nie Znaleziono Wyników

Am 3. Oktober 1990 erfolgte die Wiedervereinigung Deutsehlands. Damit ging die 40-jahrige unterschiedliche Entwicklung der politischen, sozialen und wirt- schaftlichen Systeme in West- und Ostdeutschland zu Ende. Inzwischen sind mehr ais 15 Jahre vergangen, und es stellt sich die Frage, was bislang erreicht worden ist und was noch zu tun ist. Dabei móchte ich mich auf den Politikbereich konzentrie- ren, mit dem sich mein geschatzter Kollege Klaus Gloede wissenschaftlich in erster Linie beschaftigt hat, namlich mit der Regionalpolitik.

Eine Zwischenbilanz

Zur Zeit der Wiedervereinigung betrug das Pro-Kopf-Einkommen in den so genann- ten neuen Bundeslandem nur knapp 38% des westdeutschen Wertes. Im Osten bestand in wirtschaftlicher Hinsicht ein gewaltiger Reform- und Nachholbedarf. Zum einen musste das gesamte Wirtschafts- und Sozialsystem transformiert werden. Zum anderen war die komplette Wirtschaftsstruktur an die neuen Markterfordemisse anzupassen.

Trotz der umfangreichen Reform- und Modemisierungsaufgaben war man zu- nachst recht optimistisch. Man glaubte, die Integration der neuen Bundeslander sei in einigen Jahren zu bewaltigen. Ais sich allerdings abzeichnete, dass der Auf- schwung Ost wohl doch nicht so schnell kommen wurde, wurde 1993 der erste Soli- darpakt zwischen dem Bund und den Landern verabschiedet.

Dieser Solidarpakt I galt sodann von 1995 bis 2004. In ihm wurden bestimmte Zahlungen des Bundes an die neuen Lander festgelegt. Die entsprechende Summę betrug 105 Mrd. Euro. Diese Summę stellt jedoch nur einen Bruchteil der Transfer- leistungen von West nach Ost dar.

Insgesamt beliefen sich die Bruttotransferleistungen von 1991 bis 2003 auf ca.

1,3 Bio. Euro1. Davon kamen knapp 20% der wirtschaftsnahen Infrastruktur sowie

1 IWH (Institut fur W irtschaftsforschung Halle), P ressem itteilung Nr. 21/2003, Halle (Saale) 2003.

8 - Polityka regionalna..

114 N orbert E ic k h o f

der Wirtschaftsfórderung zugute. Den groBten Anteil von rand 50% machten sozial- politisch gebotene Ausgaben aus. Die restlichen gut 30% stellten ungebundene und sonstige Zuweisungen dar.

Von diesen Brattotransfers von West nach Ost miissen allerdings die Riickfliisse von Ost nach West abgezogen werden. Letztere beliefen sich auf 325 Mrd. Euro bzw. auf ein Viertel der Brattotransfers. Damit ergeben sich fur die Zeit von 1991 bis 2003 Nettotransfers von West nach Ost in Hohe von 940 Mrd. Euro. Das sind mehr ais 72 Mrd. Euro pro Jahr. Durchschnittlich betrachtet, entsprechen die Netto­

transfers iiber 36% des ostdeutschen Brattoinlandsprodukts und gut 4% des west- deutschen BIP. Welche Auswirkungen haben nun die zahlreichen MaBnahmen auf die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland gehabt?

Zwar ist in den neuen Bundeslandem seit der Wiedervereinigung vieles erreicht worden. Allerdings kann der Prozess der wirtschaftlichen Angleichung an den We- sten keineswegs in allen Bereichen ais erfolgreich abgeschlossen betrachtet wer­

den'. So hat sich von 1991 bis 2003 das Bruttoinlandsprodukt in Westdeutschland um 35%, in Ostdeutschland dagegen um 129% vergróBert. Gleichzeitig ist das Pro- -Kopf-Einkommen in den neuen Bundeslandem von etwa 38 auf ca. 67% des west- deutschen Wertes gestiegen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass dieser Auf- holprozess bereits seit 1996 stockt.

Nachdem auch zehn Jahre nach der Wiedervereinigung ein selbsttragender wirt- schaftlicher Aufschwung in Ostdeutschland noch nicht erkennbar war, wurde iiber die Fort fuhrung des Solidarpakts zwischen dem Bund und den neuen Bundeslan­

dem verhandelt. 2002 wurde dann der Solidarpakt II fur die Zeit von 2005 bis 2019 beschlossen. Dieser Solidarpakt soli einen von den neuen Bundeslandem ermittel- ten Finanzbedarf in Hohe von 156 Mrd. Euro decken. Dabei sollen die Leistungen grundsatzlich degressiv gewahrt werden und ab 2009 relativ stark zuriickgehen.

Uber das, was im Einzelnen konkret getan werden sollte, gehen die Meinungen allerdings mehr oder weniger auseinander. Setzen die einen auf die Errichtung einer

„Sonderwirtschaftszone neue Bundeslander” und pladieren andere dafur, statt der Infrastruktur doch besser die Untemehmen in Ostdeutschland zu fordem, so emp- fehlen Dritte, die immer knapper werdenden Fórdermittel primar den Wachstums- zentren zu gewahren. Wie sind diese drei Optionen zu beurteilen?

Sonderwirtschaftszone neue Bundeslander

Uneinheitlich sind die Antworten auf die Frage, ob eine „Sonderwirtschaftszone neue Bundeslander” errichtet werden sollte3. Diese Frage ist jedoch inzwischen zu vemeinen. Was 1990 einen Versuch wert gewesen ware, kame heute zu spat:

2D IW (D eutsches Institut fur W irtschaftsforschung) et al., Z w eiter F ortschrittsbericht wirtschaftswissen- schaftlicher Institute iiber die w irtschaftliche E ntw icklung in O stdeutschland, H alle (Saale) 2003.

3 K.-H. Rohl, Sonderw irtschaftszonen ais Instrum ent der R egionalentw icklung, Koln 2004.

Regionalpolitische O ptionen fur O stdeutschland 115

Wie bereits angedeutet, gibt es ja schon seit 15 Jahren ein starkes Fórdergefalle zwischen Ost und West. Hinzu kommen geringere Preise, geringere Lóhne, langere Arbeitszeiten, schwachere Tarifbindungen sowie steuerliche Investitionsanreize in den neuen Bundeslandem. De facto existiert damit so etwas wie eine Sonderwirt- schaftszone Ost.

Zusatzliche MaBnahmen wie Lohnsenkungen auf osteuropaisches Niveau mit an- schlieBender Lohnsubventionierung auf westdeutsche Einkommenshóhen oder die Einfiihrung von Niedrigsteuem in den neuen Bundeslandem miissen abgelehnt wer­

den. Niedriglóhne, die der Produktivitat gering ąualifizierter Arbeitnehmer entspre- chen und erforderlichenfalls mittels Abgabenentlastungen oder Lohnsubventionen iiber das Arbeitslosengeldniveau aufgestockt werden, sind fur das ganze Bundesge- biet erwagenswert. Ein dartiber hinausgehender genereller Lohnverzicht in einzel- nen Bundeslandem erscheint dagegen vor allem aus sozialen Griinden nicht vertret- bar. Und weitere Steuersenkungen werden angesichts der allgemeinen deutschen Wachstumsschwache auch fur Westdeutschland gefordert. Femer widerspricht ein gespaltenes Steuersystem zwischen Ost und West den europaischen Harmonisie- mngsbestrebungen.

Infrastrukturausbau

Uneinheitlich sind femer die Antworten auf die Frage, ob auch weiterhin die In­

frastruktur in den neuen Bundeslandem gesondert gefordert werden soli. Gerade in jiingerer Zeit sind Forderungen laut geworden, statt der Infrastruktur doch besser die Untemehmen in Ostdeutschland zu fordem4. Eine solche Alternative jedoch ver- fehlt:

Ein GroBteil der Infrastruktur stellt óffentliche Giiter dar, das heiBt Giiter, von dereń Nutzung kein Interessent ausgeschlossen werden kann, wenn sie erst einmal bereitgestellt worden sind. Erwerbswirtschaftliche Untemehmen sind deshalb nicht bereit, óffentliche Giiter planmaBig herzustellen und anzubieten. Wegen dieses Marktversagens kann es fur den Staat geboten sein, fur die Bereitstellung óffentli- cher Giiter zu sorgen.

Insofem sollte der Ausbau der Infrastruktur in den neuen Bundeslandem unter strenger Berucksichtigung der demographischen Entwicklung noch so lange vom Bund gefordert werden, wie sie quantitativ und qualitativ hinter der in Westdeutsch­

land hinterherhinkt. Entsprechende Unterschiede vermindem sich jedoch von Jahr zu Jahr. Daher ist es richtig, dass die gerade fur den Abbau von Infrastrukturdefizi- ten vorgeschlagenen HilfsmaBnahmen des Bundes im Rahmen des Solidarpakts II wohl auch weiterhin, allerdings degressiv gewahrt werden.

4 K. D ohnanyi, E. von M ost, Kurskorrektur des A ufbau Ost. B ericht des G esprachskreises O st d er Bundes- regierung, H am b u rg -B erlin 2004.

116 N o rb ert E ickhof

W achstumszentren

Uneinheitlich sind schlieBlich die Antworten auf die Frage, wie die Wirtschafts­

forderung in den neuen Bundeslandern konkret fortgefiihrt werden soli. Zahlreiche Politiker wollen auch weiterhin gerade den strukturschwacheren Regionen den Vor- rang bei der Fórderung lassen. Andere schlagen vor, sowohl strukturschwache Ge- biete ais auch so genannte Wachstumszentren zu fordem. Beide Ansatze sind zwar politisch nachvollziehbar, aber volkswirtschaftlich verfehlt. Politisch sind sie nach- vollziehbar, weil sie auf „Ausgleich” bzw. „Gleichheit” zieleń und damit die Zahl der unzufriedenen Wahler minimieren. Volkswirtschaftlich sind sie allerdings ver- fehlt, weil sie eine weitgehende Fehllenkung knapper Ressourcen implizieren und einen selbsttragenden wirtschaftlichen Aufschwung in den neuen Bundeslandern auch weiterhin behindem.

Der Ansatz

Wiederum andere Politiker, aber auch Ókonomen befiirworten einen radikaleren Ansatz. Dieser basiert auf der Standorttheorie sowie auf der Theorie des ungleich- gewichtigen Wirtschaftswachstums, insbesondere jedoch auf der Neuen Wachstums- theorie und der Neuen Ókonomischen Geographie5. Nach diesem Ansatz werden strukturschwache Regionen auf eine vor allem sozialpolitisch motivierte Grundfór- derung reduziert. Dagegen kommen die ohnehin immer knapper werdenden Fórder- mittel primar den Wachstumszentren zugute, die auch ais Wachstumskeme oder Wachstumspole bezeichnet werden. Darunter sind regionale Schwerpunkte bzw.

Cluster zu verstehen, in denen innovative Produkte und Dienstleistungen hergestellt werden. Untemehmen und wissenschaftliche Einrichtungen wie Hochschulen und FuE-Institute sind in den Wachstumszentren stark vemetzt. Letztere verfiigen uber gute infrastrukturelle Anbindungen.

Von den einzelnen Mitgliedem der Wachstumszentren gehen wissensintensive Extemalitaten bzw. Spill-overs aus. Diese kommen anderen Mitgliedem zugute.

Die Extemalitaten strahlen aber auch in die strukturschwachen Regionen, die iiber gute Verkehrsverbindungen zu den Wachstumszentren verfiigen miissen. Agglome- rationsvorteile dieser Zentren, auch in „Localization” und „Urbanization Effects”

unterschieden, attrahieren weitere Untemehmen und wissenschaftliche Einrichtun­

gen. Eine nachhaltige Grtindungs- und Ansiedlungsdynamik kann sich ausbreiten.

Zentrales Element dieses innovations- und wachstumsorientierten Konzepts ist die vielfaltige Entstehung und schnelle regionale Nutzung von (positiven) Extema- litaten. Bekanntlich versteht man damnter Vorteile fur Dritte, die im Rahmen der marktlichen Tauschbeziehungen nicht beriicksichtigt bzw. vergutet werden. Ahnlich

5 P. R. K rugm an, In crea sin g R etu rn s a n d E conom ic G eography, „Journal o f Political E conom y” 1991, vol.

99, S. 4 8 3 -4 9 9 .

Regionalpolitische O ptionen fiir O stdeutschland 117

wie offentliche Giiter stellen somit auch (positive) Extemalitaten ein Marktversagen dar, das eine staatliche Subventionierung zu rechtfertigen vermag. Volkswirtschaft- lich kann es daher grundsatzlich legitim sein, wenn der Bund Wachstumszentren in den neuen Bundeslandem fórdert.

Verschiedene Einwande

In diesem Zusammenhang ist allerdings Friedrich August von Hayeks Wamung vor einer „AnmaBung von Wissen” zu beriicksichtigen6. Auch wenn zu beobachten ist, dass sich immer wieder Wachstumszentren herausbilden, folgt daraus nicht, dass diese auch staatlich zu fordem sind. Etliche der heutigen Wachstumszentren waren ubrigens vor Jahren noch nicht ais solche erkennbar. Die Bedeutung raumli- cher Nahe sowie regionaler Netzwerke fur die Innovationsaktivitat von Untemeh- men ist wirtschaftswissenschaftlich keineswegs geklart7. Die Existenz, die gesamt- wirtschaftliche Bedeutung sowie der volkswirtschaftliche Wert wissensintensiver Extemalitaten sind dem Staat mehr oder weniger unbekannt. Letzterer besitzt kei­

neswegs bessere Informationen iiber die Zukunft ais die Privaten. In der Regel ist er schlechter ais die Untemehmer dariiber informiert, was der technisch-ókonomische Fortschritt demnachst ermóglicht und was die Nachfrager zukiinftig wiinschen8.

Hinzu kommen marktwirtschaftliche Bedenken: Begiinstigt der Staat einzelne Untemehmen, so verzerrt er die Wettbewerbsbeziehungen dieser Marktteilnehmer zu allen nicht bzw. weniger gefórderten in- und auslandischen Konkurrenten. Auf diese Weise kann es passieren, dass durchaus effiziente, aber nicht geforderte Marktteilnehmer von weniger effizienten, aber staatlich begiinstigten Untemehmen verdrangt werden.

SchlieBlich drohen fatale wirtschaftspolitische Konseąuenzen: Fehlentscheidun- gen eines Untemehmens belasten allein dieses Untemehmen. Fehlentscheidungen des Staates im Rahmen des hier vorgestellten regionalpolitischen Konzepts betref- fen dagegen sogleich eine ganze Region. Dann aber diirfte die Bereitschaft des Staates, unter Missachtung friiher aufgestellter Fórderprinzipien auch weiterhin zu helfen, relativ groB sein. Weitere Einwande lieBen sich anfugen. Sie fiihren zu dem Ergebnis, dass der Staat gut beraten ist, von einer finanziellen Fórderung so genann- ter Wachstumszentren abzusehen. Hinsichtlich dieses Konzepts ist die Gefahr des Misserfolgs gróBer ais die Chance des Erfolgs. Das gilt generell und damit auch fiir die neuen Bundeslander.

118 N orbert E ickhof

Resiimee

Es hat sich somit gezeigt, dass 15 Jahre nach der Wiedervereinigung und trotz ei- nes inzwischen billionenschweren Transfers eine Gleichheit der Lebensverhaltnisse in West- und Ostdeutschland noch nicht erreicht ist. Und auch immense regionalpo- litische Aktivitaten haben noch nicht zu einem selbsttragenden wirtschaftlichen Aufschwung im Osten gefuhrt. Die neuen Bundeslander benótigen auch weiterhin Hilfe des Bundes bzw. des Westens, angefangen bei den sozialpolitisch gebotenen Leistungen bis hin zu Investitionszuschiissen fur die Wirtschaft. Allerdings sind diese HilfsmaBnahmen in Zukunft nur noch degressiv zu gewahren.

Gute Argumente sprechen inzwischen dagegen, eine „Sonderwirtschaftszone neue Bundeslander” zu errichten. Stattdessen sollte sich die Regionalpolitik - von den Investitionszuschiissen fur die Wirtschaft einmal abgesehen - auf die Beseiti- gung noch vorhandener Infrastrukturdefizite konzentrieren. GróBtmógliche Zuriick- haltung ist schlieBlich bei der staatlichen Fórderung so genannter Wachstumszen­

tren zu empfehlen.

L iteratur

BENZLER G ., W lN K R.: R egionale Innovalionspole: Schliissel zu m eh r W achstum in D eutschland?, „L ist Fo­

rum ftlr W irtschafts- und F inanzpolitik” 2004, Bd. 30.

D IW (D eutsches Institut fur W irtschaftsforschung) et al., Z w eiler F o rtschrittsbericht w irtschaftsw issenschaft- licher Institute iiber die w irtschaftliche E ntw icklung in O stdeutschland, H alle (Saale) 2003.

DOHNANYI K. VON, M o s t E.: K urskorrektur des A ufbau Ost. B ericht des G esprdchskreises O st d er Bundes- regierung, H am b u rg -B erlin 2004.

EICKHOF N .: D ie F orschungs- u n d Technologiepolitik D eutschlands u n d d e r EU: M afinahm en u n d Beurtei- lungen, „O rd o ” 1998, Bd. 49 .

HAYEK F. A. VON: D ie A nm a fiu n g von W issen, „O rdo” 1975, Bd. 26.

IW H (Institut ftlr W irtschaftsforschung Halle), P ressem itteilung Nr. 2 1 /2 0 0 3 , H alle (Saale) 2 0 0 3 . KRUGMAN P. R .: In crea sin g R eturns a n d E conom ic G eography, „Journal o f Political E conom y” 1991,

voi. 99.

RÓHL K .-H .: S onderw irtschaftszonen ais Instrum ent d er Regionalentw icklung, K o ln 2 0 0 4 .

Romuald Jończy Uniwersytet Opolski

Polityka regionalna w województwie opolskim