DIE NATURWISSENSCHAFTEN
Z w ölfte r Ja h rgan g 24. Okto ber 1924 Heft 43
Zur Geschichte der Agrikulturchem ie.
V o n Ad o l f Ma y e r,
H eid elb erg . D er S ch öp fer der A g rik u ltu rc h em ie is t
Li e b i g,u n d ihre G eb u rtsstu n d e is t d as E rsch ein en seines b erü h m ten , in vie len A u fla g e n g ed ru ck ten B u ch es:
D ie o rg an isch e C h em ie in ih rer A n w en d u n g a u f A g r ik u ltu r und P h y sio lo g ie, d as an fa n g s der v ie r zig er Jah re erschien. D ie G rü n d e, w a ru m der ju n g e C h em ik er, J u stu s
v o n Li e b i g,dieser S ch ö p fer sein k o n n te und sein m u ß te, lieg en seit lan g e k la r z u ta g e.
Li e b i gh a tte d u rch seine b eisp iel
losen E rfo lg e a u f dem G eb ie te der rein en C h em ie b ereits einen W e ltru f und zu m a l in seinem H e im a t
lan d e eine fü h ren d e S te llu n g erla n g t. E in e S ch ar v o n zu m T e il h o ch b eg a b ten S ch ü lern w a r aus seinem u n sch ein b aren , ab er in allen w esen tlich en D in gen w o h lein g erich teten L a b o ra to riu m in G ießen h ervo rg eg a n g en , so d a ß jed es W o rt, d as er sp rach od er d ru ck en ließ , einen w eiten W id e rh a ll h a tte und vo n h u n d erten b e g eisterten und b a ld ü b e r
zeu g ten oder n och rasch er ü b erred eten S ch ü lern und A n h ä n g e rn n ach gesp ro ch en u n d n ach ge sch rie ben w u rd e.
Li e b i g
w a r gerad e zu r rech ten Z e it v o n seinen zah lreich en u n d erfo lgreich en E x p e rim e n ta lu n te r
su ch u n g en u n d v ie lle ic h t n u n e tw a s ü b erm ü d et v o n dieser A r t des S ch affen s zu m Z ieh en v o n w e it
reich end en u n d fo lgesch w eren S ch lu ß fo lg eru n gen , zu deren D a rle g u n g und V e rb re itu n g g a n ze B ü ch er n o tw en d ig w aren , ü b erg eg an gen .
D e r G ieß en er P ro fesso r w a r ein gen ialer G eist, d. h. er w a r im B e sitz m ehrerer, b ei gew öh n lich en S terb lich e n , a u c h den B e g a b te s te n selten zu v e r ein enden E ig e n sch a ften , in d iesem F a lle v o n einem a u ß e ro rd en tlich fein en Beobachtungsvermögen und vo n w eitflie g e n d em Geiste. In b e zu g a u f das erste m elden seine S ch ü ler, d a ß er die gew öh n lich en S alze, die j a alle u n g e fäh r aussehen eines w ie das andere, S u lp h a te oder C h lorid e der A lk a lie n und a lk a lisch en E rd en , le ic h t zu u n tersch eid en w u ß te a u c h ohne besonders a n g estellte chem isch e R e a k tio n e n . A m K o rn , am G esch m ack , an der K le b rig k e it u sw ., und w ie w e it sein G eist flo g, d a zu w ird vie lle ic h t die vo rlieg en d e S tu d ie einen B e itr a g liefern .
Li e b i g
stan d gerad e im b esten M ann esalter, n äh erte sich den V ierzig ern , h a tte vo n dem bloß en E x p e rim e n tie re n , dem Im m erau ffin d en v o n neuen ch em isch en T a tsa c h e n n ach gera d e gen ug, ko n n te diese d u rch ih n a n g eb a h n te T ä tig k e it nun a ll
m ä h lich seinen S ch ü lern ü berlassen und fü h lte sich h era n g ereift, das große F a z it seines L eb e n s zu zieh en, die B e d e u tu n g der neu en tstan d en en o rg a n isch en C h em ie fü r W e lt und K u lt u r k la rzu leg en .
N’ w . 1924.
E s w aren n a m e n tlich zw e i G eb iete, fü r w elche diese B e d e u tu n g fü r ih n a u f d er H a n d la g und n u n der gan zen W e lt ans H e rz g e leg t w erden s o llte : L a n d w ir tsc h a ft u n d G äru n gsg ew erb e, e ig en t
lich n u r eines, d a au ch die le tzteren in e in e m 'g e w issen Sinne in die L a n d w ir ts c h a ft m it ein bezogen w erd en k o n n ten . Sin d d o ch die G äru n gsg ew erb e zu gleich die b e d eu te n d ste n N eb en zw eig e der L a n d w irts c h a ft; und T ierern ä h ru n g geh ö rte jed e n fa lls d a zu . D a s O rgan , d as diesem Z w eck e d ienen k o n n te, b esaß d er u n tern eh m u n g slu stige G ieß en er P ro fessor, die B e fä h ig u n g zu einer a u sd ru ck svo lle n S p rach e.
S o b a ld a u sg e m ach t w ar, d a ß die G etreid e körner P h o sp h o r en th ielten , ih n re g e lm ä ß ig e n t
h ielten , so reg elm äß ig , d a ß an einen A u fb a u d er
selb en ohne dieses E le m e n t n ic h t g e d a c h t w erden k o n n te, so b ald sta n d a u ch fest, d a ß es fü r den G etreid eb au eine p ra k tis c h h ö ch st w ic h tig e S ach e w ar, sich u m dieses E lem en t, u m sein V o rk o m m en oder F eh len in der U m g eb u n g der ju n g e n G etreid e p fla n ze zu k ü m m ern . A b e r der, der d as G etreid e zu b a u en b eru fen w ar, w u ß te zur Z e it g a r n ich ts vo n P h o sp h o r, er w u ß te n u r v o n P flü g e n und Säen, v o n H u m u s u n d A c k e rg a re , w elch e U n w issen h eit sich n a tü rlic h stra fen m u ß te an der H öh e des E rtra g s. D e r E in g riff
Li e b i g sin die R ä d e r der G esch ic h te der L a n d w ir ts c h a ft gesch ah also kein esw egs ü b erw iegen d a u f G ru n d seiner eigenen F orsch u n g en , sondern er gesch ah a u f G ru n d der L o g ik der ch em isch en G esa m tw issen sc h a ft. D en n eine W issen sch a ft kan n , ein gesch lo s
sen in ih ren n u r v o r lä u fig au fg e ze ich n eten E r gebnissen, sch on seh r v ie l e n th a lten , d as d er Z e it, in denen diese gefö rd ert w urden , n och g a r n ic h t b e w u ß t gew ord en ist, u n d d as d u rch u n ersch rocken e G eister aus jen en zw a n g lo s a b g e le ite t w erd en k a n n . D a ß dem so ist, e rg ib t sich ga n z u n w id ersp rech lich k la r d arau s, d a ß schon v o r
Li e b i gä h n lich e F o lg e ru n g en g e m a c h t w ord en w aren u n d n u r b ei der u n gen ü gen d en B e rü h ru n g der E in ze lw issen sch a fte n u n terein an d er und in den versch ied en en K u lt u r län d ern sow ie w egen des zäh en B e h a rru n g sv e r
m ögens des ö ffe n tlich en G eistes n ic h t in den großen in te rn a tio n ale n W issen ssch a tz der M en sch h eit ein
ged ru n g en w aren . So h a tte sch on der b erü h m te en g lisch e C h em ik er
Hu m p h r e y Da v yim zw eiten J a h rzeh n t des n eu n zeh n ten Jah rh u n d erts seine ,,E lem en te der A g rik u ltu rc h e m ie “ geschrieben, in denen d er S a tz v o r k o m m t: „ D ie T h eorie vo n der W ir k u n g a lk a lisch er S u b sta n zen ist einer d erjen igen T eile der A g rik u ltu rc h e m ie , w elch e am ein fach sten
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Ma y e r: Z u r G esch ich te der A g rik u ltu rch em ie. T Oie N atur- 1 Wissenschaftenu n d k la rsten ist.
S ie werden in allen P fla n zenangetroffen; m an kann sie demnach zu den wesent
lichen Bestandteilen derselben rechnen. Ih re G e n e ig t
h e it, chem isch e V erb in d u n g en ein zu geh en , m a ch t sie g e sch ick t, m ehrere B e sta n d te ile , w elch e t a u g lic h sind, zu r N a h ru n g der P fla n z e n zu dienen, in den S a ft derselben e in zu fü h ren “ . D ieser und v ie le äh n lich en S ä tze b ew eisen , d a ß n ic h t b lo ß d ie w esen tlich sten A n sch a u u n g en , die der L ie b ig - sch en L eh re zu g ru n d e lieg en , ja sch on der N a m e A g rik u ltu rc h e m ie vo rh a n d e n w ar, als
Li e b i gselb st n o ch in den K in d ersch u h en ste c k te .
N o ch b e k a n n te r ist, d a ß die gleich en A n sch a u u n g e n (wenn au ch n ic h t alle) u n d nur, der fo rtg e sch ritten e n Z e it en tsp rech en d , w e it d e u t
lic h e r und a u sfü h rlich er ein ige J ah re v o r dem A u f
tre te n
Li e b i g sv o n
Sp r e n g e lv e rtre te n w ord en sin d . A b e r — u n d d ies is t eben d as E n tsch eid e n d e
— solche B e h a u p tu n g e n ein zeln er vo rg e sch ritten e r G eister d ran g en n ic h t d u rch b is in die P r a x is des la n d w irts c h a ftlic h e n G ew erb es, ja sie fan d en k a u m B e a c h tu n g in den w isse n sch aftlich en oder sich so n en nen d en L eh rb ü ch ern dieses F a c h es, die n ach w ie v o r in der L eh re v o m S ta lld ü n g er, v o m Z w eck e d esselben , den H u m u s, der n a ch der L eh re der h errsch en d en M ein u n g eig en tlich d as N äh ren d e w a r, zu verm eh ren , und in d er F ü tteru n g sleh re v o n ch em isch ga n z u n d efin ierb aren H eu w erten sp ra ch en und v o n den A lk a lie n u n d dem P h o sp h o r sch w ieg en oder diese w oh l gar frisch u n d frö h lich d u rch den L eb e n sp ro zeß der P fla n z e selber e n t
steh en ließ en . A u c h w ar b ei
Li e b i galles in besserem Z u sa m m en h an g g e b ra ch t.
U n d d a zu k a m ein Z w eite s. D ie A u fn a h m e der u n en tb eh rlich en A sc h en b e sta n d te ile gesch ah d u rch die W u rzeln . D u rch w elch e and eren O rga n e h ä tte n s ie au fgen o m m en w erd en kön nen ? A b e r der
K o h len stoff, der die H a u p tm a sse der org an isch enS to ffe der P fla n z e b ild ete, diesen e ig n ete sie sich d u rch die in die L u ft ra g en d en T eile, die B lä tte r, an . D ie W u rz e ln h a tte n d a m it n ich ts zu sch affen , w äh ren d gerad e diese T e ile n ach den herrsch en d en V o rstellu n g en au s dem H u m u s ih re gesamte N a h ru n g sau g ten . W o h l w u ß te m an seit
d e Sa u s s u r e,d a ß in den B lä tte r n eine A r t v o n G asw ech sel v o r sich gin g, m it K o h le n sä u rea u fn a h m e und S a u e r
sto ffa b g a b e . A b e r dieser V o rg a n g w u rd e n ic h t in Z u sa m m e n h an g g e b ra c h t m it der e ig en tlich en E r n äh ru n g. E r w u rd e als e tw as ga n z anderes, als ein e A tm ung a u fg e fa ß t, die n u r b ei den P fla n zen in u m g ek eh rter W eise v o r sich g in g als b ei den T ieren .
A u c h hier s ch a ffte
Li e b i galso eig en tlich n ich ts N eu es, ab er er e rk a n n te den Z u sa m m en h an g . E r ste llte , w ie er sich e in m a l selb st a u sd rü ck te, ein L ic h t in ein d u n k les Z im m er, in w elch em die sch o n z u v o r anw esend en G eg en stän d e nun au f e in m a l d e u tlic h w u rd en . Jene m erkw ü rd ig e P fla n z e n a tm u n g , die b islan g als ein P a ra d o x o n erschien u n d in den L eh rb ü ch ern einer d u rch die N a tu rp h ilo so p h ie ve rd u n k e lte n P fla n zen p h y sio lo g ie als B a lla s t m it fo rtg e sch lep p t w u rd e, w ard m it
einem S ch la g e ein H a u p tsa tz der E rn ä h ru n g sleh re, u n d zu r beson deren W eise der A ssim ila tio n des K o h le n s to ffs d u rch d as grün e v o n der Sonne b e schienene B la tto rg a n .
E in S ch ö p fer is t im m er n u r der, der d u rc h d rin g t. D ie T a t m a c h t d enselben , n ic h t der sch ü ch tern e G ed a n k e allein . V o rlä u fe r g ib t es bei jed e r g ro ß en E n td e c k u n g und M en sch h eitsan g e
leg en h e it. U n d eine g e sch ich tlich e T a ts a c h e is t es eben, d a ß es e rst
Li e b i gg elan g, die H ü te r der la n d w irtsc h a ftlic h e n In teressen au f dem p la tte n L a n d e od er v o r lä u fig a u f den L e h rs tä tte n der la n d w irts c h a ftlic h e n A k a d e m ie aus dem tiefen S ch la fe einer eig en tlich schon lan g e ü b erh olten L eh re a u fzu rü tte ln , aus d em S ch len d rian des Sch w ören s a u f die A u to ritä te n vo n gestern und v o rg e ste rn , in w elch en die große M asse so leic h t und k a u m w a c h g e rü tte lt im m er w ied er v e rsin k t.
Li e b i g
w a r a u sg e rü stet m it den W a ffen des siegreich en K ö n n e n s a u f d em G eb ie te seiner a u s
erkoren en W issen sch a ft, ein er gew in n en d en D a r- stellu n gsfo rm , die sch w ierige und anscheinend la n g w e ilig e D in g e sp an n en d d a rzu stellen und dem V erstä n d n is eines jed en n ah ezu leg en w u ß te, und zu g le ich ein er fa b e lh a fte n E n erg ie, die jeden W id e rsta n d d er G eg n e r sein er A n sch a u u n g en zu b rech en w u ß te . D a ß es in fo lg e dieses fla m m enden F eu ereifers n ic h t im m er rü c k sic h tsv o ll zu g in g und derbe H ieb e und g rau sam er S p o tt n ic h t g e s p a rt w u rd en , v e rs te h t sich, v o r allem , w en n m an die w en iger h ö flich en S itte n des ersten Z w e id ritte ls des vo rig en J ah rh u n d e rts in G ele h rte n kreisen m it in B e tr a c h t zieh t, n a tü rlic h vo n selb st.
N a m e n tlic h die E n glä n d e r, die, o b w o h l der eben g en an n te V o rlä u fe r d er L ie b ig sch en Id een,
Da v y,ein solch er w ar, a b er die d an n dem stü rm e n den G ed a n k en flu g e , d em S tu rm u n d D ra n g des le id e n sc h a ftlic h vo rd rin ge n d en D e u tsch e n den m eisten W id e rsta n d e n tg e g e n se tzten und m it ih rer g e h e ilig ten E rfa h ru n g sw issen sch a ft nur la n g sam vo rrü c k te n , m u ß te n es e n tg e lten . Sie w u rd en der S tu m p fh e it, R ü c k s tä n d ig k e it u n d G ed a n k en lo sig k e it b e zic h te t, ihre F o rsch u n g sm eth o d en bis a u f den a lte n vielgep riesen en
Ba c o nzu rü ck, v e r u rteilt, w o ra u f die E n g lä n d e r sich rä ch te n und den N a m en des d eu tsch en R e v o lu tio n ä rs grau sam ze rp flü c k te n in L ie und B ig , so d a ß der Sinn eines fa u std ic k e n L ü g n ers sich erga b .
Li e b i g
w ied eru m e rzä h lte v o n seinen R eisen in E n g la n d lu stig e G esch ich ten , w ie die von der d o rtig en F a b r ik a tio n vo n B lu tla u g e n s a lz, d as au s a lte m L ed e r u n d P o tta sc h e g e m a ch t w erde ohne Z u sa tz vo n E isen , au ß er dem , w elch es z u fä llig in F o rm der N ä g e l der a lte n S ch u h e v o rh a n d e n w ar.
D e r F a b r ik a n t a b er b e g riff n ich ts vo n diesem Z u
sam m en h a n g und ve rsich erte d em D e u tsch e n g e
h e im n isv o ll, als d ieser sich b eim R ü h ren der
S ch m elzm asse in den eisernen K esseln die O h ren
zu h ie lt, d a ß die A u sb e u te an L a u g e n sa lz u m so
besser w äre, je grö ß er der S p e k ta k e l, h a tte also
d as E isen , d as zu der ih m u n b ek a n n te n Z u sa m m en
setzu n g des S a lzes geh ö rte, aus den eigen en
Heft 43.
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24. io. 1924J Ma y e r: Z u r G esch ich te der A g rik u ltu rch e m ie . 8 87
K esseln ab gerieb en . D a s w a r n u n allerd in gs ein k ö stlich es B e isp iel d a fü r, w oh in krasse E m p irie die P r a x is fü h ren k a n n . S p o tt u n d H o h n w a r also w ech selseitig zw isch en
Li e b i g sra d ik a ler N e u e ru n g ssu ch t u n d en g lisch er rü ck stä n d ig e r E m p irie.
A b e r a u ch im so n stigen A u sla n d rü m p fte m an e tw a s die N a se ü b er den u n gestü m en D ra u fg ä n g e r, m ehr, als in D e u tsc h la n d b e k a n n t gew ord en zu sein sch ein t. In H o lla n d z. B . n ah m m an A n sto ß d aran , d a ß
Li e b i gsich sp äter b e reit fin d en ließ , seinen N a m en zu R e k la m ezw e ck e n fü r gew in n b rin gen d e k a u fm ä n n isch e U n tern eh m u n g en zu m iß b rau ch en , w as den P flic h te n einer rein w issen sc h a ftlic h en A u to r itä t zu w id er liefe.
W ie dem a u ch sein m ag, so v ie l is t g ew iß ,
Li e b i gh a t den S tein des sch w er b ew eglich en k o n s e r v a tiv s te n G ew erb es ta ts ä c h lic h ins R o llen ge
b ra c h t. D ie D o zen ten der fü h ren d en la n d w irt
s ch a ftlich en A k a d em ie n w id erstreb ten an fan g s, a b er sie ließ en sich d o ch d u rch die h e ftig en A n griffe, die sie v o n dem F eu erg e iste erd u ld en m u ß ten , zu E n tg eg n u n g en h in reiß en . E in leid en sc h aftlich e r K a m p f b egan n , und d a m it w a r der E rfo lg der u m w älzen d en E rn e u eru n g gesich ert. A u s dem K a m p f der M einu n gen e n tsp rin g t, einem b ek an n te n fran zö sisch en S p rich w o rte zu folg e, d ie W a h rh e it.
D ie S c h w ie rig k e it b e sta n d n u r d arin , die a lte L eh re, die sich h in ter der A u to r itä t der w en ig z u g ä n g lich en p ra k tisc h e n E rfa h r u n g ve rsc h a n zte , aus diesen ih ren S tellu n g en h era u szu lo ck en ins offen e F e ld der stren g w issen sch aftlich en D e b a tte , w o sie den sch lagen d en A rg u m en ten eines w e it fo r t
gesch ritten en chem isch en W issen s u n en trin n b a r erlieg en m u ß te.
M it diesem E rg eb n isse w a r der S tre it im G ru n d e sch on en tsch ied en , w en n er sich a u c h ä u ß e rlich ein p a a r J ah rzeh n te h in zo g u n d d u rch die E r fo lg lo sig k e it der ersten V ersu ch e m it K u n std ü n g e r ve rsch lep p te . D ie A n g ele g en h e it w a r n u n so w ic h tig gew ord en , d a ß a lsb a ld a u ch e xp erim en telle A rb e it v o n allen S e ite n ein setzte, so die b e k a n n te A n tw o r t a u f eine v o n der G ö ttin g e r A k a d em ie g e stellte P reisfra g e vo n
Wi e g m a n nun d
Po l s- t o r f f ,d u rch die fü r eine R e ih e vo n la n d w irts c h a ft
lich en G ew äc h sen : W ic k e , .Gerste, H a fer, B u c h w eizen , T a b a k und K le e ü b erzeu gen d n ach gew iesen w u rd e, 1. d a ß ih n en die A sc h en b e sta n d te ile feh len, w en n m an sie ihnen b ei kü n stlich e r E rn ä h ru n g v o r e n th ä lt u n d 2. d a ß sie b eim M an g el an d en selben leid en, so leid en , d a ß ohne sie an ga r keine la n d w irtsc h a ftlic h e P ro d u k tio n zu d en k en ist.
D a ß m an den ersten dieser S ä tze ü b e rh a u p t n och zu r V e rh a n d lu n g stellen m u ß te , b e w e ist k lip p und k la r, w ie seh r die T h eorie des F e ld b a u s n och über ein h a lb es J ah rh u n d e rt n a ch
La v o i s i e rder F ü h lu n g m it der chem ischen W issen sch a ft e n tb eh rte und w ie n o tw en d ig dieser b eispiellosen T rä g h e it des E rk en n en s ein so k rä ftig e r S to ß w ar, zu dem der ju n g e N eu erer, der v o n kein er A u to r itä t w u ß te als v o n der des b e w e isk rä ftig en E x p erim en tes, au sh olte.
D a s k a ta s tro p h e n a rtig e U n gestü m , d as
Li e b i gken n zeich n et, is t d as E n tsch eid en d e, w od u rch die E ro b e ru n g d er L a n d w ir ts c h a ft d u rch die C h em ie gelan g, u n d diese E ro b e ru n g w a r zu gleich die en d g ü ltig e B e g rü n d u n g d er Agrikulturchem ie, eines W issen szw eiges, reich u n d w ic h tig genug, d as L eb en eines F o rsch ers a u szu fü lle n u n d d ah er schon eines eigen en N a m en s b e d ü rftig .
U n d w as w a r n u n der eig en tlich e In h a lt der neuen L eh re, die als die U rze lle des E n tsteh en s der W issen sc h a ft der A g rik u ltu rc h e m ie ersch ein t ? N u n , w ie allgem ein u n d r ic h tig fo rm u lie rt b e k a n n t, die L eh re vo n der B e d e u tu n g der A sch en
bestandteile fü r d as gesamte organische Leben, vo nderen U n e rsc h a ffb a rk e it und U n z e rstö rb a rk e it und als solche n u r ein S p e z ia lfa ll der ein h a lb es J a h r
h u n d e rt älteren L eh re vo n der E rhaltung des Stoffs in dem selben Sinne, w ie n och zu L e b z e ite n
Li e b i g s,ab er v o n diesem n ic h t m ehr v ö llig b eg riffen , die
E rhaltung der E nergie au sgeru fen w erd en so llte.M ith in die L eh re, d a ß n ic h t b lo ß d as T ie r au s der P fla n z e n w e lt diese aus ih rer n äch ste n U m g eb u n g und grö ß ten teils aus dem B o d en d ie n otw en d ig en A sc h en b e sta n d te ile, u n te r w elch en aus p ra k tisch e n G rü n d en P h o sp h o r u n d K a liu m in erster L in ie, a u fn äh m e u n d au fn eh m en kö n n en m üsse, u m zu w ach sen , zu ged eih en u n d die b e g eh rte E rn te zu liefern . D ies is t sch ein b a r ein K lein es, n ic h t allzu B ed eu ten d es, u n d w ar, w ie w ir gesehen, v o n einigen sch a rfb lick e n d en G eistern sch on v o r
Li e b i ge r
k a n n t w ord en . A b e r
Li e b i gd u rch sch au te w ie kein er v o r ih m die un geh eu re vo lk s- und w e ltw ir t
sc h a ftlic h e B e d e u tu n g d ieser ein fach en T a tsa c h e , ja d a rü b e r h in au s deren W ic h tig k e it fü r g an ze A b sc h n itte der W e ltg esch ich te. D en n w eil z. B . d as m eh lliefern d e G etreid e n ich t leb en k a n n ohne Ph o sp h o r, so m u ß ein A c k e rb a u b e trie b , d er n och n ic h t im B e sitze dieser E rk e n n tn is ist, h ä u fig u n gen ü gen d e E rg eb n isse h ab en , u n d d a d er M ensch w esen tlich v o m B ro te leb t, so m u ß in solchen F ä lle n G esu n d h eit, V o lk s V erm eh ru ng u n d in le tz te r L in ie p o litisch e B e d e u tu n g eines in fo lge der U n w isse n h eit dieses Z u sam m en h an gs sch le ch t ern äh rten V o lk e s leid en oder ga n z zu g ru n d e gehen.
D a s is t die L eh re, die sich n a ch u n d n ach , z u m a l in den sp äteren u m g ea rb e iteten A u fla g e n des vielgelesen en B u ch es v o n der org an isch en C h em ie in ih rer A n w en d u n g usw . in den sech zig er Jah ren au sw ach sen so llte zu der b erü h m ten L eh re vo m
„ R a u b b a u “ , w orin n ach zu w eisen v e rs u c h t w urde, d a ß ga n z b e stim m te K u ltu r v ö lk e r in S p an ie n , Ita lien , K le in a sie n u sw . im w esen tlich en d urch
Vernachlässigung der P flic h t des Wieder ersatzesdes d u rch die E rn te W e g g e fü h rte n u n terg ega n g en w ären , n ebenbei, w ie m an sieh t, eine gan z und gar m a te ria listisch e G esch ic h tsk o n stru k tio n 1).
x) D ie la n d w irtsch a ftlich en V ersuchsstation en als S ta a ts in stitu t, H eid elberg 1896.
888
Li n d e m a n n: V o m P la n k to n w a rm er M eere. I Die N a tu r w is se n sc h a fte nVom Plankton w arm er Meere.
V o n E .
Li n d e m a n n,B erlin . W ir sp rech en k u rz v o m ,,M eer“ u n d b ed en ken
o ft g a r n ic h t d ab ei, d a ß w ir m it einem ein zigen A u s d ru c k e tw a s bezeich n en , d as eine so u n g eh eu re M a n n ig fa ltig k e it a u f w eist, w ie es unsere V o rs te l
lu n g sich ü b e rh a u p t n u r au szu d en k en v e rm a g . A n d er O b erflä ch e W ellen sch la g , S trö m u n g en , L ic h t fü lle u n d m eist h öh ere T e m p e ra tu re n ; in größ eren T ie fe n R u h e, k a u m w ah rn eh m b are U n terströ m u n - gen, ew ig e D u n k e lh e it u n d m e ist tie fe B o d e n tem p e ra tu re n . E s k a n n uns n ic h t w u n d ern , d a ß w ir in solchen versch ied e n e n R e g io n en a u c h eine d u rch a u s v o n ein a n d e r zu u n tersch eid en d e T ier- u n d P fla n z e n w e lt fin d en .
D o c h v o n solchen g e w a ltig e n U n tersch ied en w ollen w ir j e t z t n ic h t sp rech en . B e tr a c h te n w ir n u r solche O rgan ism en , w elch e v o rw ie g e n d in der o b erflä ch lic h en b e lic h te te n R e g io n des M eeres bis e tw a in T iefe n v o n 80 — 100 m V orkom m en.
H ie r fin d en w ir eine L e b e n sg e m e in sc h a ft v o n
„S c h w e b e w e s e n “ , w isse n sch a ftlich „ P la n k t o n "
g e n an n t. H ie ru n te r v e rste h en w ir (m eist klein ere o d er m ik ro sk o p isch kleine) T iere u n d P fla n zen , w elch e sich im freien W a sse r w illen lo s tre ib en la s sen, w eil sie zu ein er E ig e n b e w e g u n g d u rch R u d ern , S ch w im m en u. d g l. h ö c h st u n vo llk o m m en od er g a r n ic h t b e fä h ig t sind. H ierh er gehören u. a.
S alp en , Q u allen , seh r v ie le L a rv e n fo rm e n (auch v o n T iefseetieren ), ebenso d ie u n e n tw ic k e lte n E ie r v ie ler F isc h e (z. B . in d er O stsee die E ie r d er Sch ollen), v o r allem a b er die m eisten ein zelligen T iere und P fla n z e n (A lg e n ); ein e R e ih e v o n größ eren T ieren (W ü rm er, T in te n fisch e , K reb se, W irb eltiere), die E ig e n b e w e g u n g h ab en , ve rm ö g en sich z e itw e ilig od er s te ts ein er solchen L eb e n sw eise a n zu p a ssen : alle diese O rga n ism en p flegen in ih rer V e r b re itu n g s ta r k v o n den M eeresströ m u n gen a b h ä n g ig zu sein, w elch e sie ü b er w eite G eb ie te des O zean s tra g e n kön nen .
A m em p fin d lich sten v o n allen diesen L eb ew esen , die im W a sser p la n k to n isc h od er „ p e la g is c h “ (im freien W a sser b efin d lich ) leben, sind d ie E in zelligen . Ih re b eso n d ere B e d e u tu n g fü r die W issen s c h a ft b e ru h t d a ra u f, d a ß ihre m eisten V e r tre te r a u f je d e k lein e Ä n d e ru n g ih rer E x iste n z b e d in g u n gen ( d .h . des W assers) so fo rt sic h tb a r d u rch k ö rp e r
lich e V erä n d e ru n g en , z. B . d er G e sta lt, reagieren . H ie rd u rch w ird es m ö glich , g era d e an ih n en den E in flu ß v e rä n d e rte r L eb e n sb e d in g u n g en (des
„ M ilie u s “ ) a u f d as L eb e n — sei es in d er freien N a tu r od er exp erim en tell im L a b o ra to riu m — zu stu d ieren . D a d as M eer nun, w ie g esag t, in seinen o b erfläch lic h en S ch ich ten u n en d lich versch ied en e L eb e n sb e d in g u n g en b iete t, so is t es eine A u fg a b e d er W issen sch a ft, die h ier g efu n d en en O rgan ism en au ch im H in b lic k a u f die L eb en sb ed in g u n gen , die an den F u n d o rte n h errsch ten , zu ve rg leich en , u m so festzu ste llen , w ie ein v e rä n d ertes M ilieu a u f die A u s g e s ta ltu n g d er leb en d igen W esen w irk te .
U n g eh eu re A r b e it is t b ereits d a ra u f v e rw a n d t w ord en, d ie fü r d as L eb e n im M eere a u s s c h la g
geb en d en F a k to r e n zu e rm itteln , d och w ir m üssen gesteh en, d a ß tro tz alled em b is h e u te unser W issen a u c h an d ieser S te lle sehr gro ß e L ü c k e n au fw eist.
G erad e h ier lie g t die G efa h r nah e, d a ß ein m alige B e fu n d e zu seh r v e ra llg e m e in e rt w e r d e n ; b rau ch en d o ch gleich e B e o b a c h tu n g e n n ic h t im m er au f g leich e U rsach en h in zu w eisen . A n d e re rse its m u ß h e rv o r
geh ob en w erd en , d a ß d as L eb e n v o n so vielen , t o ta l versch ied en en E in z e lfa k to re n a b h ä n g ig ist, d a ß es im m er g e w a g t ersch ein t, einen derselben allein zu ein er E rk lä r u n g h era n zu zieh en , ohne die ü b rigen zu b e rü ck sic h tig e n . E in B e isp iel aus einem S ü ß w assersee m ö ge d ies e rlä u tern : an einer b e stim m ten S te lle des L u n z e r U n tersees in N ied er
ö s te r r e ic h tre te n in e tw a 6 — 12 m T ie fe a u ssch ließ lich b ra u n e, b la u e u n d ro te frei sch w im m en d e O rgan ism en au f, u n d es lie g t nah e, dies der m an g eln den B e lic h tu n g in dieser im m erh in b e trä ch tlic h en T ie fe (S ü ßw asserseen sind w en iger d u rch sich tig als d as Meer) zu zu sch reib en . D en n o ch b e fin d e t sich an derselb en S telle a u f d em G ru n d e ein R asen des M ooses F o n tin a lis a n tip y re tic a , dieses M oos ist a b er grü n ! (Ü ber
Ge i t l e r sE rk lä ru n g sv e rsu c h h ierzu sieh e: „ S c h r ifte n fü r S ü ß w asser- u. M eeresku n d e“
1924, H . 5.)
E in beson d ers in te re ssa n te s K a p ite l d er P la n k to n b io lo gie des M eeres is t das, w elch es v o m P la n k to n d er „ w a rm e n M eere“ h a n d elt. L a n d lä u fig p fle g t m an u n ter „ M e e r“ die O b erflä ch en sch ich ten d er O zean e zu v e rste h e n ; so sind „ w a rm e Meere“
e b en fa lls M eereso b erfläch en teile (in nerh alb w elch er sich d ie o b erfläch lic h en M eeresström u n gen v o ll
ziehen), w elch e n ic h t n u r im Som m er, sondern au ch im W in te r h öh ere T e m p e ra tu re n (etw a v o n 12 b is 28° C) au fw eisen . O ft w ird es sch w er sein, zu erklären , w oh er diese W a sserw ä rm e ihren U r sp ru n g n im m t; in v ie len F ä lle n w ird m an sie aus w arm en M eeresström u n gen erk lä ren w ollen — doch uns in teressiert h ier in erster L in ie n eben der F ra g e n a ch der V e rte ilu n g solch er w arm en M eeresteile in n erh a lb der W e ltm ee re d ie F e s ts te llu n g : w elch e P la n k to n w e se n leb en in ih n en u n d w ie sind d ie selben g e a rtet.
Ü b e r die V e r te ilu n g der „ w a rm e n M eere“
w erd en w ir u n s am b e ste n o rien tieren kön nen ,
w en n w ir un s d ie V e rg le ich s w erte v o r A u g e n fü h ren ,
w elch e
Sc h o t tin der F o rm v o n T e m p e ra tu rk u rv e n
im ersten B a n d der „W is s. E rg eb n isse der d eu tsch en
T ie fs e e -E x p e d itio n “ (auf d em D a m p fe r „ V a ld iv ia “ )
w ied e rg ib t. W a rm e M eeresab sch n itte fallen h ier
so fo rt in die A u g e n . A n den eu ro p äisch en K ü s te n
w u rd en selb st im A u g u s t n u r 10 — 15 0 C gem essen,
d an n a b er fu h r d ie E x p e d itio n u m die W e stk ü ste
v o n A fr ik a h eru m u n d k a m n a ch D u rch q u eru n g des
N o rd ä q u a to ria lstro m s in den w arm en G u in ea
stro m (salzarm es, tiefb la u es W asser), w elcher, w ie
der L e ite r der E x p e d itio n
Ch u nsich a u sd rü ck te,
eine „ Ü b e r fü lle v o n h errlich en S c h ä tz e n “ liefe rte
Li n d e m a n n: V o m P la n k to n w a rm e r M eere. 8 8 9
in der F o rm e rb eu teter M eeresbew ohner. O b g leic h d er G u in ea stro m in 1000 m T ie fe so gar n och u m 4 0 C kälter w a r als der ö stlich v o n M ad eira gelegen e K a n a rie n stro m , w a r d ieser U n tersch ied (in der T iefe) d och an der O b erflä ch e n ic h t m erkb a r, d enn die O b erflä ch e n te m p eratu ren des G u in eastro m es la g en a u ffä llig h o ch : sie b e tru ge n e tw a 24 — 2 6 ° C ! (allerdings E n d e A u g u st). A u f der w eiteren F a h r t w u rd en z. B . in der A n ta r k tis bis zu — 1 ,5 ° C g e m essen! E r s t im In d isch en O zean n ah e S u m a tra w u rd en w ied e r die a u ffä llige n T em p e ra tu re n tro p isch er W a rm m eere a n g etro ffen : d as T h e rm o m e te r stieg b is gegen 30° C a m 30. J a n u a r! T eile des In d isch en O zean s ü b e rtre ffen also w o h l alle anderen b ish er b e k a n n te n M eeresteile in ih ren O b e r
fläch en tem p eratu re n .
D ie U n tersu ch u n g en , deren R e s u lta te ich h ier w ied erzu geb en b eab sich tig e, sind n u n an einem g a n z anderen M eeresab sch n itte g e m a ch t w o rd e n : am G olf von N eapel. D erselb e s te llt m it dem seitlich gelegen en k lein en G o lf v o n P o z zu o li ein ziem lich geschlossenes B e c k e n dar, zu m a l an seinen b eid en S eiten d ie In seln Isc h ia u n d C a p ri v o r g e la g e rt sind. W ir kö n n en einen In n en - u n d einen A u ß e n g o lf u n tersch eid en . Im flach en In n en g o lf s e n k t sich d er B o d e n n u r ga n z allm äh lich tiefe r;
derselb e b ie te t a u ch b io lo g isch e ig en a rtige V e r h ä ltn isse, in d em sich die A b w ä sse r N eap els und ein iger an d erer S tä d te in ih n ergießen. D ie T iefe des A u ß e n g o lfe s s te ig t d a n n sch n ell an (der D u rc h sc h n itt w ird m it 350 m g e n a n n t); er s te h t d u rch die B o c c a g ran d e zw isch en Isc h ia u n d C a p ri m it der offen en See in w eiter V erb in d u n g . W a s uns h ier b eson d ers in teressiert, sind die T em p e ra tu re n , w elch e d as W a sser des G olfes d as J a h r h in d u rch a u fw e ist. Im H o ch so m m er m essen w ir 25 — 2 7 ° C, im A p r il b is M ai 15 — 1 9 ° C, im S e p te m b er b is O k to b e r 18 — 2 2 ° C u n d im W in te r (J an u a r b is F eb ru ar) im m er n och 1 0 — 14 ° C. V erg le ich e n w ir diese T em p e ra tu re n m it denen, w elch e a u f d er V a ld iv ia - E x p e d itio n gem essen w u rd en , so e rg ib t sich, d a ß d ie S o m m e rte m p e ra tu re n des G o lfes v o n N e a p el sich v o n denen des w arm en G u in eastro m es w en ig od er g a r n ic h t u n tersch eid en . W ic h tig e r w äre es allerd in gs, d ie W in terte m p era tu ren zu v e rg le ic h e n : h ie rfü r s te h t uns n u r d er In d isch e O zean zu r V e r fü g u n g . L e tz te re r is t freilich als tro p isch es M eer im W in te r b ed eu ten d w ärm er als d er G o lf v o n N e a p el: w äh ren d je n e r am E n d e J a n u a r n och eine T e m p e ra tu r v o n 30° C au fw eisen ko n n te, fan d en w ir b e i diesem am 24. J a n u a r n u r 1 4 ,1 5 ° C. Im S om m er w erd en zw isch en b eid en M eeren n ic h t so gro ß e U n tersch ied e in d er T e m p e ra tu r besteh en . A u ß e rd e m — w en n m an die m ittleren J a h res
tem p e ra tu re n v e rg le ic h t — w ird m an sehen, d a ß sich d er In d isch e O zean m it 28° n ic h t a llzu se h r vo n d em G u in ea stro m m it e tw a 2 7 ° u n tersch eid et, w oh l a b er d ü rfen w ir die m ittlere J a h reste m p e ra tu r des G o lfes v o n N e a p el b ed eu ten d n ied riger a n nehm en.
H ie ra u s g e h t h e rv o r — u n d dieses E rg e b n is s tim m t g u t m it den b iologisch en B e o b a ch tu n g en
H e ft 43.
1
24- 10. 1924 J
überein — , d a ß fü r d iejen igen , w elch e an d ie M eerestem p era tu ren ge w ö h n t sind, w elch e in den g e m ä ß ig ten Z o n en zu h errschen pflegen, der G o lf v o n N e a p el d u rch a u s als w arm es M eer zu b e ze ich nen ist, w en n er a u ch b ei w eitem n ic h t die T em p e ra tu ren erreich t, w elch e d er u n ter dem Ä q u a to r ge
legen e In d isch e O ze a n au fw eisen kan n.
W en d en w ir u n s n u n u n serer zw eiten , w ic h tig e ren t r a g e zu : W e lch e P la n k to n w e se n leb en in allen diesen M eeren u n d w ie sind d ieselben g e artet?
In sb e so n d e re : K ö n n e n w ir ein e g e setzm ä ß ig e A b h ä n g ig k e it z. B . d er sich tb a re n G e s ta lt d ieser W esen v o n den L eb e n sb e d in g u n g en ih res M ilieu s erkenn en?
W ir m üssen zu n ä c h st in d er T a t zu geb en , d a ß es
„G a s s e n ju n g e n “ in den M eeren g ib t, d ie ü b e ra ll V orkom m en u n d sich an kein e d er beson d eren L eb en sb ed in g u n gen zu k eh ren scheinen. H ierh in geh ö rt z. B . d ie a llb e k a n n te N o c tilu c a m iliaris, w elch e d as w u n d erb are M eerleu ch ten h e rv o r
b rin g t. A n d e re rse its w a r es eine d er a u ffa llen d sten E rsch ein u n gen w ä h ren d d er T ie fs e e -E x p e d itio n , d a ß sich d as O b erflä c h e n p la n k to n u rp lö tz lic h än d erte, als die ,,V a ld iv ia “ in s a n ta rk tis c h e K a l t w asserg e b iet ein t r a t : fa s t alle b ish er vo rh e rrsch en den P la n k to n fo rm e n w aren a u f e in m a l v e rsc h w u n den, u n d d a fü r tra te n n u n „ K a ltw a s s e r fo r m e n "
(besonders D ia to m ee n ), w ie sie fü r p o la re M eere ty p is c h sind , a u f. Ä h n lic h e U n tersch ie d e w erden w ir festste llen kön nen , w en n w ir v o n M eeren der g e m ä ß ig ten Z o n en in tro p isch e W a rm m eere g e la n g en (s. a. den G u in ea stro m d er T ie fs e e -E x p e d i
tion ), d o ch h ier lieg en die V e rh ä ltn isse fü r eine B e a n tw o rtu n g u n serer F ra g e n w e it g ü n stig e r: w en n a u c h ein zeln e F o rm en a u sschließlich im W a r m w a sserg e b iet Vorkommen u n d d a h e r fü r eine v e r gleich en d e B e tr a c h tu n g n ic h t in F ra g e ko m m en , so find en w ir d o ch a u ch eine g ro ß e M enge v o n P la n k - tern, w elch e sich fü r unsere B e tr a c h tu n g e n v o r zü g lich eignen, w eil sie in beiden A rte n v o n M eeren a n g etro ffen w erd en u n d gan z c h a ra k te ristisc h e Ä n d e ru n g en ih rer G e s ta lt au fw eisen , die w ir zu b esp rech en h a b en w erden .
W ir w erd en u n s am S ch lü sse n och ein geh en d er m it den L eb e n sb e d in g u n gen b efassen , v o n w elch en d as P la n k to n le b e n des M eeres a b h ä n g ig ist, h ier soll n u r e rw ä h n t w erd en , d a ß w ir th e o retisch
viele E in ze lfa k to re n an g eb en kö n n te n , w elch e inih rer G e sa m th e it jen e L eb e n sb e d in g u n g en a u s
m ach en , w ie z. B . a u ß e r der T e m p e ra tu r des W a ssers au ch d as L ic h t, d en S a lz g e h a lt (der im M ittelm eer, m it dem w ir es in e rster L in ie zu tu n h aben , a u ffä llig e rw eise b is zu 4 % b e tr ä g t, w äh ren d m an so n st als M itte lw e rt 3 ,5 % ann eh m en kan n), d as sp ezifisch e G e w ic h t des W assers, sta rk e T r ü b u n gen , w elch e a u ch d u rch eine H o ch p ro d u k tio n ein zeln er P la n k te r e n tsteh e n kö n n en usw . D ie E rfa h r u n g h a t n u n ergeben , d aß , d a d as L ic h t in den gerin gen T iefe n , w elch e vo m P la n k to n b e w o h n t w erd en , kein en au ssch lag geb en d en Ä n d e ru n gen u n terw o rfe n ist, in erster L in ie die T em p e
ratur des W a ssers fü r d as P la n k to n le b en vo n g rö ß
Nw. 1924. 0 7
8go
Li n d e m a n n: V om P la n k to n w arm er M eere.[
Die N aturwissenschaften
te r B e d e u tu n g ist. D iese T a ts a c h e ka n n b ereits
a u s d en B e fu n d e n der T ie fse e -E x p e d itio n e n t
n om m en w erd en u n d fin d e t ihren A u s d ru c k au ch in d er in d er T ierg e o g ra p h ie ü b lich en B e ze ic h n u n g s
w eise: ,, K a ltw a s s e r -“ u n d „W a rm w a sse rfo rm e n “ . E s is t A u fg a b e a ller ech ten P la n k to n w esen, sich u n b e d in g t schwebend zu erh alten , d a ein N ie d ersin k e n in die T iefen des O zean s fü r sie den T o d b e d eu te n w ürde. D ie M ö g lich k eit zu sch w eb en is t a b er v o n d er T ra g fä h ig k e it des W a ssers a b h ä n g ig . G en au e p h y sik a lisc h e U n tersu ch u n g en h a b en nun ergeben, d a ß diese T r a g fä h ig k e it von k ein em anderen F a k to r so en tsch eid en d b e e in flu ß t w ird , w ie gerad e v o n d er T em p e ra tu r. D a b e i is t festzu ste llen , d a ß b e reits b e i ein er v e rh ä ltn is m ä ß ig n u r gerin gen E rh ö h u n g d er T e m p e ra tu r eine g a n z b ed eu ten d e Verringerung d er T ra g fä h ig k e it e in tritt! W ir ve rste h en also, d a ß die W a rm w a sse r
form en b e str e b t sein m üssen, ih r S ch w eb ev erm ö g en in je d e r m ö glich en W eise zu verb essern , sei es d u rch A u s b ild u n g v o n sp ezifisch leich ten G a s bläsch en , Ö ltro p fe n , vo n S ch leim - u n d G a lle rt
b ild u n g en u. a. m ., od er sei es — u n d dies is t fü r u n sere B e tr a c h tu n g beson d ers w ic h tig , w eil es die g a n ze G e s ta lt der P la n k to n fo rm e n zu änd ern im sta n d e is t — d u rch V e rg rö ß e ru n g d es „ F o r m w id e r
sta n d e s“ .
D e r F o rm w id erstan d , d. h. der W id e rsta n d , w elch en ein P la n k to n w e se n schon d u rch seine F o rm (äu ß ere G estalt) b eim S in ken im W a sser fin d et, w ird b eso n d ers d u rch A u s b ild u n g v o n „ S c h w e b e o rg a n e n “ erh ö h t, als solche kön nen „ a b n o r m “ v e rlä n g e rte T e ile des eigenen K ö rp e rs dienen, oder es w erd en zu diesem Z w ec k e beson d ere H aare, B o rsten , L eisten , S ta ch eln , g itte r- und fa llsch irm a rtig e B ild u n g e n usw . h e rv o rg e b ra c h t. D a b e i ist d ie F ra g e zu p rü fen, ob je n a ch d er W a sserw ä rm e a u c h g rad u elle V ersch ied en h eiten v o r a llem in der L ä n g e n a u sd e h n u n g d er S ch w eb eo rg an e fe stste llb a r sin d . D ies is t in d er T a t der F a ll u n d w ird v o r zü g lic h illu s trie rt d u rch d ie E rg eb n isse d er T ie f see- E x p e d itio n , a b er a u c h u n sere U n tersu ch u n g en üb er den G o lf v o n N eap el, a u f w elch e w ir je t z t z u rü c k kom m en w erden , b iete n einen klein en B e itr a g zu r D a rs te llu n g dieses P ro b lem s.
W ir h a tte n G elegen h eit, d as W in te rp la n k to n des G olfes au s den M o n aten O k to b e r b is F e b ru a r d u rch eigen e A n s c h a u u n g kenn en zu lern en . D a b ei ste llte sich heraus, d a ß die sp ezifisch en W a rm w asserform en au ch in diesen M o n aten im G o lfe n ich t feh len . M an k a n n w oh l b e h au p te n , d a ß d as W in te r
p la n k to n e tw a s m o n oto n er (artenärm er) is t als d a s S o m m erp lan k to n , d a ß d a fü r a b er im W in te r e in zeln e A rte n sich m eist in H o ch p ro d u k tio n b e find en , d o ch falle n diese U n tersch ied e bei ty p isc h e n WTa rm w asserm eeren w oh l m elir fo rt.
In h ö ch ste r E n tw ic k lu n g fan d en w ir d ie K ie se l
a lg e n (D iato m een o d er B a c illa ria c e e n ). D ie s sind ein zellig e P flä n zc h e n , deren K ie se lp a n ze r au s zw ei H ä lfte n b e ste h t, die w ie der D e c k e l a u f eine S c h a c h te l sich in ein an d ersch ieb en . D iese A lgen assim i
lieren m it H ilfe g e lb b rä u n lich e r C h rom atop h oren ,
d a h er k a n n b ei M a ssen en tw ick lu n g d as ga n ze M eer v o n ih n en ge lb lich g e fä rb t sein (h äu fig in d er A n t a rk tis). D e r K ie se lp a n ze r ist o ft w u n d ervo ll skulp- tu rie rt u n d ziseliert, so d a ß sein S tu d iu m eine L ie b lin g sb e sc h ä ftig u n g d er M ik ro sk o p ik er ge
w ord en ist. D ie D ia to m ee n k om m en n u n n ich t
n u r ein zeln im M eere vo r, sondern sie kö n n en sich
n a c h A r t v o n K o lo n ie n verein ig en , so d a ß zu-
H e ft 43.
1
24. 10. 1924
J
Li n d e m a n n: V o m P la n k to n w arm er M eere.sam m en ge setzte G eb ild e en tsteh en . H o ch p ro d u k tio n en fin d e t m an m eist in der k ä lteren J ah res
z e it; in u nserem F a lle w a r eine F o rm vo n C h aeto- ceras (Ch. a n g u la tu m S c h ü tt, eine F orm , die w oh l m it Ch. S c h ü ttii C le v e id e n tisch ist) so h äu fig , d a ß die gan zen F ä n g e v o n ih r fa s t e in g e d ick t w aren ! B e tra c h te n w ir diese F o rm , w elch e in F ig . 1 d a r
g e stellt ist, so falle n uns so fo rt die lan g en H a a re und B o rsten au f, w elch e, w ie erw äh n t, S ch w eb eo rgan e d arstellen , w elch e g eeig n et sind, den F o rm w id e r
stan d zu erhöhen. F a s t noch schön er fin d en w ir solche S ch w eb eo rgan e b ei einer and eren C h aeto ce- ra s-A rt, die sich au ch v e re in ze lt fa n d : Ch. peru- v ia n u m B rig h tw . (F ig. 2). S e lte n w a r au ch Ch. n ea p o lita n u m S ch röd ., w elch es v o n ve rsc h lu n genen B o rsten zu sam m en geh alten e K e tte n b ild e t.
V o n den übrigen, stets selten er a u ftrete n d e n D ia to m ee n fü h re ich die zarte , g la sa rtig -d u rc h sich tig e R h izo so len ia sty lifo rm is B r ig h tw . (sta b fö rm ig m it Sp itze) u n d die G a ttu n g A ste ro m p h a lu s E h g . (scheibenförm ig) h ier an.
(M assen en tw icklu ngen ), d o ch in teressiert sie uns im M eere w en ig e r w egen ihres h ä u fig e n A u ftr e te n s als w egen d er gera d ezu u n g la u b lich en F o rm en fü lle, in w elch er sie ü b e ra ll a n g etro ffen w ird . D a die A lg e ein V o rd erh o rn u n d zw ei (im S ü ß w a sser h ä u fig au ch drei) einem S c h w a lb en sch w a n z in gew isser W eise äh n lich e H in terh ö rn er b e sitz t, so ist d u rch Ä n d e ru n g d er G röße, L a g e u n d G e s ta lt besonders der H in terh ö rn er d ie M ö g lich k eit gegeb en , eine reiche M a n n ig fa ltig k e it v o n F o rm en zu erzeu g en . Im S ü ß w a sser sind diese H ö rn e r ste ts r e la tiv k u rz (F ig. 3), w äh ren d d ieselben im M eere v ie lfa c h e G e s ta lt ann eh m en kön nen . E s is t n u n gerad e ein K en n ze ich e n d er w arm en M eere, d a ß diese Cera- tiu m a lg e h ier m it einer schier erd rü ck en d en F o r m en fü lle a u ftr itt. D a b e i ergeb en sich die w u n d er
lich sten G estalte n , w ie au s den F ig . 4 u n d 5 zu er
sehen ist. C e ra tiu m carrien se G ou rr. fo rm a elegan s S ch röd . (F ig. 4) stellt ein E x e m p la r au s dem In d isch en O zean dar, w ie es a u f d er V a ld iv ia - E x p e d itio n e rb e u te t w u rd e. D ieses E x e m p la r k a n n als e x tre m e r F a ll gelten , w ie er eben n u r in tro p isch en M eeren v o rk o m m t; d ie fo rm a elegan s w a r au ch im G o lfe vo n N eap el in ein zeln en F ä n g e n n ic h t selten, n u r d a ß h ier d ie b eid en H in terh ö rn er
F ig . 3. C eratiu m hirun din ella O.
F r. M ., die Sch w alb en sch w an z - alge, aus dem Süßw asser.
F ig . 4. C eratiu m carriense G ourr. form a elegan s Schröd.
aus dem Ind ischen O zean. (N ach Ka r s t e n.)
D ie zw e ite G ru p p e v o n L eb ew esen , w elch e dem P la n k to n d er w arm en M eere sein G ep rä g e zu geben p flegen , b ild en die P a n ze rg eiß lin g e (D in o flag el- la te n od er Perid in een ). A u c h diese m it zw e i in ein er L ä n g s- u n d einer Q u erfu rch e gelegen en G e i
ß eln verseh enen ein zelligen P fla n zen (die m an au ch w o h l zu den A lg e n rech n en kann) b e sitzen einen P a n zer, d er a b er in d iesem F a lle v o n C ellulose, also einem w en iger h a rten , p fla n zlich e n S to ffe ge
b ild e t w ird . D ieser P a n z e r is t w en ig er schön sku lp - tu rie rt als d erjen ig e d er K ie se lalg en , d a fü r ab er au s o ft k u n s tv o ll an g eo rd n eten P la tte n zu sam m en g e setzt, w elch e e ig en a rtig e, seh r in die A u g e n fallen d e G ebild e, w ie fa llsc h irm a rtig e Sch eib en, K ä m m e , sow ie sta rk e D o rn en h e rv o rb rin ge n kön nen . V o r allem ab er is t die K ö rp e rg e s ta lt d er P erid in een selber a u ß e ro rd en tlich v erä n d erlich , w ie w ir sehen w erd en .
U n te r den P a n ze rg eiß lin g e n sp ie lt n u n eine F o rm , d ie a u ch im S ü ß w a sser v o rk o m m t, in allen M eeren eine h e rv o rra g e n d e R o lle : die ,,S c h w a lb e n sc h w a n za lg e “ C e ra tiu m . W o h l b ild e t diese A lg e in a llen G ew ässern h in u n d w ied er ,,W a s s e rb lü te n “
e tw a d re iv ie rte l so la n g b lieb en w ie im In d isch en O zean . Ä h n lic h e F o rm en , die e b en fa lls im G o lfe vo n N e a p el v e rtr e te n w aren , sind C e ra tiu m m assiliense u n d m acroceros, trich o c ero s u n d in fle x u m . A b e r au ch d ie w en iger a u ffa llen d en A rte n (C. ca n d e la- bru m , fu rc a u n d fusus) w aren n ic h t selten. E in e r F o rm a u s dem G o lfe v o n N e a p el sei h ier n och ge
d a ch t, w eil sie ein so seltsam es A u sseh en h a t : C e ra tiu m p a lm a tu m S ch röd . (F ig. 5). H ie r sind d ie H in terh ö rn er am E n d e zu h a n d fö rm ig en G eb ild en u m g e sta lte t.
D ie P erid in een tre te n n u n a b er au ch in anderen F o rm en in gro ß er A n z a h l in den w arm en M eeren au f, ja , ein zeln e fin d en sich nu r in w arm en M eeren!
F ig . 6 u n d 7 stellen ein u n d d ieselb e h ä u fig e A r t d a r:
P erid in iu m o cea n icu m V a n h . (F ig. 6 v o n d er B a u c h
seite, F ig . 7 v o n der S e ite ). Z w ei G o n y a u la x -A rte n
w aren e b en fa lls im G o lfe v o n N e ap el v e rtreten ,
neben v ie len and eren, a u ch stab fö rm ig en F o rm en .
G an z b eson d ers m u ß a b er sch ließ lich n och a u f je n e
A rte n h in gew iesen w erd en , w elch e d u rch ihre F o r
m en sch ön h eit alles and ere in den S c h a tte n stellen :
O rn ith o cercu s u n d C e ra to co ry s! Sie scheinen n u r
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Li n d e m a n n: V o m P la n k to n w arm er M eere. [" Die Natur- [wissenschaftenim W a rm w a sse r au fzu treten, und sind au ch a u s dem
R o te n M eer, dem A ra b isc h en M eer, dem In d isch en u n d dem S tillen O zean b e k a n n t. W ä h ren d Cera- to c o ry s h o rrid a S t. (F ig. 9, v o n u n ten geseh en !), w elch e h u tfö rm ig m it einem b re iten F a llsch irm als K re m p e g e s ta lte t ist, d u rch eig en a rtig e lan ge F o rts ä tz e (vier u n ten und zw ei oben) a u f fällt, w el-
N e ap el h ä u fig e F o rm in F ig . 10 w ied erg e
geben ist.
E n d lic h ist n och zu erw ähn en, d a ß grü n e A lg en seh r selten im G o lfe sind. S eltsam erw eise t r it t jed o ch d ie v o n
Sc h m i t ze n td e c k te H a lo sp h a e ra v ir i
dis, eine S c h a tte n a lg e , d ie a u f der V a ld iv ia -E x p e - d itio n m eist u n ter 100 — 300 m T ie fe gefun den
F ig . 5. C eratiu m p a lm a tu m F ig . 6. P erid in iu m oceani- F ig . 7. D ie- F ig . 8. O rn ith o cercu s m agni- S ch röd ., aus dem G o lf v o n cu m V a n h ., eine P a n zer- selbe F orm , ficu s S t., eine P a n zerfla g e lla te N e a p el. fla g e lla te , v o n der B a u ch - v o n der Seite. aus dem G o lf v o n N eapel,
seite. (Golf v o n N eapel.)
F ig . 10. L eeres G ehäuse eines M eerinfusors (Tintinnus).
G o lf v o n N eap el.
F ig . 9. C e ratocorys h o rrid a S t., eine P a n zerfla g e lla te , v o n der U n terseite. (Golf v o n N eapel.)
ch e d as S ch w eb en erleich tern , is t O r
n ith o cercu s m a g n ifi- cu s S t. (F ig. 8, v o n der Seite), w o h l die p rä c h tig s te aller P e- rid in een , m it einem
gro ß en a p ik ale n T ric h te r geziert, d a neben is t d er gan ze K ö rp e r v o n einer breiten , fa llsc h irm a rtig e n P la t t e u m g e ben, w elch e d u rch N etze, S p a n g e n und F o rts ä tz e a ller A r t k ü n stlerisc h v o lle n d e t a u s g e sta lte t ist!
W a h rlic h , an den P a n ze rg eiß lin g e n sehen w ir die S ch w e b e fä h ig k e it a m b esten d u rch ä u ß ere F o rm g e s ta l
tu n g u n te r stü tz t!
V o n d en w eiteren L eb ew esen , w elch e im G olfe v o n N e a p e l g efu n d en w u rd en , is t n u n n ic h t v ie l m eh r zu sagen . V e re in z e lt fan d en sich R a d io larien , eine G ru p p e, die im O zean den P erid in een an S c h ö n h e it n ic h t n ac h ste h t, fern er w en ig e K ä m m e r
lin g e (F oram in iferen ) u n d ein ige T in tin n e n . L e t z tere geh ören zu den M eeresinfu sorien, sie b a u en sich zierlich e G eh äuse, v o n denen eine im G o lf v o n
w u rd e, im G o lfe vo n N e ap el im W in te r u n d F rü h ja h r so h ä u fig au f, d a ß d er V o lk sm u n d sie ,,P u n ti v e rd i“
n en n t.
S o w e it u n sere B e fu n d e in den n eap o litan isch en G ew ässern , w elch e ein v o rzü g lic h e s B e isp iel fü r den C h a r a k te r des P la n k to n s w a rm e r M eere d a r
stellen . R u fe n w ir u n s je t z t ein ige V e rg le ich e aus den E rg eb n issen d er T ie fs e e -E x p e d itio n ins G e
d ä c h tn is zu rü ck . Z u erst die u rp lö tzlic h e Ä n d eru n g
im O b erflä ch e n p la n k to n b e im E in tr it t ins a n ta rk
tisch e K a ltw a ss e rg e b ie t. D a n n die F a h r t an der
w e sta frik a n isc h e n K ü s te , w o b e im E in tr it t in den
G u in ea stro m sich w ied eru m d as O b erflä ch e n
p la n k to n zu m E rs ta u n e n a lle r an d er E x p e d itio n
T eiln eh m en d en to ta l ä n d e rte : „P e rid in e e n in
w u n d erb arer P r a c h t u n d Ü p p ig k e it tra te n uns
e n tg e g e n “ , sch reib t
Ch u n,der L e ite r d er E x p e d itio n .
E s w a ren z. T . jen e F o rm en , die w ir au s d em G olfe
v o n N e ap el k enn en g e lern t h ab en , n u r w a r die
F ü lle der e rb eu teten A rte n b e d eu ten d g rö ß er als
H eft 43.
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Li n d e m a n n: V o m P la n k to n w a rm er M eere. 8 9 3
