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Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, 23. Jahrgang, 1913, Heft 4.

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(1)

ZEITSCHRIFT

des

Vereins für Volkskunde.

Begründet von Karl Weinhold.

Unter Mitwirkung von J o h a n n e s B o l t e

herausgegeben von

Fritz Boehm.

23. Jahrgang. Heft 4. 1913

(Enthält zugleich Mitteilungen des Vereins der Königlichen Sammlung für deutsche Volkskunde zu Berlin.)

Mit 32 Abbildungen im Text.

B E R L I N . B E H R E N D & C ° .

1913.

D ie Z e itsch rift ersch ein t 4 m a l jä h rlich .

(2)

I n h a l t .

Das B auernhaus im R iesengebirge und seine H olzstube. Von K arl B r u n n e r . (Mit 8 A b b i l d u n g e n ) ...

Die K unst der H olzbearbeitung bei N iedersachsen und Friesen.

Von Alice F l e c h t n e r - L o b a c h . (M it 18 A bbildungen) . Das B rennm aterial der nordfriesischen H alligen. Von Karl H ä b e r l i n . (Mit 6 A b b i l d u n g e n ) ... . V olkstüm liche M ittel in der m odernen Medizin. Von Carl

P o s n e r ...

T iero rak el im altjüdischen V olksglauben. Von Isidor S c h e f te - l o w i t z ...

Kleine M itteilungen:

Ein Kunstlied im Volksinunde. Von ü. S tü c k r a t h und J. B o lte . S. 391. — Braun­

schweigische Volksreimc. Von O. S c h ü t t e . S. 394. — Über Tiroler Bauernhochzeiten und Primizen I. Von 0 . M e n g h in . S. 399. — Zwei Gruppen von Igelsagen. Von G. R o h e im . S, 407. — Zur Geschichte des Wortes ‘Volkskunde’. Von A. H au f f en. S. 414. — Weitere Nachträge zum Spruch der Toten an die Lebenden. Von L. N e u b a u r und A. A n d rae.

S. 415 — Zu 19, 418ff. Von G. S c h lä g e r . S. 419.

B erichte und B ücheranzeigen:

Neuere Arbeiten zur Hauskunde und Ethno-Geographie von Dr. Willi Pessler in Hannover. Von K. B r u n n e r . S. 420. — K. H o lm , Altgermanische Religionsgescliichte, 1. Band (R. M. Meyer) S. 424. — C. R o tte r , Der Schnaderhüpfl-Rhythmus (0. Stück­

rath) S. 426. — Beiträge zur Geschichte des westfälischen Bauernstandes hsg. von Frhr.

K e r k e r in g zur B o r g (R. Mielke) S. 427. — K. O h le r t , Rätsel und Rätselspielc der alten Griechen (F. Boehm) S. 428. — E. K lin g a e r , Luther und der deutsche Volks- aberglaube (F. Boehm) S. 429.

N otizen:

Bunge, Doehler, Eisenstädter, van Gennep, Hartmann, Hilka und Söderhjelm, Knoop, Land, v. Pflugk, Quickborn-Bücher, Schön, Schrey, Schwarz, Singer, Sprachkunde, Stein­

hausen, Wagner, Werner S. 429 — 434.

Aus den S itzungs-P rotokollen des V ereins für V olkskunde

(K. B r u n n e r ) ... 434—436 E rklärung. Von R. J u l i e n ... 437—438 E ntgegnung. Von K. S p i e s s ... 439— 440 D er M arburger V erbandstag. Von J. B o l t e ... 440—441 R e g i s t e r ... 442—446 D er N a c h d r u c k der Aufsätze und M itteilungen ist n u r n a c h A n ­ f r a g e b e im H e r a u s g e b e r gestattet.

D er Jahresbeitrag, wofür die Z eitschrift an die M itglieder post­

frei geliefert w ird, b eträ g t 12 Mk. Die Zahlung wird bis zum 15. Januar erbeten, und zwar auf das Konto „G eheim rat D r. R o e d i g e r ,

Separatkonto“ bei der D epositenkasse NO der D eutschen B ank in B erlin, W . 50, T auentzienstr. 21—24. Sie kann k o s t e n f r e i bei jeder D epositenkasse der D eutschen B ank oder durch Ü berw eisung bei jedem anderen B ankinstitut erfolgen; dagegen erfordert Zahlung durch P o st­

scheck 25 Pf., durch Postanw eisung 5 Pf. Z u s c h l a g s e i t e n s d e s Z a h le n d e n . Nach jenem Z eitpunkte w erden w ir uns erlauben, den B eitrag o h n e v o r h e r g e h e n d e M a h n u n g a u f K o s te n d e r M i t ­ g l i e d e r durch die Post oder P aketfahrtgesellschaft einzuziehen.

D e r V o r s ta n d .

S e i t e

3 3 7 -3 4 9 3 4 9 -3 6 7 367—372 372— 383 383—390

(Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.)

(3)

Das Bauernhaus im ßiesengebirge und seine Holzstube1).

Von Karl Brunner.

(Mit acht Abbildungen.)

D ie E rw erbung einer ganzen B au ern stu b e n -E in rich tu n g aus dem R iesengebirge durch den Y erein der Kgl. Sam m lung für deutsche V olks­

ku n d e in B erlin gab V eranlassung, ihre angem essene A ufstellung im M useum in Erw ägung zu ziehen.

D ie in der H auptsache aus charakteristisch bem alten Möbeln der Z eit um 1800 bestehende E inrichtung w ar von F rl. Toni L a n g e aus Interesse für diese eigenartigen V olkskunsterzeugnisse zusam m engebracht worden. Als H erk u n ftso rte der einzelnen Sachen w aren die D ö rfer S aal­

berg, H erm sdorf, A gnetendorf und B lum endorf im H irsch b erg er T al auf d er N ordseite des R iesengebirges genannt. Z ur Ergänzung dieser Sam m ­ lung hat dann H e rr K om m erzienrat H ans S c h l e s i n g e r in B erlin dankens­

w erterw eise einen besonders schönen Fayenceofen, etwa aus derselben oder etwas frü h erer Z eit stam m end wie die bem alten Möbel, erw orben und dem M useum zum G eschenk gem acht. D ieser Ofen stand noch in einem B auernhause in V oigtsdorf bei W arm brunn, als er durch gütige V er­

m ittlung des H e rrn P astors Z e l l e r d ort behufs A nkaufs besichtigt wurde.

F ü r die A ufstellung einer B auernstube im Museum w ar es nun not- © wendig, genauer zu erm itteln, wie das volkstüm liche B auernhaus der fraglichen Gegend beschaffen sei und wie sich seine innere A usstattung darstelle. H ierzu w urde in erster L inie die vorhandene L ite ra tu r durch­

gesehen, besonders der von H ans L u t s c h b earb eitete A bschnitt Schlesien in dem grossen W e rk e ‘D as B auernhaus im D eutschen R eiche und in seinen G renzgebieten’, herausgegeben vom V erbände deutscher A rchitekten- und Ingenieurvereine, D resden 1906 (vgl. Zs. d.V. f. Vkde. k 20, 104f.). A usser- dem h at V erfasser auf einer achttägigen F a h rt zu Pfingsten dieses Jah res die

1) Die folgenden drei Aufsätze erscheinen gleichzeitig in den ‘Mitteilungen aus dem Yerein der Königlichen Sammlung für deutsche Volkskunde zu Berlin’, Bd. 4, Heft 2.

Z eitschr. d. V erein s f. V olksk u n d e. 1913. H eft 4. 22

(4)

3 3 8 B runner:

Gegend b ereist, viele B auernhäuser besich tig t und eine grössere Anzahl von A ufnahm en ihres In n eren und Ä usseren gem acht. E r b eschrän kte sich nich t auf das S tudium des volkstüm lichen H auses im nördlichen, um W arm brunn gelegenen G ebiete, sondern m achte ausserdem E rk u n d u n g s­

fahrten n ach Südw esten auf die böhm ische Seite des G ebirges und nach Osten in der R ichtung auf Landeshut. F ü r freundliche U nterstützung dieser S tudien sei auch h ier den H e rren Geh. J u stiz ra t S e y d e l , dem V or­

sitzenden des R iesengebirgsvereins, P ro re k to r P rof. D r. R o s e n b e r g und A rchitekt V. S i e d l e r in H irschberg, sowie ganz besonders H e rrn P asto r Z e l l e r in Y oigtsdorf aufs herzlichste gedankt.

Bei der U ntersuchung der alten H äuser in dem angegebenen G ebiete stellte es sich heraus, dass es sich um drei F orm en handelte, die in der H öhenlage von etw a 300 bis 500 m ü b er dem M eeresspiegel d urcheinander Vorkommen.

Es sind dies das einstöckige, grossenteils aus B lockhölzern erbau te H aus, dann das zw eistöckige, welches im un teren T eile wie das erst­

genannte aus Blockholz, im Obergeschoss dagegen aus F achw erk h er­

gestellt ist, und drittens eine M ittelform zwischen beiden m it einem niedrigen sog. D rem pelgeschoss1) m eistens aus F ach w erk ü b er dem B lock­

u nterbau. D e r G rundriss aller dieser F orm en ist m it der von H e n n in g 2) als fränkisch-oberdeutsche B auart bezeichneten G ruppe übereinstim m end, näm lich d reig eteilt in der Q uerrichtung des H auses. E in Q uerflur m it H erd scheidet W ohn- und S tallräum e voneinander. M erin g e r3) n en n t diese grosse H ausgruppe oberdeutsch, w ährend P e s s le r4) sie als hoch­

deutsch (U nterabteilung M itteldeutsch) im G egensätze vor allem zu dem altsächsischen und anderen w eniger v erb reiteten H austypen bezeichnet.

D ie charakteristische E igentüm lichkeit dieser H ausform erblickt M eringer in dem V orhandensein eines H erd rau m es, H aus oder F lu r genannt, zu dem dann eine W ohnstube hinzukam , sei es durch A btrennung oder durch A ngliederung.

Im schlesischen R iesengebirge ist der in Abb. 1 schem atisch d ar­

gestellte G rundriss des einfachen volkstüm lichen B auernhauses w eit­

verbreitet, nicht ohne m annigfaltige A bw andlungen, die sich besonders au f die Lage des B ackofens und der sog. schwarzen Küche, des U rherdes, beziehen.

1) Dreinpelgeschoss oder Kniestock ist ein niedriges Geschoss unter dem Dache, dessen Begrenzungen (Dach und Yorderwand) ein Knie bilden. Es wird zur Ersparung eines Hauptgeschosses oder Vergrösserung des Bodenraums angelegt. A uf das Vor­

kommen dieses Drempelgeschosses bei schlesischen Bauernhäusern hat schon Lutsch a. a. 0 . hingewiesen.

2) Rud. Henning, Das deutsche Haus, Strassburg 1882.

3) R. Meringer, Das deutsche Haus und sein Hausrat, Leipzig 1906.

4) W. Pessler, Die Haustypengebiete im Deutschen Reiche. In ‘Deutsche Erde’, Gotha 1908.

(5)

Das Bauernhaus im Riesengebirge und seine Holzstube. 3 3 9

W as das Baugefüge dieses volkstüm lichen H auses betrifft, so ist für das ältere, noch nicht m odernisierte H aus die R egel, dass die W ohn­

stube aus w agerecht liegenden B alken auf Steinfundam ent erb aut ist,

•lenen aussen senkrechte B alken, sog. Säulen, ebenfalls auf S teinfundam ent ohne besondere Holzschwelle ruhend, vorgesetzt sind, welche bei dem einstöckigen H ause das D ecken- und D achgebälk tragen. D iese ‘Säulen’

sind oben zuw eilen durch kurze Schrägstreben gesichert, welche aber in dem hier behandelten L andesteile nie die reiche A usbildung erfahren wie in benachbarten G ebieten, in der O berlausitz, Sachsen usw., wo sie oft zu bogenartigen, arkadenbildenden, höchst m alerischen Gefügen werden.

Auch trete n die Säulen n u r w enig vor die W and vor. D er geringe Zw ischenraum w ird gern m it Holz und R eisig zum Schutze vor der K älte und Nässe gefüllt. D ie w andbildendeu w agerechten Holzstäm m e sind an den E cken des H auses m iteinander verzinkt. Die E nden steheif bei der älteren B auart ü b er und w erden wohl auch durch davorstehende Säulen

oder B retterverschalung vor zu schneller V erw itterung geschützt. D ie F u gen sind nach Angabe von L utsch durch H obelspäne und W e rg ge­

dichtet und aussen wie innen m it weissem K alk verstrichen.

N eben der W ohnstube liegt oft eine K am m er, die zu den v er­

schiedensten Zwecken benutzt wird, aber im allgem einen wenig B edeutung für die jetzig en Bew ohner zu haben scheint.

W äh ren d nun die W ohnstube fast durchgehends aus B lockbau in F ich ten - oder K iefernholz besteht, ist der übrige T eil des H auses, auch die neben der Stube liegende Kam m er, m eistens m assiv erbaut. Ü brigens sind die in der N ähe des Ofens befindlichen Innenw ände der H olzstube auch öfter ganz oder zum T eii massiv errichtet.

D er grosse Schlot oder Schornstein, der in den m eisten alten H äusern noch vorhanden ist und sich nach unten gew öhnlich zu einem viereckigen H erdrau m e erw eitert, ist je tz t lediglich als Abzug fü r den R auch des Stubenofens in G ebrauch und in seiner früheren B edeutung als H erdraum oder K üche nicht m ehr bekannt. N ur selten sind Spuren des ehem aligen offenen H erdes dort noch vorhanden.

N icht anders steht es m it dem Backofen. W äh ren d er früh er in die Stube hin einragte und zugleich als H eizkörper und Schlafstätte diente,

Abb. 1. Schematischer Grundriss des Bauernhauses im Riesengebirge.

2 2*

(6)

3 4 0 B runner:

ist er je tz t seitw ärts in die N ebenkam m er oder auch aus dem H ause hinausgeschoben, vielfach sogar ganz entfernt. Ü berhaupt sind die B au­

üb erlieferungen d er Bew ohner dieser alten H äuser so gut wie verschollen, w enigstens auf der deutschen Seite des R iesengebirges.

D ie äussere E rscheinung dieser m it Stroh oder H olzschindeln bedeckten einstöckigen H äuser zeigt Abb. 2. Vielfach sind es W eber, welche sie bew ohnen, deren B eru f und Besitz k ein e grösseren R äum e und N ebengebäude erfordert.

D ie zw eite H a u sa rt des R iesengebirges, welche sich vorw iegend in den g estreckten T älern findet, ist das zw eistöckige, das in seinem unteren T eile dem einstöckigen H ause m it H o lzstu b e gleicht, n u r dass es in seinen

Abb. 2. Einstöckiges Bauernhaus mit Holzstube. Voigtsdorf bei Warmbrunn.

Aufnahme von Pastor Zeller in Voigtsdorf.

Abm essungen gew öhnlich auch erheblich vergrössert ist. D as obere Geschoss ist durchw eg aus F achw erkbau errichtet, dessen H olzstiele dunkel gefärbt sind, w ährend die zw ischenliegenden L ehm felder weiss getüncht und in seltenen F ällen m it K ratzm ustern v erziert sind.

Abb. 3 zeigt ein solches H aus in V oigtsdorf b ei W arm brunn. Die G iebel sind gewöhnlich, ebenso wie bei dem einstöckigen H ause m it B rettern in zwei A bsätzen verschalt und nicht abgewalm t. Solche H äu ser gehören m eistens grösseren B esitzern, B auern oder ‘G ärtn ern ’. Auch h ie r ist der Stall gew öhnlich u n ter einem Dache m it den W ohnräum en.

W o aber ein eigener S tall und besondere Scheune vorhanden sind, da bilden sie m it dem W ohnhaus zusam m en einen nach ein er Seite, m eist nach der Strasse, offenen Hof.

D ie anderw ärts bei ähnlicher Bauweise so b eliebten und m alerischen

L au b en b au ten am H ause kom m en in dem h ier behandelten G ebiete n u r

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Das Bauernhaus im B iesengebirge und seine Holzstube. 3 4 1

ausnahm sw eise vor. Das obere Geschoss dient zu V orrats- und Schlafräum en und entspricht in seinem G rundrisse dem des Erdgeschosses, n u r dass eine Küche fehlt und auch sonstige F euerungsanlagen gewöhnlich verm ieden sind.

E ine d ritte, n u r als M ischform zu bezeichnende H ausart unseres Ge­

bietes ist das m it einem D rem pelgeschoss versehene H aus, ein Zw ischen­

glied zwischen den oben besprochenen zwei H auptform en.

Abb. 4 gibt ein B eispiel eines solchen, etwas dürftigen H äuschens aus B lum endorf bei H irschberg, zu welchem b em erk t w erden mag, dass die

Abb. 3. Zweistöckiges Bauernhaus mit Holzstube. Voigtsdorf bei Warmbrunn Nr. 217.

A ussenansicht der alten H olzstube durch U berputzung der B alken ver­

ändert ist. D as üb er Stube und Stall liegende niedrige D rem pelgeschoss zeigt F achw erk, dessen F eld er in seltener W eise m it farbig bunten Blumen, R osetten u. dgl. ausgem alt sind.

Ü brigens findet m an bereits sehr viele alte H äuser, die ehem als eine sog. H olzstube hatten, d erart v erändert wie das eben erw ähnte Häuschen.

Man erk en n t aber die alte H olzstube doch daran, dass die vor die B alken ­ lage gesetzte S teinm auer in durchaus un begründet erscheinender W eise h erv o rtritt und oft am Giebel einen vorspringenden unschönen Absatz gegen die obere F läche bildet. E in anderes M erkm al zur E rk en nu ng solcher V eränderungen alter H äuser ist die F ensteranordnung an der G iebelseite des W ohnteiles. W o diese, gew öhnlich drei F en ster un­

symmetrisch. liegen, erk en n t man trotz derselben V erputzung doch leicht

den U nterschied zwischen dem älteren M auerw erk um das ursprünglich

(8)

3 4 2 B runner:

massiv erbaute einfenstrige K äm m erchen und dem neuen an der ehe­

m aligen H olzstube m it gew öhnlich zwei F en stern an d er G iebelseite. Bei d er M odernisierung sind die F ensteröffnungen auch m eistens w esentlich vergrössert worden.

W äh ren d sich nun die zw eistöckige Hausform am m eisten in der zwischen 300 bis 500 m betragenden H öhenlage vorfindet, ist, wie es scheint, das einstöckige Holzhaus in höheren Lagen die R egel. In K iese­

wald (630 m), S chreiberhau (700 m ), N euw elt-H arrachsdorf (600 bis 700 m ) und bei den etwa 1000 m hoch gelegenen, kein e G astw irtschaft en t­

haltenden H ofbauden der G em einde F ried rich stal bei Spindelm ühle spielt

Abb. 4. Haus mit Drempelgeschoss. Blumendorf bei Hirschberg Nr. 9G.

das einstöckige H olzhaus die erste Rolle. V ielfach sind sie hier zutn Schutze gegen die U nbilden des W inters noch m it B retterv erk leidu ng v er­

sehen, wie es die in Abb. 5 dargestellte H ofbaude zeigt, und m it ge­

schützten U m bauten, die auch bei starken Schneefällen einen bequem en V erk ehr innerhalb des H auses m it E inschluss der Ställe erm öglichen.

D iese H äuser der böhm ischen Seite des R iesengebirges haben als besonders bezeichnende E igentüm lichk eit oft einen an der Spitze abgew alm ten G iebel m it ein er ganz oben ausgesparten kleinen Öffnung.

Von den für den F rem d en v e rk eh r h erg erich teten H äusern und sog.

B auden ist im m er abzusehen, da sie die altüb erlieferte volkstüm liche Aus­

gestaltung m eistens aufgegeben haben.

D ie geographische V erbreitung der beiden H a u p ta rten des B auern­

hauses in unserem G ebiete beru h t also w esentlich auf d er H öhenlage, wie

oben gezeigt w urde. Beide H ausform en sind ab er sonst keinesw egs auf

die h ie r behandelte L andschaft beschränkt. V ielm ehr finden sich sehr

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Das B auernhaus im Riesengebirge und seine Holzstube. 3 4 3

ähnlich gefügte H äuser in w eiter E rstreck u n g nach W esten und Osten innerhalb des B ereiches d er hochdeutschen H austypen. So ist das ein ­ fache einstöckige Blockhaus fast überall da vorhanden, wo ausgedehnte W älder diesen w ichtigen Baustoff, das Holz, b illig lieferten, andererseits sind die so reizvollen zw eistöckigen F ach w erk bau ten m it H olzstube im Erdgeschoss im übrigen Schlesien und den angrenzenden G ebieten des K önigreiches Sachsen und H erzogtum s S.-A ltenburg, zwar in w esentlich reich erer Ausführung, bek an n t genug.

W enden wir uns nun zur B etrachtung der in allen diesen volkstüm ­ lichen B auten ursprünglich vorhandenen, höchst charakteristischen H olz­

stube. Ih re B eliebtheit verdankt sie neben d er U rsprünglichkeit und

Abb. 5. Hofbaude, Gemeinde Friedrichstal bei Spindelmühle, Böhmen.

W ohlfeilheit des Baustoffes vor allem den angenehm en E igenschaften des­

selben, seiner leichten B earbeitung und geringen W ärm eleitung, wodurch die dauerhafteste E rw ärm ung des R aum es in dem rauhen G ebirgsklim a gew ährt wurde. D ieselben G ründe haben dem Holze überall in der volks­

tüm lichen B aukun st den Vorzug vor anderen Baustoffen errungen. Man b e tritt die Stube von dem m eist gepflasterten H ausflur und sieht nun ein gew öhnlich rech t geräum iges Zim m er von 5 bis 6, bei grösseren B e­

sitzungen auch wohl bis 8 m im V iereck vor sich. D er Fussboden ist m it weissen B rettern gedielt, n u r um den grossen K achelofen herum ist ein Pflaster, m eist aus unregelm ässigen B ruchsteinen oder P latten m it M örtel- oder Z em entfugung gelegt. R ings um die Stubenw and herum läuft ein etwa fusshoher Steinsockel, weiss oder farbig getüncht, auf welchem die w andbildenden H olzbalken w agerecht lagern. D iese sind m eistens an den K anten stum pf, und wo sie zusammenstossen, sind die F ugen m it weissem K alkm örtel ausgestrichen. Abb. 6 zeigt das In nere einer B auern­

stube in einer der H ofbauden der G em einde F riedrichstal bei Spindel­

(10)

3 4 4 B runner:

m ühle, wo lin k s an der T ü r ein solcher F ugen verp utz deutlich erk en n b ar ist. Bei w ohlhabenderen B auern findet m an auch T äfelungen einfacher A rt aus sen k rech t stehenden B rettern , die zuw eilen einfarbig grün oder b raun b em alt sind, gew öhnlich ab er ebenso wie die B alkenw ände n atu r­

farbig gelassen und n u r durch das A lter und die w iederholten R einigungen eine glänzend hellbraune F ärb u n g angenom m en haben. D ie in der N ähe des Ofens stehenden W ände sind in der R egel, ab er nicht ohne Aus­

nahm e, m assiv erb au t und weiss getüncht. Abb. 7 g ib t ein B ild von einer solchen O fenecke aus dem in Abb. 3 von aussen d arg estellten H ause in

Abb. (!. Holzstube der Hofbaude Nr. '25, Gem. Friedrichstal bei Spindelmühle.

Y oigtsdorf bei W arm brunn. R echts ist eine aus B alken gefügte W and, links eine steinerne.

D ie D ecke der S tube ist so niedrig, dass ein Mann von m ittlerer Grösse m it erhobener H and gerade ihre B retter b erührt. D aru n ter ziehen sich wuchtige vierkantige B alken in A bständen von etwa 75 cm in der Q uerrichtung des H auses üb er die Stube hin und ragen aussen noch etwa einen halben M eter vor. Sie sind an den unteren K anten abgestum pft und tragen eine m eist in der L ängsrichtung des H auses verlaufende B re tte r­

decke. D ie B retter sind so gelagert, dass ein höher liegendes m it einem d arunterliegenden abw echselt, wodurch eine vollkom m ene und zugleich g e­

fällige A bdichtung erzielt wird. In seltenen F ällen kom m en auch in gleicher

H öhe liegende D e ck en b re tte r vor, und dann sind die F u g en durch von

unten aufgenagelte L eisten verdeckt. H ie r und da sieht m an auch schräg

verlaufende D e ck en b re tte r üb er den B alken, so dass sparrenförm ige M uster

(11)

Das Bauernhaus im Biesengebirge und seine Holzstube. 3 4 5

entstehen, bei denen die D eckenbalken die Stiele bilden. G elegentlich solcher V erfeinerung pflegt dann die ganze Stubenhöhe auch etwas grösser zu sein. Im L aufe der Z eit haben die D ecken eine tiefbraune F a rb e erhalten.

D ie F e n ste r der H olzstube sind in beide Aussenw ände eingeschnitten, w enn, wie üblich, neben der Stube noch eine K am m er liegt. An der G iebelseite ist dann gew öhnlich ein F en ster w eniger in der Stube vor­

handen als an der L angseite des H auses. M eistens sind es zwei oder drei von etwa 65 bis 70 cm H öhe und 60 cm B reite. Es sind k leine D reh-

Abb. 7. Ofenecke einer Holzstube. Voigtsdorf bei Warmbrunn Nr. 217.

fenster, welche sich nach innen öffnen. D as F e n ste rb re tt ist stark nach aussen geneigt und aus einer starken Bohle in charak teristisch er W eise geschnitzt. Zum Verschluss des F ensters w ährend der N acht finden sich hier und da, besonders in getäfelten Stuben, H olzläden, welche innen vorgeschoben werden.

Das w ichtigste Stück des Innenbaues ist der grosse farbig gem usterte

Kachelofen, w elcher auf dem Steinpflaster bei der F lu rtü r steht. E r ist

von rechteckigem G rundriss und gew öhnlich parallel der H ausfront gestellt,

etwa 1 m von der F lu r- und auch von der K am m erw and frei in den R aum .

A uf ein er oder m ehreren um ihn herum stehenden O fenbänken pflegen

allerhand K üchen- und W irtschaftsgeräte ihren P latz zu haben. Denn die

Stube ist gleichzeitig Küche, da die auf dem F lu r oder im N ebenkäm m erchen

befindliche sog. schwarze Küche zum Kochen nicht m ehr benutzt wird.

(12)

3 4 6 B runner:

D eshalb ist der Stubenofen m it E inrichtungen zum Kochen versehen, und die eingelassene, m eist m etallene W asserblase (s. Abb. 7) gibt im m er w arm es W asser her. So w ird im W in te r das N ützliche m it dem A n­

genehm en verbunden, und auch im Somm er ist in den höheren R egionen eine erw ärm te S tube nicht gar so u nerträglich wie in der E bene. Oben an der D ecke ist ein H olzgestänge zum T ro ckn en der H andtücher und gelegentlich auch an d erer Sachen angebracht. D e r O fenrauch wird durch ein eisernes R o h r nach dem grossen und einzigen Schornstein abgeleitet.

So stellt sich heute der fast allgem eine Zustand der H ausw irtschaft im schlesischen B auernhause des R iesengebirges dar. F rü h e r w ar es aber

O O

offenbar anders. D a rau f deuten verschiedene S puren von grösser A lter­

tüm lichkeit hin. W ie oben bereits erw ähnt, erb lick t m an beim B etreten des H ausflurs gew öhnlich vor sich oder seitlich den grossen Schlot, die ehem alige K üche des Hauses. Auch der Backofen rag t oft teils in den F lu r, teils in die Stube hinein und diente wohl zugleich zur E rw ärm ung d er Stube, als sie noch k einen eigenen Ofen hatte. A uf die alte B edeutung des F lu rs aber als des H auptw irtschaftsraum es d eutet seine noch im m er b ek an n te B ezeichnung ‘H aus’ hin. D ieser U rzustand mag j a bei E r ­ bauung u nserer noch erhaltenen H äu ser bereits verlassen gewesen sein.

Ih r A lter re ic h t etwa zwei Jah rh u n d erte höchstens zurück, und in dieser langen Z eit h aben sie woh-l m anche V eränderung erlebt, die je tz t nicht m ehr nachw eisbar ist. A uch die Stubenöfen sind von m ancherlei W andlungen betroffen worden, die für die G eschichte des H auses in B etracht kom m en. D ie jetzig en Ofen sind durchw eg aus eigentüm lich fleckig gem usterten, verschieden getönten K acheln un ter reichlicher V er­

w endung von E isen für die K ochröhren (s. Abb. 7) erbaut. Ih r A lte r ist au f 50 Ja h re zu schätzen. Vordem, im 18. Jah rh u n d ert, w aren, wie m ir H e rr Geh. Ju stiz rat S e y d e l m itteilte, in ganz Schlesien grünglasierte K achelöfen, auch solche aus N apfkacheln üblich. G leichzeitig, wenn auch nicht so allgem ein, w ar eine O fenart aus w eissen K acheln m it farbiger D ekoration, besonders in m anganviolett und grün auf erhaben gepressten Zierform en, wie K artuschen oder Medaillons m it W appen, K ränzen u. dgl.

Von dieser A rt Ofen sah ich noch drei an ih rer ursprünglichen Stelle, in V oigtsdorf und N eusorge bei H irschberg. Ih r A lter ist ungefähr aus den vorkom m enden R okokoform en der M edaillons zu erschliessen, und ihre H e rk u n ft aus dem durch seine volkstüm lichen T öpfereien von je h e r b e­

rühm ten Sachsen w ird durch K acheln dieser A rt m it dem sächsischen W appen in den Museen zu G örlitz und B autzen w ahrscheinlich gem acht. In einem klein en H olzhause in der Kolonie Neusorge bei B lum endorf w ar ein solcher Ofen noch in dem alten Aufbau vorhanden, der m it einem gestreckten, backofenartigen T eile an der F lu rw and beginnt und m it einem turm artigen A ufsatze endigt. E inen anderen Ofen dieser P erio d e m it sehr eigen­

artigen volkstüm lichen Zierform en, näm lich rötlichen H erzen, die von

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Das B auernhaus im ßiesengebirge und seine Holzstube. 3 4 7

einem frischgrünen K ranze eingerahm t sind, gelang es aus V oigtsdorf bei

W arm brunn zu erw erben. E r stand in der kleinen K am m er neben der grossen H olzstube eines B auernhauses. Verm utlich ab er ist er einm al in der grossen Stube aufgestellt und von grösserem Um fange gewesen, denn es fanden sich noch einzelne zugehörige K acheln lose vor. Die kleine K am m er pflegte früher auch nicht heizbar zu sein.

N icht unerw ähnt soll bleiben, dass oft in der die Stube von der sog.

schwarzen Küche trennenden W and eine Öffnung gefunden wird, welche offenbar ein R est des besonders auch in wendisch besiedelten G egenden

Abb. 8. Fensterecke einer Holzstube. Voigtsdorf bei Warmbrunn Nr. IG.

wie in der L ausitz und anderw ärts vorkom m enden L euchtkam ins ist. Man nim m t an, dass diese V orrichtung, deren R auchabzug in den grossen Schlot m ündet, zur B eleuchtung von Stube und vielleicht auch K üche durch die früher allgem ein üblichen L euchtspäne b enu tzt wurde. F e rn e r kann sie auch zu schneller und geringer Erw ärm ung der R äum e oder von Speisen benutzt w orden s e in 1).

W as den bew eglichen Inh alt der B auernstuben in unserem G ebiete betrifft, so ist er je tz t durchaus m odernisiert und bietet im allgem einen einen w eniger erfreulichen A nblick, als der alte B au ihn sonst noch gew ährt. Gleich an der T ü r in bequem er N ähe des Ofens ist ein ein­

facher T ellerschrank aufgestellt, wo auch h in ter G lasscheiben oft die beste H abe an allerhand G eschirr seinen P latz findet. An der W and d arüb er

1) P. Dittrich, Schlesischer Hausbau und schles. Hofanlage, Globus 70, 28ö.

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3 4 8 B runner: Das B auernhaus im R iesengebirge und seine H olzstube.

sieht man auch öfter aus L eisten herg estellte B orte fü r P ru n k te lle r dicht u n ter der D ecke. Auch sind h ier und da längere B re tte r oder Stangen an die D eck en b alk en genagelt zur A ufbew ahrung von allerhand G erät.

D er R aum h in ter dem O fen, die sog. H ö lle, w ird nach beend igter A rb eit m it einem einfachen K attunvorhang v e rd eck t, wie ihn Abb. 7 zeigt.

In der dem Ofen diam etral gegenüberliegenden S tubenecke sind B änke an der W and u n ter den F en stern aufgestellt und davor ein Speisetisch.

Abb. 8 zeigt eine solche E ck e in einer getäfelten H olzstube eines B au ern­

hauses in V oigtsdorf bei W arm brunn. D iese E ck e w ird etw a m it einem K onsolbrettchen ausgestattet, au f dem eine P etroleum lam p e oder anderes G erät steh t; in k atholischer G egend, wie in Böhm en, ist h ier d er P la tz für Kruzifix und H eiligenbilder.

D ie vorhandenen Möbel sind m eist von einfachster A rt, D utzendw are des S tadttischlers. F ü r die w ertvolle E ig en a rt d er altererb ten bem alten Möbel fehlt den heutigen L andbew ohnern das V erständnis, und man findet diese R este älterer K ultur im w ahren Sinne n u r noch selten in O ber­

geschossen, dunklen E cken oder gar in Ställen dem V erderben p re is­

gegeben.

D ie grosse H olzstube b irg t höchst selten noch eine der originell m it Blumen, blauw eissen L andschaften in D elfter A rt und in d er Schlesien b e­

sonders eigentüm lichen buntfarbigen M arm orierung bem alten L ad en oder T ruhen . F ü r die entsprechenden Schränke oder gar H im m elbetten w ar wohl auch früher schon k ein re ch ter P la tz darin, besonders w enn der W ebstuhl aufgestellt war. H eute schläft man n u r ausnahm sw eise in dieser Stube, sondern gew öhnlich in der K am m er oder im oberen Stockw erk.

Auch die eigentüm lichen schlesischen T ische m it dem kastenförm igen U n terteil und den übrigen Möbeln entsprechender b u n ter B em alung sind h ier fast verschw unden. N ur in S akristeien oder abgesonderten K irchen­

plätzen fanden sich noch B auernstühle m it m annigfaltig ausgesägten und bem alten R ückenlehnen vor.

W enn trotzdem in unserem Museum diese bem alten Möbel in die neu zu errichtende schlesische H olzstube gebracht w erden sollen, so ge­

schieht es, w eil ihre E inrichtung ja nicht den gegenw ärtigen dürftigen Stand der W ohnungskunst, sondern einen der D atieru n g der Möbel e n t­

sprechenden Zustand vor etwa 100 Jah ren darstellen soll. Dam als waren diese Möbel eben m odern und w erden sicherlich in m ehreren oder w enigeren Stücken auch die durch ihre anheim elnde B auart ausgezeichnete H olzstube geschm ückt haben.

Es ist j a eben eine w ohlberechtigte Absicht der Museen für V olks­

kunde, dass sie den reichen Schatz alter u nbefangener V olkskunst d ar­

stellen wollen, besonders aus jenen P erioden, wo ih re Ü bung in der höchsten

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Flechtner: Die K unst der H olzbearbeitung bei N iedersachsen und Friesen. 3 4 9

B lüte sta n d 1). D ass sie zum eist der V ergangenheit angehört, ist nicht zu leugnen, und das w ar und ist ja auch einer der H auptgründe für die E r ­ richtu ng solcher Museen, welche den nachfolgenden G eschlechtern zeigen können, wie das Y olk aus sich heraus sein H aus und H eim a lter Ü b er­

lieferung getreu reizvoll auszugestalten verstanden hat. Hoffen wir, dass es nach Ü berw indung d er heute noch herrschenden künstlerischen U rteils­

losigkeit und n ackten N ützlichkeitsbestrebungen in Z ukunft w ieder eine, w enn auch auf verän d erter G rundlage aufgebaute V olkskunst besitzen möge. D ie B etrachtung der alten Erzeugnisse deutscher V olkskunst soll und wird ein W egw eiser zu diesem höchst erw ünschten Ziele sein.

B e r l i n .

Die Kunst der Holzbearbeitung bei Niedersachsen und Friesen2).

Von Alice Flechtner-Lobach.

(Mit 18 Abbildungen aus der Kgl. Sammlung für deutsche Volkskunde zu Berlin.)

Das niedersächsische B auernhaus ist wohl der älteste Typ deutscher B auernhäuser überhaupt und h at die E lem ente seiner B auart w eit ü b er das eigentliche N iedersachsen hinaus v erbreitet. W ir finden es im Südw esten bis nach W estfalen und der A ltm ark hin, im O sten bis nach Pom m ern, besonders auf R ügen, wo vor einigen Jah ren sein Typus noch in m ehreren H äusern ausgeprägt war. Sein H au p tgeb iet sind die Gegenden um H annover, L üneburg, H am burg, die V ierlande und daran anstossend

Schlesw ig-H olstein und F riesland.

1) In Hirschberg, der Hauptstadt unseres schlesischen Gebirges, hat der verdienst­

volle Riesengebirgsverein die Absicht, ein ganzes Bauernhaus mit voller Einrichtung diesem Zwecke dienstbar zu machen, dessen äusseres Bild nebst Beschreibung in der Vereins- Zeitschrift ‘Wanderer im Riesengebirge’ vom 1. Juni 1913 S. 81 wiedergegeben ist.

2) Die für die folgende Darstellung benutzten Werke sind folgende: A. S a c h , Deutsche Heimat, Halle 1885. R. M ie lk e , Das Dorf, Leipzig 1910. C. R a n c k , Kulturgeschichte des deutschen Bauernhauses, Lpz. 1907. A. M e it z e n , Das deutsche Haus in seinen volks­

tümlichen Formen, Berlin 1882. W. P e s s l e r , Das altsächsische Bauernhaus, Braun­

schweig 1906. R. M ei b o r g , Das Bauernhaus im Herzogtum Schleswig, Schleswig 1896.

R. M. R ilk e , Worpswede, Bielefeld 1903. 0 . S c h w in d r a a h e im , Bauernkunst, Wien 1904. K. M u e h lk e , Von nordischer Volkskunst, Berlin 1906. J. B r in c k m a n n , Be­

schreibung der Möbel- und Holzschnitzereien, Hamburg 1894. R. F o r r e r , Von alter und ältester Bauernkunst, Esslingen 1906. S o h n r e y , Kunst auf dem Lande, Bielefeld 1905.

F. L u th m e r , Deutsche Möbel der Vergangenheit, Leipzig 1903. C. G u r lit t , Im Bürger­

hause, Dresden 1888.

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3 5 0 F le c h tn e r:

D ie besondere N ote des N i e d e r s a c h s e n - H a u s e s liegt in dem F eh len jeglich en Schornsteins. E s sind sogenannte R auchhäuser, bei denen der vom H erd aufsteigende R auch keinen Abzug findet, sondern durch das H aus hindurch nach d er T ü r zieht. W ährend diese E igen tü m lich k eit der Sachsen-H äuser sich im L aufe der Z eit naturgem äss verloren hat, ist in ihnen eine andere B esonderheit zum grössten T eil erh alten geblieben. Es ist die B auart, die n u r einen einzigen grossen R aum um fasst, d er in der M itte durch einen b reiten W eg, die D iele, geteilt ist. R echts und lin ks von diesem D urchgänge befinden sich die V iehstände, da b ekan n tlich im N iedersachsen-H aus M enschen und T iere u n ter einem D ache leben. Am Ende dieses grossen R aum es ist in den eigentlichen N iedersachsen-H äusern der W ohnraum , das F le tt, nach beiden Seiten m it F en stern ausgebaut, in dessen M itte sich das H erd feu er befindet. D iese ursprüngliche Anlage, nach w elcher das ganze H aus n u r den riesigen R äum unten und den entsprechenden H euboden oben umfasst, ist n u r in vereinzelten E xem ­ plaren re in erhalten. F o rtschreitend e K ultur, verbunden m it w achsenden B edürfnissen führte bald zu E inbau ten in diese ursprüngliche Anlage, vor allem w urde ein R aum gebaut, der die H errschaft von dem G esinde tren n te , eine Stube, die sog. ‘D önz’. Noch sp äter tren n te m an auch D iele und F le tt und führte ü berhau pt an beiden Seiten des F le tts An- und A usbauten hinzu, wie es die Zahl der F am ilienm itglieder und w irtschaftliche V erhältnisse bedingten.

D ieser H ausanlage verw andt, doch in d er E in teilu n g des G rundrisses eigenen G esetzen folgend ist das f r i e s i s c h e H aus. E s un tersch eid et sich von dem ersteren vornehm lich durch die streng ere A bteilung der einzelnen R äum e, besonders der Staatsstube, ‘P esel’ genannt, wie auch durch verschiedene E inrichtungen, die auf holländischen Einfluss zurück­

zuführen sind. So beispielsw eise durch die engere R aum einteilung und dadurch bedingte hochentw ickelte R aum ausnutzung, fern er durch die Lage des H erdes, der an die W and gerückt und m it R auchabzug versehen ist. D adurch wird eine besondere H eizkraft für den W ohnraum nötig, die d er holländische B eilegerofen v erm ittelt, auch sind die W ände vielfach gekachelt. Von diesen aus frem den Einflüssen und den L ebensgew ohn­

heiten der seefahrenden B evölkerung hervorgegangenen E igentüm lich­

k eiten abgesehen, zeigt sich das F riesen haus als ein echtes K ind N ieder­

sachsens 1).

Um diese beiden H austypen h andelt es sich daher besonders, wenn man den R ahm en für die E rzeugnisse niedersächsischer und friesischer H olzschnitzkunst suchen will. D as M obiliar dieser H austypen ist b e­

sonders in teressant nicht n u r durch die künstlerische Vollendung, sondern

1) Hier sei auf die von W. Pessler in ‘Deutsche Erde’ 1908 S. 17ff. gegebene Charakterisierung des Friesenhauses verwiesen. K. Brunner.

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Die K unst der H olzbearbeitung bei N iedersachsen und Friesen. 3 5 1

auch durch die kulturgeschichtliche T reue, m it w elcher diese D inge die E ntw icklungstendenzen alter B auernkunst bew ahrt haben. W ie alle ändern Erzeugnisse des B auernfleisses frü h erer Z eiten sind auch die Möbel des

C*

N iedersachsen- und F rie se n -H a u se s in enger A nlehnung an L eb e n s­

gew ohnheiten, w irtschaftliche und klim atische V erhältnisse entstanden.

S tä rk er ab er wie die leicht verbrauchten E rzeugnisse der K lein ku nst haben besonders die grösseren H olzgegenstände die Zeiten überdauert.

So finden wir in den noch zahlreich erhaltenen grösseren und kleineren M öbelstücken E rzeugnisse der niedersächsischen und friesischen Holz­

b earbeitungsk unst, die sowohl dem K ulturforscher, wie auch dem k ünstlerisch geschulten B eobachter eine reiche Quelle der A nregung und B elehrung bieten.

Ich habe im vorhergehenden die charakteristischen F orm en des N ied er­

sach sen-H auses kurz skizziert, weil die In nenein rich tu n g sich in A n­

passung an den R aum herausgebildet und entw ickelt hat. Bei dem echten alten N iedersachsen-H aus kom m t als bew ohnbarer und deshalb m öblierter R aum j a n ur das F le tt in B etracht sowie die rechts und links ausgebauten K am m ern, die ab er auch schon eine E rw eiteru n g darstellen. D ie Möbel, welche diesen R aum , in dessen M itte das offene F e u e r flackerte, b eleb ten, w aren hinsichtlich K onstruktion und V erzierung d er schw erfälligen A rt des Ganzen angepasst. E s w aren in erster L in ie ‘feste Möbel’, d. h.

solche, die entw eder in die W and eingelassen, wie die sog. ‘S chlafbutzen’, oder doch w enigstens an der W and befestigt waren. Das hauptsächlichste Möbel war die B ank, die an den beiden, m it F en stern versehenen Aus­

bauten des F le tts entlanglief; der fest davor stehende Tisch ruh te in der frühesten Z eit auf eingeram m ten P fäh len und wurde erst sp äter bew eglich gestaltet. Es fügten sich feste E ckschränke, sog. ‘H örnschapps’, hinzu, die besonders im schlesw igschen und D ithm arscher H aus eine grosse R olle spielten und zum T eil w undervoll ausgearbeitete T ü ren besassen. Neben solchen unbew eglichen Möbeln barg das niedersächsische H aus an bew eg­

lichen Möbeln vor allem das grosse E heb ett, das auf erh öh ter T enn e stand und dem B auernpaar gestattete, vom B ett aus das ganze Anwesen zu überw achen. R eichgeschnitzte P fosten trugen den m ächtigen T h ro n ­ him mel, von dem an allen Seiten dichte gew ebte V orhänge niederfielen.

D azu gesellten sich schön geschnitzte und bem alte Stühle, die jedoch n ur dem H ausherrn und der H ausfrau zukam en, infolgedessen stets in gering er A nzahl vorhanden waren. Bewegliche Schränke kam en erst später auf, dagegen spielte schon in den ältesten Z eiten die T ru h e eine grosse R olle als A ufbew ahrungsort fü r den kostbaren Sonntagsstaat der B äuerin. D ieses E inrichtungsstück bekam im Laufe der Z eit eine besonders typische G estalt, die für eine gewisse B auart der T ru hen bezeichnend w ar und noch heute u nter dem N am en ‘N iederdeutsche T ru h e n ’ b ek an n t ist.

Das M aterial der Möbel, insbesondere der festen Möbel, war vor­

nehm lich Eichenholz. D ie ältesten, sie stamm en nach M uehlke aus der

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3 5 2 F lechtner:

M itte des 15. Jah rh u n d erts, sind aus E ichenspaltholz gefertigt und w irken in der A rt ih re r B earbeitung m ehr zim m erm annsm ässig. D ie H ä rte des Holzes in V erbindung m it dem M angel an geeigneten W erkzeugen lassen eine d erartige A nfertigung als naturgem äss erscheinen, und es ist auch selbstverständlich, dass diese aus gespaltenen B rettern zusam m en­

gefügten Möbel gar keine, oder n u r sparsam e A usschm ückung zeigten.

S chnitzerei, soweit sie ü b erh au p t vorhanden ist, b esch rän k t sich h ier auf flachgehaltene rillen artig e Motive, dagegen finden w ir auch bei den älteren Stücken schon Beschläge. Ü bereinstim m end m it der K unst und H an d ­ fe rtig k e it dam aliger Z eit bevorzugen diese B eschläge das B andornam ent, sind ausserordentlich m assiv und w enig geschweift. Im V erlaufe der Zeit und in dem Masse, wie G eschicklichkeit und W erkzeuge sich vervoll­

kom m nen, tritt bei dem M obiliar des N ied ersach sen -H au ses d er Beschlag zugunsten d er Schnitzerei zurück. D e r gesunde Sinn fü r B rau ch barkeit und prak tisch e V erteilung des O rnam ents, der j a einen besonderen R eiz aller volkstüm lichen K unst bild et, leh rte den B auern, die G egenstände n u r da zu verzieren, wo es der B enutzung und H andhabung nicht en tgegen­

stand. Infolgedessen liess er die Sitzflächen der B änke, die P la tte des T isches stets frei von je d e r V erzierung und begnügte sich dam it, die S eitenlehnen der Sitze, die B eine der Tische usw. zu schm ücken.

Vor allem sind es die bew eglichen und klein eren G egenstände, die bald ein F e ld der T ätig k e it fü r die ku n stg eü b te H and des B auern oder des D o rfhandw erkers bilden. U n ter dem bew eglichen M obiliar w aren es w ieder in erste r L in ie die G egenstände, welche sich bezüglich ih rer B e­

stim m ung wie auch in der A rt ih re r H erstellu n g besonders für künstlerische V erzierung eigneten. E s sind das gleichzeitig die M öbelstücke, die m it d er Z eit am m eisten charakteristisch g estaltet w urden und deren k ü n st­

lerische A usarbeitung so eingehend und von so grösser Schönheit war, dass ih re R este noch heute ein w ertvolles L eh rm aterial bilden, vor allem die n iederdeutschen T r u h e n und die S tü h l e .

1. Die Truhe.

D ie niederdeutsche T ru h e ist ein ganz besonderer, von allen E r­

zeugnissen ähnlicher A rt abw eichender Typus. Ih re B auart, deren E ig en ­ tü m lichkeiten sich so lange erhalten haben, wie üb erh au p t T ru h en in N iedersachsen g earbeitet w orden sind, erin n ert am m eisten an die A rbeiten d er gotischen Epoche, aus der die ältesten noch vorhandenen T ruhen auch tatsächlich stam m en. Sie sind ausserordentlich massiv, aus dicken B rettern aneinandergefügt; das E igentüm liche hierb ei sind die senkrecht gestellten B retter, die in ih rer V erlängerung die F üsse bilden (Abb. 1).

D iese A rt d er Zusam m ensetzung gestattete eine A usbreitung des Schnitz­

w erkes ü b er die ganze F läche der V orderw and und liess diese T ru h en bei

(19)

Die K unst der H olzbearbeitung bei Niedersachsen und Friesen. 3 5 3

alle r S chw erfälligkeit doch angenehm in der F orm erscheinen, da die L inie durch k ein erlei R ahm enw erk unterbrochen wurde. D ie Schnitzerei bew egte sich bei den ältesten E rzeugnissen in dem feinen Stabw erk gotischer F orm , das aber auch bei denen aus frühester Zeit einen ganz eigenartigen Stil entw ickelte. Schon hier zeigt sich die in stink tiv sichere Art, m it w elcher der bäurische K ünstler die schw ierigen, aus der Stadt übernom m enen F o rm en für seine Zwecke und entsprechend den G renzen seines Könnens vereinfachte und um änderte.

L eider können w ir das bei den T ruh en späterer Zeit nicht m ehr in diesem Maße beobachten. Es m acht sich im G egenteil m it w achsender K ultur und W ohlhabenheit nam entlich bei den reichen B auern der D ith ­ m arscher Gegend der W unsch geltend, möglichst m it seinem M obiliar dem

Abb. 1. Niederdeutsche spätgotische Truhe.

S tä d te r gleichzukom m en, und so zeigen denn die T ru hen der Spät- R enaissance und B arockzeit wohl eine grosse künstlerische Vollendung, bleiben aber an E ig en art hin ter denen der früheren P erio de zurück. D ie schön und künstlerisch geschnitzten T ruhen der späteren Epoche sind auch in ih rer B auart ändern deutschen T ruhen gleich. Sie sind im R ahm en ­ w erk gearbeitet, die V orderw and ist m eist in vier bis sechs F e ld e r ein ­ geteilt und überreich m it erhabener Schnitzerei gefüllt. Das M aterial ist auch h ier noch Eichenholz, und die künstlerische K raft, m it der die Ge­

stalten, Köpfe und O rnam ente herausgeholt sind, ausserordentlich gross.

Sie w irken sehr reich, oft überladen, und bieten O riginelles, von der K unst städtischer H andw erker Abweichendes zuw eilen in der D arstellung d e r geschnitzten F iguren. So sehen w ir an einer T ruhe, die sich im H am burgischen Museum fü r K unst und Gewerbe befindet — ein besonders grosses Exem plar, dessen V orderw and in acht F e ld e r abgeteilt ist — die B rustbild er des H ausherrn und der H ausfrau ausgeschnitzt. Als Jü ng lin g und junges Mädchen, als junges E hepaar, im m ittleren und im G reisen- alter w erden sie uns vorgeführt. D ie C h arakteristik der Köpfe ist gut

Z eitechr. d. V erein s f. V olk sk u n d e. 1913. H eft 4. 99.

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3 5 4 F lechtner:

gelungen, besonders die Züge der älter w erdenden F rau m it derbem H um or geschildert. Sie bieten in ih re r reichen R enaissanceum rahm ung ein eigenartiges Stück bäuerlichen K unstgeschm ackes. H äufiger als diese originelle D arstellung sind S chnitzereien biblischen In h a lts, die v e r­

schiedensten G eschichten der H eiligen Schrift behandelnd. Ü berall, auch bei den T ru h en noch späterer Zeit, findet sich der Nam e der B esitzerin

— es handelt sich j a m eist um F ra u e n — sowie die Jahreszah l ein­

geschnitzt. D ie Schrift ist der dam aligen T ech n ik entsprechend erhaben aus dem G runde herausg earb eitet und stets in p lattd eutscher Sprache ab ­ gefasst. G leichfalls plattdeutsch sind auch die Sinnsprüche oder B ibel-

Abb. 2. Truhe ans dem ‘Alten Lande’, Hannover.

stellen, die stets den geschnitzten B ildern zur E rk läru n g beigegeben sind und sich m eistens am oberen R ande der T ru h en befinden oder rah m en ­ artig um das geschnitzte Bild herum geführt sind. Oft kom m t es dabei vor, dass das E nde des Spruches fehlt, wenn d er Schnitzer m it dem R aum nicht ausgekom m en ist. Häufig aber gesellt sich zur künstlerischen H and eine gewisse B egabung in der W ortschilderung, um nicht zu sagen D icht­

kunst. So finden w ir au f einer T ruhe, welche die P ara b el vom arm en Lazarus darstellt, die U m schrift: „De rick e m an levet in averflodt, de arm e m an hunger liden m o th 1).“

D em Stil der Zeiten entsprechend finden sich neben diesen R enaissance­

truhen solche aus der B arock- und R okokozeit (Abb. 2— 3). D ie länd ­ lichen H an dw erker, um w elche es sich in dieser Zeit wohl handelt, suchten ihre E h re darin, nicht hin ter den städtischen zurückzustehen. D e r R eichtum

1) Aus: J. Brinckmann, Beschreibung der Möbel und Holzschnitzereien aus dem Hamburgischen Museum für Kunst und Gewerbe. Hamburg 1894.

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und die P ru n k su ch t der B auern, besonders in den K üstenstrichen, w ar auch m ehr und m ehr gew achsen, und so finden w ir aus dieser Z eit T ru h en in den P eseln und F le tte n , bei denen es zw eifelhaft ist, ob sie nicht üb er­

haupt aus der S tadt stam m en. E rst E nde des 18. und A nfang des

Die K unst der H olzbearbeitung bei N iedersachsen und Friesen. 3 5 5

Abb. 3. Truhe aus Oldenburg.

Abb. 4. Brauttruhe aus Dithmarschen.

19. Jah rh u n d erts kom m t w ieder die alte schlichte F orm und Y erzierungsart der niedersächsischen T ruhe zu E hren. Die K unst der Schnitzerei ist um diese Z eit fast ganz verloren gegangen. An ihre Stelle tritt die E in- legetechnik, für die sich die glatten W ände der T ruhe besonders eignen.

In dieser V erzierung m it farbig gebeizten oder gem alten H ölzern finden w ir w ieder die ganze U rsprünglichkeit der Auffassung, soweit es sich um A usgestaltung der späteren Z eit handelt. D ie Motive sind zum T eil

23*

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3 5 6 F lechtner:

n atürlich auch w ieder von der S tadt beeinflusst, d er B iederm eierstil, der z. B. Anfang des 19. Jah rh u n d erts in den Stadtw ohnungen herrschte, k lin gt auch h ier bei den B auernm öbeln an. D aneben aber finden w ir viel feine und ursprüngliche D arstellungen in den Blum en-, Yogel- und R an k en ­ m otiven. D as M aterial ist je tz t verschiedener A rt; es w erden dunkle H ölzer in N aturfarbe eingelegt, w ir finden auch buntgefärbte Einlagen, die sich besonders in dunklen F ü llun gen m it sparsam er Schnitzum rahm ung w underschön ausnehm en. D ie Schnitzerei, soweit sie noch herv ortritt, b egnügt sich m it der Profilierung der erhöhten U m rahm ung eingelegter P la tte n . B arockähnliche Medaillons w erden ganz geschickt m it B ieder­

m eierm otiven zusam m engearbeitet; die ausserordentlich saubere Aus­

führung, die gesunde G liederung der M öbelstücke g ib t diesen schlichten K unsterzeugnissen ein w ohltuendes G epräge.

Die zuletzt beschriebene A rt der T ru h en ist wohl die letzte, die ü b erh au p t h erg estellt w urde; die Kom mode, der F äch ersch ran k verdrängten auch im B auernhause gegen M itte und E nde des 19. Jah rh u n d erts dies alt- ehrw ürdige Möbel. W as von S tücken dieser A rt später noch verfertigt w orden ist, hat sich naturgem äss an die alten V orbilder gehalten, da neue j a nicht m ehr zu Gebote standen.

D ie ausserordentlich gediegene B auart der T ruh en hat ihnen ein besonders langes L eben gesichert, so dass w ir von der geschnitzten gotischen T ru h e bis zur feinen E in leg earb eit des 19. Jah rh u n d erts eine ziem lich ununterbrochen e R eihe solcher niederdeutschen T ru h en besitzen. F inden w ir auch nicht bei allen eine besondere B etätigung k ünstlerischen B auern- fleisses, so sind doch selbst diejenigen , welche sich ziem lich eng an städtische V orbilder halten, interessant durch die oft naiv anm utende Art, in w elcher der bäuerliche H a n d w erk er sie seinen Zw ecken folgend um ­ g earb eitet hat (A bb. 4).

2. Die Stühle.

D er Zweck der Stühle im N ied ersachsen-H au se w ar der, besonders geehrten P ersonen, nam entlich dem H ausherrn und der H ausfrau, als R uheplatz zu dienen. Sie w aren nicht allgem eine G ebrauchsgegenstände, sondern fast im m er nur in ein bis zwei E xem plaren vorhanden, und ihrem besonderen Zweck entsprach auch ihre A usstattung. Die F o rm en der ältesten Stühle erinnern vielfach an die je tz t noch in Schweden üblichen Sitze; sie stehen auf drei B einen und haben eine dreieckige Sitzplatte.

Doch finden sich daneben auch aus ältester Zeit, zum al in den M arschen-

H äusern, vierbeinige Stühle m it geraden Sitzen. D iese Stühle w aren stets

bequem und p raktisch gebaut. D ie B eine w urden fest m it einer leisen

N eigung nach aussen gestellt und als durchgehende P fosten für die Arm ­

lehnen gearbeitet. Ebenso bildeten die Seitenpfosten der R ückenlehne

gleichzeitig die Beine, wodurch der Stuhl besonders standsicher wurde.

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Die K unst der H olzbearbeitung bei N iedersachsen und Friesen. 3 5 7

Abb. 7. Abb. 6. Abb. 8.

Stuhl aus der Stuhl aus Lüne- Stuhl aus Hindeloopen

Propstei, Holstein. bürg. Westfriesland.

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3 5 8 F lechtner:

D ie R ü ckenlehne war stets so angeordnet, dass die Stelle, an die der R ück en sich lehnte, von jedem störenden Schm uck frei blieb. Ebenso hübsch und zw eckm ässig war auch die A nordnung der A rm lehnen, die sich m it leich ter R undung nach aussen bogen, eine G rundform , die heute in den b ek an n ten W orpsw eder Stühlen w ieder neu zu E h ren ge­

kom m en ist.

D ie ältesten Stühle sind ausgesägt. Solange die T echn ik des D rechselns noch unb ek an n t war, versuchte man es, den Stühlen eine m öglichst zier­

liche F orm dadurch zu geben, dass m an die geraden L inien durch v er­

schiedene A rten des Aussägens gefällig gestaltete. S ehr bald ab er begann m an, die B einpfosten der S tühle zunächst m it einfacher, wenn auch grober D rech selarb eit zu verzieren. D er obere T eil des Stuhles blieb zunächst noch im m er der Säge- und S chn itzarbeit Vorbehalten und gab G elegenheit zu m ancher sinnigen und hübschen M usterung. Vom 16. Ja h rh u n d e rt ab h errschten jedoch ausschliesslich gedrechselte Stühle, deren T echnik sich m ehr und m ehr vervollkom m nete und zu jenem künstlerischen Typus des niedersächsischen Stuhles erwuchs, der unsern m odernen K unstgew erblern noch heute schöne und geschätzte B eispiele b ietet (Abb. 5 —6).

D as M aterial der Stühle w ar ebenso wie das der T ruh en in ältester Z eit ausschliesslich Eichenholz. Jedoch w urden die gedrechselten Sprossen häufig aus abw eichender H olzart gearbeitet, da das Eichenholz infolge seiner S prödigkeit sich schlecht zur D rechselei eignete. D ie G rundfarbe w ar m eistens dunkel; an der L ehne sowie an den gedrechselten Stäben brachte man häufig bunte M alerei in der W eise an, dass man einen Stab rot, den ändern blau m alte und so dem Ganzen eine bunte L ebend ig keit verlieh. Selten n u r finden w ir an diesen Stühlen M uster eingeschnitzt, diese sind dann ebenfalls b u nt ausgem alt. Ganz vereinzelt entd eck t man h ie r S puren von bunten W achsfüllungen, wie sie w eiter östlich in Pom m ern, M ecklenburg und W estpreussen vielfach angebracht w urden. D iese T echnik bestand darin, dass m an die schwach ausgeschnitzten O rnam ente mit buntgefärbtem W achs ausgoss, eine K unstart, die jedoch hauptsächlich bei K erbschnitzerei in A nw endung kam . D ie Sitze der Stühle bestanden aus Holz oder geflochtenem Stroh. D iese Strohflechtereien w urden m it viel Mühe sehr dicht und haltb ar ausgeführt und hatten augenscheinlich die verschiedensten M uster. U nter den R esten, die heute noch erhalten sind, ist das schräggehaltene B andflechtm uster am häufigsten, doch kom m en auch sternförm ige M uster sowie schachbrettartige vor. W a r die P la tte aus Holz, so blieb sie stets u n v erziert; sie w urde d un kel gebohnt und alsdann m it K issen belegt, deren H erstellung ebenfalls ein besonderer K unstzw eig war, der in jedem B ezirk in ein er ändern W eise geübt wurde.

K issen in b u n ter W ollstick erei aus den V ierlanden, friesische N oppen­

technik (eine schleifenförm ige W ebart), B eid erw and -K issen platten aus

Schlesw ig-H olstein, sie alle bilden individuelle E rzeugnisse bäuerlichen

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Die K unst der H olzbearbeitung bei Niedersachsen und Friesen. 3 5 9

Kunstfleisses, der gerade h ier seine besondere G eschicklichkeit, sowie einen grossen V orrat an ererbten F orm en und M ustern zeigte. Es lag in dem Zweck des M öbels, dass Stühle ohne Seitenlehnen als blosse S itzgelegenheiten selten in älteren H äusern zu finden waren. S elbst K ind er­

stühle w urden in genauer Nachahm ung der grossen m it zierlich gedrechselten A rm lehnen versehen. E rst eine spätere Zeit, die das ganze H ausgerät b e­

w eglicher gestaltete, brachte auch den Stuhl ohne Seitenlehne auf.

Etw as abw eichend von den Stühlen des eigentlichen N iedersachsen­

gebietes und Schlesw ig-H olsteins (Abb. 7) sind die Stühle des F riesen - H auses, die in ih rer ganzen B auart leichter

sind und in ih rer A usgestaltung sehr an die holländischen Stühle alter Zeiten erinnern. D ie gedrechselten Pfosten sind hier durch weich ge­

schwungene schm ale R ü ck en b retter ersetzt, die quer von Pfosten zu P fosten laufen und in ih rer leichten B iegung nach aussen dem R ücken einen ausserordentlich w ohltuenden H a lt geben (Abb. 8). D ie Sitze sind ebenfalls m it Kissen oder Strohflechterei geschm ückt. Doch finden wir in den friesischen H äusern schon

f r ü h z e i t i g

die lehnenlosen Stühle, da die ganze A nlage des F riesen-H auses m it der abgeteilten W ohnstube m ehr und leichter bew egliches G erät verlangte.

3. Schränke.

E in breites F eld für die Schnitzerei boten im N iedersachsen-H ause die F lächen der W an d ­ schränke, die zunächst das einzige schrankartige Möbel ü b erhaupt darstellten. D iese W and­

schränkew aren entw eder in d ieW and eingelassen, wie die Schlafbutzen, oder sie ragten erk erartig ins

Zim mer. D ie Seitenw angen dieser vorstehenden Schränke, der F irst oben und unten w urde m it oft w underschönen Schnitzereien geschm ückt, die in Anpassung an das harte M aterial sich m eist in grosszügigen F orm en hielten.

G eschnitzte Tafeln, von bandartigen F lachornam enten um rahm t oder durch K erbschnittleisten eingeteilt, finden sich am häufigsten. D ie Motive w echselten je nach der K unstepoche, behielten aber stets eine gewisse U rsprünglichkeit bei und zeichnen sich vor allen D ingen durch ausser­

ordentlich schlichte und gesunde F orm en aus. E ine gleiche Schnitzerei schm ückte auch die Schiebetür, die am T age die ohnehin geringe L icht- und L uftzufuhr dieser Schlafkästen ganz hinderte, falls sie nicht durch V orhänge in der b ekannten B eiderw and-T ech nik ersetzt wurde. Eine eigentlich bilderreiche H olzschnitzerei, wie man sie später in den reichen

Abb. 9. Eckschrank, sog. Hörnschapp, aus der Gegend von Meldorf, Holstein.

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H äusern der D ithm arscher B auern, vor allem in dem berühm ten P esel des M arkus Swyn zu L ehe fand, w aren in den B auernhäusern sonst im allgem einen nicht üblich. D ie P ra c h t und kü nstlerische V ollendung, m it der solche P ru n k stü ck e in B auernhäusern ausgeführt waren, lassen un-

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Abb. 10. Schrank aus der Bremer Gegend.

bedingt auf städtische H andw erkskunst schliessen und können daher für

diesen Aufsatz nicht in B etracht kom m en. D er B auer selbst oder der

dörfliche H an d w erk er begnügte sich m it der einfacheren T echnik, und

m it dem gesunden F orm gefühl, das ihm innew ohnte, brachte er E rzeug ­

nisse zustande, die in je d e r H insicht als schön, zw eckm ässig und gediegen

anzusehen sind. In späteren Zeiten kam für diese W andschrankflächen

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Die K unst der H olzbearbeitung bei Niedersachsen und Friesen. 361

die T ech nik der F üllungen und R ahm en arbeit auf, die sich dann bis ins 19. Ja h rh u n d e rt hinein erhielt. Auch h ier löste die E in legetech nik die K unst der Schnitzerei ab; feine, oft in farbigen H ölzern ausgeführte B lum en- sträusse schm ückten die kleinen F üllungen der W andschränke, deren R ahm en in leichtem B arock- oder R o k o k o -O rn a m en t gehalten waren.

Ähnlich den S chränken wurden auch die F lächen der T ü ren geschm ückt, zuw eilen, aber n u r vereinzelt, auch F ensterum rahm ungen.

Abb. 11. Ostfriesischer Anrichteschrank.

E in ganz besonders charakteristisches M öbelstück ist der ‘H örnschapp’, ein k lein erer E ck sc h ran k , dessen Bezeichnung eine U m bildung des dänischen W ortes ‘H jörneskab’ ist (Abb. 9). D iese E ckschränke, von denen das Museum in M eldorf ein besonders schönes E xem plar besitzt, dienten wohl häufig zur Aufnahm e von S peisevorräten und zeigen zuweilen eine durchbrochen geschnitzte kleine F üllung, die Luftzufuhr gestattete.

Sie sind stets im R ahm enw erk gearbeitet und zw eigeteilt, die V erzierung

ist häufig K erbschnitt, eine für N iedersachen und die G ebiete an der

Ostsee besonders bezeichnende V erzierungsart, auf die nachher noch näh er

eingegangen w erden soll. — E inen ganz eigenen C harakter, der eigentlich

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nichts B äurisches an sich hat, tru g der bew egliche S chran k , d er ja ü berh au p t in N orddeutschland als B auernm öbel nicht g elten kann. W as sich in N ied e rsach sen -H äu sern von solchen Schränken erhalten hat, ist, wenn nicht üb erh au p t aus der S tadt herübergenom m en, so doch genau nach städtischen V orbildern g ea rb eitet (A bb. 10). In den reichen B au ern­

häusern finden sich um 1600 und noch sp äter eine ganze R eih e je n e r riesigen zw eitürigen S chränke, die ein besonderes E rzeugnis H am burgisclier T isch lerarb eit w aren und noch heute u n ter dem N am en ‘H am bu rger Schapp’ b ek a n n t sind. D iese H am b urger Schappe, die sich späterhin an d er ganzen O stseeküste entlang v erb reiteten und w eiter östlich u n ter dem N am en lD anziger S chran k ’ bek an n t w aren, sind heute noch in vielen E xem plaren erhalten. Sie zeigen ein schönes B eispiel städtischer T ischler- kunst, b ieten ab er fü r diese A rbeit kein erlei Interesse, trotzdem sie vielfach in B auernhäusern zu finden w aren und noch sind. Sie lösten den vorher gebräuchlichen S chrank, d er nach niederländischem B eispiel ge­

a rb e ite t und v iertü rig war, ab und dienten auch in den B auernhäusern vornehm lich zur A ufnahm e von K leidungsstücken. D ie am häufigsten noch vorhandenen S chränke sind im B arockgeschm ack gehalten, einem Stil, d er in d er W uch tig k eit des O rnam ents, der m eisterhaften B ehandlung der H olzflächen besonders für diesen S chranktypus geeignet ist.

In den F riesen -H äu sern haben sich schon früh u n ter holländischem Einfluss k leine H ängeschränkchen eingefunden, die, besonders fein und zierlich in F lach o rn am en t geschnitzt oder m it K erb schn itzerei verziert, w ieder echt bäuerliche E rzeugnisse sind. D ie Schnitzerei wurde vielfach b u n t bem alt, eine in N orddeutschland besonders belieb te V erzierungsart, w elche die S chnitzerei noch besonders hervorheben sollte (Abb. 11).

4. Das Kleingerät.

Es liegt in der N atur der Sache, dass die k lein eren G erätschaften des B auernhauses m ehr als die grossen M öbelstücke die K unst und G e­

schicklichkeit des B auern selbst zeigen, da sie j a vielfach als G eschenke entstanden sind. W ir finden u n ter ihnen gerade die feinsten und in ­ dividuellsten H ausfleisserzeugnisse der niedersächsischen und friesischen B auern, w enngleich selbstverständlich auch hier viel H and w erksk un st m it einläuft. Im m erhin spiegeln diese klein en G eräte G eschm ack und K unst­

sinn der B esitzer auch dann deutlich w ieder, wenn sie von H andw erkern

angefertigt sind, da bei solchen G eschenken der B auer vor allem viel

P ersönlich-B ezügliches dabei haben wollte. D er Auffassung, dass diese

K leing eräte häufig vom B auern selbst ausgeführt seien, kom m t auch die

E ig en art ih re r T ech n ik entgegen. D iese K leingeräte sind näm lich vielfach

m it K erbschnitt geziert, also einer S chnitzart, die auch ungeübteren

H änden geläufig ist.

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auch gewinnt, was namentlich in der Herzegowina möglich wäre. oben das Mädchen!), wenn Ivrauss bewundert, „mit welcher Treue das Gedächtnis des Volkes ohne

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W ien. Daraus wurden für die griechische Heldensage vielfach wichtige Schlüsse gezogen. In der Frage, ob die Heroen erhöhte Menschen oder herabgesunkene Götter

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L eider ist nicht angegeben, was man m it dem zur H inrichtung benutzten Strick zu zaubern verm ochte, aber wir finden in den vorher schon erwähnten

lichen Anlässen einen Stab, die ‘P ateritza’, d«r an der Spitze m it zwei einander zugekehrten Schlangen und zwischen ihnen m it einem K reuzchen auf einer

halten hat.. Kerbhölzer und Kaveln. Bei den einteiligen K erbstöcken fehlt es an dieser Sicherheit, wenn auch durch gewisse V orkehrungen eine für ehrliche Menschen