xch Jahrg. zeitliniden4.Februar1905. Alt.19.
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Maximilian Hardm
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Als-: Brixwur. VonZofe Zaum-u ,.·........... ......220
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Uachdruck verboten.
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Erscheint jeden Sonnabend.
Preisvierteljährlich5Mark,dieeinzelneNummer 50Pf.
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Berlin.
Verlag der Zukunft.
Friedrichftraße10.
1905.
«AufGrundvon patentierten
von ersten Autoritäten anerkannten und begutachteten Erfindungen- welche einen tless aussichtsvolls sie-h imAufblühen begriffenenund von
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Das Germanentum und sein Verfall.
Einerassenpolitische studie von Max Engelmann.
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lstesreiner Zufall,dassdiesozialdemokratie nur inchristlichen Ländern gedeiht? — Engelmann findetimchristentum diewahre,
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Die Zukunft I
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Berlin, den 4.Februar 1905.
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Der russischeReichstag-
IasDeutscheReichumfaßt540657 Quadratkilometer undhatungefähr
VsechzigMillionen Einwohner; auf jedemQuadratkilometer hundert.
DasReichdesZarenumfaßt22470000Quadratkilometer undhatminde- stenshundertdreiundvierzigMillionen Einwohner;auf jedemQuadratkilo- metersechs.InDeutschlandsinddieUnterschiededesKlimas, derRasse,des Glaubens gering. Rußland hateineBreitendifferenzvon zweiundvierzig Grad, reichtvom NördlichenEismeer bisandietürkische,persische,asgha- nische,chinesischeGrenzeundistvonSlaven allerStämme,vonGermanen, Litauern, Jraniern, Semiten, Turaniern,Mongolen, Tungusen,Hyperbo- råern und Völkern derugrisch-finischenGruppebewohnt;vonevangelischen, griechisch-orthodoxen,römisch-katholischenundarmenischenChristen,von Raskolniken,Mohammedanern,Jsraeliten,BuddhistenundHeiden.Alsüber DeutschlanddieZeitdesLandsriedensundderResormationherauszogund einehoheKulturschonmählichverblühte,konnteRußland,daskaumnocheine Geschichte,imkaltenErdreichdenerstenKeimeinerKultureinheit hatte,un- ter Jwan demDritten sichendlichvomJochderGoldenenHordebefreien.Wäh- rendDeutschlanddendreißigjährigenKriegsschreckenerlebte,versuchteinRuß- landMichael Romanow,demStreitderTheilfürstenundPrätendenten,den AufständenderPolenundNowgoroder,derAnarchieeinEnder machen.Wie traurigesnachdemWestfälischenFriedeninDeutschlandaussah,lerntjedes Schulkind.Wasaberwaren dieKriege Wallensteins,TillysundGustav Adolfsgegen die Gräuel derTatarenherrschafttVomJahre1222 an,seit Dschengis-Khanin dieKrim eingefallenwar, bis insJahr1480haustendie
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198 DieZukunft.
MongoleninRußland;zerstampftendieSaaten,schwächtendas nationale Bewußtsein,diesittlicheKraft,dasintellektuelleundmaterielle Vermögen desVolkes,korrumpirtenHerren undKnechte,BojarenundKirche.Vergebens riefenSerapionvonWladimirunderillvonKiewzurEinkehr,zurPflicht,die dasLandrusfischerKinderzufordernhabe:ihrmahnendesWortmußteschnell wiederverhallen.WasinzweihundertfünfzigJahrengrausamsterHordenherr- schaftoernichtetward, bringtkeinfrommer Wunschwiederzurück.Dasver- wüstete,VerpesteteLandunddastiefsteWesenderVolkheittrugnochdieMongo- lenspur,alsPeterinDespotenlauneseinunseligesBeglückerexperimentwagte..
BlicktaufKatharinensRußlandundaufdasfritzischePreußen.Bedenkt, daß derdeutscheNordenschonvonKantsprach,alsRußland nochvorPugatschewss Bauernkriegsplanzitterte. DaßesinDeutschlandnurnochwenigeAnalp·ha- betengab,alsdreiundzwanzigMillionenRufsenausderLeibeigenfchafterlöst wurden.Undbeantwortet selbstdann dieFrage,ob dasGossudarftwo,dessen FlächedieEuropasum mehrals dasDoppelteübersteigt,ob dasRiesenreich ohnereligiöseundnationaleEinheit,dasLanddumpffinnigerMushiksnach denselbenGrundsätzenregirtwerdenkann wie eineuropäischerStaat.
DasVerlangenist alt; jeder Bojar,derknirschendandieTageBoris Godunows dachte,sangdasLob einesrepräsentativenReichsrathesAls AlexejMichailowitschden StändendasneueGesetzbuchvorlegte,als,hundert- zwanzigJahrespäter,KatharinafünfhundertsechzigAbgeordnetein die Ge- setzgebendeKommission nachMoskau berief,als derersteAlexander, Lahar- pes Schüler,alsNikolais sanfterSohn denKaiserstuhlbestieg:immerhoffte dieOberschicht,nunwerdedasSehnen endlicherfüllt.IhrSehnen; nichtdas desVolkes. DieTataren,Baschkiren,Mordwinen undLettenwünschtensich keinParlament;wünschensnochheute nicht. JnMinen undSchänken,bei HirtenundPflügern,in derbunten,mit Blumen besticktenSteppeundin deneisigenErdhöhlen,denSemlianken Sibiriens,andenUfernder wilden Wolga,beidenBurlaki,diemitschwermüthigenSängensichdiemühoolleFlöß- erarbeitverkürzen,wirdman solchesWunschesEchonichthören.Eine Volksab- stimmungwürdemitungeheurerMehrheitfürdie Autokratieentscheiden.Nur- dieeuropäischGefirnißtenfordernmurrendlängsteineVerfassung.Undoftwar derHofeinesSelbstherrschersbereit, siezugewähren.Warumnicht?Die Massenfind stumm,bleibenstumm;undausdem Murrenwirdschnellein Jauchzen,wenn derlangeerbettelteBrockenhingeworfenift.Für-denGossu- dar wäre esnur bequem.NichtgegenihnwiirdederHaß sichdannwaffnen.
Er wäregedeckt,hättefür seinenRuhmgenuggethanundkönntesichselbst-
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IV
.-errusfische Reichstag. 199
herrlichamusiren. Daß auch parlamentarischregirendeFürstennicht macht- lossind,lehrtein Blickauf Europa. AlexanderderZweite,derimmerver- liebteLustsucher,dachteso.Jhm,der ganz inAeuszerlichkeitenausging(und den das VolkdeshalbnochöfterdenMilitärschneiderals denBefreiernannte), hätteeinkummerlosesLebenim Arm derschönenDolgoruckiundandererHol- denbehagt.Alsergemordetwurde, lagseinVersassungentwurfin der Staats- druckerei.DerSohn,demerdasReichließ,ähneltedemVaterin keinemZug.»
AlexanderderDritte warvonengbegrenzterJntelligenzundinseinenbesten Stundenselbstnieeinschöpferischechist.Aberredlich,gewissenhaft,vonunbe- irrbaremWillenundernstemFleiß;einguter,gestrengerHausvaterundspar- samerVerwalter.Der Vaterhatte,alsderFinanzministerKnjåtschewitschihn bat,einenJahresetatdeskaiserlichenHausesfestsetzenzudürfen,wüthendge- fragt:»WillstDumichunterVormundschaftstellen?«Daßervierzig,fünfzig MillionenRubel imJahrverbrauchen,sieeinfach,obnedaßdraußenJemand davonerfuhr,demReichsschatzentnehmenkonnte,paßteihm.DieAusgaben desSohnes habendenBunge,WyschnegradskijundWitteniemals Kopf- sch1nerzengemacht.Der dritteAlexandersagtesich: Nichtzu meinemVer- gnügenbinich auf diesenPlatz gesetztundhabe nichtdasRecht, michder schwerstenPflichtzuentziehen;ichdarfnichtnachdemWunscheinerwinzigen MinderheitdasSchicksalvonhundert Millionenbestimmen, darfnicht,weils mirbequemerwäre,meinLandeinerLebensgefahrausliefern;dasLandbraucht einestarkeRüstung,brauchtnationale undreligiöseEinheitunddasVolkwill einenkräftigzugreifendeuHerrmalsokeineVerfassung,sonderngerechtesund reinlichesRegiment.DieserschwerfälligeMannmit demlangsamassoziiren- denHirnwardasMusterbildeineszurHerrschaftüberrussischeMenschengeeig-
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netenKaisers;war vielleichtderletzteAutokratechtenGeblütes. Dasglaubte auchseineFrau.Als er, widerErwarten früh,gestorbenwar,hieltdieWitwe, dieihn vergötterthatteundnochheute vergöttert,dieZeitderAutokratie für erfüllt.Ja:dieseDänin,die in sderPresseseitJahrzehntenals Mutter der Reaktion,als Gebärerin allesUnheilsvorgeführtwird, hatteim November 1894,amTotenbettedesMannes,mitdemHausministerWoronzow-Dasch- kow einenVerfassungentwurfausgearbeitet,dersofort inKrafttretensollte.
NichtausLiebe zumParlamentarismusundLiberalismus, sondern,weilsie KeinemdieBewältigungderAufgabezutraute, fürdieihr starkerSascha geradestarkgenuggewesenwar.Keinem. AmWenigstemihremSöhnchen, demguten,schüchternen,kränkelndenNika,derwirklichnichtaussah,alskönne
erdieMützedesMonomachosmitAnstand tragen· Vielleichthats ihmdie Jos-
200 DieZukunft,
Mutter offengesagt.JedenfallserfuhrersinLivadia. DiePietätbäumtesich aus.WiderdenWillendesVatershandeln? NiemalsWoronzowwurdeun- gnädigweggeschickt.Undineiner derersten Reden,die derneue Zar hielt, wandte ersichbarschgegen die»sinnlosenSchwärmereien«derLeute,diefür RußlandeineKonstitutionnacheuropäischemMusterheischten.
Derfeste,männischeTongefiel.EinzweiterNikolaischienindemJüng- lingerstanden,deralsKaiserNikolaus derZweitehieß.JmHans aberhaben die Damen ihmbisaufdenheutigenTagdarobhartzugesetzt.Die Mutter warnte: DieLastwird Dir zuschwer:wirfsie ab, eheDuerlahmstlUnd die Frau,dasenglischerzogenezärtlicheHausmütterchen,bat:»LaßDichnichtzer- quälen;gönneDichuns,denKindernundmir, stattDichstündlichneuerGefahr auszusetzen;hieristswarm unddraußenlauertderHaß.WarstDuinDarm- stadtnichtglücklich?Wären wirsnichtimmer,wenn DuDichentschlüssest, wie Onkel Eduard in Londonzuleben,derersteGentleman DeinesReiches zusein?Wir könntenreisen, Sport treiben,Armin ArmdurchdieStraßen spazirenund— dasBeste— inungestörterGemeinschaftdieKinderer-
ziehen.«-DieMutter,dieFrau;undmancherVerwandte gabimmerwieder denselbenRath.DochallesWarnen undSchmeichelnversagte.Nikolaus,der sonstsounsicherzwischenverschiedenenNeigungenschwankt,bliebhierim Wollenfestunddem Vatergehorsam.JndenletztenMonatenmagervonMa- ria undAlexaudraFeodorownabesonderszärtlichbestürmtwordensein,das eineWort,das erlösende,endlichzusprechen.Bisheute sprachersnochnicht.
Unddaßersnichtsprach,war weise.Nur KinderundLiberalschwätzer könnenwähnen,eineVerfassung,einParlament werdeRußlandbeglücken;
unddiesesGlückzugewähren,hängenur vondemgutenWilleneinesZaren ab. Werso redet, weißnichtsvonrussischerGeschichte,vonrussischerVolkheit.
EingewissenloserZar,der«seligwäre,wenn diepetersburgerSalonbummler ihm Beifall brüllen,würdesofortdieGeneralstaatenin denKreml,diePa- laststadtmit demTatarennamen, berufen.EinParlamentwürdeihnent- lasten,vonArbeit undHaßbefreien;dasLand aber inunabsehbaresUnheil stürzen.DasLand,indesseneuropäischenProvinzenselbstvon hundertRe- krutenimJahr1901zweiundsechzigwederlesennochschreibenkonnten.Seht Jhr sieandieWahlurnetreten?AhntJhr,wasStimmenkaufundgemeinste Demagogiedaanrichtenwürden? Aberman brauchtejanurdieVertreterder Landschaften,dieSemstwos,wieschonfrühergeschah,zuversammeln.Die sind dochhalbwegsgebildetundwissen,wassiewollen. Und wielangewürde diesesRezeptreichen?Daswärejakeine»Volks«vertretung«.Lauterund
Derrussische Reichstag. 201
leidenschaftlichernoch,alssies jetztwagendürfen,würden die kleinen Sa- lonmirabeaus,dievonmarxistischenProfessorengeschultenStudenten und dasvonSozialistenundTerroriftenheimlichgedrillteArbeiterheerdasMassen- wahlrechtfordern.Das wärenoch nichtdieschlimmsteGefahr.Sem- skijSobor oderReichstag:Rußlandkann keineDebattirkörperschaftvertra- gen, weilihmdienationale Einheitfehlt.UmdieseEinheitzuschaffen,hat diepetersburgerRegirungdenBalten,Polen, Finen, Juden, denKleinrussen
sogardasLebenoft sauergemacht;nichtaustückischerLustangrausamem Wüthen.AucheuropäischeStaatenhabeninderNothwehrsogehandeltzund
werdiepolnischenunddänischenPreußenfragt,wird hören,daßesnochheute geschieht.EinrussischesParlamentwürde wie eineEentrifugalmaschinear- beiten,dieVolkskräftevoneinanderlösen,nichtzueinträchtigemHandelnzu- sammenbinden;denKörper desReicheszerreißen.WiehatEnglanddurchden KampfgegendenirischenAnspruchgelitten!Und eshattenurdieseneinenPfahl imFleisch.OesterreichkommtnichtzugesundemLeben,weilinseinemReichsrath Deutsche,Ezechen,Polen,Jtaliener,Slovenen sitzen.WasdieseskleineLand, mitallseinemReichthum,seineraltenKultur,nichtverträgt,solldas arme,un- kultivirte,austausendWunden blutendeRussland vertragen?SeinParla- mentmüszteeinemDutzendindogermanischerStämme,einemzweitenDutzend mongolischerVölker(FinenundTataren) Plätzeeinräumen,Männern aus Archangelund ausBessarabien,vom Karischenundvom KaspischenMeer, ChristenallerBekenntnisse,Mohammedanern,Juden, Buddhisten.Und solchesParlamentsolltezunützlicherArbeitfähigsein? IndemPolenund Kleinrussen,Balten undLetten,SchwedenundArmenier, Tscheremissen, Mingrelier, Esthen,Fino-Karelier,Baschkiren,Kirgisen,Lappen,Kalmüken, Burjaten säßen?NachdemerstenRauschwürdederHaderderStämmejeden VersuchgemeinsamerArbeitersticken.DerEuropäer ahnt nicht,wiegering imRussenreichdieCentripetalkraftist.Ersolltedasalte«Heldenliedvon JgorsHeerfahrtlesen,aus dessenRhythmen inbrünstigeSehnsuchtnach derEinheitdesrussischenLandesseufzt.JnJahrhundertenwarddasSehnen nichtgestillt.Undwenn derMoskowiter jetzthört,mitwelchemEntzückensein GeneralStoesselüberJapanunddieJapanerspricht,denkterinWehmuth deraltenFürsten,diesichalsGefangenederTataren so wohlfühlten,daß siedieHeimath vergaßenundTatarinnen freiten. RußlandsnationalesLeid wird, so gutesgeht,denBlickenverborgen.EinParlament, jedesRegime, dasderOeffentlichenMeinungfreienRaumließe,brächtedenJammer schnell ansLicht.Schon giltderKaukasusVielenals Verloren.Eineöffentlichta-
202 DieZukunft.
gendeVolksvertretungmüßtebaldauchdenScheinderReichseinheitver- nichten. JedeVölkergruppe,jedeGlaubensgemeinschaftwürde demReich Sondervortheileabzutrotzen,abzupressenversuchen.DieRiickkehrzur Auto- kratie wäreunmöglich.Unmöglichaberauch,vonsolcherKörperschaftauf die Dauer dieBewilligungderMitteleerlangen,die dasReichzumLeben braucht.Siechthum, rascheKachexiewäre dieunvermeidlicheFolge.
VondiesenSchwierigkeitenliestman indenZeitungennichtsNurvon Gräueln,Niedertracht,rohster Gewaltthat. Jeder GroßfürstisteinGauner, Kinderschänder,Massenmörder,jeder ZareinBluthundodereinTropf.Jm GrundesindsMenschenwie andereauch;undfastimmervonslavischweich- licherSentimentalität angekränkeltWasunsseitdreiWochenanTataren- nachrichtenzugemuthetwird, dürfteeinQuartanervonnormalerGeisteskraft SchwesterchensAmmenicht glauben.DerZaristentflohen,hat seineAlex- andramit KindundKegel nachDänemarkgeschickt:ersitztmit der ganzen FamilieruhiginZarskoje-Selo.KuropatkinsTruppenmeutern: sie schlagen sich,beivierundzwanzigGradKälte, tapfer. JnSebastopol wüthetderAuf- ruhr:trunkeneSeesoldatenhabensichgröblichgegen dieDisziplinarvorschrift vergangen,weilman ihnen beliebteBordellegesperrthatte.JnWarschauund LodzstrikenjehunderttausendArbeiter:derGroßeBrockhausvo111903ver- zeichnetfür Warschau25000,fürLodz40000 Fabrikarbeiter;es wäreauch wunderbar,wenn diesebeiden Städtezusammenfastsoviele Arbeiterhätten wie unser Ruhrrevien Macht nichts;inPetersburgsollten nachdenersten Berichten ja Vierhunderttausendausständigsein.DreitausendTote, zwanzig- tausendVerwundete: aufein paar Nullen kamsnicht mehran.Friedfertige Arbeiter,die demKaiserinDemuth ihrLeidklagenwollten,wurdennieder- kartätscht.Traurig(und dumm)genug,daßgeschossenwurde; soaber, wiesie dargestelltwird,wardieSachenicht.DerStrikewarentstanden,weildie Unter- nehmer,wieunsereZechenbesitzer,nur mitihren Arbeitern,nichtmitfremden VertreterneinerihnenfeindlichenOrganisationüberLohnundLeistungver- handelnwollten. DieRegirung hielt sichneutral,war — Russland ist noch keinMachtbezirkdesKapitalismus—ehergeneigt,fürdie ArbeiterParteizu ergreifen,undsah ruhigzu, wieStrikebrechergeprügelt,die zur Arbeit Be- reitenmit GewaltausdenFabrikengetriebenwurden;auchaussolchen,wo esvorhergarkeineBeschwerde,keinenKonfliktzwischenHerrenund Knechtcn gegebenhatte.Da kam dasvomPriester Gapon entworfeueManifest. DerZar müsse,wenn ernichtfeigundschwachscheinenwolle, zurbestimmtenStunde die-ArbeiterinseinemWinterpalaiserwarten undanhören;diebeamteteBe-
Derrufsifche Reichstag. 203
trügerbandefortjagenundeineOderfassunggewähren;dieSicherheit seiner Person seiihmverbürgt.HätteirgendeinMonarch, dernichtentschlossenwar, nochamselbenTagabzudanken,demRufgehorcht?DerKaiser, hießes, ist nichtimPalast,garnichtin der Stadt. Umsonst.DerZugordnetesich.Jn Wassilij-Ostrow,demFabrikoiertel,wurden dieBrücken undStraßen,die in die innere Stadtführen,vomMilitär abgesperrt.DieMengeließsichnicht halten. Gapon schrittmit demKreuzvoran; undhintenfolgteeinMaro- deurschwarm.EindeutscherFabrikant,der,umseinHauszubewachen,zu- rückgebliebenwar und einenTheildesStraßenkampfessah,schriebmir aus Petersburg: »SchonamTage vorherhattendieStrikenden Holzzäuneund Hausthore zerschlagen,dierussisch-amerikanischeGummifabrik,derenLeiter mitihrenachttausendArbeiterninungetnibterEintrachtlebten,besetztundzum Stillstandgezwungen,anderswo Kesselgelöschtund dieArbeitermitKnütteln ausden Sälengescheucht.Jetztsahman auf rothen FähnchendieInschrift:
Niedermii derAutokratie! Telegraphenstangenwurden abgesägt,Telephon- drähtezerfchnitten,LädenundWohnungengeplündert.DieMengewarmehr- fachermahnt,durchAufruhrsignaleundblinde Salvengewarntworden.Nach meinerUeberzeugunghatdasMilitärzuspäteingegriffen;inDeutschlandhätte
man ganzsichernichtsolangegewartet.Aus dem Mund vielerArbeiterhabe ichnachhergehört:,Hättennur die Studenten (oondeneneinzelnealsPriester verkleidetwaren)sich nicht eingemischt!Sieund dasplünderndeGesindel habenunsAlles verdorben.« WerdieVerhältnisfeeinigermaßenkennt—- in PetersbnrgsindtüchtigeArbeiterallerBranchen sogesucht,daß sieesleicht zugutem Verdienstbringen—,zweifeltnicht,daßderAufstanddasWerkder Anarchistenund revolutionärenStudenten war. Gerade der Arbeiterhathier keinenGrund,über dieRegirungznklagen.«SourtheilteinAugenzeuge.Mag
ervomKlasseninteressegeblendetseimwasderPopeGaponunternahm,war offenerAufruhrundhätteinjedemMilitärstaatderWeltzuStraßenkämpfen geführt.Jst1848inWien und Berlinnichtgeschossenworden? Verfahren die Männerder Terreur und der Commune glimpflichermitihrenGeg- nern?UndflösseimRuhrbeckennichtmorgenschonBlut,wenn dieAusstan- digen,ohnepolitischeUmwälzungenerpressenzuwollen,auchnur dieHand gegen die,,Arbeitwilligen«erhöbenoder garMaschinenzerstörten?Und der Deutsche,dernichtinMecklenburglebt,hilftjasogarzweiParlamentewäh- len. Aber es wärelächerlich,deutscheProletarierdenStrolchenzuvergleichen,
dieinPetersburgLädenundWohnungenausraubten,oder denarmen Blinden, dieGapons LockrnfinsVerderbentriebWenn unsereorganisirtenArbeiterauf dieStraßegehen,brauchtkeinBourgeoisum seinEigenthumzuzittern.
204 DieZukunft.
DieRolle,dieGaponin derBewegunggespielthat,"istnochnichtdeut- licherkennbar;sichernur,daßerfrüherimDienstderPolizeistand. (Dah"er in der,,Woche«dasBild,dasihnneben demGeneralFoulonzeigt.)Alsman, vorJahren,in Moskaumerkte,daßdieOrganisirungder Arbeiternichtlänger aufzuhaltensei,wollte dieVerwaltungbehördedieSacheselbstin dieHandneh- men«Thunwirsnicht,dachtesie,dannthunsdieRevolutionäre;alsoiftsbesser,
wennwirzuverlässigeLeuteandieSpitzestellen.Subatow,derfrüherTerrorift gewesenwar,wurdeausgewähltunddasVerhältnißgarnichtgeheimgehalten.
Jederwußte:Subatow stehtgutmit derPolizeiund kann unseben darum nützen.ErbrachtedieArbeiter,dieBeschwerdenundWünschehatten,zum-Poli- zeipräsidentenTrepowzunddainCaesarenreichendie Gewaltsichstetslieber den Armenals denWohlhabendenwillfährigerweist,fandendieKlagen meistGe- hörDasSystemschiensichzubewährenundsollteauchinPetersburgeingeführt werden.NursagtenFoulonundGenossen:DieMoskauerbleibendochimmer dumme Provinzialen;wirGroßftädterwerdennicht sothörichtsein,denAr- beiternzuverrathen, daßderVertrauensmann ihnenvonunsgeliefertward.
GapontratinAktion. Daßervon derPolizei beauftragtwar,solltekein Menscherfahren.Hätteauchkeinererfahren,wenn derPopenichtnachMoskau gegangenund gegen SubatowsLeute aufgetretenwäre.JhrseidschöneKerle, sagteerdortzudenOrganisirten:laßtEuchvonderPolizeianderLeinegängelnz solltet Euch schämen.Dasgab UnruheunddiePetersburgerwurdenersucht, gegendenpfäffischenDemagogcneinzuschreiten.Plehwewar Ministerdes
Innern;erließseinenDezerneutenkommenundfragte,wasüberdiesenGre- gorijGaponbekanntsei.Nichtszubefürchten,antwortete derBeamte;Ga- ponist unser Mann, hat festenMonatsgehaltundwill bei denAltmodischen gewißnurfiirunserefeinereMethodewirkenAls derPriesterin Moskau dann einenkonservativenProfessorüberredenwollte,dieLeitungderOrganisation auf sichzunehmen,wurdeihminsGesichtgesagt:DichbezahltjadiePolizei.
Ererröthete,stammelteEtwas vonderNothlageeinerUebergangszcitund betheuertein derThür,erwerde dasJochschnellabschiitteln.Hatersgethan?
WarermitfreiemHerzenbei derArbeiter-sucheoderhatteernur denBrot- herrngewechselt?Leichtists nicht,einenPriester,derdieKunstdesTrügcns mitso schlauerSicherheit meisterte, füreinen reinenHeldenzuhalten.
...Großftadtproletarier,die beimerstenSchrittinspolitischeLebenein Taumelrauschpackt,anderenSohle sichdieRaublustheftetunddie einJahre langausderPolizeikrippeGefiitterteranführt;Bauern,dienicht lesennoch schreiben,nur still fronenundsterbenkönnen:ausdiesenElementen will Eu- ropenshoheWeisheitdemLandederhundertVölkereinenReichstagerküren.
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derStrike lehrt. 205.
Was der Strike lehrt. «
EhDr.Beumer oderHuikübertreibt,kannnur entscheiden,werimRuhr-- zss revier zuHauseist;aberum dieperiodischwiederkehrendenKohlen- gräberausständeganznatürlichzufinden, brauchtman nurein kleines Gruben-- undHochöfengebietvom FensterdesEisenbahnwagensaus gesehenzuhaben undeinmal imLebenineinenKohlenschachteingefahrenzusein. Jtn sinsteren Stollen auf schlüpfrigemBoden gebücktenLeibesundmitWerkzeugbeladen- herumkriechen,istkeinVergnügen;imeklen,schwarzenSchlammkauerndoder liegendinüberheißerStickluft Gestein hauen, gehörtzudenwiderwärtigsten Arbeiten,diesichdenkenlassen;undmitdieserArbeit, unterbeständigerLebens- gefahr,jahrein, jahrausdasreichlicheDrittel seines Tages ausfüllen, isteine- Qual. Selbstwenn dieAngabe mancher Unternehmerorgane, daß sichder- Häuer durchschnittlichauf1500 Markstehe, richtigwäre(nach Huä läßt sich einEinkommen von monatlich128Marknur durch lebenzerstörendeDoppel- schichtenerzielen), sowürde der damitsürdenRestdesTageszubeschaffendes Komfort nicht so reichlichsein, daßerdie Qualaufwögezwürdeesbesonders nicht seinbeidemDurchschnittder heutigen Ansprücheund gegenüberdem- luxuriös bequemenLeben derReichen; nicht aufdervon Rauch erfülltenKohlen- halde,dieser halben Hölle,indiedasJndustriezeitaltereineehemals blühende Landschaftverwandelt hat. Beisolcher Lebensweise istUnzufriedenheitdie- natürlicheGrundstimmung; gegenseitigeMittheilungineinemnach Hundert- tausenden zählendenArbeiterheere— Verhetzung pflegt sie dessenBeherrscher
zunennen — steigertdenGrollzurkochendenWuthunddiegeringsteUn-
billkannsofortdann zubedenklichenThaten führen.
DentypischenVerlaufallerArbeiterunruhenhatAdamSmithimachten-.
Kapiteldesersten Buches seinesWealth beschrieben. (Merkwürdig,daßman- dieseStelle niemals inZeitungen findet; seine PhilippikagegenBeschränk- ungen derGewerbefreiheit läuft wohl jedes Jahreinmal durchdie liberalen Blätter.)Wenn ichdie Stelleerwähne,pflegeichhinzuzufügen:Obgleichseit- demdieKoalitionverbote sowohlinEnglandalsauchbeiuns aufgehoben- worden.sind, verlaufen dochdieAusständenoch heute so. Wenigstensim Wesentlichen. Jm NebensächlichenhatdieAufhebungderKoalitionverbote günstigeVeränderungen bewirkt;dieOrganisation hatdenArbeitermasseneine beiihrem Bildungsgrade bewundernswertheDisziplin beigebrachtunddadurch- demBlutvergießenund nachfolgenden grausamen Strafprozessen vorgebeugt.
AberElend erzeugtjeder Ausstand noch heute;undderdamiterkaufteGe- winn istdurchschnittlichNull. Auchdiesmal werdenvielleicht einigekleine Zugeständnisseerrungen werden,dieman dann.imLandernächstenJahre hübschinderStille wiederzurücknimmt.Womit jedochdie Strikesnicht für-