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Die Zukunft, 10. Februar, Jahrg. XX, Bd. 78, Nr 19.

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XX.Jahrg. setlityden 10.Februar1912. ye.19.

Herausgehen

Maximilian Hardew

Inhalt-

Seite

Menschenlängen-wie VonK arlJe ntf ch....·.·.«,.·,,·,171

DieArmee itkderskadt VonOtto Grautoff .............181

vielenkbarsleugwassr.VonPaulSche e rb a rt ......-... .183

HpeideL Vouyeinrich Spiero ·..................185

MünäxenerTräume. VonMichael Georg Tonrad ..........188

Selbstanxekgew VonSchulenbarg,Isolani, Iacobsohm Schneidemühl, Sakheim 199 Bieneneiern-. Voncado n....................·.202

Uachdruck verboten.

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Erscheint jedenSonnabend.

Preisvierteljährlttb Z satt. die einzelne Nummer 50Pi.

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Berlin.

Verlag der Zukunft WilhelmstraßeZa.

1912.

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Berlin, den 10.Februar 1912.

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Menschenökonomie.

FITUdolsGoldscheid stelltinseinemgroß angelegten Werk »Hö- herentwickelung undMenschenökonomie« (der ersteBand ist beiKlinkhardtinLeipzig1911erschienen) dasUniversum alseinen Regulirungmechanismus dar, dessen Theilsysteme sich durchSelbst- regulirung erhalten. Jm ReichdesOrganischen führtdie Selbst- erhaltung zuimmer feinererund-verwickelterer Differenzirung;

deneinzelnen Theilen desOrganismus fallengesonderte Funk- tionen zu,jedeFunktionbildet einOrganausundzuletzt entsteht einCentralorgan alsOberregulator. Nachdem dies-esimGroßhirn desMenschen seine lhöchsteVollkommenheit erlangt hat, schlägtdie bis dahinrein kausalundunbewußt verlaufene Entwickelung in diebewußt teleologischeum. DerMnsch setztsich Zweckeund steckt sichZiele;und sein edelstes Biel ist eins,dasinimmer weitere Fer- nen flieht:die Selbstvervollkommnung,die Höherentwickelung Für sie kämpft GoldscheidmitdemAufgebot allseinesreichen Wissensund scharfsinnigenDenkens und bekämpftdarum diebei- den Ansichten,die ihmden Fortschritt zuhemmen scheinen:die Lehrevon derKonstanzderArten,die,meint er,den Menschen zum Stillstand verurtheile, und denMalthusianismus im Darwis nismus. Darwin hatbekanntlichvon Malthus den Anstoßem- pfangen,sichmit seinem ForscheninderRichtung zubewegen,die ereinschlug DieMeinung, daß KnappheitderRahrungmittel die Lebewesenderselben Gattung zueinem Konkurrenzkamps um den Unterhalt zwinge, wobei dieUnterliegenden dem Todverfallen, ehe siezurFortpslanzung gelangten,schien ihmdenWegzuzei- gen, ausdemsichdieEntstehungderArten ohne Eingriffe eines

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172 DieZukunft

Schöpferserklären lasse.Die Sieger seien doch ohne Zweifeldie TüchtigstenzdieTüchtigkeit befteheeben indenEigenschaften, die zum Sieg oder,was dasSelbe fei,zur Anpassung an diejedes- malige Lebenslage bsefähigten,und daimmer nur dieam Besten Angepaßten Sieger undam Leben blieben, alsodiejenefraglichen Eigenschaften imhöchstenGrade besitzen, so seidieWirkung der durch Jahrmillionen fortgesetzten Auswahl imKampf ums Da- seineiriesteteSteigerung derEigenschaften, deren Steigerung zur zurFolge habe, daßdabei schließlicheinanderes Wesen,eine neue Art herauskomme. Weismann, der diesen Gedankengang konfe- quent verfolgt, läßtdieSelektion ganz allein beider Artbildung thätig fein, schließtjede Mitwirkung desMilieu ausFundbestreitet dieMöglichkeit, daß Eigenschaftenvererbt werd-en,diedasJudi- viduum unter demEinflußdesMilieu oderinWechselwirkungmit ihmerworben hat.Nur was imKeim enthalten ist,wird vererbt, nichtdieimJndividualleben entstandene BeschaffenheitdesGe- sammtorganismus, diesLeibes,desSoma. Hiersoll nicht aufdie Frageeingegangen werden,wiebeisolcher Veharrlichkeit derVer- erbuug überhauptneue Arten entstehenkönnen;nur an dieVer- werthung dieser Selektionlehre durchdieRassentheoretiker istzu erinnern. Goldscheid sagtganz richtig,inder Keimplasmalehre berge sichderökonomischeLiberalismus, derdas laissez faire pre- digeund nicht wolle, daßdieRegirung durch Milieuverbesserung fürdiekommende Generation sorge,unddieserLibersalismus sei verkappter politischer Konservativismus, derdenbeati possidentes dieHerrschaft sich-ernund dieunteren Schichten amAufsteigen hin- dern wolle. Jch habegegen Weismann und seinepolitischeGe- folgschaftdasSchriftchen,,Sozialauslefe« gerichtet,dassichnatür- lich,dsaGoldscheidüber ein vielvollständiger-es biologischesWisfen verfügt,mitseinenAusführungen nicht messenkann. Ererörtert nichtnur diebekannten Gegengründie (d-a-ßderbesser Angsepaßte keineswegsimmer derTüchtigere ist, daßeseine Verkümmerung- anpassung giebt, daßdieMinderwerthigen gar nicht aussterben, sondern fich,fortpflanzen,während sehr werthvolle Individuen- die sichgerade ihrerhochwerthigenEigenschaftenwegen unwürdigen Zumuthungen nicht fügen können,im Kampf ums Dasein zu Grunde gehen), sondernerbeschreibt auchdenwirklichenEntwicke- lungprozeß sehrgenau alseinefteteWechselwirkung zwischenKeim und Soma,Soma und Außenwelt,und nennt Vererbung nur ein Bild fürdenwirklichen Vorgang, dernichtsAnderes seialsdie Kontinuität desLebens: daselterlicheLeben setze sichindenKin- dern fort. Jch bekämpfedenWeismannismus nur alsjenenAm-

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Nienschenökonomie 173

monismus, deralle Minderwerthigkeit und jedenMißerfolg im Leb-en»auf schlechtes Keimplsasma zurückführt,um sozialen Ver- besser-ringenzuwehren,diederEntstehung minderwerthiger Indi- viduen vorbeugen soll-en. DaßinderRegel derApfelnichtweit vom Stamme fällt, lseugne ich nicht,eben so wenig, daßdieVolks- und Rassenchsaraktere sehr beständig sind.Ein Jremag von Eng- ländern erzog-en werd-en und seineganze Lebenszeit unter Eng- ländern zubringen: er bleibt dochein Jrezeine wieunenglischie Natur Bernhard Shawist, sieht jeder Leser,derdieenglisch-eLite-

ratur kennt, aufdenerstenBlick. Noch mehr giltDas natürlich

von denCharaktereigenschaftender Farbigen, nichtzureden von der Farbe selbstunddem Gesichtsschnitt,diedurch Sozialpolitik nichtzuändern seinwird. AlsoinderAblehnung desWeismatn- nismus und Ammonismus stimme ichmitGoldscheidüberein;und inderBeurthieilungdesMsalthusianismus imengeren Sinn des Wortes komm-eich ihm nah. Auch ich weiß, daß fürdiejetztleben- den Pienschen Nahrungmittel reichlich vorhanden sein würden, wenn diese Menschensich gleichmäßigüberdieanbsaufiähigenGe- gendenderErdoberfläche v·erth-eilten,und dringe darum beijeder Gelegenheit ausinnere und äußere Kolonissationund aufeinge- sundes Gleichgewicht zwischenLiandwirthschiaftundJndustrie Wie esbeiweiterem Vevölkerungwsachsthsumnach fünfhundert Jahren um dieMenschheitbestellt sein wird,darüber zerbriecheichmirnicht denKopf.Goldscheid glaubest-aßuns eherdieGefahkdesAus-und Absterbens alsUebervölkerung drohe.Seine biologischse Ansicht, daß starke Geburtensrequsenz nichtUrsache, sondern Wirkung großer Sterblichfeit sei (natürlicheAusgleichung als einMittel, dieGattung zuerh-alten), gehtuns hier nichtan.

Jn entschiedenen Gegensatzmuß ich jedochzuihmtreten, wenn erauchdieLehrevon derKonstanz sderArten füreinHemm- nißderSozialpolitik hält, ja, fürdaseigentlich-eund Haupthinder- niß,dader Wieismiannismus nur ein-edurchnaturwissenschaft- lichen ScheinverdeckteRückkehrzumCuviserismus sei.Hinterder Seliektiontheorie stecktenreaktionäre Tendenzen: »Dein Mensch-en soll,um seinenWillen zurThatzulähmen,weiter seingeredetwer- den,alle sozialenUebel seieneinnothwendiges Durch-giangssta- dium der HöhermtwickelungDie Theologen stelltendiesozialen Uebel alsein-ePrüfung dersündigen Nienschheit dar,gegen die fiesich, ohneder Vorsehung entgegen zuwirken, nicht auflehnen durfte.« DaßdieTheologen dieLeid-enalsPrüfungen des Ein- zelnen auffiassen", ist richtig,aber daß siedieBekämpfungderindi- viduellen oder gar derSozialübel verbieten sollen,Das istein

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174 DieZukunft.

wunderlich-er Jrrth-um. Die Bekämpfung solcherUebel iststetsin der Christenheit als Liebespflicht gelehrtund thatkräftig geübt worden. Goldscheid beruft sich aufbekannte Verirrung-en dermit- telalterlichen Menschen, diebis an,die Grenze desachtzehnten Jahrhunderts Unheil angerichtet haben. ,,Beinahe könnte man

sagen,ein naturalistifches laissez faire, laissez aller seidas un-

geschriebene Grundsdogma aller Religion-en. Die Ueberzeugung von derimmanenten Zweckmäßigkeitdesnatürlichen Geschehens war esim Mittelalter, die die Menschen thatlos, betend oder Ketzerbratendden völkermordenden Epidemien gegenüberstehen ließ.«Wenn dieMenschen vom dreizehnten bis ins siebzehnte Jahrhundert Juden und Hexen (nicht Ketzer;diewurden ausan- deren Gründen gebraten) als dieAnstiftiervon Krankheiten ver- brannten, sostandensie dochdenUebeln nicht thatlos gegenüber-(

Eswar einsehr unzweckmäßigesMittel, dassie fin ihrer Unwissen- heit,inihrem Aberglauben -anwendet-en, aber thatlos blieben sie weder indiesennochinanderen Nöthen. Dhatlose Ergebung in's Kismet istislamitischer Grundsatzund erklärtdenZustandderisla- mitischenWelt. Die christlichen Europäer (genauer: diechristlichen Germanen und Nomanen) habendasganze Mittelalter hindurch dieunbändigste That-und Schlagkraftbekundet und dabei aller- dings,weilesoftanderrichtigenEinsichtindenZusammenhang der Geschehnisse fehlte,vielEnergie unnütz verschwendet Freilich gehörte diese Thatkraft zu ihren Nasseneigenschaften, aber die christliche Religion, weit entfernt davon, siean der Entfaltung dieserEigenschaftzuhindern, hat siedabei angespornt. »Wir-ket.

solangeesTag ist«,gebietetderHeiland.

Wenn dann GoldfcheiddiesozialenUebel heutiger Zeitbe- schreibtund zuihrerBekämpfung durchrationelle Sozialpolitik auffordert, hatermichwieder auf seiner Seite;doch auchindiesem TheilseinesWerkes muß ich seiner Auffassung an zwei Punkten widersprechen. Er schreibt: »Historisch istdas Menschenmaterial ursprünglichnichtsAnderes als»dasGeschäftskapitalderdenStaat beherrschenden Klassen;dieMenschenwerden inderkriegerischen undinlderwirthschaftlichen Konkurrenz okkupirtwsieLandlundals zinstragsendes Gut bewerthet und vserwerthet.«Die Auffassung, diedenKiapitalismus inseiner Entartung kennzeichnet,erscheint

-ihm alsoals das Ursprungliche, Sozialpolitik als etwas ganz Neues und die heutigeSozialversicherung als der ,,Uebergang vomVergewaltigungstaat überDenVerwaltungstaat indiseVersiches 1«Ungsgemeinschsaft.«Goldscheidmag einmal dieBibel durchlesen, diedenNiederschlagdes FühlensundDenkens eines alten Volkes

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Pleufchenökonomie 175 imVerlauf seinertausendjährigenGeschichte darbietet; er wird dann bekennen müssen, daß sichvon dieserWerthung desMen- schenkeineSpur darin findet.Der Mensch, jeder einzelneMensch, erscheintimmer undüber-all alsSelbstzweck;Kants Moralgrunds satzals eine neue Entdeckung zufeiern, ist angesichts dieserur- alten gewaltigen Thatsacheeine Lächerlichkeit.Und dann magsich unser Autor dasMittelialter einWenig beschauen.Von einem heutigenSoziologen ist ja nichtzuverlangen, daßerdieSchilde- rungeu derwirthsschaftlichenZustände Deutschlandsvor derRefor-

mation lese,dieJohannes Jansssen entworfen hat,um daraus die

Grundsätzezuentnehmen, diezur Erzeugung und Erhaltung die- ser Zuständebeigetvagen haben. Aber dieGrundsätze findeter auchbeiSombart, denerjakennt.Sombart giebtganz richtigals einen HauptunterschieddesheutigenKiapitalismus vom mittelal- terlichenWirthschastlebenan,daß diesesdenMenschen, jenerdie Waare undschließlichdenProfit,dasGeld,zumMittelpunkt und Endzwseckaller Wirthschaftsthiätigkeitmacht. Wohl geschahenviele entsetzliche Unthiaten im Mittel-alter;Menschenwurden umge- bracht,gemartert,seingsekerkert,wiewild-eThieregejagt,aus per- sönlichemBelieben von Gewaltmenschen,aus Habsucht,aus Par- teihaß,ausFanatismusz aberdenMenschen,dasKindGottes,als Ausbeutungobjekt, das Volk als Geschäftskapital darzustellen, hätteNiemand gewagt;eswürdealsdieruchloseste Lästerunger- schienen sein. Thatsåchlichwurden immer undüberall auchdamals Pierischen ausgebeutet, denn dieSelbstsuchtbleibt inallen Zeiten unverändert,aberder Ausbeutung waren durchdiiesozialeund ökonomischeStruktur enge Grenzen gezogen. DieKönigewaren bis zurOhnmacht durchdieStände eingeschränkt,dieStädte wa-

ren Nepubliken, dasHandwerk galtalseinGem-eind-eamt,dasmit ,,Sicherung derNahrung« gelohntwurde;Jeder hattenur denge- rechten Lohn seinerArbeit zubeanspruchen, Bereicherung auf Kostender Mitbürger durch Übermäßigen Geschäftsgewinn galt alssündhaftundunanständig Denhörigeu Bauern, dieübrigens nachund nachzuvölliger Freiheit ausstiegen(inmanchenGauen haben sie diesevordem sechzehnten Jahrhundert niemals verloren), war ihrreichlicher Lebensunterhalt durch Gesetzund Herkommen, zum Theil auch durch daseigne JnteressedesGutsherrn gesichert.- Die Kriegewaren imfrüher-enAlittelalter Vertheidigungskriege gegen dieEinfälle räuberisch-erHorden,imspäteren Fehden,die aus demfreienWillen dserKämpfendsen hervorging-en. Nochim siebenzehnten Jahrhundert wurden diedamals beginnenden dy- naftischen KriegemitSöldnern geführt,diefreiwillig,um«Geldund

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176 Die Zukunft.

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Beute und aus Abenteuerluft dienten. ErstderSonnenkönig und dieKönigleininderZeitdesAbsolutismus und Napoleon haben ihre ,,Unterthanen« (die hatesimeigentlichen Mittelalter, woalle Ab-hängigkeitverhältnisse auf Vertrag und gegenseitiger Verpflich- tungberuhten, garnicht gegeben)wieSchafe aufdieSchlachtbank geschlepptDieökonomische Ausbeutung begannum dieMitte des vierzehnten Jahrhunderts imDextilgewerbe, also aufeinem sehr beschränkt-enGebiete,und steigerte sichinEnglandgegen dasEnd-e desachtzehnten Jahrhunderts indemGrade, daßman dortnicht mehr Seelen, Bürger, Polksgenossen, sondernvon einer gewissen Einkommenstufe abwärts nur noch »Hände« kannte,dieman mit Vergnügen durch Maschinenersetzte, soweit sich diesealsbeque- mer undrentabler erwiesen.DieBehandlung desMenschen alsei- ner Sache ist alsoinnerhalb dereuropåischen Christenheit, abge- sehenvonieinigen RückfälleninheidnifcheSklaverei, nichtdas’Ur- sprünglicheund Alte, sonderneine neuere Episodeund dieheutige Sozialpolitik nur zeitgemäß modifizirte Anwendung derGrund- sätze,diebiszum Siegedesmodernen Kapitalismus gegoltenha- ben. Die mittelalterlichie Ständeordnung war nichtsweiter als die Berufsgliederung, ohnedieein Kulturstaat nichtdenkbar ist, und auch, daß siealseine Gottesordnung aufgefaßtund mitder Alahnung desApostels,esmöge Jeder seinem Beruftreu bleiben.

noch festerimreligiösen Bewußtseinverankert wurde,machtedie BerufståndenichtzuKasten.Keinem Hörigensohnwar verwehrt (vielmehrward er,wenn sein Pfarrer odereinklösterlicherLehrer seinTalent entdeckt-e,gefördsert),zudenhöchstenWürden empor- zusteigen; daßderWeggewöhnlich durch-denKlerikerstand führte, brachtediedamalige wirthschastlichssozialeStruktur somit sich;

dochwar derKleriker, der,um einePfründe zuerlangen, dienie- deren Weihenempfing, nicht genöthigt, Priester zuwerden; auch Niänner wieErasmus habenvon Kirchenpfründen gelebt. Daß derUmwegüberdenhalbgeistlichienStand heute nicht mehr nöthig ist, darfjaalseinFortschrittgepriesenwerd-en,aber ob dertalent- volleArme heute mehr Förderung erfährtund wenigerSchwierig- keiten zuüberwinden hat, isteine andere Frage.

Schondiesergeschichtliche Perlan der Dingeeröffnetdem Unternehmen Goldsch.eids,dieNächstenliebe,dieHumanität, durch das ökonomischeJnteresse zuersetzen, schlechte Aussichten.Zwar, daßderMensch seinen ökonomischenWerth hat, sogardasaller- werthvollsteökonomischeGut ist, daßesals Niiedertrachtverur- theilt werden muß,wenn das Unternehmerinteresse darauf aus«- geht,denPreis der »Waare« Mensch niedrigzuhalten, daß auch

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Menschenökonomie. 177 von dieser Waarengattung gilt,imGroßenund Ganz-enund auf dieDauer rentire dassolid gearbeitete StückbesseralsderSschund, daßes heuchlerischelund dumme Sozialpolitik ist,wenn man die Zustände,aus denen Minderwerthige hervorgehen, bestehen läßt Und dann dieunglücklichen Produkte dieser Mißwirthschast hy- gienisch aufpäppelt, daßman dieabgearbeiteten Weiber derAr- men dieMenschenproduktion nicht längeralsunbezahlte Neben- arbeit betreiben lassen sollte:alle dieseund vieleandere Gedanken sindlöblich,wenn auch- nichteben neu. Aber daßuns vom Deko- nomischen hereinneuer Jdealismus -erblühse,daß aus diesem Weg diedurchheuchlerische Sozialpolitik entwürdigte Ethikrehabilitirt werden könne,vermag ich nichtzuglauben. Goldscheid will, daß.

dieSozialpolitik und dieSozialhygiene nicht längeralsWohl- fahrtpflege, sondern als Vetriebsverbesserung aufgefaßtwerd-en.

Die bisherige Erfahrung spricht nicht dafür, daßwirdamit weiter kommen würden. Als dieSchundproduktion der»Waare« Mensch und die Abnutzung dieses,,Produktionwerkzeuges« nachdem Niufter brutaler unddummer Zugviehhaltereinen nie,auchin der antiken Sklavenwirthschaft nicht, gekannten Grad erreichthatten, inEngland um dasJahr 1800,dawar es,wieuns Schuhe-Gä- vernitz gelehrt hat,das christliche Gewissen,das dieGegenbew·e- gung inGang gebracht hat.Und inDeutschland,wo übrigens so arge Gräuel nicht v-orkamen, habenV.A.quber undBischofKet- telerimselbenSinn gewirkt.Esistswahr, daß«wederdieenglischen nochdiedeutschen Ehristlichsozialen durchschlagenden Erfolgerzielt hätten,wenn ihnen nicht mächtige Interessen zuHilfe gekommen wären. Aber dasInteressederindustriellen Unternehmer war nur insofern daran betheiligt,als diemehrund mehrindenVorder- grund tretende Eisenindustrieund auch schondieverbesserteMa- fchinenspinnerei einanderes Material erforderten als zuTod ge- PeitschteKind-er. Diemächtigsten Triebkräftewaren dieSorgeum dieWehrkraft (in England diemaritime),alfoum eineInstitution, die Goldscheid als einen bedauerlichen Atavismus verabscheut, außerdeminEngl-anddasParteiinteresse derLandlords gegenüber den ausbeutenden »Liberalen«und in Deutschland dieFurcht vor derSozialdemokratie, dieVismarck klug benutzt hat. (Welches Verdienst sichdie Sozialdemokratie durchKritik und Furchterre- gung inden achtzigerund neunziger Jahren erworben hat, habe ichimmer anerk·annt.)Was dieUnternehmer betrifft, so xüberwiegt auch heutenoch«dieZahl derer,denen entweder Menschenschund oder ruchlose Ausbeutung tüchtig-er Menschen besserrentirt als kostspielige Aufzuchtund SchonungderAufgezogenen. Will Gold-

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178 DieZukunft.

scheidempörendeBeispiel-edervon ihmmitRechtgegeißeltenvor-—- zeitigen Abnutzung beobachten,dsannmußernicht aufdieGitter der »riickständigen« ostelbischen Agriarier gehen, sondern indie Werkstättendernordamerikanischen Trustmagnaten, diedenGipfel der Unternehsmerintellgienz erklommen habenund Virtuosen der Rentabilitätberechnung sind. NuhimvolleCaptains of labour wie deralte KruppinDeutschl-andund dieBrüder Lever inEngland würden niemals aus bloßem Interesse inderSorge für ihreAr- beiter so erstaunlichweit gegangensein ;was sie kgetriebien hat,war dsaschristliche Gewissenund dieNächstenliebeUnd was treibt die Unzählig-en,dieheuteinVereinen imSinn Goldscheids fürdie Wöchnerinnen, fürSäuglinge, fürdieJugend, für Volkshhgiene thätig sind? Jrgendein Unternehmerinteresse doch wahrhaftig nicht.Das Oekonomischenur insofern,alsvon derMenschenökos nomie das Gedeihen,dieKraftund Machtvon Volkund Vater- land abhängt,wobei aber wieder inersterLinie an dieWehrkraft gedacht wird, alsoandievon denkonsequenten Menschenökonomen derpönte Krsaftentfaltung ineinem möglichen Krieg. Goldscheid ist eininteressantes Spezimen dermodernen Aaturwissenschaftler( ihr Urtyp war Karl Marx), dievon ihrerrein theoretischenvoraus- setzunglosenForschung jedeWerthung,jedes Gefühl, jedeTendenz ausschließen wollen, währenddie zuallen Poren ihrer dicken Viicherleiber herausschiwitzendeMenschenliebeundEmpörungüber die Versündigungen dagegenbeweisen, daßdieintellektuelle die allerletzte ihrer Triebfedern ist.

Neben der Humianitätwirkt bei diesenJntellektuellen als zweitmächtige Triebkraft dieFeindschaftgegen denmetaphysischen Schöpferund Leiter derMuschenschicksalezdermoderne Mensch ihresSchlsageswillsein eigener Gott werden,sich selbst schaffen,die Menschheitumschaffen. Glückaufzudem Titanenunternehmenl Aber ihm stehen unübersteigliche Schwierigkeiten imWege. Das Objekt istderzuschaffende Mensch:wiesolleraussehen, welche Sorte Mensch soll »gezüchtet«werden? Aebenbei bemerkt: möchte dieseshäßxicheWort,dasdenMuschen unter dieHausthiere ein- rCAN-ausdemsoziologischenSprachgebrauch rechtbaldwieder ver-

schwinden! Aus derGeschichte sindmir nurzwei Beispiele von Menschenziichtungbekannt: der Staat Lykurgs, dessen Züchters Pksaxiseinklägliches Fiasko erlitt,daderSpartiatenstamm ver- dorrt istwiekeinzweiterGriechenstamm,und dieGewohsnheiteini- ger Sklavenhialterder nordamerikanischen Südstaaten, bewährte bucking niggers Um Geld zumiethenund zuVermiethen.Gold- scheid bekennt, daßes nicht angehe,Menschen wiedas Viehzu züchten,wenn man auch,was richtig ist, fürdieMenschenproduk-

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9Nen«schenökonomie. 179 tionund Aufzuchtvon denLandwirthen viellernen könne.Erer- kenntauchdieGefahr,diebeiplanmäßiger LeitungderMenschen- produktion dadurch drohen würde, daß Auswahl derZuchtexem- plareden Kreis der Entwickelungmöglichkeiteneinschränkt.Wie oftgeraten, nachdergünstigenwienachdermugünstisgienSeite hin, dieKinder ganzanders,alsbie»BeschaffenheitderEltern erwarten ließ!Aber zurückzuunsererFrage: welcheSorte Mensch sollund will der menschliche Schöpfer erschaffen? AuchGoldscheid sieht darin das Eentralproblem seinerOekonomie. Also welcheArtvon Menschenwünschenwir? Heilig-e, Geschäftsvirtuosen, künstlerische Genies,Arbeitbienen, »einenOlymp rothbäckigerHausknechte«,wie Konstantin Nößlereinmal dasKrastmeierideal genannt hat? Und

warum nichtlieber alles Diesesund noch Manches dazu,was wir

schon längst haben, also nicht erstzuzüchten brauchen? Was mich betrifft:ausgenommen diecZJeufelinMsenschengestaltunddiejäm- merlichBerkümmerten, dieals Menschenschmutzin den Slums englischerGroßstädte faulen, möchte ichkeine dserFiguren mis- sen,welchediegroße Tragikomoedie desLebens ausführen, auch denpfiffigenGauner, das Pumpgenie und dasKlatschweib nicht.

Woher wollen dieDich-ter,dieMaler, dieKarikaturenzeichner die Nachbilder nehmen,mitdenen sie unser Herz erfreuen,wenn ihnen derfchaffende FZNMschsgvttdieVorbild-er riaubt?an jungen Jahren bemerkte icheinmal ineinerEensurkonferenz beiErwähnung eines Musterschülers: »Ja,wenn alle sowiårien!« ,,WünschenSie sich Dasnicht,« riefderDirektor,»Das wäre zumSterben langweilig«

Oder sollenwiretwas ganz Neues, nochnieDagewesenes erwar- ten? Jch fürchte,damöchteein Monstrum herauskommen, etwa ein Hirnmensch,wieihndieFliegenden Blätter einmal gemalt haben:einRiesenkonmiteinem Zwergenl-eib· Jm Ehsauffeur,im fixen Maschinenspinner sieht Goldscheidein-eneue Psychekeimen.

Aberdaistnur eineneue Modifikation einer längst schionvorhan- denen Eigenschast:derFähigkeit,alleEnergie inder gespannten Aufmerksamkeitan einen bestimmten Punktzukonzentriren. Dem Jdeal des Vollmenschen kam der. verschwundene Postkutscher, kommt dernoch existirendelangsame und bedächtigeBauer näh-er als der einseitig gedrillte Ehauffeur oder Fabrikarbeiter. Mit einem größeren Neichthumvon Vorstellungen kann dieSeele des modernen Menschen ausgestattet sein,aber »neueGefühle,neue Wollungen« finde ich nichtinihr.Eine elektrische Lampekonnte sich freilich Esaesarzum Geburtstag nicht wünschen,aber daß sich heutigeWollungen aufeine größere Mannichfaltigkeit von Ge- genständenbeziehen,machtaus ihnen nochkeinen neuen Willen.

Und welcheArtvon äußererArbeit wäre nöthig,dieinnere Be-

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