ZEITSCHRIFT
des
Vereins für Volkskunde
B eg rü n d et von Karl W einhold.
Im Aufträge des Vereins
h e ra u sg e g e b e n von
Johannes Bolte.
18 . Jahrgang. Heft 3.
(E nthält zugleich M itteilungen des Vereins der Königlichen Samm lung für deutsche Volkskunde zu Berlin.)
Mit 46 Abbildungen im Text.
BERLIN.
B E H R E N D & C °.
(v o rm a ls A. A s h e r & Co. V e rla g ) 1908.
1908 .
D ie Z eitsch rift ersch ein t 4 m a l jä h rlic h .
S eite
B ericht ü b er die N euaufstellung der K öniglichen Sam m lung für deutsche Y olkskunde in B erlin, K losterstrasse 36, im Jah re
1907. Von K arl B r u n n e r . Mit 22 A bbildungen. . . . 241— 263 D ie Schw arzw älder Sam m lung des H e rrn O skar S piegelhaider
au f d er Y illinger A usstellung 1907. Yon F ran z W e i n i t z .
Mit zwei A bbildungen... 263— 267 D ie G lasindustrie auf dem Schwarzwald. Yon O skar S p i e g e l
h a i d e r . Mit sieben A bbildungen ... 267— 277 Kopfziegel, ein G iebelschm uck aus O berbaden. Yon Hugo
v o n P r e e n . Mit vier A bbildungen . . . . . . . 277—279 S patzenhafen aus Müllheim in B aden. Yon Hugo v o n P r e e n .
Mit zwei A b b i l d u n g e n ... 280 D unkelfarbige M arienbilder. Yon H erm ann S ö k e l a n d . Mit
neun A b b i l d u n g e n ... ... 281—295 K leine M itteilungen:
H andwerksburschengeographie, ein niederösterreichisches Lied des 18. Jahrh. Yon J . K e le m i n a . S. 296. — Ein Lobspruch au f die deutschen Städte aus dem 15. Jahrh.
Von J. B o lte . S. 300. — Nochmals die Sage vom unbewusst überschrittenen See (oben S. 91). Von P . B e c k und J . B o lte . S. 305. — Eine Methode zur lexikalischen Anordnung von Ländlern. Von R. Z o d e r. S. 307. — Tiere übernehm en menschliche Krankheiten.
Von R. A n d r e e . S. 311, — Erlöschen der Altarkerzen. Von R. A n d re e . S. 311. — Traum deutungen aus Hessen und Beobachtung der Zugvögel. Von A. K o b lig k . S. 312.
B erichte und Bücheranzeigen:
Neuere Arbeiten zur slawischen Volkskunde, 2. Südslawisch. 3. Russisch. Von G. P o l i v k a . S. 313. — E c c a r d u s , Geschichte des niederen Volkes in D eutschland (M. Krammer) S. 332. — E. F r i e d l i , B ärndütsch als Spiegel bem ischen Volkstums 2:
Grindelwald (0. Ebermann) S. 334. — A. G e b h a r d t , G ramm atik der N ürnberger M undart (S. Feist) S. 335. — J . L e i t h ä u s e r , Volkskundliches aus dem Bergischen Lande 1: T ier
namen im Volksmunde (R. M. Meyer) S. 336. — E. S t u c k e n , A stralm ythen der H ebräer, Babylonier und Ä gypter 5: Mose (R. M. Meyer) S. 337. — 0 . S c h r ä d e r , Sprach
vergleichung und U rgeschichte 2 (F. H artm ann) S. 338. — E C o n s e n t i u s , Alt-Berlin.
Anno 1740 (H. Michel) S. 340. — M. H ö f l e r , Die volksmedizinische O rganotherapie und ih r V erhältnis zum K ultopfer (P. Bartels) S. 341. — C. B. R a n d o l p h , The M andragora of the ancients in folk-lore and medicine (A. Hartm ann) S. 343. — W. L ü p k e s , Ost
friesische Volkskunde (J. Bolte) S. 344: — A. I v e , Canti popolari velletrani (J. Bolte) S. 344. — F. O h r t , K alevala (A. H eusler) S. 345.
N otizen:
Adrian, B randstetter, Bugge, Clemenz, D ingelstedt, Grothe, H ilka, Jacob, Knoop, Kück, v. d. Leyen, Lilieutal, Löwinger, R. Meyer, Nyrop, Olsen, Otto. S. 347—349.
Aus den S itz u n g s- P rotokollen des Y ereins für Y olkskunde
(K. B r u n n e r ) ... 349—352 B e i t r ä g e f ü r d ie Z e i t s c h r i f t , bei denen um deutliche Schrift auf Q uartblättern m it R and gebeten w ird, M i t t e i l u n g e n im I n t e r e s s e d e s V e r e i n s , K r e u z b a n d s e n d u n g e n , beliebe man an die Adresse des H erausgebers, P rof. D r. Johannes B o l te , B erlin SO. 26, E lisabethufer 37, zu richten.
B ücher zur Besprechung in der Zeitschrift wolle man an die V erlags- Buchhandlung B e h r e n d & Co. (vormals A. A sher & Co.), B erlin W . 64, U nter den L inden 16, senden.
B eitrittserklärungen zum Verein nehm en der 1. und 2. V orsitzende Prof. D r. Max R o e d i g e r , B erlin W . 62, B ayreutherstr. 43, und Prof.
Dr. Johannes B o l te , sowie der S chatzm eister B ankier Hugo A s c h e r , B erlin N. 24, M onbijouplatz 1, entgegen.
D er Jahresbeitrag, wofür die Zeitschrift an die M itglieder gratis und franko geliefert wird, b e trä g t 12 Mk. und ist bis zum 15. J a n u a r an den Schatzm eister zu zahlen. Nach diesem Term ine w ird er von den B erliner M itgliedern durch die P aketfahrtgesellschaft eingezogen werden.
(Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.)
Bericht über die Neuaufstellung der Königlichen Sammlang für deutsche Volkskunde in Berlin,
Klosterstrasse 36, im Jahre 1907.‘)
Von Karl Brunner,
D er hier erstattete B ericht soll in erster Linie R echenschaft ablegen über die durch den Umbau und die E rw eiterung der M useumsräume v er
a n la s s e N euaufstellung der Sam m lungen in bezug auf P lan und Umfang, sodann aber auch eine Ergänzung des ‘F ü h rers durch die Sam m lung für deutsche V olkskunde’ (B erlin 1908) sein, insofern als wichtige grössere Bestände, die aus R aum m angel nicht zur A ufstellung gelangen konnten, hier grundlegend besprochen werden, um für die künftige E rgänzung der Sam m lung m it in B etracht gezogen werden zu können.
D er G r u n d g e d a n k e f ü r d ie n e u e A u f s t e l l u n g war, e r s t e n s ein den Sitzen der verschiedenen deutschen Stäm m e folgendes Bild ih rer E ig en art in T racht, W ohnweise, H aus- und W irtschaftsgeräten zu geben;
z w e i te n s ohne Auflösung dieser Sonderbilder Gemeinsam es in v er
gleichenden Sam m lungen zur Anschauung zu bringen.
D ieser Aufstellungsplan hatte ausserdem den Vorzug, dass er sich den gegebenen räum lichen V erhältnissen des M useumsgebäudes am besten ein- fiigte, indem der Mangel an grösseren saalartigen R äum en und das Vor
wiegen k lein erer G em ächer eine übersichtliche F achaufstellung, etwa nach den A bteilungen des Sachkatalogs, erschw ert hätte, dagegen eine land
schaftlich und völkisch abgegrenzte Anordnung m ehr begünstigte. Im H in blick auf einen hoffentlich in nich t allzuferner Z ukunft zu erw artenden N eubau fü r unser Museum darf ab er wohl schon hier darauf hingewiesen w erden, dass grössere R äum e den kleinen im m erhin vorzuziehen sein würden, da sie für die Aufstellung nach jedem P lan e m ehr Bewegungs
freiheit o-ewähren und bei etwa notwendigen späteren V eränderungen, z. B. Ö
1) Die folgenden sechs Aufsätze erscheinen gleichzeitig in den ‘M itteilungen des V ereins der k. Sammlung für deutsche Volkskunde zu B erlin’, Bd. 3, S. 1 1 -6 5 .
Zeitschr. d. V ereins f.V o lk sk u n d e 1908. ](;
infolge von unerw arteten Einschüben, nicht so unüberw indliche Schw ierig
k eiten verursachen können wie kleinere, au f bestim m te Zwecke zu
geschnittene R äum e. Auch für die Auflösung des M ateriales in ver
gleichende R eihen sind grosse R äum e bei weitem den kleinen vorzuziehen, welche n ur in seltenen F ällen dem B edürfnis zu genügen pflegen und oft zu E inschränkungen zwingen, welche nicht im Interesse einer planm ässigen A ufstellung liegen.
E ine nach Volksstäm m en grup pierte M useum saufstellung erscheint überhaupt für eine Sam m lung wie die unsere am besten geeignet; zu er
wägen w äre n ur noch, ob eine z e i t l i c h e U n t e r s c h e i d u n g innerhalb dieser einzelnen G ruppen stattfinden kann. D iese F ra g e muss im allge
m einen verneint w erden. N ur in ganz vereinzelten F ällen lassen sich m it dem M useum sbestande zeitliche Entw icklungen nachw eisen. Im grossen und ganzen konnte es im m er nur das Ziel der M useum sgründer und -V er
w alter sein, zu retten, was noch an eigenartigem K ulturbesitz einer un
aufhaltsam schw indenden verkehrsarm en und auf H ausgew erbtätigkeit zu eigenem B edarf gerichteten Epoche unseres Volkes erhalten war. W a r es schon schwer, diese vor dem A nsturm der F ab rik w a ren in die äussersten
"Winkel gedrängten und m issachteten Erzeugnisse tüchtiger A rbeit des H auses zu bergen, so erschien es fast unmöglich, ih re G eschichte an noch vorhandenen V orgängern zu verfolgen, und es b leib t im w esentlichen der literarischen A rbeit Vorbehalten, eine G eschichte der deutschen H au salter
tüm er zu geben.
W as das Museum bieten kann , ist ein B ild ländlicher T rach t und vor
w iegend bäuerlicher H aus- und W irtschaftsgeräte des 19. Jahrh u n d erts, m it m annigfachen R esten aus frü heren Jah rh u n d erten durchsetzt. H ieraus er
gibt sich nunm ehr die A b g r e n z u n g der Sam m lung nach der geschicht
lichen Seite. Sie b ild et gew isserm assen den A usklang d er vor- und früh
geschichtlichen E ntw icklung d er deutschen Volksstäm m e. Vorgeschichte, G eschichte, V olkskunde sind die drei E lem ente für die K enntnis eines Volkes. A uf der anderen Seite w äre die A bgrenzung u n serer Sam m lung gegenüber den K unstgew erbem useen zu suchen. Bei diesen gibt der K unstw ert des G egenstandes den Ausschlag, der bei einer volkskundlichen Sam m lung w eniger ins Gewicht fällt und durch den Massstab des C h arakte
ristischen ersetzt wird.
Von der höchsten W ichtigkeit ist der S c h u tz d e r S a m m lu n g e n
g e g e n S c h ä d l i n g e aller Art, gegen die Z e r s t ö r u n g der F a r b e n durch
das L icht und den Staub. D ie besonders in F rag e kom m enden Schädlinge
sind Motte und Bohrwurm . Gegen erstere w erden in unserer Sammlung,
der es an luftdicht verschliessbaren S chränken durchaus fehlt, besonders
häufige B esichtigungen und m echanische R einigung neben Insektenpulver,
N aphtalin und K ienöl angew endet. F ü r besonders schwierige F ä lle sind
E inrichtungen getroffen, um in einem eigenartig k on stru ierten K asten durch Schwefelkohlenstoff schädliche Lebew esen zu zerstören. D ieselbe E in richtung, üb er die bisher aber noch keine E rfahrungen vorliegen, kann auch gegen den H olzbohrw urm b enutzt werden. Soweit die bisherigen Beobachtuno-en ein U rteil erlauben, ist P etroleum ein treffliches Mittel zum O ' Schutz von Holz gegen den Bohvwurm. Es sind daher grosse Bottiche mit Z inkeinlagen beschafft worden, in welchen solche gefährdeten Stücke, so
weit sie nicht bem alt sind, durch längeres Eintauchen völlig durchträrikt werden. Bei bem alten G egenständen, die zu um fangreich sind, um in dem für B ehandlung m it Schwefelkohlenstoff hergerichteten K asten P latz zu finden, muss m an sich m it möglichst oft w iederholten T ränk un gen der unbem alten Seite und E inspritzun g von P etroleum in die B ohrlöcher b e
gnügen. Bei ständiger B eobachtung und genauer A usführung dieser Schutz- m assregeln w ird einer W eiterverbreitu ng des Schädlings vorgebeugt werden können. F ü r B alken und B retter, die k eine Schauseite haben, w ird eine T rä n k u n g m it K arbolineum zum Schutze gegen Bohrwurm angewendet.
G ebäcke werden m it Sublim at vergiftet. Es ist selbstverständlich, dass alle diese leider sehr feuergefährlichen Stoffe unter Anwendung aller Vor- sichtsm assregeln in abgesonderten gew ölbten K ellerräum en bew ahrt und benutzt werden. F ü r F ernhaltung aller M öglichkeiten der Entflam m ung und reichliche L üftung in den Sam m lungsräum en w ird beständig Sorge getragen. Zum Schutze gegen die A usbleichung der F a r b e n durch das L icht sind die den Sonnenstrahlen zugänglichen F en ster m it V orhängen versehen, ausserdem werden die einzelnen Schränke nach Schluss der Be
sichtigungszeiten besonders verhängt.
Es ist hier auch am P latze zu erörtern, ob und inw iew eit eine f r e i e A u f s t e l l u n g v o n T r a c h t e n f i g u r e n geboten und ratsam ist. Die b is
herigen E rfahrungen an solchen ohne Glasschutz freistehenden F igu ren sind wenig erm utigend. Sie haben durch Staub und M otten viel m ehr gelitten als die in den leider gleichfalls nicht staubdichten G lasschränken auf
bew ahrten. Zudem müssen sie wegen der R einigung viel häufiger b erü h rt w erden; durch Aus- und A nkleiden w erden unverm eidlich kleine Be
schädigungen der oft sehr m ürben Stoffe h erbeig efü hrt; kurzum , es ist dringend geboten, diese freie A ufstellung auf das geringste Mass zurück
zuführen. Vor allem ist es ratsam , höchstens solche T rachten für diese freie A ufstellung zu verw enden, welche aus den vorhandenen B eständen zu ergänzen sind oder, noch besser, sie zu diesem Zwecke zu kopieren.
Ausserdem wäre für eine F reiaufstellung von Trachtenfiguren der G e s i c h t s p u n k t d e r v o l k s t ü m l i c h e n S z e n e festzuhalten, d. h. n ur solche G ruppen sollten frei aufgestellt w erden, die zu um fangreich für die vorhandenen Schauschränke sind, indem sie einen Vorgang von volkstüm licher E ig enart darstellen, bei welchem eine grössere Zahl von P ersonen m itzuw irken pflegen. In die R eihe solcher D arstellungen w ürden festliche
1K*
Die Neuaufstellung' (1er Königlichen Samm lung für deutsche Volkskunde. *243
Aufzüge, die m eist auf uraltem H erkom m en fussen, Spinngesellschaften, H ochzeitseinladungen 11 . dgl. gehören, welche bei ausreichendem R aum e eines nachhaltigen E indrucks auf den B eschauer sicher wären.
D ie F rag e nach der besten A rt der D a r s t e l l u n g v o n V o l k s t r a c h t e n im M u s e u m dürfte bei dieser G elegenheit wohl auch erö rtert werden, wenn diese F rag e in gewissem Sinne vielleicht auch als N eben
sache gelten könnte. Da es die A bsicht des Museums ist, dem B eschauer ein B ild der Y olkstracht zu geben, so k ö nnte darauf verzichtet werden die F ig u r des T räg ers zugleich darzustellen, vor allem aber auf eine D a r
stellung seines Kopfes. D a aber gerade der K opf zur D arstellung d er H aartracht, des K opfschm uckes, wie H aarkäm m e, H aarspangen, O hrringe u. dgl. sowie vor allem der K opfbedeckung, die ja oft das charakteristischste an der Y olkstracht ist, ganz unentbehrlich erscheint, so w ird man auf die D arstellung der ganzen F ig u r nicht verzichten können. Das Museum b e
sitzt zu diesem Zw ecke eine grössere Anzahl von F igu rinen m it W achs
köpfen und eine kleinere Zahl von holzgeschnitzten süddeutschen F iguren.
D ie Köpfe der ersteren sind wohl im allgem einen als b äuerliche T ypen gedacht, zeigen aber doch im einzelnen keine A usprägung bestim m ter charak teristisch er Volksstäinm e. E tw as besser w irken die h o l z g e s c h n i t z t e n Köpfe T iro ler und oberbayerischer B auern, und m an könnte sich vorläufig m it diesem , wenigstens künstlerisch erfreulichen, B ehelfe begnügen, obwohl das Holz bei der A ustrocknung der L uft durch die Z entralheizung hier und da R isse erhält. A ber es ist notw endig, das Ziel höher zu stecken, wie es ja auch durch die N am ensänderung des Museums für deutsche V olkstrachten usw. in ein Museum für deutsche V olkskunde vorg-ezeichnet ist Zur D arstellung der deutschen Stäm m e in ih rer äusseren Erscheinung ist die anthropologische F eststellung ihres derzeitigen körperlichen H abitus unum gänglich notw endig. Abgüsse von ein er Anzahl der dem jew eiligen Typus am besten entsprechenden Individuen beiderlei Geschlechtes und verschiedenen A lters w ären von L ebenden leicht zu erlangen und nach der N atu r zu kolorieren, und au f dieser G rundlage w ären die F ig u rin en des Museums fü r deutsche V olkskunde auszustatten. E in Anfang zu solcher w issenschaftlich-m ethodischen B ehandlung dieser nicht unwichtig er
scheinenden A ngelegenheit ist im städtischen Museum in Braunscliweig bereits gem acht.
Auf künstliche Beleuchtung, welche zeit- und stellenw eise, besonders in den S tubeneinrichtungen, sehr erw ünscht gew esen wäre, m usste leider verzichtet werden.
Völlig von je d e r V erbesserung m usste auch die auf dem Hofe befind
liche B aracke ausgeschlossen bleiben. Sie en th ält die w ertvolle lH inde-
looper K am er’ und eine L ü n eb u rg er getäfelte Stube m it schöner K redenz
neben einem gotischen und einem H am burger Ofen und anderem . N ur
einige ausländische V ergleichssam m lungen konnten hier gleich am E in
Die N euaufstellung der Königlichen Samm lung für deutsche Volkskunde. 2 4 5 gange zur D arstellung gebracht w erden. Mit R ü cksich t darauf, dass auch die G eneralverw altung die derzeitigen U nterkunftsräum e d er Sam m lungen für provisorisch und unzureichend erachtet, w urde von dem Anschluss des H ofgebäudes an die Z entralheizung A bstand genommen.
Zu diesem Mangel gesellt sich ein zw eiter, der bei G elegenheit der N euaufstellung w ieder besonders schm erzlich em pfunden wurde, das ist das F eh len näh erer A ngaben ü b er die H erk u n ft und den ursprünglichen Zusam m enhang der G egenstände, w elche durch die Bezeichnung „ C h i c a g o - S a m m l u n g “ um schrieben sind. D iese um fangreiche, zur W eltausstellung in Chicago im Ja h re 1893 privatim zusam m engebrachte und u nter der Be
zeichnung ‘D eutsch-ethnographische A usstellung’ zur Anschauung gelangte Sam m lung um fasst sowohl eine grosse Anzahl von Einzelstücken, deren H e rk u n ft ungewiss oder völlig unbekannt ist, als auch besonders eine R eihe aus stilistischen oder anderen G ründen offenbar zusam m engehöriger D inge, wie B estandteile einer gotischen, verm utlich T iro ler Stube, Täfelungen eines schweizerischen W ohnraum es nebst Möbeln und Kacheln eines prächtigen bem alten W in terth u rer Fayenceofens usw.; aber trotz aller B e
m ühungen ist es nicht gelungen, ein Verzeichnis aller dieser D inge m it genaueu Angaben über U rsprung, ehem alige B estim m ung und An
ordnung zu erhalten, nicht einm al zerstreute Notizen d arüber sind vor- O 1 lianden, ebensow enig wie ein gedru ckter F ü h re r für jen e W eltausstellung m it eingehenderer B eschreibung dieser doch so interessanten deutschen A bteilung b ek an n t gew orden ist. Es w ird sich w eiter unten, bei Be
sprechung der einzelnen N euaufstellungen, G elegenheit bieten, h ierauf näh er einzugehen und die w ahrscheinlich zusam m engehörigen T eile je n e r Sam m lung und ihre A nordnung zu erörtern.
Auch nicht aufgestellte Sam m lungsstücke grösseren Umfanges sollen bei dieser G elegenheit m it erw ähnt werden. H ier dürfte es auch an
gebracht sein, die leitenden G esichtspunkte für die A u f s t e l l u n g v o l k s t ü m l i c h e r W o h n - u n d W i r t s c h a f t s r ä u m e in der Sam m lung für deutsche V olkskunde darzulegen. W ährend es wohl m öglich ist die ver
schiedenen deutschen volkstüm lichen H austypen in E rm anglung von O riginalbauten durch Modelle in v erklein ertem M assstabe darzustellen, wie es j a in unserer Sam m lung in um fangreicher W eise geschieht, k ann man Modelle von W ohn- und W irtschaftsräum en kaum in dieser W eise vor
führen, ohne den unerw ünschten E ind ruck von P uppenstuben zu erzielen.
Gute farbige A bbildungen der vielfach ausserordentlich charakteristisch
anm utenden R äum e dem M useum sbesucher vorzuführen, in V erbindung
m it zugehörigen O riginal-E inrichtungsstücken, V olkstrachten u. dgl., ist
gewiss ein annehm barer W eg zur V eranschaulichung der L ebens- und
W ohnweise eines Volkes und ist auch der blossen Zusam m enstellung von
Möbeln und K leingerät in M useum sschränken vorzuziehen. A ber der beste
R ahm en für diese G egenstände wird im m er der m it m öglichster E chtheit
und in m öglichst w eitem Um fange w iederhergestellte O riginalraum sein, in dem w ir dieselben oder gleichartige Möbel, G eräte und T rachten zu sehen erw arten können. D as nord- und m itteleuropäische K lim a zw ingt die Menschen fü r bedeutende B ruchteile des Jah res u n ter das bergende Dach, an den geschützten H e rd ; darum können diese R äum e wohl die ihnen in d er L ite ra tu r und der M useum sdarstellung gew idm ete B erücksichtigung beanspruchen, zum al wenn sie, wie z. B. im friesischen, n ieder- und ober
sächsischen, bajuvari sehen und alem annischen G ebiete, so auffallend eigen
artig e Züge der V olkskunst aufweisen. W enn m an nunm ehr geneigt ist, die B erechtigung solcher M useum sstuben zuzugestehen, w ird man auch nich t um hin kö nnen zuzugeben, dass es zur V ervollständigung des d ar
zustellenden R aum es nötig sein kann, h ier oder da F ehlendes zu ergänzen, natürlich auch im Sinne des dargestellten Volksstam m es und seiner E igen art entsprechend. D ass solche E rgänzungen den O riginalteilen nicht Schaden bringen dürfen und auch nicht verheim licht w erden sollten, ist selbstver
ständliche F orderung. D ie M useum sleitung h at es sogar früh er und je tz t für richtig gehalten, zur D arstellung typischer W ohnw eise R äum e aus neuen M aterialien im C h arak ter der Gegend oder des V olksstam m es zu schaffen und sie dann m it originalen G eräten auszustatten. D ie B erechtigung dieser Auffassung ergibt sich aus den vorhergehenden A usführungen. B ei
spiele solcher A ufstellung sind die Spreew aldstube und die E lsässerstube aus der älteren M useum speriode, sowie die E inrich tu ng einer „S tu b n “, „K uchl“
und „S peis“ in der A rt der typischen entsprechenden E inrichtungen in B auernhäusern des Innviertels in O berösterreich bei G elegenheit der h ier zu besprechenden N euaufstellung.
D ie durch den U m bau der M useum sräume geschaffene M öglichkeit eines ununterbrochenen R u n d g a n g e s durch das Erdgeschoss wurde bei der A ufstellung in der W eise nutzbar gem acht, dass der vom Eingänge rechts liegende F lü g el den Sam m lungen aus O st-u n d W estpreussen, Posen, Schlesien, P om m ern, M ecklenburg, Schlesw ig-H olstein, den freien H an sa
städten, H annover, Braunschweig, O ldenburg, W estfalen, L ippe, R h ein provinz, Hessen, K önigreich und P rovinz Sachsen, T hüringen und der M ark B randenburg, im w esentlichen also N ord- und M itteldeutschland, ein
g eräum t wurde. D ie R aum - und L ichtverhältnisse m achten es hier not
wendig, einen in der M itte zwischen beiden F lü g eln des H auses liegenden kleinen Saal zur A ufstellung zw eier S tuben zu benutzen, die nun im W iderspruch zur sonst festgehaltenen geographischen A ngrenzung unv er
m ittelt nebeneinander stehen, näm lich die S p r e e w a l d s t u b e und d ie
e l s ä s s i s c h e B a u e r n s tu b e . Um nun die zugehörigen Sam m lungen aus
B randenburg und der O berlausitz nicht von der Spreew aldstube trennen
zu m üssen, ergab sich die N otw endigkeit, die oben angegebene R eihenfolge
der Sam m lungen im rechten Gebäudeflüge] zu w ählen, wobei ebenfalls aus Mangel an R aum die eigentlich, w enigstens teilw eise ins süddeutsche G ebiet sehörio-en h e s s i s c h e n S a m m lu n g e n m it in diesen K reis hinein- Ö D gezogen wurden.
Alle übrigen Sam m lungen aus süddeutschen und angrenzenden deutsch
sprachlichen G ebieten, ausserhalb des D eutschen Reiches, wurden im linken Gebäudeflügel untergebracht. D en Beschluss bilden dann im grössten Saale des Museums die vergleichenden Sam m lungen.
F ü r w e c h s e l n d e A u s s t e l l u n g e n w ar bei dem auch je tz t noch sehr fühlbaren P latzm angel kein besonderer R aum verfügbar, ebensowenig leider auch für übersichtlich zu ordnende M a g a z in e . Zu letzterem Zwecke kann allenfalls ein K ellergem ach von unbedeutender Grösse benutzt werden, doch dürfte es sich bald als zu klein erweisen. A usserdem wrerden die über den B auernstuben befindlichen R äum e, sogenannte Hängeboden, als Magazine benutzt.
Im ganzen b eträg t die für A usstellung benutzbare Grundfläche im Museum je tz t rund 800 qm gegen 544 qm vor dem erw eiternden Umbau.
Um einen Begriff von der U nzulänglichkeit dieses R aum es zu geben, sei die folgende B erechnung gestattet:
D ie Sam m lung besitzt u n ter vielem anderen allein etwa 300 V olks
trachten, u n ter denen sich nicht viele D ubletten befinden, und die noch sehr vieler Ergänzungen bedürfen. Um sie genügend von zwei Seiten b e
trachten zu können, w ürde ihre A ufstellung etwa 2 qm Grundfläche für je d e T racht erfordern, zusammen also 600 qm. Es blieben also n u r 200 qm Grundfläche für alle übrigen Sam m lungen übrig. D ie je tz t aufgestellten sechs Stuben, deren Zahl sich aus den vorhandenen B eständen aber m it einigen Ergänzungen leicht um vier verm ehren liesse, erfordern einen F läch en
raum von etwa 180 qm, so dass für die vielen Einzelm öbel, Modelle, Ge
schirre usw. n ur etwa 20 qm verfügbar bleiben. Dass ein solcher R aum völlig ungenügend ist, wird jed er, der die Sam m lungen kennt, ohne w eiteres zugeben.
W enn es trotzdem versucht worden ist, eine übersichtliche und nicht zu hoch gespannten A nforderungen einigerm assen entsprechende Aufstellung der vorhandenen Museumsschätze zu bieten, so konnte es n u r u n ter teil
weisem Verzicht auf die oben erw ähnte F orderun g der zweiseitigen Be
sichtigungsm öglichkeit für die T rachten geschehen und m it Z urückstellung m anches sehensw erten Stückes in die Magazine.
Die N euaufstellung der Königlichen Samm lung für deutsche Volkskunde. 2 4 7
D a im folgenden hauptsächlich nur die V eränderungen der Aufstellung
und einige N euerw erbungen besprochen werden sollen, so wird hinsichtlich
des G esam tbestandes auf den neugedruckten ‘F ü h re r durch die Sammlung; o O
für deutsche V olkskunde’ 1908 verwiesen.
G ehen wir nun von diesen allgem einen B etrachtungen auf die Neu- autstellung der Sam m lungen im einzelnen über und betreten dem P lan e gemäss den e r s t e n R aum , w elcher die n o r d o s t d e u t s c h e n Sam m lungen enthält, so fällt zuerst eine Gruppe von teilw eise zw ar prim itiven, aber doch eigenartigen Möbeln und H ausgeräten auf, welche in V erbindung m it den zugehörigen V olkstrachten und zwischen E rzeugnissen der W eberei und and erer w eiblicher K u nstfertigkeiten ein abgerundetes Bild des l i t a u i s c h e n V o l k s s t a m m e s ergeben. E in H auptverdienst an diesen, zum T eil bisher noch nicht zugänglich gew esenen Sam m lungen, die m it w issenschaftlicher Sorgfalt von H errn Prof. Dr. B e z z e n b e r g e r in Königs
berg zusam m engestellt w urden, gebüh rt dem S tifter derselben, H errn D ire k to r F . G o e r k e in B erlin. L eider gestattete der R aum nicht die A ufstellung von Tisch, B ett und B änken, doch wird es hoffentlich später einm al erm öglicht sein, eine litauische Stube hieraus zusam m enzustellen.
D ie übrigen Sam m lungen aus dem nordostdeutschen G ebiet sind nicht w esentlich verm ehrt, gegenüber der früheren Aufstellung. Aus Posen sind nur ganz wenige E inzelstücke vorhanden, welche darauf hinweisen, dass dort noch ein bisher vernachlässigtes Sam m elgebiet der Inangriffnahm e harrt.
U ber Pom m ern und M ecklenburg treten wir in das f r i e s i s c h n i e d e r s ä c h s i s c h e G ebiet ein. Eine reich verzierte W a n d v e r t ä f e l u n g aus O s t e n f e l d bei H usum konnte aus Mangel an R aum nicht aufgestellt werden. Sie besteht aus einer m ittleren S chrank tür und zwei seitlichen Alkoven, deren einzelne T eile von geflammten S äulenbrettern seitlich b e
grenzt sind, w ährend sich oben eine ausgesägte R ankenverzierung hinzieht.
D ie T üren und Täfelw ände sind m it reich verkröpftem L eistenw erk besetzt, und das Ganze ist m it m arm oriertem , buntem F arb en anstrich versehen, w ährend die F üllungen des oberen T eiles m it Blumen und nicht m ehr deutlich erkennbaren F iguren bem alt waren. Ausserdem ist noch ein k leines F en ster zur D iele vorhanden, dessen R ahm en in gleicher m arm o
rierte r B em alung verziert ist.
Dieses G etäfel entspricht ziemlich genau einem bei M eiborg-H aupt
‘Das B auernhaus im H erzogtum Schleswig’ 189(> Abb. 131 dargestellten Paneel von F ö h r aus dem Schlüsse des 18. Jah rh u n d erts und dürfte daher vielleicht auf dieselbe W e rk sta tt zurückzuführen sein. V erm utlich en t
stam m t unsere Täfelung einem H ause entsprechend dem bei M ülilke ‘Von nordischer V olkskunst’ Berlin 190ti S. 73 Abb. 88 und war in der ‘kleinen Stube’ in ähnlicher A rt eingebaut, wie sie dort eingezeiclinet ist.
Neu aufgestellt ist eine v i e r l ä n d i s c h e W andvertäfelung aus dem Jah re 1832 m it den charakteristischen H olzintarsien, Blum en und Vögel darstellend. Sie besteht aus einem W andbett m it zwei Türen, einer hol
ländischen Fliesenw andbekleidung darunter und einer über dem B ett vor
springenden B ekrönung zur Aufnahme von B ettvorhängen. N eben dem
B ette ist noch eine in gleicher A rt verzierte S tubentür vorhanden, mit
einem kleinen S chränkchen d arü ber zur A ufbew ahrung des Silberzeuges und anderer K ostbarkeiten. E ine G ruppe von Möbeln, m it Intarsien von gleichem C harakter verziert, ebenfalls aus der ersten H älfte des 19. J a h r
hunderts stam m end, rundet das Bild dieser eigentüm lichen vierländischen V olkskunst ab. In einer späteren, räum lich erw eiterten Neuaufstellung"
w ird es also möglich sein, mit geringen E rgänzungen eine charakteristische V ierländer B auernstube herzustellen. H ierzu würde dann der im H ofgebäude u ntergebrachte ‘H am burger Ofen’ eine w illkom m ene Ergänzung darbieten.
D urch einen R aum , w elcher die von H e rrn Jam es S im o n kürzlich gestiftete und eben in der A ufstellung begriffene o s t f r i e s i s c h e W o h n k ü c h e enthält, die später an anderer Stelle ausführlicher geschildert, werden soll, gelangt m an über einen etwas erhöhten Gang nun in die 1 V i r c h o w - S t u b e ’. D ieser Raum zeigt im w esentlichen dasselbe Bild wie früher. E r ist m it einem reich geschnitzten ‘H am burger Schapp’ und Möbeln aus dem alten L ande bei H am burg ausgestattet. Neu hinzu
gekom m en ist n ur ein eiserner sogenannter B e i l e g e r - O f e n m it einem Aufbau von holländigcheu F liesen. E r stam m t aus Geversdorf, Kr. N eu
haus a. O., und w urde angekauft. D e r sonst im niedersächsischen und besonders im friesischen G ebiet ganz typisch zugehörige geschnitzte Ofen
aufsatz, das sog. Ofenheck, welches zum T rocknen von K leidern und W äsche benutzt wurde, ist im Museum nicht vorhanden. Die D arstellungen der beiden gusseisernen P latten an den breiten Seiten des Ofens sind die gleichen: oben Christus m it der Sam ariterin am Brunnen, der die Inschrift träg t „Johannes am 4.“, m it der U nterschrift „W eib geb m ir zu d rin k e n “, und darun ter eine D arstellung phantastischer T iere aus D aniels T raum gesichten, m it der Inschrift „D aniel“ in der Mitte. Die vordere schmale Seite zeigt ein springendes Ross in einem bekrönten Kranze, d aru nter ein m äunliches B rustbild in H u t und grossem Kragen und das D atum 17??.
D ie blauweissen F liesen bilden oben eine sonst bei diesen Ofen nicht ge
bräuchliche W ärm kam m er, welche die sonst allgem ein übliche m essingene Ofenstülpe in verbesserter W eise ersetzt. D ie Fliesen zeigen landschaft
liche D ekors. Das Ganze ru h t auf hölzernen Beinen, und der Boden darunter war m it F liesen belegt.
In dem der Virchowstube benachbarten grossen Saale sind die übrigen Sam m lungen des n i e d e r s ä c h s i s c h e n G ebietes vereinigt; dann füh rt uns der W eg über R heinland und Hessen w ieder nach Osten in die sächsischen, thüringischen und brandenburgischen Gaue. E he wir in die neu auf
gestellte S p r e e w a l d s t u b e treten, werfen wir einen Blick auf die in einem k leinen Zim m er übersichtlich zusam m engestellten V olkstrachten des w e n d i s c h e n Volksstam m es in O ber- und N iederlausitz und die sonstigen geringen R este alter V olkstracht, welche sich in diesem zentralen G ebiete je tz t fast gar nicht m ehr im G ebrauch befinden. Von hohem Interesse ist auch die F rau e n trach t des F l ä m i n g m it ih rer eigenartigen Flügelhaubo.
Die N euaufstellung der K öniglichen Sam m lung für deutsche Volkskunde. "249
D ie S p r e e w a l d s t u b e , eine D arstellu ng typischer W ohnw eise m it originalen E inrichtungsgegenständen, konnte an einer anderen Stelle m it etwas günstigerer B eleuchtung als vor dem U m bau neu aufgestellt w erden. D er G rundriss der früheren A ufstellung sei hier (Fig. 1) neben den der neuen gesetzt, woraus hervorgeht, dass die Abweichungen nicht w esentlicher A rt sind. W ie es auch frü h er d er F a ll war, m usste der R aum zum D urchgehen eingerichtet w erden. A ber w ährend früher
«in F e n ste r in verd eck ter A rt zur T ü r eingerichtet war, wurde bei der neuen A ufstellung durch Z ugrundelegung eines anderen, literarisch belegten G rundrisses dieser Mangel verm ieden und neben den F en stern der einen gedachten A ussenw and eine Türöffnung angebracht. D ie R echtfertigung
<lafür ergibt sich aus dem wendischen H ausgrundriss aus dem Spreewald, publ.
<£l£& !
Ji M .
Fig. 1. Spreewaldstube.
d urch v. Schulenburg Zs. f. Ethnologie 1886. 126, Fig. III und bei Rob.
M ielke ‘D ie B auernhäuser in der M ark’, B erlin 1899, F ig. 35, von Jerisch k e in der N iederlausitz. H ier fü h rt die eine T ü r vom Hausflur, der zugleich K üche ist, in die Stube und eine zweite T ü r an der gegenüberliegenden Aussenwand in eine kleine angebaute R em ise oder K am m er. Nach M ielke S. 19 ist dieser G rundriss in der L ausitz sehr v erbreitet, und es b esteh t som it kein H indernis, ihn u n serer S preew aldstube zugrunde zu legen, deren äusserer A ufbau ja nicht O riginal ist und innerhalb der G renzen des Typischen eine gewisse F re ih e it der A nordnung erlaubt.
L eid e r ist in den m eisten V e r ö f f e n t l i c h u n g e n ü b er das B auernhaus die A nordnung der Möbel nicht b ek a n n t gegeben. N icht w eniger typisch wie der H ausgrundriss war aber in der alten Z eit auch die A ufstellung d er Möbel und H ausgeräte in der Stube usw. Man hing auch in dieser Beziehung am A lthergebrachten, und Ä nderungen daran waren wenig beliebt.
So regelm ässig, wie sich in der B auernstube F en ster in zwei zusammen-
Die N euaufstellung der Königlichen Samm lung für deutsche Volkskunde. 2 5 1 stossenden Aussenw änden nahe der E cke finden, ebenso regelm ässig haben h ier W andb ank und Tisch ihren festen P la tz; das gilt fü r den Norden wie für den Süden D eutschlands. D er P la tz für den Ofen hängt im nörd
lichen D eutschland im B auernhause m eistens von der Lage der Küche oder des H erdes ab. Denn Ofen und H erd haben gem einhin denselben Rauchabzug. In der S preew aldstube kom m t noch eine E inrichtung hinzu, die für das nördliche D eutschland ihr eigentüm lich zu sein scheint. N eben dem Ofen näm lich befindet sich in der W and eine m eistens viereckige V ertiefung, die eine A rt kleinen K am in darstellt, in welchem bisw eilen K leinigkeiten gekocht und m it V orliebe Speck ausgebraten wird Zwischen zwei darin aufgestellten M auersteinen wird etwas Holz angezündet, und d arü b er steht dann die P fanne oder der Topf. D ieser Kam in ist ziemlich ebenso tie f wie breit, hinten oben befindet sich der Ausgang für den R auch in den gem einsam en Schornstein (Mitt. von P asto r D itten, Tzschecheln).
D iese eigentüm liche E inrichtung, die zuweilen auch als L euchtkam in V er
w endung findet und für wrelche sich im Süden P arallelen finden lassen, ist in unserer Spreew aldstube gleichfalls angedeutet.
D ie im Museum bereits früher in derselben W eise aufgestellt gew esene e l s ä s s i s c h e B a u e r n s t u b e (G rundriss F ig. 2) b ietet ein Bild fränkisch
oberdeutscher W ohnart. D ie eine W and ist zur E rzielung eines bequem en E inblicks fortgelassen worden. Es
ist diejenige, welche m it der vor
handenen F ensterw and zusamm en- stösst und ebenfalls als m it F en ster versehen zu denken ist. An diesen beiden W änden ziehen sich nach all
gem einem deutschen Brauche die F en sterb ä n k e hin, vor denen in der Mitte der Tisch steht. D ie Eingangs- tü r zu diesem R aum vom H ausflur aus ist in einer der gegenüberliegen
den W ände zu denken. Wiesen der B eschrän kth eit des R aum es ist diese T ü r fortgelassen w orden, sie dürfte hier in der W and zwischen Schrank und Ofen zu denken sein. D er ganze
R aum stellt in seiner G esam theit kein O riginal dar, sondern ist als eine wohl etwas v erkleinerte N achbildung der üblichen B auernstube des N ieder
eisass anzusehen. D ie W ände sind m it einfachster H olztäfelung versehen und ebenso wie die hölzerne D ecke braun gebeizt. Die E inrichtungsstücke O © dagegen sind O riginale aus verschiedenen O rtschaften der Gegend.
Fig. 2. G rundriss der Elsässer Stube.
Auf der D ecke und an der Aussenwand dieser Stube sind zahlreiche H o l z s c h n i t z e r e i e n aus dem Eisass und der Schweiz zur Schau gestellt.
U nter diesen befanden sich frü h er zahlreiche K erbsch nittarbeiten, angeblich aus der Schweiz stam m end (Chicago-Sam m lung), die einen auffallend ab
weichenden C h arak ter zeigten. D urch genauere V ergleichung konnte nunm ehr festgestellt w erden, dass diese aus M angelhölzern, Fussw ärm e- kästchen, Schm uckkästchen und dergleichen bestehenden G eräte von
Im
Fig. 3 a. Fig. 3 b.
3 a. M angelbrett aus Hinde- loopen. Länge 78 cm.
ob. M angelbrett, wahrschein
lich friesisch. Länge 80 cm.
Fig. 4.
Friesisches M angel
brett.
Länge 90 cm.
Fig. 5. Fig. G.
M angelbretter, w ahrscheinlich friesisch.
Länge 80 cm.
friesischer H erk u n ft sein m üssten. N icht nur die M uster unterscheiden sie w esentlich von süddeutschen E rzeugnissen, sondern auch das m eist aus E ichen- und Buchenholz bestehende M aterial w eist auf nördlichen U rsprung hin. Zum V ergleich seien hier einige der in F rag e kom m enden Geräte abgebildet neben solchen von nachweislich friesischer und süd
deutscher H erkunft.
F ig. 3 a ist ein vorzüglich gearbeitetes M angelholz aus H indeloopen
in H olland, dem Fig. 3 b von unb ek an n ter H e rk u n ft unbedenklich zur
Die N euaufstellnng der Königlichen S am m lurg für deutsclic Volkskunde. 2 5 3 Seite gestellt werden kann. D urch die an der Spitze befindlichen K erb- schnittrosetten, welche auch bei Fig. 4 w iederkehren, re ih t es sich au9serdem einer im Museum reich vertretenen sehr charakteristischen G ruppe an.
F ig. 4 stam m t w ahrscheinlich aus O stfriesland. Fig. 5—6 von u n b ekann ter H e rk u n ft können dem nach m it ziem licher S icherheit als friesisch bezeichnet w erden. F ig. 7 aus Bayern gibt einen Begriff von dem ganz abw eichenden C harak ter d erartig er G eräte aus Süddeutschland. In Fig. 8 ist ein aus der Schweiz stam m endes Kästchen m it K erbschnittverzierung dargestellt. Das
Fig. 7. M angelbrett aus Oberfranken. Länge (50 cm.
Fig. 8. K erbschnittkasten. Schweiz. Fig. 9. K erbschnittkasten. W ahrscheinlich
Länge 80 cm. friesisch. Gr. B r. 30 cm.
K ästchen Fig. 9 von u n b ekannter H erkunft, das m it vielen anderen äh n
licher A rt aus der C hicago-Sam m lung stam m t, zeigt dagegen einen so
völlig abw eichenden C harakter, dass es im höchsten Grade unw ahrscheinlich
ist, einen süddeutschen U rsprung anzunehm en. H ier kom m en uns die zur
E rw ärm u ng der F üsse durch ein hineingestelltes Näpfchen m it Kohlen im
ganzen friesischen K iistenbereich und angrenzenden G ebieten üblichen
sogenannten Stövchen oder K ieken zur Hilfe. o F ig. 10 stellt ein solches O
G erät aus H indeloopen in H olland, F ig. 11 ein anderes aus Ostfriesland
dar. W ie auf dem D eckel des K ästchens Fig. 9 ist auch au f dem
H indeloopener Stövchen das charakteristische brezelförm ige R osetten-
ornam ent eingeschnitten, das für friesische A rbeiten typisch ist.
Fig. 11. Ostfriesischcs Fussw ärm kästchen.
Länge 26 cm.
Fig. 10. Fusswärm kästchen aus Hindeloopen.
Gr. Br. 21 cm.
Fig. 12. W ahrscheinlich friesisches Fig. 13. W ahrscheinlich friesisches Fuss- Fusswärm kästchen. Gr. Br. 25 cm. wärm kästchen. Gr. Br. 25 cm.
F ig. 15. W ahrscheinlich friesischer Lichterkasten.
Länge 26 cm.
F ig. 14. O stfriesischer
L ichterkasten. Länge 31 cm.
Die N euaufstellung der Königlichen Sam m lung für deutsche Volkskunde. 2 5 5 D urch den V ergleich dieser beiden Stövchen Fig. 10— 11 sind w ir nun auch in der Lage die beiden gleichartigen G eräte F ig. 12 und 13 als je d e n falls friesischer H e rk u n ft zu bestim m en.
In F ig. 14 und 15 sind zwei H ängekästchen dargestellt, von denen das erstere aus O stfriesland stam m t, w ährend F ig. 15 un b ek an n ter H erk un ft ist. In derartigen K ästchen pflegte man in O stfriesland den V orrat an K erzen aufzubew ahren, der im H aush alt selbst hergestellt wurde. D iese N ebeneinanderstellung genügt wohl, um den gleichen Zweck und friesische
H erk u n ft des bisher unbekannten Stückes F ig . 15 zu erweisen.
Fig. 16. Löffelbrett aus Hindeloopen. Fig. 17. Löfifelbrett, w ahr-
Höhe 31 cm. scheinlich friesisch. Höhe 53 cm.
F ig. 16 zeigt ein reich geschnitztes G erät zum E instecken von Löffeln aus H indeloopen in H olland; F ig. 17 ein jedenfalls gleichem Zwecke dienendes aus der C hicago-Sam m lung ohne Angabe der H erkunft. D ie V erzierungen durch Seejungfern und Seepferdchen deuten au f einen seefahrenden V erfertiger, wie denn auch derartige Motive an anderen Schnitzereien der friesischen K üstenbevölkerungen sehr häufig sind.
Ü ber eine kleine T reppe, welche R aum 6 von 8 ff. trennt, gelangt man
in die an anderer Stelle bereits frü h er aufgestellt gewesene S c h w e i z e r
s tu b e . Es ist ein viereckiger, holzgetäfelter R aum von 6 in L änge und
4,35 m B reite m it H olzkassettendecke (d atiert Zürich 1644) aus dem
17. Jahrhun dert. Auch dieses Zim m er stam m t aus der Chicago-Sam m lung,
und üb er die H erkunft ist nichts N äheres bekannt. D ie N euaufstellung
m achte vor allem eine Ergänzung der nicht vorhandenen F en ster und eine
w ahrscheinlichere A nordnung des k ostbaren W in terth u rer F ayen ce-O fens von 16G5 erforderlich. Es w urden zwei quadratische F en ster m it v ier
eckigen hellen Scheiben, von denen eine seitlich verschiebbar ist, ein
gebaut, welche dem R aum bei hellem T ageslicht leidlich gute B eleuchtung verschaffen. A llerdings w ird das L icht durch die Enge der Strasse, an w elcher das Zim m er gelegen ist, sehr beeinträchtigt. D er Ofen ist nach dem in der Mitte d er V orderseite angebrachten Monogramm ein W e rk des W interth u rer H afnerm eisters H ans H einrich Graf. D ie A nordnung der O fenbank in ih rer früheren A ufstellung im Museum neben dem Ofen an d er Wrand entlang ist durch k ein erlei N achricht bezeugt und durchaus unw ahrscheinlich. E s wurden deshalb die Kacheln dieser B ank zur H e r
stellung eines der gew öhnlichen, an den Ofen angeschlossenen F e u e r
kästen benutzt, der die V erbindung der Ofensäule m it der W and herstellt.
D ie Beheizung erfolgte ausserhalb des Zim mers. Im übrigen w urde die ä lte re A nordnung der B ildkacheln nicht geändert, oben D arstellungen der L ebensalter, unten M onatsallegorien, obwohl z. B. der Aufsatz ü b er dem oberen Abschlussgesim s w ahrscheinlich ursprünglich einen anderen ähn
lichen Ofen zierte. Von dem ursprünglichen U nterbau des Ofens ist nichts erhalten. Gewöhnlich standen sie auf sehr schwächlich w irkenden eisernen S äulenständern oder auch auf figural geform ten U ntersätzen, besonders stilisierten T ierfiguren oder Voluten aus Fayence. Bei der N euaufstellung w urden der m assigen Ofenform entsprechende weisse K achelpfeiler u n ter
gesetzt. D ie E ckkacheln bieten Personifikationen der T ugenden: Glaube, G erechtigkeit, L iebe, Hoffnung, Geduld, S tärke, T reue und Fleiss. D ie beiden letzteren sind Ergänzungen in Gips aus frü h erer Zeit. Türen, F en ster und M öbelaufstellung wurden den vorhandenen V erhältnissen des M useumsgebäudes entsprechend angeordnet, da ja üb er den ursprünglichen Z ustand nichts b ek an n t ist.
Im Anschluss an die Schw eizerstube sind die wenigen Schweizer V olkstrachten, über welche das Museum verfügt, und eine Sam m lung von B rautkronen und F rauenkopfzierden zur Schau gestellt. H ier befinden sich auch einige M etallkronen, offenbar von M arienstandbildern aus K irchen o d er K apellen herrührend, ü b er deren H e rk u n ft nichts N äheres bekannt ist. Sie wurden, z. B. in d er E ifel, früher auch als B rautkronen benutzt.
F ü r die A usstellung b a d i s c h e r und w ü r t t e m b e r g i s c h e r T r a c h t e n konnten n u r zwei klein ere Schränke b enutzt werden, so dass es leider nicht m öglich war, die w ertvollen B estände der Schw arzw älder V olks
trachten vollständig zur Schau zu stellen. Zur E rgänzung dieser schönen
T rachtensam m lung w äre eiue V erm ehrung der auf das häusliche und
w irtschaftliche L eben und besonders das H ausgew erbe des Schwarzwaldes
bezüglichen G egenstände dringend nötig. W e it berühm t sind ja die
Schw arzw älder U hren, von einiger B edeutung auch die G lasindustrie, die
StrohHechtereien und Schnitzarbeiten. Von allen diesen, in älterer Zeit
Die Neu aufstell ung der Königlichen Sam m lung für deutsche Volkskunde. 2 5 7 ausschliesslich dem H ausgew erbe au gehörigen B etrieben sind bisher nur ziem lich geringfügige N iederschläge in der Sam m lung vorhanden.
Tn einem noch grösseren M issverhältnis zwischen Bestand und im Museum verfügbarem Raum stehen die b a y e r i s c h e n Sam m lungen. V or
handen sind etwa 50 vollständige V olkstrachten aus allen bayerischen Provinzen, von denen nur 17 in dem grössten vorhandenen S chrank aus
gestellt w erden konnten. D ie bereits überaus gedrängte A ufstellung m acht eine E rw eiterung hier völlig unm öglich, obwohl auch ein völlig aus
g estatteter W ohnraum m it den charakteristisch bem alten M öbeln zur V er
vollständigung des Bildes sehr nützlich sein würde.
Zur w eiteren V eranschaulichung der an altertüm lich anm utendein H ausrat reichen Im iviertel N iederbayerns und O b e r ö s t e r r e i c h s wurde
F ig. 18. G rundriss der oberösterreichischen B auernhausräum e im Museum.
im L aufe der letzten Ja h re eine grössere Sam m lung des Malers H. von P reen aus O sternberg bei B raunau am Inn erw orben und als R ahm en für ihre A ufstellung eine etwas v erkleinerte R aum darstellung geschaffen, welche S t u b e , K ü c h e und S p e i s e k a m m e r eines B auernhauses umfasst. D er G rundriss dieser Anlage ist hier w iedergegeben F ig. 18. Zur E rgänzung w äre der von H. v. P ree n im ‘A usland’ 1892, S. 311 gegebene Erdgeschoss
grundriss des typischen B auernhauses im oberösterreichischen Innviertel zu vergleichen, der dieselben V erhältnisse zeigt. D er E ingang zu diesen R äum en geht vom V orhause oder F lu r aus durch je eine T ü r derselben W and in die Küche und Stube. Die diesen R äum en gegenüberliegende H aushälfte wird von den Stall- und anderen W irtschaftsräum en eingenom m en. D ie Schlafräum e befinden sich u n ter dem Dache.
D ie W ände der alten B auernhäuser dieser Gegend sind aus w agerecht liegenden H olzbalken erbaut, deren F ugen m it Lehm verstrichen wurden.
D ie F e n ste r sind ausserordentlich klein, ab er ziem lich hochliegend. Aus Mangel an Raum konnte eine grosse bem alte T ru he nicht in die Stube
Z eitsclir. ii. V ereins f. V olksk un d e. 1908. , -