XVI. Jahrg. Berlin,den 5.Yeptember1908. Ur.-Ws49.
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Maximilian Hart-m
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f Erscheint jedenSonnabend- Preiö vierteljährlich5Mitk,dieeinzelne Nummer -50Pf.
Berlin.
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Verlag der Zukunft.
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Berlin, den 5.Hepkember 1908.
DeutscheLiteratur in Amerika.
ZeitmehrerenJahrenwirdinDeutschland lebhaft fürdenAbschlußeines
.Vertrages agitirt,derdenNachdtuckdeutscherWertein denVereinigten Staaten unmöglichmachen soll. Auchin AmerikaistdieSache aufgegriffen worden;leiderin einerWeise,dienichtzurKlärungderSachlage beitragen kann. DieFolge ist, daßdieberechtigteCutrüstungdeutscher Schriftsteller über denDiebstahlihrerErzeugnisse,derfortwährendausgeübtwird,sichin Angriffen auf Parteien Luftmacht, dieallerdingsaus denvorhandenenVer- hältnissenNutzen ziehen, dieseabernichtgeschaffenhaben undauchinkeiner Weise für sie verantwortlich sind. Diedeutsche PresseindenVereinigten Staaten hat sichniemals demAbschlußeinesVertrages,der denNachdruck deutscherWerkeverhindernwürde,widersetzt; ihre einflußreichstenVertreter haben ihn vielmehr befürwortetundderEindruck,derindenliterarischen Kreisen Deutschlandsvorzuherrschenscheint,diedeutsch-amerikanischePressetraae einenwesentlichen TheilderSchuldandenjetzigenZuständen,diesiebei- zubehalten wünsche,um ungestörtstehlenzudürfen, istdurchausfalsch.Der KampfgegendieVerleger deutscherZeitungenin Amerika, der inDeutschland mitsovielBitterkeit geführtwird,istdahernichtnur unberechtigt, sondern führt auchzubedauerlicherKraftvergeudung Wäreernur unberechtigt,so würdefür michkeineVeranlassungvorliegen,·mich damit zubeschäftigen;denn ich habewedereinenAuftrag erhalten,dieVertheidigungderdeutsch-ameri- kanischen Pressezu übernehmen,noch liegteinGrund für michvor, esaus eigenemAntriebe zuthun. Doch liegtmirdaran, Klarheitzuschaffenund Mißverständnisseaus demWegezuräumen; kann dabeidendeutschenSchrift- stellerngezeigtwerden,daßes andere Wege giebt,um andaserwünschteZiel zugelangen, sowirdauch ihneneinguter Dienst erwiesen. .
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346 DieZukunft-
DerjetzigeVertrag,unterdemgeistiges Eigenthum,dasim Ausland entstandenist,nur dann indenVereinigtenStaaten gegenNachdruckgeschützt werden kann,wenn esinAmerikagedrucktwird,verdankt seineEntstehung nichtdemBetreiben amerikanischerVerleger.DerenInteressenwerdendadurch vielmehr empsindlich geschädigt,weilsieunter anderen Umständendievon ihnenvertriebenen BüchervielbilligerimAusland herstellen lassenkönnten.
DieBestimmung istalleinaufdieForderungenderVertreter derGewerk- schasten zurückzuführen,die denKongreß überzeugten,daßdieArbeitersie habenwollten. Siesteht außerdemganzundgar imEinklangmitderameri- kanischenWirthschaftpolitik,derenMotivheißt: Schutz fürdieamerikanischen Arbeiter. Der Vertrieb vonBüchern,die im Ausland hergestelltwordensind, soll nach Kräftenerschwertwerden,um Schriftsetzern, Buchdruckern, Buch- hindern,Zeichnern mehrArbeit zuverschaffenundzuverhindern, daßeuro- päischeArbeiter,denengeringereLöhne bezahltwerden, mitihneninKonkurrenz treten. DieGründe,welchedieVereinigtenStaaten abhalten,demgeistigen EigenthumdenselbenSchutzzugewähren.denesinanderen Länderngenießt, sind alsoreinwirthschaftpolitischerArt. DasistnochdeutlicherausderThat- sacheerkennbar,daßBücherundZeitschriften,dieinenglischerSprachege- drucktsindund sichdahereinen größerenLesertreis sichernkönnen alsdie deutschen,derenEinfuhrsich alsoingroßen Massen lohnenwürde, einem ziemlich hohen Zoll unterworfen sind, währendalleanderen zollfrei eingehen.
FürdenSchriftstellerundden Verlegerwäreesvielvortheilhafter,wenn sie solche Bücheraus England importiren könnten; sie müssen sieaberin Amerikanocheinmaldruckenlassen,um sichgegenNachdruckzuschützen,oder denhohenEinfuhrzoll bezahlen,wenn sichdieHerstellungeiner besonderen amerikanischenAuflage voraussichtlich nicht lohnenwürde. UeberdieZweck- mäßigkeitoderdenWerthdieser Vorschriften braucheichnichtszusagen;es genügt,wenn dieThatsachebetontwird, daßihre Abänderungnur durch einenWechselin denAnsichtenDererzu erreichen ist,die einenmaßgebenden Einfluß aufdieWirthschaftpolitikderVereinigtenStaaten ausüben. Hoffent- lich verstehtman aber inDeutschland endlich, daßdemAbschlußeinesUrheber- schutz-Vertragesnicht amerikanischeUnredlichkeitundLustamStehlen, sondern einfachderWunsch,dieEinfuhrvon Erzeugnissen irgendwelcherArtaus anderen Ländernzuverhindern,imWege steht. GegendieEinfuhrdesgeistigen Eigenthumeswendet sichkeinMensch;man würdeesgernmitallemdenk- barenSchutz umgeben, so lange dadurch amerikanischenArbeitern keine Ge- legenheit entzogenwürde, zuhohen Löhnen Beschäftigungzusinden.
UeberdenNachdruckdeutscherWerkeinBuchform braucheichkein Wort zuverlieren;dennerkommtnicht mehrvorundhatnie einengroßenUmfang gehabt. DadeutscheWerkezollfrei eingeführtwerden dürfen (ausgenommen
DeutscheLiteratur inAmerika. 347 sindnur solche,diefastganzaus Bildern bestehenundbei denenderText NebensacheoderBeiwerkist),könnensie billiger importirtals in Amerikaher- gestelltwerden. Eshandelt sichalsolediglichumdiedeutschePressein Amerika.
SieistinzwiefacherNothlage.Siedarf ungestraftalleErzeugnissederdeutschen Literatur abdrucken. (VondemSchutz,densich deutscheSchriftsteller fürein Jahrsichern können,wirdspäter gesprochenwerden-)Siethutesnatürlich nicht etwanur, weilihrdasStehlen Vergnügenmacht, sondern,weilesdoch ganzselbstverständlichist, daßeineZeitung nicht sürdieselben Sachenbe- zahlen kann,dieihr NachbarundKonkurrentumsonstabdruckt.DieMenschen, dieumsonst erreichbareSachen bezahlen,sind sehrdünngesät. Auchunterden«
deutschenSchriftstellernwirdes- nurwenige geben,die, weilihr sittlichesGe- fühl sie treibt, Dinge bezahlen,diesieundAndereumsonst habenkönnen. Kein deutscherVerleger bemißtdasHonorar nachderBegabungoderdenLeistun- gendesSchriftstellers, dessenWerkeerverlegt,sondernalleinnachdemErlös, deneraus demGeschäftzuziehenerwartet, mitRücksichtaufdiePreise,die seineKonkurrenten zuzahlen gewillt seinwerden. EthischeBeweggründespielen dabeiso selteneineRolle,daßman siekauminBetrachtzuziehen braucht.
UndauchinDeutschlandwirdjaganz beträchtlichnachgedruckt,wenn man glaubt,esungestraft thunzu können.Wer, zumBeispiel,vonAmerikaaus für deutscheZeitungen schreibt,kannsichgegenunbefugtenundunbezahlten Nachdrucknur schützen,wenn ersehrgenauauspaßt.WirdinAmerikamehr nachgedruckt,so geschiehtesnur, weilsgesetzlicherlaubtist, währendman den deutschenPerleger,derdasSelbethut, wenigstenszu einer kleinenEntschädigung zwingenkann,allerdings auchdortnur miteinigen MühenundKosten.Wes- halbfordertman nun von demamerikanischenBerleger,ersolleausgutem Herzen fürEtwas bezahlen,daserumsonst nehmen darfund dasalleseine Konkurrenten ohne Scheu nehmen?DieheftigenAngriffederdeutschenSchrift- steller aufdiedeutsch-amerikanischePresse habenbisjetztnurdeneinenErfolg gehabt, daßBlätter, diefrüher wenigstenseinengroßenTheil ihres Inhaltes erwarben undhonorirten, jetztAllesausschneidenundrücksichtlosnachdrucken.
MankannihnenDasgarnicht verdenken;denngeschimpftwirddoch,und wenn man schon fortwährendDiebgenanntwird,hateskeinenZweck,den Schelternauchnoch unnöthigeOpferzubringen.
Jch habevoneinerzwiefachenNothllagederdeutsch-amerikanischenPresse gesprochen.NebenderNothwendigkeit, sichgegendieKonkurrenzzuschützen undmitihr auf gleichen Fußzustellen, besteht nämlichdieThatsache, daß·
heutein denPereinigtenStaaten kaumnocheinedeutscheZeitung vorhanden ist,diefür Alles,was sieausdeutschenZeitungenundZeitschriftenentnimmt, bezahlenkann.DieZeiten sind vorüber,in denendiedeutschenZeitungenin AmerikavielGeldverdienten;diemeisten schlagen sichnur nochmitMühe
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348 DieZukunft.
durchund dieBlätter,diejetzteinennennenswerthenUeberschußabwerfen, lassen sichandenFingerneinerHand aufzählen.Dasliegtnicht sosehran demRückgangdesDeutschthumeswiedaran, daßdasPublikum heute viel größereAnsprüchemachtundauchvon dendeutschen Zeitungenmehrverlangt alsfrüher-;und eingroßerTheilder deutschenEinwanderer versteht schon beiderAnkunftgenugEnglisch,um amerikanischeZeitungenlesenzukönnen.
DerAbschlußeinesVertrages-, durchdendendeutschen Schriftstellernvoller SchutzindenVereinigtenStaaten gewährtwird, würdediedeutsch-ameri- kanischePresse zwingen,entweder denTheil,densiederBelletristikwidmet, vollständig fallenzulassenodersichaufdenNachdruck ältererWerke,die nichtmehr geschütztfind,zubeschränken.Daswärean lange Zeit hinaus ganzgut möglich;denn diedeutscheLiteratur ist reichanRomanenundNovellen, die derjetzigenGeneration unbekannt sind,ihraber,trotzdemAlter,ganz gut gefallenwürden. DerdeutscheSchriftstellerkönntealso dadurch nichts gewinnen, soweitsein peluniäresInteresseinBetrachtkommt;dennobseine WerkegarnichtoderohneBezahlung nachgedrucktwerden,ist fürihngleich- giltig, so langesichs ihmnur umdenGeldpunkthandelt.Eine andereFrage ist freilich,obesfür ihn nicht noch besserist, unbezahltalsüberhauptnicht nachgedrucktzuwerden. Schließlich beweistDas dochimmer eineWerth- schätzung,dieangenehm berührt;undaußerdemhatesaucheinepraktische Seite. SeinNamewirdinweiteren Kreisenbekanntund dieNachfragenach seinenWerkensteigert sich« weißausmeinerlangjährigenjournalistischen Thätigkrit,daßdieVsröffenttichungeinesRomanes in einerZeitungin vielen LeserndenWunschentstehen ließ,dasWerk inBuchsormzubesitzen,undich könnteeineganzeReihevon Fällen anführen,indenen Schriftstellernur dadurchindenVereinigtenStaaten bekannt wurde-n undfür ihreWerkeAbsatz fanden, daßeinerihrerRomanenachgedrucktoder,wenn man esnun sonennen
will, gestohlenworden war. AlseinnewyorkerBlatt ,,Jörn Uhl« abdruckte, entstand soforteine ganzbeträchtlicheNachfrage nachdenWerken Gustavs Frenssen; auch »Hilligenlei«wurdestark gekauft, trotzdemesvon keinerZeitung gebrachtworden war. Ebenjetzt hateineZeitungeinenaltenRoman von Tanera nachgedrurktundkeinTag vergeht,ohnedaß Anfragen einlausen,wo das WerkinVuchsormzuhaben ist. Damit willichnun weder dievor-
handenen Zustände vertheidigen nochetwadendeutschenSchriftstellern rathen, denNachdruckzufördern,um sichauf diese Weisebekannt zumachenund denVerkauf ihrerWerkezuerweitern,aberichmöchtedarauf hinweisen,daß esimmer noch besserist,wenn ihreErzeugnisseüberhauptnachgedrucktwerden, solange siedieBezahlungdochnichterzwingenkönnen.
Voreiniger Zeit fand ichindenZeitungeneineListe,in derdeutsche SchriftstellerdieVerluste angaben,diesiedurchdenRachdruck ihrerWeite
DeutscheLiteratur inAmerika. 349
inAmerika nachihrer Ansichterlitten hätten. MehralseinerderHerren bezifserteseinen Verlust aus achtzig-bishunderttausendMarkunddieGesammt- summebelies sich ausvieleMillionen. Dashatuns hiereinleises Lächeln abgezwungen;dennsoviel Geldkönnten alledeutschenZeitungenin Amerika zusammeninJahrzehnten nicht fürRom-me aufbringen. WirklicheVerluste, solche,die durch dasBesteheneinesVertragesvermieden worden wären,haben
nur dieSchriftstellererlitten,derenWerkeinsEnglischeübersetztworden sind;
denn alleanderen,die keineBezahlung erhielten,wärenebenfür Geldnicht nachgedrucktworden-. DasisteinwichtigerPunkt,dendiedeutschenSchrift- stellerscharfinsAugen fassenund aufdensieihreganzeKraft konzentriren sollten; vielleichtkönnensiediehonorarlose Veröffentlichungvon Uebersetzungen ihrerWerkeverhindern,kaum aberfür geistiges Eigenthum,dasnichtin Amerika gedrucktworden ist,Schutz erhalten«VondenVerlegernderUeber- setzungenkönnensieauchHonorare erhalten,um diezukämpfenlohnt;denn
man darf nicht vergessen,daß derLeserkreisfür deutscheBücher indenVer- einigten«Staaten engistund immer enger wird,währendesfürdie Ver- breitungvon englischenBüchernkaumGrenzen giebt. Thatsächlichhaben ja auch einige deutsche Schriftsteller,vor Allen Friedrich Spielhagen, schonzu einerZeit,alsüberhauptnoch keinVertrag vorhandenwar, Verleger fürUeber- setzungenihrerWerkegesunden.Daskönnte wiedergeschehen,zumaldasJn- teresse fürdiedeutscheLiteratur beidenAmerikanernstetig wächst.
VonDeutschlandaus wird fortwährendgepredigt,dieDeutschenin Amerika müßten sich ihr Deutschthum bewahren. Daskönnensieaberohne Hilfe,dieausdemReichkommt, nichtthun.Sie sindin einemLand, in dem dieenglischeSprachedieNationalsprache ist,undsindgezwungen, dieseSprache zu erlernen. JhreKinderlernenEnglischundsind, so sehrdie Elternsichauch bemühenmögen,sie inGeistundDenkendeutschzuerhalten, dochAmerikaner.
WoVater und Mutter schwerzukämpfenhaben,um sicheineStellungzu erringenund sichinganzneue Verhältnisseeinzuleben, istesihnen-unmöglich, sichsoeingehendmitdenErzeugnissendesGeisteszubeschäftigen,daß sie völligaufdemLaufendenbleiben. NeueErscheinungenbleibenihnenunbe- kannt,wenn sie nichtdurch diedeutschePressedavon unterrichtetwerden. Es ist sehr leicht,dieForderungzustellen,dieDeutschenin Amerikaseienver- pflichtet, sichüberAlles,wasinDeutschland aus geistigemGebietvorgeht, zuunterrichten;abernur derganzUnkundigewirddieses Verlangen fürbe- rechtigt halten.DerDeutsche,dersichdauernd inAmerikaniedergelassenhat, muß sichbiszueinemgewissenGrad amerikanisirenzerdarf nicht vollständig deutschbleiben, weilersonst nichtWurzel fassenund zumErfolgkommen kann. Erist außerdem durchdieintensive Arbeitweise soinAnspruchge- nommen, daß ihmnur wenigKraftund Zeitbleibt,umgeistige Jnteressen
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zupflegen. Hatersich durchgerungenundnun mehr Muße, so istdie Ver- bindungmitdemgeistigenLebenDeutschlands meist schon lange unterbrochen underweißnicht,wasgeschehenist, seiterdasVaterland verließ.Sokommt es,daßAlles,wasdasjunge Deutschland aufdenGebieten derKunstund Literatur hervorgebracht hat,denmeisten Deutschamerikanernunbekannt ge- bliebenist. Sieerfahrenvon neuen Büchern,neuen Schriftstellern nichts, wenn ihr Appetit nicht durchdieZeitungen gewecktwird. DerdeutscheSchrift- steller,derdarauf besteht, daßkeinsseinerWerkeinAmerika nachgedruckt wird,wenn ernicht dafürdasihm zustehende Honorar erhält, errichtetda- durch zwischen.sichoderdemdeutschenLebenimReichunddenDeutschenim Ausland eineScheidewand,die deren Amerikanisirung beschleunigt.Sollte diese Thatsache,dieunbestreitbar ist, nichtvon deutschen Schriftstellernin Erwägunggezogenwerden, so lange siedieihnenzustehendeBezahlungdoch nicht erzwingenkönnen? Jchmeine damit nicht, daß deutsche Schriftsteller irgendwelcheVerpflichtung haben, fürdieErhaltungdesDeutschthumesin denVereinigtenStaaten Opferzubringen;aberich möchtedarauf hindeuten, daß sie nicht geradediedeutsch-amerikanischenZeitungen,dieihnen dochimmer- hinnochnützen,zumGegenstand ihrer Angriffe machen sollen.
Der jetzigeVertrag,durch denderdeutscheSchriftsteller sichgegen Nach- druckinnerhalbeinesJahresschützenkann,erscheintmirwerthlos;eristviel- leicht sogar schädlich.JstdasWerkwirklich werth, nachgedrucktzu werden, sowirdDas nach AblaufeinesJahres genau sogeschehenwiegleichnach seinem Erscheinen. Jndenmeisten Fällenwird nur verhindert, daßdas WerkunddamitderVerfasser überhauptbekanntwird. Man willdenBe- wohnernderVereinigtenStaaten also erschweren, sichmitdenErzeugnissen derdeutschenLiteratur bekannt zumachen, ohne daßeinVortheil füreine derbeidenSeiten heraussprünge.DerVertrag,wieerjetzt besteht,hat alle NachtheileeinesKompromisses,ohneeineneinzigen Vorzug.
Oft hörtman, diejetzigenZuständemachtendasEntsteheneinerdeutsch- amerikanischenLiteratur unmöglich,weilderfreie NachdruckdeutscherWerke deutschenSchriftstellerninAmerikadenBoden unter denFüßen wegziehe.
Daserscheintmirhaltlos. Esist schon nichtganzllar,wasunter deutsch- amerikanischerLiteratur überhauptverstandenwerden soll.EineLiteratur, dienichtmitdemLebenundinnersten WeseneinesVolkeszusammenhängt, giebtesüberhauptnicht.Eskann deutscheund amerikanische Schriftsteller geben,aberniemals deutsch-amerikanische;dennesgiebtkeindeutsch-ameri- kanischesVolkoderGeistesleben.Was man sonennt,istursprünglichdeutsch gewesenundmehroderweniger durch amerikanischeDenkweisegefärbt.Die deutsch-amerikanischenSchriftsteller sind Deutsche,dievielleicht amerikanische Stoffeverarbeiten oderamerikanischeArtmitGeschicknachahmen.Einerder
DeutscheLiteratur inAmerika. 351
Vetfechterdes Gedankens, dieVerhinderungdesNachdruckeskönnne die Ent- wickelungeinerdeutsch-amerikanischenLiteratur zurFolgehaben, sagt: »Nicht derungehinderteNachdruckistderLebensnetv derdeutsch-amerikanischenPresse, sonderneineigenes,frisches, seineresdeutsch-amerikanischesGeistesleben.«Wo das herkommensoll, sagterabernicht;undwirdesauchnie Einem erklären können, dernur einigermaßenBescheid weiß.Wasichüber denDeutsch- Amerikaner gesagt habe,wirdJedem verständlichmachen,daß ein,,frisches, feineres deutsch-amerikanischesGeistesleben«ausdemDeutschthumin den Ver- einigtenStaaten niemals ohne äußerenAnstoßentstehenkann. Davonkönnen nur Leuteträumen, die bloskörperlichinAmerika leben,geistigaberdem Lande ewig fremd geblieben sind;undsie sindebenso seltenwiedie An- deren, die heutenoch glauben,eswäremöglich,dieVereinigtenStaaten ganz oderwenigstenszumTheil deutschzumachen.UeberhauptistdieFragevon solcherBedeutung, daßdie paarSchriftsteller,dieinAmerikaindeutscher Sprache schreiben,nichtinBetrachtkommenkönnen. Siefindeneingrößeres und empfänglicheresPublikuminDeutschlandundwürden auchdannnicht vielandiedeutschePressein Amerikaabsetzenkönnen,wenn diese nicht länger deutscheSachen umsonstabdruckendürfte. Aus-die Gründesür diese Ansicht kannich hier nicht eingehen;abererwähnenmöchteich, daß diese Schriftsteller, sotalentooll sie sein mögen, dochkeineEigenart besitzen,die alsdeutsch-ame- rikanischbezeichnetwerden kann. SiebleibenimmerDeutscheundhabeneigent- lichkeinenbesonderenGrund zuKlagen, solangesie dieFrüchte ihrer Thä- tigkeitinDeutschland absetzenkönnen. Daßesihnen nicht möglichist, ihre Erzeugnisse zweimalzuverkaufen,einmalinDeutschlandunddann wieder aneinedeutsch-amerikanischeZeitung (mehralszweioderdrei wärenesnicht), istam Endedoch nichtGrund genug, aus sie besondereRücksichtzunehmen.
Niemand wirdsichderUeberzeugung verschließenkönnen, daßdie Ver- hältnissejetzt unwürdigsind,undNiemand wirdvon deutschenSchriftstellern fordern, daßsieruhig zusehen sollen,wiesieumdieErzeugnisseihres Geistes gebrachtwerden. Aber jeder ruhige Beobachter muß auch bedenken, daßin anderen Ländern,mitdemdasReich Verträge schließt,kein derZahl nach starkes DeutschthumumdieErhaltung seinerSpracheundseines Wesens ringt.
DashatderPatriotzuerwägen.DieSchwierigkeiten,die denAbschlußeines dendeutschenSchriftstelleingenügendenVertrages hindern, sindaberreinwirthi schastpolitischerArt. DasistderKernpunkt,derbei derAgitationimAuge behaltenwerdenmuß.Diese ist nutzlos, so lange sie sichgegenParteienwen- det,deren Schuld nicht ist, daß nochkeinAusweg gesundenwurde.
NewYork. Georgvon Skal.
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35 2 DieZukunft.
Die Nationalitåten in Ungarn.
WennichumdieErlaubnißbitte,vonderTribünedieser angesehenenund weitverbreiteten Zeitschrift einige aufrichtigeWorteüber dieNationalitäten- frageinUngarnzusprechen, so geschiehtesnichtinderHoffnung,dieGegner undFeindedesmodernen Ungarnzuberuhigen (.sie wollen sich nicht beruhigen lassen), sondern,umeinige Thatsachen festzustellen,diejedem objektiv Denkenden deutlichbeweisen müssen, daßdieAngrifsegegenUngarnundinsbesonderedie Angriffegegen dieNationalitütenpolitik Ungarns, denenman jetzt nichtnur in derösterreichischen,sondern auchinderdeutschen, französischenundsogarinder ruisischen Presse begegnet, fast jeder sachlichen Grundlage entbehren.Esunterliegt keinemZweifel, daß diese Angriffe sehr geschickt-vorbereitet werden. EinzelneNatio- nalitäteninUngarn,vorAlleindie RumänenunddieSlowaken,habendasMeister- stückgeleistet,einemTheilderOeffentlichen Meinung WesteuropaseineAnimosität, vielleicht aucheineAntipathiegegenUngarn,besondersgegendieMagyaren,zu suggeriren,was um so überraschenderist,alsUngarninDeutschland,Frankreich undEngland sich lebhafter Sympathien erfreute.VielbedeutsameralsdieVerse desdeutschen Dichters-,demdasWams zuengward,wenn erdenNamenUngarn hörte, sinddieBriefeBismarcks undkennzeichnend fürdieStimmung,dieehcdem inFrankreichundEngland bestand, sinddieBerichteüber dieAusnahme Andrassys und Telekis inFrankreichundKossuthsinEngland. Tempi passatj. Heute findetman inderausländischen Presse schwere AnklagenwiderUngarn,diedarin gipfeln, daßimReichderStephanstrone dieNationalitäten unterdrücktwerden, daß hiereinSchreckensregiment eingeführt sei,unter demKroaten, Rumänen, Slowaken,Serben undDeutsche leiden,denenman alleRechteundFreiheitender Bürger,inallerersterReihe ihre Muttersprache,raube undderenwirthschaftliche Entwickelung oft geradezu verhindertwerde. Hier sei nicht untersucht,obFranzosen undEngländerinihren eigenen Staaten jene altruistische Politikverfolgen,die sieanderen Staaten empfehlen; auch aufdiePolenpolitik Deutschlands-, nichtein- nialaufdieRuthenenpolititOesterreichs sei hingewiesen,dieseitderErmordung desStatthaltersGrafen Potockiunddenblutigen VorfälleninCzerniechowaller- dings mehr Aufmerksamkeitverdienenwürde,alsihrzu Teilwird.Sagen darfman aber, daß mancher Nachbarüber denSplitterimAuge Ungarns sichdasMundwerk zerreißt, währenderdenBalkenimeigenen Auge nicht wahrnehmenwill.
Denpeinlichen, oftbis zurRoheitentartenden NationalitätenhaderinOesters reichwirdNiemand leugnentönnnen Dortliegen DeutscheundEzecheneinander indenHaaren,Slowenen undItaliener, PolenundRuthenen bekämpfeneinander, aberalldieseNationen undNationalitäten sehenmitEntrüstung auf Ungarn, obwohl hier solche ZusammenstößeundSkandale, die inOesterreichanderTagesordnung sind,zu-dengrößtenSeltenheiten gehören.Dieverschiedenen Bollsstämme Oesteri reichs mögeneinander übrigens hassenundbefehden:inihrer Gegnerschaftgegen Ungarn sind sie fastimmer einig.Viribus unitjs. Undda derWegvonUngarn nachWesteuropaüberOesterreich führt, istesbesonders die österreichischePresse, diedasAusland überungarische Verhältnisse unterrichtet Tiese Presse istaber Ungarnjetzt feindlich gesinnt.Das war einstganzanders. EsgabeineZeitin Ungarn,in derdiepolitische Korruptionin vollerBlüthe stand,einebrutalePartei-