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Die Naturwissenschaften. Wochenschrift..., 17. Jg. 1929, 30. August, Heft 35.

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DIE NATURWISSENSCHAFTEN

1 7 . Jahrgan g 30 . August 19 29 Heft 3 5

W illy W ien.

N ach ru f von M. v . La u e, B erlin , und E . Rü c h a r d t, München.

U n erw artet für die Fachgenossen, die sich an seine unerschütterliche Gesundheit zu glauben gew öhnt hatten, sta rb am 30. A u gu st 1928, kurz nach einer Operation, Wi l l y Wi e n. E r h at kein hohes A lte r erreicht, denn er w ar geboren am 13 . Ja n u a r 1864 in G affken bei Fischhausen in Ostpreußen. Seine E lte rn stam m ten aus M ecklenburg; die m eisten seiner Vorfahren, auch sein V ater, w aren Gutsbesitzer. N ach dem W illen seiner F am ilie h ätte Wi l l y Wi e n sich ebenfalls die­

sem B eru fe widm en sollen, und seinen Ü bergang zur P h y sik m ußte er sich einigerm aßen erkäm pfen.

Selbst nach seiner Prom otion suchte m an ihm klarzum achen, welch andere Lebensstellung der sichere B esitz eines R itterg u tes gewährleiste, als eine ganz ungewisse akadem ische L au fbah n . Im m erhin — er studierte in G öttingen, B erlin und H eidelberg M ath em atik und N aturw issenschaften, prom ovierte 1886 in B erlin, w urde 1889 A ssistent bei He l m h o l t z an der Physikalisch-technischen R eich san stalt. 1892 folgte H ab ilitatio n an der B erlin er U n iversität, 1896 B eru fu n g zum außer­

ordentlichen Professor in A achen. 1899 kam Wi e n

als ordentlicher Professor nach Gießen, 1900 nach W ürzburg und 19 20 nach M ünchen. Inzwischen ( 19 1 1) h atte er den N obelpreis erhalten.

D ie A rbeiten W . Wi e n s, sow eit sie nicht der experim entellen E rforsch u n g der Corpuscular- strahlen gelten, gruppieren sich um H yd rod yn am ik und (so können w ir sagen) E lek tro d y n a m ik ; denn die letztere um faß t ja auch die gesam te Optik, ein­

schließlich jenes kleinen, aber so unvergleichlich w ich tig gewordenen G ebietes, das m an als die Theorie der W ärm estrahlung bezeichnet. D iese G ebiete sind gewiß nicht eng, aber sie geben tro tz ­ dem nicht den U m fan g seines Interesses. Grenzen d afü r gab es innerhalb der P h y sik näm lich über­

h aupt n ich t; er strebte durchaus zum Ganzen, nahm an den Fo rtsch ritten jedes ihrer Zweige innerlich A nteil, wie sich im G espräch m it Fachgenossen im m er w ieder ein m anchm al überraschend tiefes V erstän dnis fü r ihm scheinbar ferner liegende F rag en zeigte. S o erk lä rt es sich auch, daß er noch in seinen letzten L eb en sjah ren die große A rb eit übernahm , w elche die H erausgabe des ,,H andbuchs der E x p e rim e n ta lp h y sik “ m it sich brach te; er h at sie gerade noch v o r seinem Tode in allem W esen t­

lichen zum Abschluß bringen können. Insbesondere lagen ihm auch die Fo rtsc h ritte der m athem atischen P h y s ik am H erzen; so h at er z. B . die w ertvollen U ntersuchungen vo n Se i t z über die B eu gun g an K reiszylin d ern und in noch höherem Maße die von

Si e g e r über die B eu g u n g am elliptischen Z ylind er angeregt. Ü berh au pt muß m an au ssp rech en : Wi e n s

Persönlichkeit, auch die wissenschaftliche, lernte

m an ganz nur im U m gang m it ihm kennen. Sei es durch A rb eit in seinem In stitu t, sei es auch durch Teilnahm e an den w interlichen Gebirgstouren, zu denen er vo r dem K riege allj ähr lieh eine R eihe seiner Schüler, M itarbeiter sowie befreundeter Fachgenos­

sen um sich versam m elte. Gerade dabei, unter freiem H im m el, strah lte von ihm eine Lebensfreude, eine Freud e am Forschen aus, die sich m itreißend auf die ganze U m w elt übertrug. W ieviel A rbeiten er so angeregt, wie o ft er jüngere Fachgenossen erm utigt oder, vielleich t nur ihnen selbst m erklich, auf einen rich tigeren W eg gelenkt h at, das w eist keine L ite ra tu r au s; danach m üßte m an jeden ein­

zeln befragen, dem das unvergeßliche G lück zuteil geworden, m it Wi l l y Wi e n S k i laufen zu dürfen.

W enngleich schon Wi e n s erste P ub likation, seine D o ktorarb eit „Ü b e r den E in flu ß der ponderablen T eile a u f das gebeugte L ic h t“ in einer e x p e ri­

m entellen U ntersuchung bestand und die A nerken ­ nung seines L eh rers He lm h o lt z fand, h at Wie n

doch erst in A achen dasjenige experim entelle G ebiet in A n g riff genommen, das ihn sein ganzes Leben hindurch besch äftigt hat. N achdem er sich in der R eich san stalt, neben seinen ununterbroche­

nen theoretischen Studien, gemeinsam m it seinem Freunde Ho lbo r n m it der M essung hoher und tiefer T em peraturen m it dem Platinth erm om eter be­

sch äftigt hatte, bot sich ihm bald nach der E n t ­ deckung der R öntgenstrahlen Gelegenheit, in den B erlin er K lin ik en Versuche m it diesen Strah len an­

zustellen und sich die dam als noch sehr schw ierige V akuum tech nik anzueignen. In A achen fand er die notwendigen A p p arate vor, um sich näher m it den Problem en der G asentladu ng zu beschäftigen. Im Ja h re 1897 konnte Wie n bereits einen w ichtigen B e itra g zu der K enntnis der K atho d en strah len liefern, die d am als noch von vielen Fo rsch ern (Go l d s t e in, Wie d e m a n n, Le n a r d) fü r eine W ellenstrahlung gehalten w urden. E s gelang ihm, die n egative L ad u n g der K ath o d en strah len , die durch ein L en ard fen ster gegangen w aren, in einem ganz feldfreien und h och evaku ierten R a u m nachzuweisen und auch die elektrisch e A blenkung unter diesen einw andfreien B edingungen zu u n ter­

suchen. In der gleichen A rb e it bew ies er bereits die positive L ad u n g der von Go l d s t e in entdeckten K an alstrah len , die sich w eder durch ein dünnes Fen ster hindurchschießen noch durch einen p er­

m anenten M agneten ablenken ließen. D ie K la rh e it seines U rteils w ird aus folgenden Sätzen deutlich:

,,So kann es denn nicht m ehr zw eifelhaft sein, daß w ir in den K ath o d en strah len geladene Teilchen vo r uns haben, w obei ein w esentlicher U nterschied zwischen den p ositiven und negativen Teilchen zutage tritt. D a die positiven Teilchen vom M agne­

Nw. 1939 50

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6 7 6 v . La u e und Rü c h a r d t: Wi l l y Wi e n. [Die Natur­wissenschaften

ten nicht abgelen kt werden, m üssen sie entw eder eine sehr viel größere G eschw indigkeit besitzen als die n egativen oder größere M asse im V erh ältn is zur Ladu n g. D as letztere w ird am w ahrschein­

lichsten sein. D aß die negativen Teilchen durch eine A lum inium platte fliegen, ohne eine nennens­

w erte Einbu ße an G eschw indigkeit zu erleiden, wie die im w esentlichen u nveränderte A blenkung durch den M agneten beweist, sprich t dafür, daß w ir es nicht m it den gewöhnlichen chem ischen M ole­

külen zu tun h aben.“ Schon im folgenden Ja h re erschien eine ausführliche A rb eit „Ü b e r die elektro­

statisch e und m agnetische A blenku ng der K a n a l­

stra h le n ". D er N achw eis der m agnetischen A b ­ lenkung in stark en Feld ern bereitete besondere Schw ierigkeiten und zeigt Wi e n bereits als E x p e ri­

m entator ersten R an ges. D ie Größenordnung von

— und v w urde bestim m t und auch bereits kon sta- e m

tiert, daß die S trah len nicht einheitlich w aren.

„A u s dieser B eo bach tun g ist der Schluß zu ziehen, daß die K a n a lstrah le n m it den Vorgängen bei der E lek tro lyse am nächsten ve rw a n d t sind “ , b e­

m erkt Wi e n am E n d e dieser A rb eit. D ie nähere E rfo rsch u n g der N a tu r und E n tsteh u n g sa rt der K an alstrah len erwies sich als sehr schw ierig, und es ist spannend zu verfolgen, wie Wi e n nun in seiner W ürzburger Z eit system atisch und sicher der F rag e nach dem U rsp ru ng und der A rt der Ionen näher­

zukom m en sucht, einen E in b lic k in die kom plizier­

ten U m ladungsVorgänge gew inn t und jeden F o r t­

sch ritt au f dem G ebiete der V aku um tech n ik fü r seine U ntersuchungen nutzbar m ach t und w eiter­

entw ickelt. Seine „D u rchström un gsm eth od e“ ist fü r viele A rbeiten m it K athod en -, K a n a l- und R ö ntgenstrahlen unentbehrlich geworden. M ehrere Schüler sind bereits m it ihm an der A rb eit. D ie Fluorescenzw irkung der Strah len w ird u nter­

sucht, der M echanism us der U m ladungen w ird q u a lita tiv geklärt. Wi e n zeigt, daß ein K a n a l­

strah l, dem seine geladenen B estan d teile durch ein stark es M agnetfeld entzogen sind, sich durch die W echselw irkung m it den M olekülen des G ases au f dem w eiteren W ege w ieder bis zum gleichen B e ­ trage auf läd t. D ie sekundäre E lektron en strahlun g der K an alstrah len w ird vo n Fü c h t b a u e r a u f­

gefunden. D ie E n ergie der K a n a lstrah le n w ird m it H ilfe einer T herm osäule der M essung zugänglich gem acht und diese neue U ntersuchungsm ethode alsb ald zur q uan titativen E rforsch u n g der Z u ­ sam m ensetzung eines m agnetisch abgelenkten Strahlenbündels aus seinen verschiedenen Ionen­

arten verw ertet. Im Ja h re 1 9 1 1 folgt dann eine w ichtige experim entelle A rb eit über die q u an ti­

ta tiv e B estim m ung der m ittleren freien W eglängen der U m ladungen der K an alstrah len . D ie in dieser A rb e it von Wi e n entw ickelte Theorie und M ethode ist in ganz ähnlicher F o rm wieder in neuerer Z eit bei der U ntersuchung der analogen V orgänge bei den « -Strah len benutzt worden. N eben diesen A rbeiten zogen in der ersten W ürzburger Z e it die Rö n tgen strah len Wi e n s In teresse in besonderem

M aße a u f sich. W ir gehen d arau f w eiter unten ein. D ie E n td ecku n g des D opplereffektes bei den K an alstrah len durch St a r k gab neue U n ter­

suchungsm ethoden an die H and und lenkte Wi e n s

A u fm erk sam keit au f die Problem e der L ic h t­

emission. Inzw ischen h atte sich ein größerer Schüler­

kreis um ihn gesam m elt, das Studium des D opp ler­

effektes stand im M ittelpu nkt des Interesses. D ie V orgänge der Lich tan regu n g durch K an alstrah len w urden durch Wi l s a r geklärt. D ie E rm ittelu n g der M asse und L ad u n g der L in ien träger bildete das Ziel m ehrerer A rbeiten vo n Wi e n s Schülern.

Die F rag e, ob die Serienem ission des W asserstoffes den neutralen oder p ositiv geladenen W asserstoff­

atom en zugehört, w urde dam als besonders eifrig d isku tiert. D ie Theorie konnte noch keine A n ­ h altspu nkte zu der Entsch eid u ng dieser F rag en geben. V ersuche m it den K an alstrah len zeigten zwar, daß die Serienem ission im ablenkbaren T eil des W asserstoffk an alstrah les v ie l schw ächer w ar als im unabgelenkten, doch ließ sich ein eindeutiger Schluß nicht ziehen, w eil U m ladungen und N eu ­ anregungen nich t verm ieden w erden konnten.

T rotzdem h a t Wi e n im m er die A n sich t vertreten, daß der T rä g er der B alm erserie das neutrale A tom ist oder aber der N eu tralisieru ngsvorgang m it der Em ission dieser Serie verbunden ist. E r s t die große Pu m pgeschw indigkeit der m odernen Pum pen h at es Wi e n im Ja h re 19 22 erm öglicht, eine ein­

w andfreie M ethode zur U nterscheidung zwischen geladenen und ungeladenen L in ien trägern im K a n a lstrah l auszubilden, als die Theorie in vielen Fällen ihr U rteil bereits gesprochen hatte. D ie K an alstrah len treten in ein hohes V ak uu m leuch­

tend ein und passieren ein tran sversales elektrisches F eld . M it einem spaltlosen Spektrograph en e r­

scheint das B ild des Strah les im L ich te einer S p ek ­ trallinie, die einen neutralen T rä g er h at (Bogen­

linie), unabgelenkt, im L ich te einer Linie, die einem geladenen T rä g er zugehört (Funkenlinie), jedoch zur Seite abgelen kt. D iese M eister arbeit, die Wi e n au f der H öhe seiner experim entellen K u n st zeigt, hat, wie uns scheint, nich t die genü­

gende B each tu n g gefunden. D ie k lare F ra g e ­ stellung, die rein experim entelle, von jeder theo­

retischen Speku lation freie M ethode ist besonders c h arak teristisch fü r Wi e n s D enk- und A rb eits­

weise, die sich besonders in seinem späteren A lter im m er m ehr in dieser R ich tu n g entw ickelt h at.

V ielleich t die schönste, experim entell und theo­

retisch gleich bedeutende U ntersuchung h at Wi e n

kurz vo r dem K riege verö ffen tlich t im Anschluß an die E n td ecku n g der elektrischen A u fsp altu n g der Spektrallinien durch St a r k, die w eiter unten ge­

nauer zu besprechende elektrodynam ische A u fsp al­

tu n g der Spektrallinien bew egter A tom e, die er theo­

retisch vo rh ergesagt h atte. N u r „einem M eister der Theorie und des E x p e rim e n te s“ , w ie die stolze A u f­

sch rift a u f der ihm verliehenen E rn s t Abbe-M edaille lau tet, konnte diese E n td ecku n g gelingen. D er A u s­

bruch des W eltkrieges unterbrach au f m ehrere Ja h re die eifrige w issenschaftliche A rb e it und das ideale

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H eft 3 5 . ]

30. 8. 19 2 9 J v . La u e und Rü c h a r d t: Wi l l y Wi e n. 6 7 7

Zusam m enleben einer kleinen aus In - und A u s­

ländern zusam m engesetzten Schülergem einde im W ürzburger In stitu t. W ie n selbst h a t diese W ürzburger Z eit vo r dem K riege auch später für die glücklichste seines Lebens gehalten. N un galt es m it den wenigen K rä fte n den L ehrbetrieb a u f­

rechtzuerhalten und im übrigen nach M öglichkeit dem V aterland e zu dienen. W ie n litt unsäglich unter den Sorgen um die Z u k u n ft Deutschlands, und nur unerm üdliche A rb eit h at ihm über die schwere Zeit hinweggeholfen. D ie A rbeiten im In stitu t w urden au f den B ed a rf des H eeres ein­

gestellt; unter W ie n s L eitu n g w urden die v e r­

schiedensten F rag en der drahtlosen Telegraphie und Telephonie bearbeitet, und vo r allem die H er­

stellung und A nw endung der Elektronenröhren stud iert. E in e Reihe von P h ysikern wurde zeit­

weise von der technischen A bteilun g der F u n k e r­

truppen nach W ürzbu rg kom m andiert. Gleich nach Beendigung des K rieges benutzte W ie n die gesam m elten E rfah ru n gen auf dem Gebiete der H och vakuum tech nik fü r die L ösung neuer wissen­

schaftlicher Fragen . E r entw ickelte seine bekannte M etho3e zur M essung der „L e u c h td a u e r“ der A tom e durch die E rm ittelu n g der In ten sitäts­

abnahm e eines angeregten K an alstrah ls, der in ein hohes V ak u um eintrat. A u f diese U n ter­

suchungen, die in besonders einw andfreier W eise eine durch andere M ethoden der M essung nur schw er zugängliche, fü r den elem entaren L e u ch t­

vo rgan g m aßgebende Größe zu bestim m en ge­

statteten , h a t W ie n viel Mühe verw endet. Die Ü bersiedelung nach M ünchen im H erbst 1920, zu der er sich nich t leichten H erzens entschloß, u nter­

brach seine A rbeiten nur für kurze Zeit, trotz der außerordentlich gesteigerten Anforderungen durch L e h rtä tig k e it und V erw altu ng. Die U ntersuchung der L ym an serie in den K an alstrah len m it einem V akuum spektrographen und die M essung der A b- klingung der Linien dieser Serie, ausführliche B e ­ obachtungen über das A n- und A bklingen von Spektrallinien, die zur K ontrolle einer allgemeinen, m ehr phänom enologischen „T h eorie des Leuchtens der K an alstrah len “ dienten, die er in dieser Zeit entw ickelte, beschäftigen ihn. A uch die erwähnten Versuche über die L ad u n g der L in ien träger hat W ie n in M ünchen zu E n d e geführt. D ie neue E n t­

w icklung der theoretischen P h ysik , besonders die W ellenm echanik S c h r ö d in g e r s , h a t W ie n m it regem Interesse verfolgt, und noch in seinem letzten L eb en sjah r h at er m it Versuchen über die B eugu ng von K atho d en strah len an einem G itter begonnen. In A achen h atte W ie n als erster in eindeutiger W eise die corpusculare N atu r der K athod en strah len bewiesen, 30 Ja h re später sehen w ir ihn bem üht, die B eugun g dieser Strah len nach­

zuweisen. E in langer W eg erfolgreicher A rb eit liegt dazwischen. W ie n s letzte im wesentlichen abgeschlossene experim entelle A rb eit ist w ieder vo n klassischer K la rh e it in der Fragestellu n g und D urchführung. Sie ist nur in kurzen W orten in den B erichten der B ayerisch en A kadem ie der W issen­

schaften m itgeteilt worden. Wi e n zeigt in dieser A rbeit, daß die H elium linien, welche nu r im elektrischen Feld e entstehen, beim E in tritt der im Felde angeregten H elium atom e des K an alstrah ls in einen feldfreien R a u m keine m eßbare L e u ch t­

dauer m ehr besitzen. D as Vorhandensein eines elektrischen Feldes ist dem nach nicht nur fü r die Anregung, sondern auch für die Aussendung dieser Linien erforderlich. A u f den P la tten zeigten sich bei den langen E xpositionen noch einige schwache, im elektrischen Feld e aufgespaltene Linien, deren U rsprun g unbekannt w ar und die Wi e n w eiter zu untersuchen beabsichtigte.

W ir haben hier nur die wichtigsten e xp eri­

m entellen A rbeiten Wi e n s anführen können; sie sind vielfach von seinen Schülern m it verbesserten M ethoden und unter definierteren Bedingungen w eiter au sgebau t worden. Im H andbuch der R adiologie und im neuen H andbuch der E x p e ri­

m entalph ysik h at Wi e n seine und seiner Schüler U ntersuchungen auf dem G ebiete der K a n a lstrah ­ len im Zusam m enhang d argestellt. E s ist erstau n­

lich, zu wie m annigfachen F rag en des Atom ism us und der Lichtem ission Wi e n durch die Ausnutzung der E igen sch aften dieser Strah len einen Zugang gewonnen hat. E in zig die Frag en der K ern p h ysik blieben den En glän dern überlassen, und den A rbei­

ten As t o n s h a t Wi e n stets begeisterte A n erken­

nung gezollt. D ie w issenschaftlichen Problem e, die in Wi e n s In stitu t b earbeitet wurden, blieben indessen keineswegs au f sein Spezialgebiet be­

schränkt, sondern w aren außerordentlich viel­

seitig. Von seinen Schülern sind außer A rbeiten über die Turbulenz, solche über H alleffekt, Zeem aneffekt, Stark effek t, über elektrische Schwingungen, die m agnetische Suszeptibilität und die D ielektrizitätskonstante von Gasen, lichtelektrische L e itfäh igk eit von K ry sta llen , V e r­

breiterung von Spektrallinien durch D ru ck, A n ­ regung von Spektrallinien durch Elektronenstoß, R öntgenstrahlen und viele andere F rag en v e r­

öffentlicht worden. A llen unter ihm arbeitenden Schülern brachte er ein tiefes V erständ nis und Interesse entgegen und w ar jederzeit bereit, zu helfen und zu raten. W as sie an ihrem L eh rer v e r­

loren haben, ist unersetzlich, das A ndenken an den gütigen und großen Menschen w ird sie ihr ganzes Leben hindurch begleiten.

Wi e n s hydrodynam ische A rbeiten knüpfen fast alle an U ntersuchungen seines großen L eh rers

He l m h o l t z an und betreffen die L u ftb ew egu n g in Zyklonen oder die W ellen an der Grenze zweier gegeneinander ström enden Flü ssigk eits- oder G as­

schichten. E s sind das G edankengänge, welche, lange Z eit w enig beachtet, in der heutigen M eteorologie eine bedeutende R o lle spielen. Ü ber die T u rbulenzvorgän ge h a t Wi e n in seiner W ürzburger Z eit zwei D issertationen angeregt.

Von besonders großem, allgem einphysikalischem Interesse ist die U ntersuchung über die L o k alisie­

run g der E n ergie aus dem Ja h r 1892.

D er B e g riff „E n e rg ie “ w ar ursprünglich ganz

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6 7 8 v . La u e und Rü c h a r d t: Wi l l y Wi e n. r Die Natur- L Wissenschaften

unabhängig v o n der F r a g e nach ihrer L okalisier- barkeit. D ie Energie eines System s gravitierend er K ö rp er z. B . ist nach Ne w t o n sGesetz w o hlbekan n t, aber nicht au f verschiedene R au m bezirke au fteilbar.

Eb enso stand es bei den statischen elektrischen und m agnetischen Feldern, solange m an dort an F e rn k rä fte glaubte. Z w ar w ar ein R au m in tegral wohl bekannt, das der E n ergie gleich i s t ; aber dem Integranden irgendeine p hysikalische B ed eu tu ng zu geben, dazu la g d am als keine V eranlassu n g vor.

In der ältesten N ahew irkungstheorie hingegen, der D yn a m ik der deform ierbaren K ö rp er, h atte m an von jeh er jedes elastisch gespannte K ö rp erstü ck als Sitz elastischer E n ergie angesehen. N un h atten freilich die F A R A D A Y -M A X W E L L s c h e n Ideen die Fern w irk u n g aus der E lek tro d y n a m ik ausgem erzt, und Po y n t i n g h a t t e in konsequenter F o r t f ü h r u n g

der F e l d t h e o r ie den entscheidenden S c h r i t t getan, die E n ergie über den R a u m zu verteilen und den V ek to r der Energieström ung anzugeben, aus dessen D ivergenz m an die zeitliche V eränderung der En ergiedichte entnehm en k a n n ; es dient dazu genau dieselbe Beziehung, welche als K o n tin u i­

tätsgleich u ng zwischen der Ström u ng und der D ichte einer F lü ssigk e it besteht.

D er heutigen jüngeren P h ysikergen eration ist das so geläufig, daß sie kaum versteh t, w as das fü r eine U m w älzung w ar und welche Bedenken sich seinerzeit dagegen erhoben. D ie Bedenken betrafen einm al die m athem atische E in d eu tigk eit des PoYNTiNGSSchen V ektors (man kann einen V ek to r nicht durch seine D ivergenz allein definieren), sodann aber die F rag e, ob die V orstellung einer Energieström ung überh aupt p hysikalisch durch­

fü h rb ar sei. U nd da zeigte nun Wi e n, daß m an sie ebenfalls fü r die D y n a m ik der Continua vö llig ungezwungen durchführen könne. D urch einfache m athem atische O perationen an den G ru n d ­ gleichungen der H yd ro d yn am ik oder auch denen fü r die E la stiz itä t fester K ö rp er kom m t er zu B eziehun­

gen von der F o rm der K ontin uitätsgleich ung, nur daß darin nicht vo n der m ateriellen D ichte, sondern vo n der Energiedichte die R ed e ist. D er V ek to r der En ergieström u ng berechnet sich d abei aus den Spannungen und der G eschw indigkeit der K ö rp e r;

er ist auch durchaus anschaulich. Zum Beispiel ström t in einer rotierenden und tordierten W elle die Energie parallel zur D rehachse, in einem ge­

spannten und in seiner R ich tu n g bewegten Seil der B ew egung entgegen usw. W ir m öchten glauben, daß diese U ntersuchung zum schließlichen Siege der w ichtigen Lehre von der Energieström ung nicht unerheblich bei getragen hat.

In Wi e n s A rbeiten zur E lek tro d y n a m ik im engeren Sinne spiegelt s ic h d e u t lic h deren Z e it­

g e s c h ic h t e . M it t e der a c h t z ig e r Ja h re , als er seine w issenschaftliche L au fb ah n begann, käm pfte die

M A X W E L L S c h e Theorie um ihre A nerkennung.

A u s dieser Z eit stam m t eine U ntersuchung über die F rag e, ob sie die L ich td u rch lässigkeit der Me­

talle rich tig zu berechnen gestattet. Eigene V e r­

suche zeigten Wi e n, daß dem nicht so ist. A ber er

erb lick t darin durchaus zutreffend keine W ider­

legung ih r e r g e d a n k lic h e n Grundlagen, sondern nur die N otw endigkeit, sie in R ich tu n g a u f eine M ole­

kulartheorie zu ergänzen. S p äter, in dem J a h r ­ zehnt von 18 95 — 1905, d a sich die E lek tro d yn am ik

a llm ä h lic h von einer berühm ten L o R E N T Z s c h e n

A bh andlun g zur R e lativitä tsth eo rie durchrang, h at Wi e n m e h r fa c h in die E n tw ick lu n g einge­

griffen. I n einem V o rtra g au f der N atu rforsch er­

versam m lu n g 1898 stellte er die H E LM H O LT Z sch e

Idee eines in sich beweglichen, durch die Ma x w e l l-

schen Spannungen jedes W echselfeldes in S trö ­ m ung versetzten Ä th ers dem L o R E N T Z s c h e n G e­

danken des starren Ä th ers gegenüber und sichtete die einschlägigen E rfah ru n gstatsach en , sprach auch über w eitere m öglich scheinende Versuche.

Mehrfach« beschäftigten ihn die E rw eiterungen der

M A X W E L L s c h e n G leichungen, w ie sie einerseits

Lo r e n t z, andererseits E . Co h nfür bewegte K ö rp er vorgeschlagen h atte. E r untersuchte insbesondere die Feld erregu n g d u r c h eine bew egte L ic h t q u e ll e

und fragte nach dem Geschw indigkeitseinfluß auf die ausgestrah lte E n ergie. M it der T rägh eit des elektrom agnetischen Feld es und der M asse, welche jed er geladene K ö rp er dadurch erhält, besch äftigt sich eine U ntersuchung, bei der Wi e n die Zu rü ck­

fü h rb ark eit der M echanik au f die E lek tro d yn am ik disku tiert. Ü ber die R e lativitä tsth eo rie selbst h a t er nicht viel verö ffen tlich t. E in e B em erkun g in einem V o rtra g (,,P h y sik und E rken n tn isth eo rie“

19 18 ) läßt verm uten, daß ihm die U m stellung auf sie dieselbe Gewissenspein bereitet hat, wie vielen anderen P h ysikern , die sie m iterlebt haben. D aß er sie aber innerlich ve ra rb eite t und in ihrer B e ­ deu tung zu w ürdigen gew ußt hat, zeigt ein etw as späterer V o rtrag im V erw altungsgebäude der F irm a Siem ens & H alske (19 2 1), in welchem er seinen H örern in w eiser B esch ränku n g nicht diese Theorie lehren w ill — denn das ist in einem einzelnen V o r­

tra g unm öglich, — wohl aber, wie sie entstanden, welche Ziele sie v e rfo lgt und w elcher W ert ihr zukom m t. D aß Wi e n diesen ausdrücklich auf die natu rw issen schaftliche E rk en n tn is beschränkt, ist zw ar selbstverständlich , soll aber im H inblick au f m anche törichte Ü bertreibu ng anderer hier h ervor­

gehoben werden.

U nd doch gib t es unter Wi e n s A rbeiten zwei, welche m an bei der R e lativitä tsth eo rie nicht über­

sehen sollte. D ie eine en th ält den fü r Wi e n s

konkrete D enkw eise rech t kennzeichnenden V o r­

schlag zu einem (unausgeführt gebliebenen) Versuch, bei welchem der vo rrelativistisch e S tan d pu n kt einen E in fluß erster O rdnung1 der E rdbew egung au f einen m eßbaren optischen V o rgan g annehm en m ußte. Wi e n w ill die F iZ E A U s c h e Z ah n rad ­ m ethode zur M essung der Lichtgeschw ind igkeit dahin abändern, daß zwei gleiche Zahnräder in

1 Wi e n spricht von einem Einfluß zweiter Ord­

nung, weil bei Durchrechnung immer das Produkt aus der Erdgeschwindigkeit und der Drehgeschwindig­

keit der Welle auftritt. Aber die Erdgeschwindigkeit allein geht linear in die Gleichungen ein.

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v . La u e u n d Rü c h a r d t: Wi l l y Wi e n. 6 7 9

gleicher Stellung au f den E n d en einer langen W elle sitzen, und daß zwei L ich tstrah len in entgegen­

gesetzter R ich tu n g die W elle entlang laufen. Is t d as Ganze „in R u h e “ , so brauchen beide Strah len dieselbe Zeit zur D urch laufu ng dieser Strecke.

B e i derselben D rehgeschw indigkeit werden beide ausgelöscht, indem sie, wenn sie beim ersten Z ah n ­ ra d durch eine L ü ck e hindurchgelangt sind, beim zw eiten a u f einen Zahn stoßen. B ei „B e w e g u n g "

des Ganzen in R ich tu n g der W elle hingegen sind die D urchlaufungszeiten ungleich. E s muß m öglich sein, sofern sich die W elle als der sta rre K ö rp er der

N E W T O N S c h e n D yn am ik benim m t, bei bestim m ten D rehgeschw indigkeiten den einen S tra h l durch­

zulassen, den anderen auszulöschen. U nd eine solche D rehgeschw indigkeit gib t dann ein Maß fü r die E rd gesch w ind igkeit gegen den „ Ä t h e r " . D ie R e lativitä tsth eo rie leugnet diesen E ffe k t natü rlich ihrem G rundprinzip gemäß. A b e r sie entnim m t dem G edanken ein schönes B eisp iel für ihre D y n a ­ m ik, welche ja schon in der LoREN TZ-K ontraktion vo n einer Form än derun g als Fo lge der Bew egung spricht. D a m it der beschriebene E ffe k t nicht ein tritt, ist näm lich notw endig und hinreichend eine Torsion der W elle, die sich ohne ein Torsions­

m om ent rein als Fo lge der zusam m enw irkenden T ranslations- und D rehbew egung einstellt. G e­

legentlich (in Au e r b a c h sT aschenbuch fü r M athe­

m atik er und Ph ysiker) h a t Wi e n übrigens das P o stu la t des negativen A u sfalls dieses V ersuchs zusam m en m it dem M iC H E L S O N -V e r s u c h benutzt, um in einfacher W eise die LoREN Tz-Transform a- tion abzuleiten.

W ichtiger noch ist ein w irklich ausgefüh rter V ersuch Wi e n s. K an alstrah len durchlaufen ein M agnetfeld, und zw ar sen krecht zu den K r a ft ­ linien. D ie Spektrallinien, die sie aussenden, zeigen die A ufsp altung, welche J . St a r k bei ruhen­

den Teilchen im elektrischen Feld e entd eckt h at.

E in solches E rgebn is läß t zw ar schon die ältere

L o R E N T Z S c h e T h e o r ie , w ie a u c h m a n c h e a n d e r e

F assu n g der E lek tro d y n a m ik voraussehen, indem sie in den A n satz fü r die auf einen L ad u n gsträg er w irkende K r a ft neben der elektrischen F eld stärk e das V ek to rprod u k t aus Geschw indigkeit und m agnetischer Feld stärk e aufnim m t. A ber in der R e lativitä tsth eo rie is t ein solcher A n satz besonders inn ig m it dem Grundprinzip v e rk n ü p ft; beh auptet sie doch die „ R e la tiv itä t des elektrom agnetischen F e ld e s", derzufolge z. B ., w as im einen B ezu gs­

sy ste m ein rein m agnetisches F e ld ist, in anderen im allgem einen die Ü berlagerung eines m agneti­

schen und e in e s elektrischen Feld es d arstellt. B eim WiENSchen V ersuch zeigt sich ganz unm ittelbar die elektrische Kom ponente, welche das vo m E x p e ri­

m entator angelegte M agnetfeld in dem m it den K an alstrah lteilch en bew egten B ezu gssystem besitzt.

D och nun wollen w ir zu den F ällen übergehen, in denen Wi e n das größte G lü ck des Forschers zu T eil w urde, bahnbrechend zu w irken. Schon die D issertatio n dürfen w ir als solche T a t Wi e n s be­

zeichnen, wenngleich sie, wie bei einem P h y s ik ­

H eft 35. ] 30. 8. 1929J

studierenden der B erlin er U n iv ersitä t dam als selbstverständlich, durch He l m h o l t z und Ki r c h- h o f f beeinflußt w ar. L e tz te re r h atte anfangs der achtziger Ja h re in einer berühm ten A bh andlu n g die B erechnung der Lich tbeugun g, w ie sie Fr e s n e l

eingeführt und viele nach ihm benu tzt h atten, so w eit an die W ellenlehre des L ich tes m ath e­

m atisch angeschlossen, daß m an das V erh ältn is beider genau überblicken, insbesondere die zur B eugungstheorie notw endigen V ernachlässigungen vo llstän d ig angeben konnte. Diese V ernach lässi­

gungen schlossen B eu g u n g um große W inkel von der B erechnung a u s ; und das paßte ganz gut zu den d am als vorliegenden Beobachtungen, die sich auch nur au f die verh ältnism äß ig lich tstarken E r ­ scheinungen bei kleinen Beugungsw inkeln be­

zogen. Wi e n s D issertatio n h a t nun gerade die B eu gu n g um große W inkel zum G egenstand und führte d am it in ein vö llig unbekanntes L an d .

Wi e n konzentrierte das L ic h t der stärksten ve rfü g ­ baren Lich tqu ellen m ittels Linsen auf eine M etall­

schneide und entdeckte, indem er diese aus dem S ch atten heraus m it einem optischen In strum en t anvisierte, daß sie als schwache, feine Lich tlinie erscheint. E r untersuchte im einzelnen P o la ri­

sation und F ä rb u n g des B eugungslichtes, fand durch W echseln der Schneiden den M aterialeinfluß, alles Tatsachen, die der bestehenden B eu gu n gs­

theorie vö llig frem d w aren. Und es tu t Wi e n s V e r­

dienst keinen A bbruch, das zur gleichen Z eit in F ran k reich Go u y dieselben U ntersuchungen an ­ stellte, zum al seine Ergebn isse m it denen jenes gewiegten O ptikers durchaus in E in k la n g stehen — auch spätere E xp erim en tatoren haben sie in vollem U m fange b estätigt.

D iese Versuche stellten die Beugungstheorie vo r ganz neue, bis zum heutigen T a g nicht vo ll gelöste A ufgaben. Z w ar gib t So m m e r f e l d s allzeit k lassi­

sche U ntersuchung der B eu gu ng an der K a n te viele Züge der B eobach tu ng w ieder; da sie aber ein un­

endlich gu t leitendes M aterial vorau ssetzt, v e r ­ zichtet sie au f B erechnung des M aterialeinflusses.

Ep s t e i n s Theorie der B eu gu ng am parabolischen Zylin d er fü h rt in dieser B eziehung w eiter, doch ist die schwierige D iskussion ihrer G leichungen nur fü r wenige F ä lle durchgeführt. H ier b leibt noch E r ­ hebliches zu tun übrig.

In dem S tre it um die N a tu r der R ön tgen strahlen stan d W i e n vo n vornherein a u f seiten der W ellen­

theorie . Verschiedentlich h a t er gesucht, W i e c h e r t s

V orstellu ng, derzufolge der nach der M A X W E L L s c h e n

Theorie bei B rem su n g eines K athod en strah lteilchens entstehende elektrom agnetische Im p uls das E lem ent dieser Strah len bildet, m ath em atisch auszuarbeiten, um zu einer Sch ätzu ng der Im pulsbreite zu gelan­

gen, die ja m it der W ellenlänge im wesentlichen äq u ivalen t ist. D iese A rbeiten sind überholt; nur eine zukünftige Q uantentheorie verm ag den heute unbestrittenen W ah rh eitsw ert der W i E C H E R T s c h e n

H ypothese in Form eln um zusetzen. Im m erhin haben sie ihn und in d irekt einige Schüler W i e n s

zu M essungen über den E nergieum satz bei der

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6 8 o v . La u e u n d Rü c h a r d t: Wi l l y Wi e n. r Die N atur- [wissenschaften

E rzeu gu ng der R öntgenstrahlen veran laß t, die auch heute noch B ed eu tu n g haben. A b er die erste experim entelle B estim m u ng der W ellenlänge nach quantentheoretischem G esichtspu nkt verd anken w ir Wi e n.

D ie exak testen W ellenlängenm essungen b e­

ruhen in allen Spektralbereichen au f In terferen z­

erscheinungen, besonders au f den durch G itter hervorgerufenen Vielfachinterferenzen. A b er es gab stets und gib t noch heute Teile des Spektrum s, fü r die m an keine anw endbare G itterm ethode k e n n t;

m an denke etw a an die G am m astrah len v o n i o -10 cm oder noch geringerer W ellenlänge. In solchen F ällen h ilft seit 19 05 Ei n s t e i n s /^ -B e­

ziehung au s; m an m ißt die M axim alenergie der E lek tron en , welche die fragliche Strah lu n g lich t­

elektrisch frei m acht, und bestim m t daraus die Schw ingungszahl v. D ies heute oft und in vielen V ariatio n en angew andte V erfah ren h a t zuerst, sehr bald nach Ei n s t e i n s einschlägiger V erö ffen t­

lichung, W . Wi e n angew andt, und zw ar au f die R ön tgen strahlen (1907). E r fan d die W ellenlänge zu 6,7 • i o -9 cm, einen in A n b etrach t der N eu heit des V erfahren s ganz ausgezeichneten W ert. So m m e r­ f e l d s Sch ätzung aus d en B eugungsversuchen vo n H a g aund Wi n dh atte a u f rund das D oppelte geführt.

D ie größte, fü r alle Zeiten klassische L eistun g

Wi e n s liegt aber bei der T h erm od yn am ik der Strah lun g. W ie fand er sie um 1890 vo r? Seit 40 Ja h re n besaß m an Ki r c h h o f f s Gesetz vo n der G leichheit vo n Em issions- und A bsorption s­

verm ögen und m achte von ihm reichlichen, sogar übertriebenen G ebrauch. (E rst die R ö n tgen strah l­

spektroskopie m it ihrem fundam entalen U n ter­

schied zwischen E m issions- und A bsorption s­

spektrum h a t die A u fm erk sam keit wieder d arau f gelenkt, daß das A bsorptionsverm ögen, wie es im

K iR C H H O F F Sch e n Gesetz a u ftritt, g le ic h e Tem pe­

ra tu r bei S trah lu n g und K ö rp er voraussetzt.) M it der universellen H ohlraum strahlung, deren E x iste n z

Ki r c h h o f f bewiesen hatte, beschäftigte m an sich nicht allzu viel; es gab d a wohl nur die kleine A b ­

h a n d lu n g Bo l t z m a n n s über den Z u s a m m e n h a n g

zwischen ihrer G esam tenergie und der Tem p eratu r (T 4-Gesetz), die freilich, um m it H . A . Lo r e n t z

zu reden, eine Perle der theoretischen P h y sik d a r­

stellte. W elche B ed eu tu n g ih r einm al fü r die G e­

sam tp h ysik zukom m en werde, ahnte n iem an d ; teils dies, teils daß m an sie nicht herzustellen verstan d , sich im Gegenteil bei jed er M essung m it den schw er abzuschätzenden A bw eichungen der wirklichen Strahlungsquellen vom schwarzen K ö rp er plagen m ußte, gaben die Gründe fü r das geringe Interesse ab. Im m erhin lag die A ufgabe k lar vo r A ugen, au f deren L ösu n g es an kam : Die E nergie als F u n k tion des spektralen Ortes und der Tem p eratu r des H ohlraum s zu bestim m en.

H ier nun sah Wi e n m it genialem B lic k ein theo­

retisches M ittel in der Benutzung des D o p p L E R S c h e n

Prinzips. D ie adiabatisch e Kom pression der H oh l­

raum strahlung, ausgefüh rt m ittels eines vo llko m ­ m enen Spiegels, verän d ert, d a dieser sich bewegen muß, bei jedem ihn treffenden S trah l die Schw in­

gungszahl und fü h rt so dessen E nergie, abgesehen davon, daß er sie auch noch durch die A rb e it gegen den Strah lu n gsd ru ck vergröß ert, in einen etw as an­

deren Spektralbereich über. F reilich h ätte m an sa ­ gen können: D abei entsteh t ein Strah lu ngszustan d , der nicht dem therm odynam ischen G leichgew icht entspricht, also n icht KiRCHHOFFsche H oh lraum ­ strah lu n g ist. A b er liier fü h rt der zweite geniale Gedanke Wi e n s z u dem S a tz : A d iabatisch e V o lu ­ m enänderung fü h rt H oh lraum strah lung wieder in H ohlraum strahlung, natü rlich von anderer Tem pe­

ra tu r, über, und zw ar deshalb, w eil die m it der V o ­ lum enänderung verk n ü p fte A rb e it nach Ma x w e l l

nur von der gesam ten E n ergie der Strah lung, nicht aber vo n deren spektralen V erteilung abh än gt. A n ­ derenfalls näm lich könnte m an nach einer ersten Volum enänderung den entstandenen, nach A n ­ nahm e instabilen Strah lungszustand au f irreversib ­ lem W ege ohne E nergieänd eru ng in richtige H ohl­

rau m strah lu n g überführen, sodann die Volum en­

änderung rü ck gän gig m achen, w obei die zunächst aufgew andte A rb e it zurückgew onnen w ird, und dann nochm als bei konstanter E nergie irreversibel den G leichgew ichtszustand herbeiführen. D as w äre ein K reisprozeß ohne jede bleibende Ä nderung aber m it zwei irreversiblen Gliedern — eine therm o­

dynam ische U nm öglichkeit. So konnte W7i e n die Spektralverteilu n g der H oh lraum strah lung bei der einen T em p eratu r zurückführen au f die bei irgendeiner anderen. D as ist der In h a lt des Wti e n-

schen Verschiebungsgesetzes, welches w ir heute am liebsten in der F o rm

U v = vZf[i)

schreiben (uv E nergied ich te für den S p e k tra l­

bereich dv, v Schw ingungszahl, T absolute Tem pe­

ratu r, / eine w illkü rlich bleibende Fu nktion).

Daneben aber, auch das d arf m an nie vergessen, en th ält die zweite der beiden einschlägigen A rbeiten zuerst die klare Ü bertragu n g des E ntropiebegriffes, den Cl a u s i u s fü r den K ö rp er eingeführt hatte, au f die Strah lung. A uch das w ar ein folgenschwerer Sch ritt, dessen K ü h n h eit m an d araus entnehmen kann, daß ein He l m h o l t z — sofern w ir m ündliche B em erkungen Wi e n s und eine Stelle in seinen nachgelassenen Lebenserinnerungen rich tig v e r­

standen haben — gegen ihn zunächst erhebliche Bed enken geäußert und ein Lo r d Ke l v i n sich nie m it ihm befreundet h at. A ber er w ar ganz u nverm eidbar, sollte der E n trop iesatz w irklich un­

eingeschränkte physikalische B ed eu tu n g erhalten.

D as Verschiebungsgesetz leistet, m athem atisch gesprochen, die Zurückfüh rung einer Funktion u v von zwei unabhängigen V eränderlichen v und T a u f die F u n k tion f{ij^ einer V er ander liehen. Ohne w eiteres konnte m an von dieser aussagen, daß sie fü r große, wie fü r kleine W erte ihres A rgum ents verschw indend klein sein muß, und daß sie nur ein M axim u m besitzt. D am it aber verban d das V erschiebungsgesetz zum erstenm al die bekannten Tatsach en, daß die K ö rp er erst von einer bestim m ­ ten Tem p eratu r (etwa 530 0 C) an sich tb ar strahlen,

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H eft 3 5 . ] T h i e l : Ein neues Zeugnis für die Ü A R W i N S c h e Senkungstheorie der Korallenriffe.

30 . 8. 1 9 2 9 1

daß ihre Strah lu n g dann zunächst ro t gefärb t ist und erst m it w eiter w achsender T em p eratu r gelb und fü r die höchsten au f E rd en erreich baren’ T em ­ p eraturen einigerm aßen weiß wird, m it einer w ohl­

begründeten Theorie. D ie L age des M axim um s w ar fü r irdische T em peraturen leidlich bekannt, seine Festlegu n g im Spektru m der H im m elskörper er­

m öglichte folglich A bschätzu ngen über deren T em p eratur. U nd — das w ar wohl das W ichtigste

— das Verschiebungsgesetz bildete die letzte V o r­

stufe zur Q uantentheorie; denn als P la n c k sein S trahlungsgesetz au fstellte und dessen th eo­

retische D eu tun g m ittels des Energieelem entes gab, nötigte es ihn, dies zur Schw ingungszahl proportio­

nal zu setzen und als P ro po rtio n alitätsfakto r jene K o n stan te h einzuführen, die seitdem fa st die ganze physikalische E n tw ick lu n g beherrscht. Sow eit die M ittel der dam aligen P h y sik überhaupt reichten, h at W ie n die Strahlungstheorie m it seinem V e r­

schiebungsgesetz gefördert. W esentlich w eiter zu gelangen und durch E rm ittelu n g der F u n k tion / das ganze Problem zu lösen, w ar ihm freilich nicht vergönnt. Sein A nsatz dazu, das „W iEN sche Strah lungsgesetz“ , das auch heute m anchm al noch als gute und bequem e N äherung verw an d t

wird, w ar m ehr durch w issenschaftliche A hnung als durch stichhaltige B egrü nd ung entstanden.

Von gleicher W ich tigkeit in der A usw irku ng wie das Verschiebungsgesetz w ar aber die V e rw irk ­ lichung des schwarzen K ö rp ers, die Wi e n gem ein­

sam m it Lu m m er wenige Ja h re sp äter verö ffen t­

lichte. D er G edanke ist hier so einfach, daß m an unw illkürlich an das E i des Columbus denken muß In der T a t, stellt sich die G leichgew ichtsstrahlung in jedem gleichtem perierten H ohlraum ein, so sehe m an hinein, um sie w ahrzunehm en! D aß die erforderliche Ö ffnung das Gleichgew icht ein w enig stört, ist selb stverstän d lich ; aber die S tö ­ run g läß t sich in ihrer W irkun g leicht abschätzen, nam entlich für den kugelförm igen H ohlraum , den Wi e n und Lu m m er zunächst herstellten, und dam it unter das fü r die M essung erforderliche Maß her­

unterdrücken. E r s t diese N euerung h a t die genauen Strahlungsm essungen der d arau f folgenden Ja h re erm öglicht, aus denen Pl a n c k sein S trah lu n gs­

gesetz zuerst, vo r jed er theoretischen B egründung, ablas. E s bleibt Wi l l y Wie n s unsterblicher Ruhm , bis unm ittelbar an die Pforten der Q uantenphy­

sik gefü hrt zu h aben ; schon der nächste Sch ritt, den Pl a n c k vollzog, führte durch diese hindurch.

E in neues Z eu gn is für die D arw insche Senkungstheorie der Korallenriffe.

V on Ma x Eg o n Th i e l, H am burg.

S eit Se m p e r zum ersten M ale Ein w änd e gegen die bis dahin fa st allgem ein anerkannte Da r w i n-

sche Senkungstheorie der K o rallen riffe (vgl. S. 682 und 683) gem acht h at, ist die F rag e der E n t ­ stehung der B arrierriffe und A tolle in dauerndem Flu ß geblieben. Neue Theorien, wie die von

Wh a r t o n, Ag a s s i z, Mu r r a y, Wo o d Jo n e s, Da l y, Mo l e n g r a a f fund A . Kr a e m e r, wurden a u f­

gestellt und erw arben sich eine m ehr oder weniger große A nhängerschaft. A ndererseits stan ­ den m ächtige V erteid iger der alten D A R W iN s c h e n

Theorie au f wie R . La n g e n b e c k und in letzter Z eit vo r allem W . M. Da v i s (4). Sie fanden eben­

falls ihre A nhängerschaft. V iele A utoren aber v e r­

hielten sich unentschieden und vertraten die A nsicht, daß je nach O rt und U m ständen eine verschiedene E rk läru n g fü r die E ntsteh u ng der K oralleninseln angenom m en werden müsse.

In letzter Zeit bem ühte m an sich vo r allem , durch genaue Erforsch un g der Lebensw eise der Steinkorallen, ihrer Vorkom m ensbedingungen, ihres W achstum s usw ., sowie durch eine eingehende U ntersuchung der einzelnen Teile der R iffe und der von ihnen eingeschlossenen In seln die E n t­

stehung der B arrieren und A tolle zu verstehen.

H ier w aren es v o r allem W . M . Da v i s, Va u g h a n

und A . G . Ma y o r1 , die unsere K en n tn is sehr weitgehend gefördert haben.

Die Untersuchungen der Biologie der Stein ­ korallen führten nun zu dem Ergebnis, daß das W achstum derselben ziemlich schnell vo r sich geht

1 A. G . Ma y e r, der Direktor der Biologischen Sta­

tion auf den Tortugas (Florida), veränderte 19 18 die Schreibweise seines Namens in Ma y o r.

und daß jedes Ja h r eine sehr große K alkm asse in F o rm der gebildeten Skelettzuw üchse au f den R iffe n niedergeschlagen w ird. Ma y o r gibt in seiner S ch rift über die W achstum s V e r h ä ltn is s e

der sam oanischen K o rallen (7) sehr bem erkensw erte Zahlen über die Menge des in einem bestim m ten G ebiet so erzeugten und abgelagerten K a lk es an.

Sie beruhen au f einer sehr genauen K enntnis des W achstum s der einzelnen K orallen und der jä h r­

lichen Zunahm e der M asse ihres Skeletts sowie au f einer genauen B erücksichtigung der H äu figkeits­

verh ältnisse der einzelnen Form en.

F ü r ein bestim m tes R iffg eb iet Sam oas ergab sich so eine jäh rlich e Zunahm e an trockener K alk su b stan z von 764300 (engl.) Pfund ( = 346683 kg), die durch die häufigsten G attungen erzeugt werden. D a diese ungefähr 95 % der ge­

sam ten lebenden K orallen der untersuchten Fläch e ausm achen, so schätzte Ma y o r die gesam te, durch die Steinkorallen produzierte und abgelagerte Substanz auf rund 800000 (engl.) P fund ( = 3 6 3 0 4 1 kg) oder 2,8 Pfund au f das Q uadratyard (etwa 4/5 qm ), also etw a 3,5 Pfund ( = 1,6 kg) au f den Q uadrat­

m eter. U nter Zugrundelegung eines spezifischen Gewichtes für den K o rallen k alk von 1,8 berechnet

Ma y o r darnach, daß au f der ganzen Fläch e jä h r­

lich eine Schicht von 8 mm K o rallen kalk abgelagert wird.

Diese K alk m asse w ird durch die T ätigk eit der K orallenpolypen dem M eerw asser entzogen und in einem verhältnism äßig kleinen Gebiet und in verhältnism äßig kurzer Zeit zur A blagerung ge­

brach t. E s muß daher in diesem Gebiet ein ständig w achsender D ruck au f das unterliegende Gestein

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