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Die Zukunft, 11. Juli, Bd. 44.

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Berlin, den H. Juli 1903.

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Wölligvollendet,wieeinstder graue,reisige Nestor, stirbtLeo derLeise still dahin. Jm LenzwarihmeineletzteFreude erblüht:ausAnglien, aus demInselreich,wodie Sendboten GregorsdesGroßendenspröden GermanensinnderrömischenKirchegewonnenhatten,kam einKönig,aus demLande LuthersinpomphaftemAufzugeinKaiser;undBeidebeugten VordemNachfolgerPetriinEhrfurchtdasHaupt.DerfirneGreisver- mochtediestolzeStundenochauszukosten,mitAugeundOhr ihreWonnen zUschlürfen.DreiNächtelang hatteersieherangewacht:nungehorchtendie NervendemWillensgebot;undwährendderDeutscheKaiserseufzendvom engenGemäuerderLandeskirchesprach,aus dessenSticklustersichinweitere Horizontesehne,warder, wie einheimkehrenderSohn, vomhoffenden,fürch- tendenBaterblick betastet,inzärtlicherAngst durchstöbert.Von einemschar- sen-iUUeunzigWinternnichtermüdeten Blick.DerPapst fanddenKaisersrüh geactettz»zwischenseinenBrauenistdieFurchetieferalsaufmeinerStirn und VimmißlagertumdenMund,denman mehrsieht, seitdieBartfpitzenauf- wärtsgezwungensind.«Undmitdenschmalen,runzligenFingernmaltederalte PriesterdenSchnurrbartdes deutschenKriegsherrnin dieLuft.Das Fußlissen warihmentglitten;derKaiser hatte sichrasch gebückt,umeszurechtzurücken, unddieHand,die denGriffdes Gastes hemmen wollte,dieentfleifchte, zitterndeHandmitdemschwerenFischerringund denlangen Nägeln,fromm andieLippengedrückt.,,Dabei rutfchteihmeinArmband weit übersHand- gelenk.Dasmußeineneue Modesein.« Nichtswar demGreifenaugeent- gangen. DieferdenKurialsittengenauangepaßteBesuchundderUnmuth,

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denerimHerzenlutherischerEiferer anschürte,war dieletzteFreudedes Pontisex.Unter den dörrendenStrahlen derJunisonne versiechte ihm mählichderLebenssaft;unddurchdiebunte, üppigeSommerprachtder vati- kanischenGärtenklang sachtschondasDengelnderSense,dieJedenamTag seiner Reife mäht. Lange noch,überMenschenerwartunglange hieltLeosich aufrecht;undals einAufrechterwollte er, als die NonendesJulius nahten, dieSchwellederZeitlichkeitbeschreiten. Jndementlebten,crkaltendenLeib sachtederWille immer wieder einschlankesNothflämmchenan,beidessen FlackerscheinfürdieletzteReisedas Bündelgeschnürtwerdenkonnte ; ein des rechtenWeges bewußter«Wille,der dasViatikum,denSühnheller,nichtver- gaßundselbstnochbestimmte,welcheHautstellendasgeweihteOelnetzen solle.

Todesschauer schütteltendaswelkeStämmchen: doch gleicheinergrünen Gertebogessich,ohnezubrechen.DerDichterwolltesichselbstdasSterbe- liedsingen-.MitverröchelnderStimme hauchteerVerse,dieernochkorri- giren, noch gedrucktsehenwollte. »Das Taggestirn weicht sterbenddem Reich derAbendröthe.«DasTaggestirn: so hatteman ihn genannt,nannte ernun selbstsichimletztenGedicht. Qualisartifex ...Nocheinmalrasft ersichauf, steigt,inlächelndemTrotz,aus demBett, läßtsichvon denPfle- gern,denen,wievoreinemgrausig hohen Wunder,derAthem stockt,ans Fenster tragenundschauthinabundumfängtmiterlöschenderSehkraftdie urbs,dieCampagna,dasAlbanergebirge. Draußendämmert dieNacht;

um so hellerwirdsimHerzendessterbenden Papstes.Dort unten,aufdem PlatzvonSanktPeter,war einstderCirkus desCaligulaunddesClaudius.

Dortloderten, aufNerosWink,Menschenleiber, beseelteFackeln, himmel- an. Dorthatte,aneinemHochsommertagdesJahres 64, Petrusin Mar- tyrqualamKreuz gestöhnt.EinSektenheiliger:und derFels doch,aufden diePapstkirchegebautward. Wieder, nach achtzehnhundertundvierzigJah- ren,prangtheuteRomimHochsommerglanz:undPetri Schlüsselgewalt reichtüber dieWeltmeere,bis insdunkelsteAfrika,bis in dieErdmitte,und derSpruchdesBischofsvonRombindet undlöstinschwarzen,braunen, gelbenLeibern die Seelen. EinenglücklichScheidenden schleppendieAerzte insBett, befreit ihr MesservonletzterBrest..»Völligvollendetliegtder ruhendeGreis«;undanseinemlLagerwürdeGoethes Pallas Athene nicht fragen,werwohldenAltenbeklage.Eine Welt trauert umihn, der, trotzeinem Jüngling, ,,unendlicheSehnsucht erregt«;unddemthränendenAugedes Frommen ziehenLebensbilder vorüber,wie einSterblicher selten sie sah.

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Piusder Neuntelag aufdemParadebett. JnderPracht seinerCerc- moniengewänder;die Mitra aufdemHaupt,dasKissenaus Goldtuch ftützten,mitrothenHandschuhenundrothenPantoffeln,die derGläubigen Inbrunstzuküssendrängte. Geschäftigwaltete derKardinal Peccides KämmereramtesNiehatteman denAchtundsechzigjährigensounruhvoll, denoftalsmildGerühmtenso streng gesehen. Nach Antonellis, seines Feindes,TodwarervonPerugia nachRomberufenworden undhattedort stillfür sichgelebt.Erwolltenicht aufsallen. Schonwar ihmgeweisfagt worden,erwerdenach Pius aufdemStuhl Petri thronen.Erwarbereit, hattedieZeitderVerbannungnichtungenütztgelassenund bebtenun dochim Innersten,da dieEntscheidungnahte. Pius selbst,dessenstarkeHerrennatur sichgegenjedeErkenntnißkränkenderWahrheit sträubte,hatteinseinen letztenLebenstageneinsehen gelernt,wieviel,wieUngeheuresdemPapst- thumverloren undwienöthigeswar, derKirchenmachtneue, festere FUUdUmentezuschaffen.WarsolcheAufgabe nichtamEnde zuschwerfür einenhinfälligenGreis,dereinmal nur, alsNuntius inBrüssel,inein EckchendesWeltgetriebesgeblicktundsich stets mehralsGelehrtendenn AlsftreitbarenKirchenfürstengefühlthatte?Unddennoch:konntenichtge- radein demschwachenLeib desCarpinetersderHerrdasWunder wirken, daserdemrobustenSiegerbewußtseindes neunten Pius versagt hatte?Der

KämmckephllkktedesHerrn.RingsumwurdeeifrigandemGespinnstge- Ckbeitet-dasihn umgarnen, ihnvonderMehrheitimHeiligenKollegium Ubspckkmsollte«Erschiennichtszu merken und erwidertestichelndeAndeu- tUUgMMit demHinweisauf seinen nahenTod. DieHand,die des toten PapstesSchläfedreimal mit demsilbernenHammerberührte,zitterte nicht Undfest klangdieStimme,diefragte: »SchläfstDu, Johannes Mastai?«

DannabererlahmtedieNervenkraft.Joachim Pecciwurdevoneiner Un- kUhcergriffen,die nievorheranihm gesehenward. Erschliefwenig,tauchte, womanihn nichterwartete,plötzlichaufundhatteeinenhastigenBefehls- habektdthderfeinemWesen früherganzfremdgewesenwar. So auf- fälligwar dieVeränderung,daß,alservordemKatafalkinderSix-’

tiUischcUKapelle nachderTotenmessedieAbsolution ertheilte,derKar- danl OregliademKardinalGuibert zutuschelte: »Der rührtdie Werber- trommel!«..Das war am fünfzehntenFebruar 1878.Amnächsten Tagewurde Piuseingesargt;Tannenholz, Blei, Ulmenholz umfingen mitdreifacherHülledenruhenden Leib, sechsSiegel verschlossendenSarg, derFischerring,den der Lebendeso lange getragen hatte,wurdezerbrochen

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undjedes Stück,als einekostbareReliquie,einemWürdenträgeranvertraut.

Wiederversammelten sich,alsdieRedePro Pontifice Eligendover- klungenwar,dieKardinäle,wiederriefen siezumHerrnundflehten, ihren Sinnzuerleuchten;dannstand jeder, dessenNamegenanntwar,auf, schritt zum Altarhinundlegte seinen Stimmzettelin einenKelch. Acceptasne electionem de tecanonice factam in summum Pontiiieem? Knieend richteteeinDechantdie traditionalle FrageandenKardinalPecci.Erhatte desHerrngeharrt: erfolgtedemRufdesHerrn.Alsman ihn wegführte, sollereinerOhnmacht nah gewesensein. Doch eheerruhendurfte, mußte

.erden ganzenPompderHuldigungfeierhinnehmen.Die Diener kleideten ihninweißeGewänder. Diakonewarfenvorihm Kerzennieder, daßsieer- loschen,undriefen:Wiedieses Licht, so vergehederweltlicheRuhm! Auf HändeundFüße, aufdenSaum seinesKleidespreßtensichheißeLippen.

VonderHöheeinerLoggia herabbreiteteerdie Armeaus undsegnetedie Ewige Stadt, segnetediekatholischeChristenheit.Undalsbald wardver- kündet,derneue PapstwerdesichLeo denDreizehntennennen, umsichals einenVerehrerLeos desZwölftenzuzeigen,desstrengenHerrn,derwider Freimaurerund andereKetzergewüthet,imJubeljahr1824 eineBannbulle erlassenunddieJesuitenzuneuer Macht geführthatte.

Das gabeineUeberraschung.DerKardinal-Kämmercr hatte für einenmildenMann gegoltenundals ein liberalerPapst, hießes, würdeer dasWeihezeichendesTriregnum tragen. Zwar hatteerinheftigen Brieer anVictorEmanuel gegendieBesetzungdesKirchenstaates,gegendie Ve- lästigungderKongregationenundgegen dieEivilehe protestirt, Priester,die vomPapstdenVerzicht ausdieweltlicheMachtzufordern gewagt hatten, mit derSuspensionadivinis bestraftundRatazzi hatte ihneinen biszur Grausamkeit unbeugsamen Geist genannt. DochdasAlleswar unter der Herrschaftdesunerbittlichen Pius geschehen,in derersten Zeit leidenschaft- lichenWiderstandesgegendenUsurpator,undandereStimmen hattenge- sagt, dieserKardinal,dereinGelehrterundeinDichter sein wolle, werde, sobalderselbständighandeln dürfe,sichvondernatürlichenSanftmuthseines Wesens leitenlassen.Und nun, wieum jedeschüchternfteHoffnungzu enttäu- schen,bei derNamenswahl schondieErinnerungandenMann,derdieGefäng- nissederan uisitionwiedergeöffnethatte?Als Cruxdecruce hatte Piusder NeunteaufderKirche gelastetundabertausendunerfüllteWünschehatten auf Peccis WappenspruchLumen incoelo sehnendgeblickt.Sollte der Strahl dieses LichtesdiezartenKeimejungenHoffenswegsengen?...Die

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MeinungenbliebengetheiltunddasCharakterbilddesneuen Oberhirten war,vonderParteienHaßundGunst verwirrt, lange nichtklar zuer- kennen.Er wird unsmitSkorpionen peitschen,sagtendieEinen;dieAn- deren:Auf Petri Stuhl sitzteinJakobiner. JnbeidenLagern suchteman Trostim AnblickseinerGebrechlichkeitDaswar uichtPiug, dessenGestalt bis insGreisenalter straff gebliebenwarunddessenfleischigerHerrscherkopf

voninnererGluthgeleuchtethatte. Dieseslängliche,knochige,bleicheAsketen- hauptmit dendünnen,blutlosen Lippenwürdedie Tiara gewißnurkurze Zeit tragen; diesen dürren, fast diaphanenLeib würdensiebaldaufdas kvthcTotentuchbetten. Kaumhieltersichaufrecht.UndschonamTageder HUIDiAUUthals er,selbstweißundschlankwieeineWachskerze, schwankend dUkchdasSpalierderKerzenträgerschritt,wurdeinallen WinkelndesVa- tikansgeslüstert:Einsterbender Papst!SeineHeiligkeitwirdnichtlange unteruns wandeln. Ueber einKleines erlischtdiesesblasseLicht.

Nonvidebit annos Petri ...EinVierteljahrhundert ist seitdem VWUUAMZUndnochimmer hieltdernun Dreiundneunzigjährigeinent-

fleischthHändendenHirtenstab·Nochimmerschwebteer,wie einweißer Schatten,anhohenFeiertagenüber denstaunendenHäupternderGläubigen dahin.Nochimmerauchschlugermitunverminderter Kraftfür seineSachedie WerbertrommeLVoreinem Jahr noch ermahnteerineindringtichenWorten dikKetzcrheihin denwärmendenSchoßderkatholischenKircheheimzukehren.

Dennnur dalassesichgutsein. DaßVernunftUnsinnwird undeine mate- rialistischeWeltauffassungdasGlück derMenschheitnicht mehrt, sei längst dochoffenbar geworden.WashabedieFreiheit genützt,dieForschung,all dkkschöneWahn,derseitdenTagenderReformation durchdieHirnespuktP DieMoral ist zerrüttet,dieGrundmauern derStaaten wanken: so strafe, sprächederHerrdenAbfallvomwahrenGlauben. Leo derDreizehnte hat dieEmyklika,in dieerso hart rügende Sätze schrieb, seinTestamentge- nannt. Und derGreis,deranderSchwellederEwigkeitschwachenMenschen solchmScheidegrußsandte, hießseit elf JahrendermodernePapst.

Der Namegebührteihmundwirdihm, trotzdemTestament,bleiben.

AlsAntonelli gestorbenundderBlick desPontifex nichtmehr durchtrügende Schleier gehemmtwar,hatte Piusgeseuszt: »Mein Nachfolgerwirdvon vornanfangenundeine ganz anderePolitiktreibenmüssenalsichl« Das hatte auchLeo erkannt. ErfanddasPapstthumderweltlichenHerrschaft beraubt undwarzuklug,umsichderHoffnunghinzugeben,diesenVerlust könne dieZeit jewiederaus demBuchderGeschichtetilgen.Unddiefeinen

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NervendesErbenfühltennoch schlimmerenVerlust.DiehierarchischeZucht

warstrafferalsje; Pius hatte dafür gesorgt,daßderRiesenkörperderKirche demleisestenDruck desZügels gehorchte. Doch dieseKirchewar in dermo- dernen WelteinFremdling geworden;nichtdenKetzernnur,nein:auchvielen Gläubigen.Ueberallmühtesie sichinfruchtloserWillensanstrengung, Fals- lendeszustützen,warallesWerdendenFeindundnirgendsneuen Wün- schenerreichbar.EineehrwürdigeRaine,diesachtverwittert. Wohl galt nochimmer dasstolzeWort: stat crux, dum volvitur orbis. Stand aberauchdasPontifikatso festwie dasHeilandskreuz,konnteesohnein- nereWesenswandlungallen kommendenStürmen trotzen?Leohatsich oftalsVerehrerdesHeiligenThomasbekanntundgewißimArchivdes Klosters aufMonte Cassino,wodasscholastischeGeniedeserwachsenden Neapolitaners gebildet ward,einmaldieweisenWortegelesen,dieCremo- nini,Galileis Freund,schrieb:Mundus nunquam est; nascitur sem- peretmoritur. Niemals isteineWelt;injedem Augenblickwirdsieund stirbt.EingutesLeitwortfür Einen,derdieMenschenwelt ewig welkender, ewigerneuterJllusionen beherrschenwill.NichtanVergehendes darfersich klammern. Soaberhatte Pius gethan.Derwarzufrieden gewesen,wenn sein hitzigesTemperament sichinprachtvollenUnwettern ausgetobt hatte.

VonkeinemKompromiß,keinemPaktmitfeindlichenMächtenmochteer hören.SeinFluch,daran gabesfür ihnkeinenZweifel,drangindenHimmel undriefGottcs Strafgerichtander Sünderunreine Seelenherab.Wie Vielen hatteergeflucht,dieihrHauptnochaufrechttrugenundungebrochenenMuthes vorwärts schritten!Von einer anderenMethode hoffteLeoGewinnfürdieauf allen Seiten bedrüngtePapstkirche.KeinefleischlicheWallung schienüber denhagerenGreisMachtzuhaben;niesahman ihnzornig,nie kam aus seinemMunde einschrillerTon. ErnahmdasalteProgrammderchrist- lichenPlatonikerwiederaufundfolgtedenSpurendesDoctor Ansehens-.

WiedieKirchenvütersich bemühthatten,diePhilosophie,dieKulturschätze derHellenendemneuen Vedütfnißderjungen Christenheit anzupassen,wie ThomasvonAquinoeinengroßenTheil seiner Kraftan dieAufgabege- setzthatte,denaristotelischenGeistin dasBewußtseinderKatholiken hin- überzuretten,sowollte Leonun KircheundWelt,GlaubenundWissenver- söhnen. Allzu langewardieKircheeinHemmnißaufallenWegenderCi- vilifativngewesen;sie sollte künftig,gerade sie,derKultur denrechtenPfad weisen.Washalfen die Flüchegegen denneuen Geist?Manmuß sichmit ihm einrichten,ihm LuftundLichtgönnen und, währenddie Linke ihnstrei-

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chelt,mitderRechtenunter väterlichemZuspruch ihmdiedrohendeWaffe entwinden.DieMenschheit muß wiedererkennenlernen, daß auchdie WissMschaftchristlichenUrsprunges istunddaßkeine unüberbrückbareKluft denForschervom Gläubigentrennt. Daswar dasZieldesneuen Papstes, mußtedasZieleines Mannes sein,der denMusen nichtmindereifrigals feinemGott diente,Dante zärtlichliebte und diecieeronischenPerioden seiner Hirtenbriefeso sauber seilte,alslangeernachdemRuhmeines Literaten.

DerKirchenstaatwarverloren, seitamzwanzigstenSeptember1870 DieitalienischenTruppendurchdiePorta Piain Romeingedrungenwaren Und VictorEmanuel gesagt hatte:Cisiam0,ei resteremo. Nochwar die Wunde zUfrisch,die GewaltderTradition zugroß,alsdaßderNachfolger desUCUMMPiusdaran denkenkonnte,mit dem Minderer seiner Macht FriedenzUscheießenEr blieb der im VatikanGefangeneundprotestirte, wann diePflichtesgebot, pünktlichgegen den Raub. Dochin der Stille mag Leasichvft gesagt haben, daßdieserRaubein Glückfür dieKirchewar.

Jede WeltlichcHerrschaftwecktHaß;undeinleidender Papst ist stärkerals ein imPrunkeinesHofstaatesthroner.der.EineKirche,diewirklichern-le- siarum omnium mater etcaput sein will, brauchtkeineHausmacht Und WirddurchdieallzuengeVerbindungmit einembestimmtenLande in ihmPropagandaeher gehemmtalsgefördert.Jn einerZeit,woin den KanzleienallerGroßmächtedieVerträgesichzu kleinenGebirgen häufen, hatLeo keinBündnißgesucht; ihm ist zuzutrauen, daßerjedeBundes- genosseaschaftabgelehnt hätte, selbstwenn ihmalsPreisdieWiederher- stellungdesKirchenstaatesversprochenwordenwäre.WersichheuteEinem ganzhingikbbhatmorgenmindestenseinenFeind;undderPapstwillsich dieMöglichkeitfriedlicherVerständigungmitallen modernen Mächtenbe- wahren.AlsamzwölftenNovember 1890 derKardinal Lavigeriein Al- giekdasfkaUzöfischeGeschwaderin einemTrinksprnch begrüßte,in dem ge- sagtwar,derKatholikkönnesichmitjeder Staatsform absinden, hieltman dasanderZungeeinesKirchenfürstenrevolutionärklingendeWort fürdas ZUfallIProdukteinerLaune.Mansolltebalderfahren, daßessehr ernstge- meint UndMehrwarals einBekenntnißpersönlichenGlaubens. Leohatte sichderMahnungerinnert,die TotenihreTotenbegrabenzulassen.Sein ZielWarUUkzuerreichen,wenn dieKatholiken unfruchtbaremGrollent- sagtenund aufhörten,sichalsGehilfenderReaktion verhaßtzumachen.

SchauVOVzwanzigJahrenschrieberandiespanischenBischöfe,dieBehaup- Umg-dieReligionseiandasProgrammeinerpolitischenPartei geknüpft,

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müssealsJrrlehre bekämpftwerden.DasdünktManchen wohlbanaleWeis- heit;wer abervergangener —-und nichteinmalallzu langevergangener

Tage gedenkt,wirdsichhüten,solchesUrtheilzufällen.Ueberall waren dieKatholikendieTrägeroderdochdieSchutztruppenderReaktion. Gegen dasSchisma,dieResormation,dieRevolut.on,denKulturkampfballten sie dieFaustundkonntendieEntwickelung dochnicht aufhalten. Rußlandwar demrömischenPriesterkönignicht zurückzugewinnen;inFrankreichzog kein neuer Royvon PapstesGnadenein ; und daspolitischeWerkLuthersund Bismarcks spottete ohnmächtigenZornes.EinZustand,der dieKatholiken zudumpferThatlosigkeitverdammte,durfte nichtdauern.LeoTolstoi,der-Hei- land müderArtisten,konnte denVölkernpredigen,hinter ihnenliegedasHeil, undsiezurUmkehrermahnen.EinPapst,derwirken,WeltundKirche versöh- nenwill, darf nichtdasDysangeliumverkündenlassen, jedervorwärts füh- rendeSchritt seieinVerbrechen,eine Sündewider denHeiligenGeist. Jn denKöpfen,selbstin denenoft,die derGlaubenoch nichtfloh,wachteinuraltes Mißtrauen; immerregtsich,wennvondenLebensrechtenderKirchegesprochen wird,an derenMauer die drei Worte universitas, antiquitas, unitas locken undschrecken,dieFurcht,dieTagederGregorundJnnozenzkönnten wiederkehrenunddielähmendeMachtderTheokratie,die GräuelderJn- quisition zurückbringen.DieseGespensterhatderEntschlußLeos des Drei- zehnten verscheucht.ErhatdieKatholikenzupolitischerArbeitgerufenund vonihnen verlangt, sichin dieZeitzuschicken,so schlimm sie ihnen auch scheine.ErhatdenBundgebrochen,derdieSchicksalevonThronund Altar aneinander kettensollte.Erhat offenundfeierlichFriedenmit der Demo- kratiegeschlossen,dieso langevonderKirche bekämpftwordenwar.

DerErfolg hat für ihn entschieden.Alseran Rampolla,der damals Nuntius inMadrid war, schrieb,dieBischöfesollten sichvon derkarlisti- schenAgitation fern halten,alserMonsignoreCzacki,denpariserNuntius, mit derMission betraute,zwischenderRepublikundderKurie einen modus vivendi zuschaffen,schütteltemancherKardinal dasHauptund wisperte,daslumen in coelohabe sichals einIrrlicht erwiesen. Längstaber warnun jeder Zweifel verstummt. Jn AsienundAfrika sinddie Quadern deshierarchischenGesüges festeralsje gefügtundinEuropa istdieMacht desPapstthumesüber alles Erwarten gewachsen;sogarmitRußland hat derkluge Politiker«aufPetri Stuhl sich verständigt. Im Karolinenstreit hatBismarck ihnzumSchiedsrichtererkürt undWilhelmderZweite hat seinenRath erbeten,als derVersuchgemacht wurde,denArbeiterschutzdurch

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internationaleGesetzezuregeln.SoGroßes, soUngeahnteswurdeerreicht, trotzdemderPapst offenerklärthatte,dieKirchewerdenichtunter allen Umständenmehrden altenDynastieneinenstützendenRückhaltbieten.

DenFriedenmit der DemokratiehattenMännerwieMontalembert undLacordairelängstempfohlenundmitlautererStimme alssie hatteLa- mennais gesprochen.ErschufdenBundzurVertheidigungderreligiösenFrei- heitundbemühtesich,vondem ebbendenStrom derkatholischenInbrunst zu denmodernenLebensmächteneinenWegzufinden.DieKirche,sowollte er,sollteimwerdendenBewußtseindesJahrhunderts festeGrundlagen suchen Undil)reDienersolltensichohneVorbehalt ausdenBodenderCharte stellen;

vorallenDingenabersolltedieKirchevomStaat,derStaat vonderKirche frei fein. JnallenZungen klangen seineParoles d’uncroyantüber die ErdehinundkündetendieSouverainetät derchristlichenVölker. Der Bann- strahl,denGregorderSechzehntegegen denunbotmäßigenPriester schleu- dernwollte, traf sein Ziel nicht;dieEncyklikaMirari vosistvergessenund Lamennaislebt in derGeschichtedesKatholizismusalseinerderstärksten WirkerdesneunzehntenJahrhundertsVorihm schonhatteSaint-Simon denPapstals RetteraussozialerNoth angerufen. JmNouveau Christia- VjsmestehendieSätze: »Das wahreChristenthummußauchfürdasirdische, nichtUUVfürdashimmlischeGlück derMenschen sorgen.-DemPapst ist dieAufgabegestellt,dieGesellschaftnachdensittlichenGrundsätzendesHei- lands zUOtganisiren.Esgenügt nicht,denGläubigendieGotteskindschast derArmenzupredigen;diestreitbare Kirche muß rücksichtlosalleMacht Und alleMittel anwenden,um schnelldiemoralischeund diephysischeLage

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derKlassezubessern,derdiegrößteMenschenzahlangehört.«Und einSchüler SåiUt-Simons,derjüdifcheBankierJsaac Pereire, wiederholtedenRuf besMeiftersalsderKardinalPecci zumPapst gewähltwar.»Wiekonnte«, riefek(La question religieuse), »dieKirchebisheute verkennen, daßdie Wandlungder Weltnichteinruchloses, antichristlichesWerkist,sondern VonderVokfkhungvollendetward,um dentiefstenGedanken desChristen- thumeginfeinemgöttlichenGlanzzuenthüllen?Nie wardvon derKirche dieErfüllungeinerschöneren,ihres Stifters würdigerenPflichtgefordert.Jst sie Nichtzur Mutter derWaisen,zurSchützerinder Unterdrücktenbestimmt?

SiehatdieSklavereider-Heidenzeitbeseitigtund dasJochderFeudalherren Sebkvchmtsie muß auchden modernen ArbeiterausdenBanden derHörig- keiterlösen.Nur diestarke OrganisationderkatholischenKirchesichertein spzialesWirkengroßenStils. Solche Wirksamkeitwirderst möglich,wenn

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über denGesetzgebern,denGelehrten,denFabrikanten Apostelstehen,Missio- nare, die bereitsind, ihrLeben demHeilderMenschheitzuopfern,unab- hängigeMänner,die denMuth haben,AllendieWahrheitzusagen.Und wowärensolcheMännerzufinden,wenn nichtimBereichderKirche?«

Wirwissennicht, welche dieserStimmen bisinsOhrLeos desDreizehnten drang. Dochwassieerfehnten, hatervorzubereitenversucht.Amfünfzehn- tenMai1891 ergingandieehrwürdigenBrüder imkatholischenGlauben d:eEncyklikaDe conditione opiiicum,diemit den Wortenbegann:Re- rum novarum Semel excitata eupicline..·DieNeuerungsucht,ander seineVorgängerfich geärgerthattemwar einFaktor geworden,mit dem der Papst rechnete.Biszudiesem Tag hattein RomnuralteMünzegegolten.

Oft ist seitdemdiesozialeAktionverhöhntworden,die damalssoge- räuschoollbegannunddie dannsoschnellwiederendete.Von denüberschwäng- lichenHoffnungen,diesichans Licht wagten,alsderPapstdenPilgerng derfranzösischenArbeiter imVatikan empfing,wardkeineerfüllt,konnte keineerfülltwerden.NurfrommeEinfalt verstng sichbis zu demWahn,der HeiligeVater vermögemiteinem Winkfeines ZauberftabesdieNöthezu lindern,unter derenwechselndenFormendieMenschheitseitJahrtaufenden ächzt.Dennoch solltendieSpötterihren Witz für bessereGelegenheit spa- ren. EswareinegroßeStunde,die in einemmit der Tiara geschmückten HauptdenEntschlußgebar, ,,insVolk zugehen«unddieDynaftien,den ganzenHeerbanndersichalleinlegitimdünkendenMächteihrem Schicksale überlassen.EinftwerdenspäteThomiftcnvielleichtdemaufhorchendenErdkreis künden,daßindieserStundedieRenaissancederkatholischenKirche begann.

DieKirchekannwarten;und klugePäpstewaren immergeduldig:

patiens quiaaeternus. DieStarrheitwar gewichenundin derGemein- schaftderGläubigenneuesLebenerwacht. Schon wagteman,vonReformen zureden,wurden die altenMauern untersuchtunddieHand,dieauf hohle Stellen wies, brauchte nicht mehrzuzittern.Werhattesichfrüherumdie SendschrcibendesrömischenBischofsgekümmert?Jetztwurdensievonallen Gebildeten gelesen,vonGelehrtenundPolitikern kritisirtundin derakatho- lischen Presse besprochen.Das Papstthum istwieder einegeistigeMacht gewordenundmählichlöfensichnun auchdieMärchenschleier,diedieseJn- stitutiondemAuge verhüllten.Niemand glaubt heute noch, daßallePäpste einorgiastischesSchlemmerleben führen;dieBorgia sind auchim Vati- kan ebenfo seltenwie dieHildebrand.AlsGutzkow feinen Rationaliften- roman gegen denrömischenZauberer schrieb,saherdenPapst nochals eine

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Gliedert man dagegen im vermeintlichen Jnteresse der Einheit der Wissenschaft den Menschen als Zellenhäufchen in die Reihe der Organismen und als winziges Atomhäufchen in den

durch hysterische Reden zu nützen glaubte, fiel, mußte fallen. Durch die Schuld der Liberalen, die nicht begreifen, daß man einen Fehler eingestehen kann, ohne sein

Das mag sein, wird man mir sagen; und doch können die Kriege erst dann aufhören, wenn alle oder die meisten Menschen die Theilnahme am Krieg.. Die Weigerung eines Einzelnen, er sei

feiner Neuheit willen predigt und mit Stentorstimme ruft: »Der Lebende hat Recht!« Der Lebende, dem ja meist eine bessereVergangenheit zum Glück im Wege steht. Man braucht nicht

«Newbutgh,Miramar, Der Gefangene von Sedan), während eine vierte (Der Sergeant von Bourg-la-Reine) lediglich als Gefäß meiner Ansichten über Krieg, Mord, Todesstrafe und

borgt, daß seine religiösenErinnerungen überall an semitischenUeberliefe- rungen orientirt sind, daß aus der durch diese moralischen und religiösen Vorstellungen

an sich mißtrauisch, daß sie nicht versucht, die bestehendenEinzelentwickelungen unter eine neue, höhere Ordnung zusammenzufassen,sondern, daß sie von jenen eine einzigehervorgreift

Jch hatte diese Göhre zuerst gar nicht beachtet, als sie plötzlich bei der guten Speisekamtner, die ich hielt, üppig zu wachsen anfing und eine Patientin mit der