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Die Zukunft, 24. Februar, Jahrg. XXV, Bd. 98, Nr 21.

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Herausgehen

Maximilian Larven.

Inhalt

Seite Wiekin-Weltstirbt .......................197 Os- WeseaderGeschleckzklickscceihvonGrete Meint-Hef- ......221 Eine mitsamt-. vonTeich Mühfam ................228

Unchdruck verboten.

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Erscheint jeden Sonnabend.

Preisvierteljährlich5Mart die einzelne Nun-see 50 A.

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Berlin.

Verlag der Zukunft.

Wilhelmstraßest.

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Einradikaler Sozialdemokrat kiirden sein-an- lienlospn U-Boot -Krieg gegen Englandl

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Vom Vertragsbruchder lnlernakionale zur Notwehrl

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mit einem Geleitwort von Julian Borchardt Preis 4,00 Mark

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Der sichsoffenzur radikalen sozialdemokratie bekennende Verfasser kommt aufstund einer eingehenden Analysederinneren undKolonial- politikEnglandszudemzwingendenSchlusse.das der schrankenlose U-Boot-I(rieg

»Die Notwendigkeit «von heute« ist.

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Berlin, den 24.Februar 1917.

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Wie eine Welt stirbt.

mfechsundzwanzigsten NovembertagdesJahres1778sitzt deralteKönigFritzvonPreußenaufderKathederseiner berliner Academie undrühmtdeninihr,manchmal ausihr leuch- tenden Männern europäischerWissenschastdasLebenswerk des sechsMonate zuvorgestorbenenRotarssohnes undJesuitenzögs lingsFrargoisMarie Aiouet,dersichBoltaire genannthat«

HerakiesundHomer-, OrpheusundSokrates, VergilundHoraz, Petrarka undTasso,Bossuet undBoileam aus buntemGedächt- nißsteinwirddie Säule errichtet,vonder dieGestaltdes Unsterb- lichen himmelanragensoll. »WieeinesKönigs Geschichtein die DarstellungderseinemVolk erwirktenWohlthat, somußdieGe- schichteeines SchriftstellerssichindieDarstellungseiner Werke beschränken.Wirwollen-deshalbnichtindasPrivatleben Bol- taires eindringen,derseinenNamen, seinen Ruhm,sein Glück selbst schufund,imGegensatz zuDenen,diedenAhnenAlles ver- danken,nursichDankschuldigwurde.«SeinTalent empfiehltden Jüngling,dessen ungemeineGeistesanlageschonimJesuiten- kollegiumLouis leGranci erkannt worden ist,derFraudeNupels monbe. Sieführt ihnindiebestepariser Gesellschaft ein,deren rascherlauschterTon ihmdasliterarischeWirkenerleichtert. Ein lateinisches SpottgebichtaufdenRegentemdann eineHeraus- forderungzumZweikampfbringt ihninsGefängniß,woerdie

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198 Die Zukunft.

»Henrjade« erbrütet.NachdemzweitenAufenthalt inderBastille gehter,dessen»Oedipus«und»Mariamne«schonaufgeführtsind, nachEngland,studirtunderläutertNewton undLocke undkehrt, nachdreiJahren, mitsprossendemRuhmindieHeimath zurück.

Dieahntnun, was erihrseinwerde. DieallerWissenichaftund Kunst inbrünstig zugewandteMarquise duEhäieletwird ihm Schülerin,Freundin,Gefährtin aufjedemPfade desGeistesund Herzens; mitihr lebterin enger Gemeinschaft, auchder Arbeit undzärtlichschonungloserKritik,dreiLustren lang aufihremLand- sitzEirehoder in Luneville (woSianislawLeszczynski,derSchwie- gervaterLudwigsdesMerzehnten, seitdemVerzichtaufPolens Krone haust)undläßt sichseltennur nach Paris undVersailles locken, obwohleralsMitglied derAkademie,als Kammerherr undHoshistoriograph LudwigsdesFünfzehntenanbeidenPrnnk- stätten umworben ist.DieMarquise lebtnoch,alser,beiKlebe, denPreußenkönigkennenlernt;nachihremTode,der ihnmitder WuchteinesSchicksalsschlagestrifft,kommternach Potstanu

»Der Bereich seinerKenntnissewar groß,ihnsprechenzuhören, war GenußundBelehrung, sein GeistraschzumErfassenund stets fertigzumSchlag, seine Phantasie aufvielen Gebietenthätig undglänzendzdieAnmuthseinerDarstellung hobdentrockensten GegenstandinSchönheit.MitsolchenGaben mußteerjedenGe- sellschaftkreis entzücken.Der Ausbruch des (Siebenjährigen) Kriegesweckte inihm-deannsch, indieSchweizüberzusiedelm JnGens,Lausanne,Ferney hatergelebt; Dramen,Aufsätzeüber PhilosophieundGeschichte,allegorischsmoralischeNomane ge- schrieben,aberauch Landwirthschaftgetrieben,wüsteErdefrucht- bargemachtundeineHandwerketkoloniegeschaffen.Woraus man sieht,daßeinguter KopfinjedemLebensbezirkEtwas leistenkann.

Voltaires UniversalgenieumfaßtalleKunstgattungen.Nachdem ex(iudetHenrjade)denWettkampfmitVergilaufgenommen und ihn,inmanchemTragoedientheil auch Nacine, vielleichtüber- troffen hatte,«wollteersichanAriosts Höhe messen:im Stil des ,RasendenRoiand«,doch ohneihmknechtischnachzuahmen,schuf

erdie,Puceiie«(JungfrauvonOrleans),inderihm,seiner glanz- vollheiterenPhantasiekraft,von derFabelbis zu denEpisoden AllesalsEigenthumzugehört.DerTragiket-,derGeschichtschreiber (Karlsvon Schweden,desJahrhunderts Ludwigsdes Mer-

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Wie eineWelt stirbt. 199

zehnten,desEssaiSur l’esj)ritetlesmoeurs desnatj0ns), »derdem höchstenGesetz,dieWahrheitzusagen, gehorchthat«,derPublizist undderRomandichter(dessenunsterblichercandide noch inVis- marcks Gespräch oftumging)erhältaus vollen Schalenkönig- lichesLob,dasdenGebet wie denEmpfängerehrt.FritzensRück- blickfindetinsiebenzehn Jahrhunderten nur Einen, Cicero,der wagen dürfte,mit derFülleseinerKenntnisse sichnebenVoltaire zustellen.»DissenGeistesleistungwarsogroß,wiesie sonsthöch- stenseinerganzenAkademie gelingt.AlleimSchlammdesMusen- bornes Nahrung suchendenInsekten habenihn zerstochenund diePriesterschafthatihnverfolgt,weilerDuldsamkeitpredigte, dieLastervielerPapste nicht hehlte,von dendurchFanatismus bewirkten MetzeleiendenVorhanghobundnichtigenTheologens zankverächtlich abthat. Vischöfezürnten ihm,weil ihre Hirten- briefein-denBuchläden-moderten,denenVoltaires Schriftenent- rissenwurden.Wie Brüder-, mahnter,sollendieMenschenein- ander lieben,in einem Leben,das mehrLeid alsFreude zu bringenpflegt,einander helfenund,stattmitFeuerundSchwert zukämpfen,demNächstenthun,was sieselbstvon ihm sicher- wünschen.ErhatdieUnschulddes(gerädertentoulouser Pro- testanten) JeanCalas erwiesen,denHinterbliebenen Entschädi- gung verschafftund denFreispruchdes Protestanten Sirven durchgesetzt (der seine indenRömerglaubenentlaufeneTochter ertränkthaben sollte).Allen iühlenden,Menschenleidmitfühlens denMenschen wirdsolches Handelnimmer dieGestaltVoltaires weihen.JnParis, wohinerausFerney gekommen war, umdie Neste seines Vermögenszureiten und dieAusführung seiner Tragoedie,Jrene«vorzubereiten,hatallzureichlicherKaffeesund OviumsGenußdasEnde seinesLebens beschleunigt.DiePariser fanden noch Zeit,demgroßenMann, dessenGenius denRuhm Frankreichs gemehrt halte, dankbare Verehrungzuzeigen.(Seine Stirn undsein Steinbild wurdennachdersechstenAufführungder ,:Jrene«mitLorber gekrönt.)Jhmaber,dem dasheidnischeHellas Attäre,das alteRom Ehrensäulenerrichtet hätteund demdie große Kaiserin Katharina, dieSchützerin aller·Wissenschaft,in istetHauptstadteinDenkmal setzenwollte,versagtedieGeistlich- teitdasVischen Erde,sein Gebeinzu decken. Mit Schmerz und,

Empörungvernahm esEuropa. DochdieerbärmlichenRäJFe

lö.

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«200 DieZukunft.

einerRachsuchi,dienochgegenLeichen wüthet,sinken, machtlos, indunklesBergessenz Neid und feigerBarbarenhaßvermögen nichtswider dasAndenken eines Großen.VonalldiesenAn- würfen bleibtkeinFleck aufdem Namen Voltaires. Deristun- sterblichund vonJahrhundert quahrhundertwächstseinNuhm.«

-

DieRede würde allein schonzu demBeweis genügen, daß derPreußeFriedrich,trotz manchemhäßlichenWesenszug,eine noble Seele war. Und daheutePöbelzungen, sogaraus dem -SchlundHochgeborener,dieehrfürchtigeErwähnungvonMensch- heitundWeitallaisSchwatzverschreien,datäglichvon einem HäufleinBesessener(diesichderKämpferfront ersparen)alleszur Entwürdigung deutschen Menschenwerthes Erdenlbare gethan wird, istsdoppelte PflichtunddoppelteFreude,solcheAussage insGedächtnißzurufen.DaßwirVoltaire nichtmehrso kritiklos, nicht mehr auf so einsamem Gipfel sehenwiedas Jahrhundert, demerPhosphoros,Bringer leuchtender Etkenntnißwar,istna- türlicheNothwendigkeitzSchmach aber, daßjederinProfessorai- pfompgemummte Knirps,deramHerdder Kultur-soderLiteratur- geschichteausAndererSchmäusen einRagoutmacht, demGroßen aufsGrabspucktoder harnt.(MögedasnächsteGeschlechtDeutsch- land vor demGiftalldieser Schullügenbewahrt,ihm auchge-

-sagt werden,daßderWundermann undWahlpreußeTreitschke einMeisterderSprache, oft einDichterschlechtestenStoffes,im- mer eingroßes Herz,nieeinFührerinnüchterne Klarheitund gerechtes Urtheil istund daßerfastalleihmNachstrebenden, leider auchden alternden Lamprecht, dessen junge Mannheit eine soschöne-Hoffnunggewesenwar,aufdürreWorthaide,invöllige Seelenblendung verleitet hat!DieZerstampfung, Zerstäubung svonzehntausendBänden deutscher Geschichteaus denBezirken derPolitik,Gesellschaftiehre,Literatur-: ein »Kriegsziel«,das ernste Patrioten wichtigerdünken wird als,zumBeispiel,»die NückgabeEghpstensan denrechtmäßigenBesitzer«,dieLeutevon rechtmäßiger GeschichtkenntnißmitschäumenderLippe fordern.) DerFeldherr Fritzsagt nicht, daßVoltaire HuldmitUndankvers

goltenkhabessondernfühlt nochalsGreis sichdadurch begnadet, deißfiTrseinLeben ein breiter Strahl vom LichtdesGenius fiel;

·..undausjedemWort dieseseinzigenPreußenkönigs,derdiestar- kenKöpfe seinerzeitzusichkommen«ließ,tönt diebesel;eideneGe-

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Wie eineWelt stirbt. 201 wißheit,da-ßVoltaires WelteroberungderMenschheitmehrschuf, gewann,bedeutet alseinemLande dieErkriegung einerProvinz.x Deutlich sehenwirlängstdieFlecke desGestirnes.DieTragoedien hatLessing,derals Kämpfer fürGeistesfreiheit dochausjeder WalstattmitVoltaires Waffen focht,ohne Liebeund ziemliche Achtung, nicht ohne heftigen Willen zuGerechtigkeit, zerzaust.Und ihre lustloseEnge,ihrenKrüppelwuchs hat,vonwürdigererhöhe undaus hellerem Auge, Vonaparte geschaut,daerauf Sankt-- Helenaüber den»Mohammed« sagte: »SchöneVersesinddrin.- AberwelcheSünde widerdenGeistderGeschichteiMohamrned alsLiebhaberlErhätteGewalt angewandt:und damitwärs abge-.

thangewesen.Vo«täre,demAnschwärzungLustwar,wollteinMo- hammed denChristus treffen.Ermeint,daßgroßeMännerkleine Mittel anwenden,mitGist wirthschaften; soistsabernicht.Mo- hammed kam in die Stunde allgemeinen Sehnens nach-einemein- zigenGdtt.Arabienwar damals wohlganzvomBürgerkriegdurch-- wühlt,der allein muthige Männer zu zeugen vermag. DerHel- denkamps beiVender hattedenFührerindenHeroenrang erhöht.

MenschbleibtMensch; inZündstoffaberkanneralsLuntewir- kenHeutekönnteMohammedinArabien kaumviel erreichen.Die ReligiondesChristus entsprangausdersokratischenSittenlehre ; sie hatdreiJahrhunderte gebraucht,um sichdurchzusetzen.Mo- hammeds eroberte inzehn Jahren diehalbeErde. Dem Orien- talen istJesuszufein,zuunwirklichundunwahrscheinlich;lei- nen Propheten siehterhandeln. Sowars auchbeimir.WeilAl- les derAnakchie satt war, fand ichdieGrundbedingungen des- Kaiserreiches fertigvor;wenn ich nicht gekommenwäre, hättees- vielleichtein Anderer gemachtunddenFranzosen dieWelter- obert.Menschbl.ithensch; ohnedieGunstderUmständeund- derOsfentlichen Meinung kannernichts. Wähnet Ihr, Luther- habedieNevolution gemacht?Nein: die war dasWerkder ge- gen diePäpste aufgebäumtenMeinung.«Kleine Mittel alsWerk- zeugvonMenschen,diederVetrachtergroßglaubensoll:daisteine.

VlößedesTragikersBoltaire.Der nannte selbstseinenMoham-«

medeinen großenTartuffe,dasEbenbild desJabobinerpriors und schrieb,erhabezeigen wollen, welches Unheilinschmachen, von Schuften gelentten Seelen dieWuthdesSektenglaubens wirke. Mummenschanzalso; derselbeFehlerwieder vonMon-

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202 DieZukunft.

tesquieu andemHistorikerBoltaire gerügte: nichtderGegen- standwirdmitreinen HändenergriffenundnichtumdieSache gehts,sondernderSchriftstellerthutwie einMönch,demderRuhm desOrdens dashöchsteZielist; »undVoltaire schreibtfür sein eigenes Kloster«. DochdieFackeldesLichtspendersunddasDenk- maldesSatirikers, derEandides Erzieher Pangloß,den unent- täuschbarenOptimisten,schuf,fraßkeinRost.Goethe,der in einem langenLeben überMenschenundDinge verschiedengeuttheilt hat,verglichihn einst «einerCanaille von einemGott,der über dasHohederWeltschriebe«.Mußnur dieses Urtheilundeins, das»GefälligkeitundFeinheit,Brillantes,Petillantes,Pikantes, Jngenioses«anerkennt,immer wiederholtwerden? »Männerwie Molieke,Voltaire,Diderot und Jhresgleichen habeninParis einesolcheMengevonGeistinsKurs gesetzt,wiesie aufkeinem zweitenFleckderErdezufinden ist.Voltaire war vornehmund wußte sich,bei allseinerFreiheitundVerwegenheit,stetsin den GrenzendesSchickiichenzuhalten.Wohl niehates einenPoeten gegeben,demsein Talent injedemAugeblicksozuDienstwar wie ihm. AuchByron,dergut wußte,woEtwas zuholenwar,hat ausdiesemLichtquellvielgeschöpft.Boltaire isteinHäuptling, indemsichdiepoetischen KräftederFranzosen vereinen; siewer- den niewiedereinTalent sehen,dasseinem gewachsen ist.Jetzt (1830) hatman keinenBegriffvon derBedeutung, die Voltaire und feineZeitgenosseninmeinerJugend hatten; siebeherrschten die ganze sittlicheWelt. Undmirgehenwunderliche Gedanken durchdenKopf,wenn ichsehe,daßmein(vonGcårardüberfetzter) Faustnun in einer Sprachegilt,inder vorfünfzig Jahren Vol- taire geherrschthat«Erhatte Geist, den,insolchem hohenFalle, diefranzösischeSprachedurchdasWortgenje ausdrückenwürde.« Dassind auch Sätze Goethes; undsie klingenanders alsdie von deutschenLiteraturschmöckengierig beschmatztenüber den aus Sehnsucht nach UnabhängigkeitabhängigGewordenen ; anders ais dieunfreun dlichhingeworfeneDarstellung vonWesenundRuf desGreises: »Schonhießerlaut einaltes.eigenwilligesKind;

feineunermüdet fortgesetztenBemühungenbetrachteteman als eitlesBestrebeneines abgelebtenAlters zgewisseGrundsätze,auf denen erseineganzeLebenszeit bestanden,derenAusbreitung er seineTage gewidmet,wollteman nicht mehrschätzenundehren;

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Wie eineWelt stirbt. 203

ja,seinenGott,durchdessenVekenntniszersichvonallematheistid schenWesen loszusagen fortfuhr,ließman ihm nicht mehrgeiten;

undsomußteer"selbst,derAltvaterundVatriarch,geradewiesein jüngsterMitbewerberaufdenAugenblickmerken,nachneuerGunst haschen, feinenFreundenzu vielGutes,seinenFeindenzu viel Uebles erzeigenund,unterdemSchein einesleidenschaftlichwahr- heitliebenden Strebens, unwahrundfalsch handeln.War esder Mühe werth,einsogroßes,thätigesLebengeführtzuhaben,wenn esabhängigerwerden sollte,alsesangefangen hatte?«

Friedrichhob sich überdieVöschungdesGrolles. Erhat denMathematiker Maupertuis, denPräsidentenderberliner Akademie, öffentlichgegenVoltaire inSchutzgenommen, die Ver- brennung derboshaftenAntwort,der»DiatribevomDr.Akakia«, dieVerhastungdesAutors, von dem erdieVeröffentlichung königlicherBriefgedichtefürchtete,befohlenundnichtnur einmal sichalsd«ieOrangeschale gesehen,die dervomSaft Erquickte auf denKehricht werfenwolle. DenOrden Pour le Måriteaber,das Hofpfründnerpatentund denKammerherrnschlüssel,dieVoltaire ihm wirklichhingeworfenhatte, schickteerdem vomDämon Ve- herrschtengnädig zurück; verziehihmden Vergleichmiteinem bösen Affenundanderes Schmähwortundbeugte sichehrerbietig nochvordemallzuSelbstbewußten,derandasVortalderKirche beiFerney schrieb, »sie seivon Voltaire derGottheiterbaut«

(Deoerexit Voltaire).Denn dieserMann hatte feinwirres Leben tapferan denKampffürdieFreiheit,fürdasRechtdesMen- schen gewagt; hatteden nothwendigenUmsturzdes morschen Staates, dieUmwerthungaller Scheinwerthefurchtlosvorbe- reitet unddieJugend gepriesen,die denAufstiegneuer Sonne aus blutigerLache sehen werde;war,als GünstlingvonKönigen undKaiserinnemalsGebieter überUrtheilundGeschmackeines « Erdtheiles,mitfeinemweitbegrenzten, vielfarbigenTalentJahr- zehntelangdieStimme gewesen,diefür Vernunft sprach,die HirneinsLicht ries,dergekränktenUnschuldHelferwarb und die Erniederungder Menschenwürdezusühnen trachtete.Ward der Krater,weil aus ihmSchlacke kam,zumJauchenpfuhl,ausdessen Schoßnie eineFlammezu wirken vermochte?HatVoltaire vor Ludwig und derPomvadour umGunst gedienert,nicht,um den mächtigstenHofdurchdenGeistwerdender Zeitzuverjüngenund

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so dergeliebtenNation zunützen?Bleibts ewigeSchande,daß der von denHäupternRußlands,Preußens,Schwedens,Däm- marks,voneinem Sternenchor kleinerFürstenUmworbenenicht

alsarmer Schächeran denHöfen schmarotzen,sondernselbst,als

PrinzvonGenieland,in fürstlicherReichthumsfülleprangenwoll- te?DerjüdischeSchieber Hirschelist ihminBerlineinehandliche Schöpfkelle.Maupertuis derBerhaßte,dersichvorihmanden ReizenderMatquise duChåteletsättigendurfte. Mensch bleibt Mensch; undimMann geiltdasMännchen. Ferneywird das KönigreichdesGeistes.Der Gottes oerächtereinKirchenbauer, fasteinKonservativer,dersichindenGlauben anVergeltungund Strafeeingewöhnt,gernaberaufderUeberzeugungsteht, daßdie Menschen auchinVernunft, nichtinTollheit nur, zuerziehen seien.Einaus klaremDenken entstandenes Chaos habenFeinde seinePhilosophiegescholten.DochselbstBrunetiåre,derihnaus kühlerFerneanblicktundihmdenDrangindieTiefebestreitet, hatgesagt:»Wievorundnach ihmkein Anderer hat Boltaire dasfranzösischeGenie verkörpert;unddessenbesondere,einem Epikurismusdes Denkens naheFormhatermitderdreieinigen Macht seinesGeistes,seinesSchriftstellerglückesundseinesGe- sellschafterfolges geweiht.Er hatdie Runde um alleGedanken seinerZeitgemachtund fastjeden auf seine Weisegeprägt;der Stempelwar manchmalplump, meistaberdiePrägungdeutlich undvon getstreich anmuthiger Linie.« Nochaus dem matten Lob desFrommentönt dasLicht,dasausdiesem Geist sttönte.

Matt blinkt das Silberbächletn solchenLobes unter den Feuergarben,dieKönigFritz,nochderalternde,ausprasseln ließ.

.NichtdemKammerherrn undHistoriographendesBielgeliebten (fünfzehntenLouis vonFrankreich),auch nichtdemBesitzervon

.zwanzig schweizerLandgütern,sonderndemDichterderHenriade undderPucelle.desBrutus undderMerooewünschtmeinZu- ruf skiedsameGesundheit.Jhr WerkschafftmirmehrGenuß.als JhreBosheitmirAergerbereiten konnte.Wären Siefehlerlos, die Welt müßteinNeid vorJhnenstehenund dieMenschheit sich allzu ties gedemüthigt fühlen.Dutzendmenschenertragen Jore Ueberlegenheitnur,weitsieinJhnen zwardenschönstenGeistaller Zeiten,inmit,zumBeispieLaber einensanfteren, ruhigeren,zum UmgangbequemerenMann sehen.Wollen SieSüßes? Jch

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Wie eineWelt stirbt. 205

brauchenurWahrheitzusprechen.MirsindSiedasschönsteGenie aller Jahrhunderte; ichbewundere Jhre BerseundliebeJhre Brosa,besonders die kleinenStückeJhrerBermischtenSchriften;

NievorJhnen gabessoanmuthigenTakt,sosichereFeinheitdes GeschmackesundsolchenZauberim Gespräch.WerSiekennt,ver- zeiht nochBeleidigung,weilsieaus vollendeter Graziedes Gei- steskommt. SiesinddasliebenswürdigsteGeschöpf,das ichje sah,undJeder muß,wenn Siewollen,vonJhnen entzücktsein.«

WieeinvomHirnaus sinnlicherregtesWeib girrtFriedrichvor demMann, dessen SchriftervonHenkershand verbrennen,den

ersammtderdickenNichte LuiseDenis inFrankfurt verhaften ließund der dieBruchstückeausdem»PrivatlebendesKönigs vonPreußenoderErinnerungendesHerrndeBoltaire«,mitar- gerBerdächtigung sritzischer Sexualsitten, schonimKastenhat.

DasschönsteGenieallerJahrhunderte :nichtnurden vonpersönli- cherW uthgeblendeten LessinghättedasWortempört-Nichtneben diegroßenDramatiker,vonAischylosundKalidasa biszu Shake- speareundMoliåre, nichteinmal indieNähederCorneille und Nacine durstederHurtige sichzustellenwagen, derdenweiter- sestesten StossderNömergeschichtedadurchstrafserzuschützen wähnte,daßerCaesarsMörder Brutus zugleichCaesars Bastard seinließ.WerdieMühenichtscheut,denJulierund den Brutus des Briten denen desParisers zuvergleichen, steigtvonHochgebirg ausdenmusflgen SchnürbodenalterSchauspielhäuser.Dahörter denKammerherrn keifen. Shakespeare(demBoltaire immerhin Beträchtlichesverdankt,dessenvon Letourneur übersetztenDra- men eraberdieBühneFrankreichssperrenmöchte)»istein trun- kenerWilder. JnseinemKopsmischtNiedrigesundAbs cheuliches sichmitGroßemundStarkem.8n Hamletsind erhabene,desedel- stenGenius würdigeZüge;dennochistseinbarbarischesStück, dasbeiunsundinJtaiiennichtderPöbelhinnähme.DerPrinz, danachseineGeliebtewird toll zermeint,eineNatte zutöten,mordet aberOpheliensBater undsiespringtinsWasser.AusdenBrettern wirdihr Grab geschauseltzdieTotengräberspielen mitSchädeln, machenplumpeSpäßeund derPrinzantwortetmitebenso widrig dummen Schwänken.Darfman einenDorsgaukler,dem nicht zwei saubeeeBerszeilen gelangen,nebenunsereKlassikerstellen?Was, lieberD’Aiembert,hättewohl LudwigderBierzehnte gesagt,wenn

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206 DieZukunft.

ihm,inderversaillerSpiegeigalerie, imGlanzdesaus Helden, großenMännernundschönenFrauengebildetenHof-staates,zu- gemuthetword-en wäre,vonCorneille,Racine,Molieke sichzu einemSeiltänzerzuwenden,dergute EinfällehatundGiimassen schneidet? AufdemTheater,vordemOhr vornehm sprechender Leutedarf auchdergemeineSoldat nichtredenwieinderWachts stube.« Ungefähr sosühltsFritzmndpudertmitderQuasteseines Lobes drum nochdasSkelett des»unvergleichlichGraziösen«, demHofbrauchstets überdie grobeWahrhaftigkeitder Naturging sunddessenPersonenniezeigen durften, daßihnen derSchnabel unhold gewachsen sei. »UmfriedetlebeJederseinem Glauben, doch dasserdemGesetzniemals dieHoheit rauben«; »Die Prie- sier sind nicht,was der blinde Haufe meint,nur unsereThorheit ist,wasihreWeisheit scheint«:solche Sentenzen, vondenen die Menschlichkeiteines Gedichtessich nicht nähren,nur abmagern undverrunzeln kann,wirkten inderZeitdesAberglaubens und herrsüchtigerVekehtungwuth;undüberschriennichtnurdie Mah- nung ernstenKunstgeistes,sondern auchdieStimme desGedächt- nisses,überdessen SchwellebeiTagundbeiNacht schlichterge- kleid eteWahrheitsucherundFreiheitkünder,BayleundSpinoza, von Sokrates bisaufLockegroßeundkleine,geschrittenwaren.

Trotzdemerso gern,FritzenzuhellerFreude, die Worte

,,EcrasezI’infåme«(cåcr.l’jnk.)unter seine Vrlefesetzte,waerltaite nicht gottlos;auch, trotzdemWitz,zurVernichtungdesnachder LegendevonZwölsengestisteten Christenthumes genüge Einer, nichtwiderchristlich.Jnsam schalt ernichtdenHeiland noch dessen Evangelium,sonderndieKirche,dasDogmengebäude,den Mei- nungzwinger ausderGrundmauer jedenGlaubens. Trotzdem er,um inderMassengunstnichtvonRousseauüberboten zu wet- deU,dienatürliche,von derNatur gewollte Gleichheitaller Men- schen behauptet hatte,war ernieDemokrat. Nichtdiegestuste PriesterschastnochdasVorrechtder Geburt unddieWillkürder davon Begünstigtensollte herrschen; aber auchdieMasse-nicht, derernur dieGleichheitvor demGesetz,dieTruggleichheitalles seitdemsortwucherndenLiberalismus, gönnte.Die Menschen fanderunwürdig, unfähig, sichselbst weisezuregiren.Das ge- langihnen meistnur, woMeer oder Gebirg sievonfremderArt abschioß.(Nichtauch,wosieaus TollheitinVernunfterzogen

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»Mühsälig schleppen wir uns ab mit den nächsten Forderun- gen und Lasten des Alltags; zuweilen halten wir erschöpft ein und dann versuchen wir, mit gewaltsamem Ruck das zermalmende

Vier-Tage danach wird, morgens nachsethouisdeVourbon,noch nichtVierzig,seitneun- zethahren König von F rankreich undNavarra, aufdem Platzder Revolution geköpft.UndBürger Romeau räth

wäre ihm aber nicht so leicht geworden wie einem General; denn die Soldaten, die nie Nepublikaner sind, wünschen stets,daß auch der Bürger-, wie sie selbst, in blinden

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