• Nie Znaleziono Wyników

Die Zukunft, 13. Februar, Jahrg. XVII, Bd. 66, Nr 20.

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Die Zukunft, 13. Februar, Jahrg. XVII, Bd. 66, Nr 20."

Copied!
44
0
0

Pełen tekst

(1)

XVII. Jahrg.wkx Berlin,QkarwWm-.»wden 13.eijtelirurn,«·19()9.»»W--..- .---.-x.-W«III-. 20.-.

Herausgehen-:

Maximilian Hardem

Inhalt:

Seite Dievvrnrklxeillosrm Vonqukzcheffker .

"...............235

Iskialjupik VonJohanne- ZI.Harnifch ..... .........251 Bungrige Tugen. VoncCukene Zaiqetlla ...............,254 Prinzemrr. VonBetst-o Geiger ......

·.......,.......258

Vakiötö. Von-Heere Fuchs ...·..............·«. ...259

Hing-ein« VonCduatd stach .....·...............268

Nachdruck verboten.

f Erscheint jedenSonnabend.

Preisvierteljährlich5Mark;dieeinzelne Nummer50Pf.

VIIle Verlag der Zukunft.

WilhelmstpaßeZa.

1909.

(2)

,

pro iahr

n.22.60.

Ausland

In.6.so,

pro iahk

n.25.2o.

gen

n.5.65

Man

when-Meri-

bei

allen

Buchhandlunqu

Posmnsmiten

und

bei

des-Ecrzieciition

Dei-im

sil?

48,

»Aha-mete-

Za-

Ahonnetnent

pro

lluarlal

n.5.—,

proiahssu.2o.—.

Unter

Kreuzhancl

bezo

Die Hypotheken-Abteilung des

.

sankliauses cakl neusten-gess-

Kontmanditscte8. aufAktien. set-litt I. s, Französischestn l4.

Kapital: 5Millionen Jlatsk

hateinegrosseAnzahl vorzügl. Objekteln Berlinu.Vororten Zurhypothek.

BeleihunsIa

zeitgemässemZinsfusse nachzuweisen, undzwar fürdenGeldgeber völligkosten rel-

Esplanade

fllkeklitt « « sz JJIambukgs

Neu-eröffnete Häuser ersten Ranges

Restaurant itnvornehmsten stll

«;«,lell-tsoom « « cis-Te 0’"(-10(-k ten s-

««,IszH e I

HeilesIllilllslllclllklllslckllllllIclclExchslck

Nolleaeoklplats Anhalt-r Bahnhol

Erstklassige Weins u. Bievvestautsants

EXCELS1OE

Friedrichs-strenge 67,

Taubenslr. lsu.ll-l0l1renslr.4sl

Title-.Wein-u.llier-lleslaurunl.

HAMBURGER not-

llllllllllll2.Weltbekanntes Haus. lslerrliehe Lagee.cl. Alster Gänzlich renoviert

IlllllllcllllllM. W.Lll.«IilllllillllWillst

Feine Französisohe Küche

Neue Direktion.

AlleslnWaffen

Sämtliche existierende, bezüglichexakter Arbeit unclvorzüglichersehussleisiung unllherlrolfene

s h alslese-u.seheihengewenre.

c eutonssetlsehjie eher-Büchsen

u.Pistolen,Lufmalfen,Teschins, ·evolversowie sämtliche laqclgerälschaiten lielert die Deut-ehe Ifntktsnkitlnsik Geom- tin-sal-

Berllnsw.48. Friedrichstrasse 240-24l.

Ifläcller’8lPatentsIkgfLer

Reise-Artikel Hoohkeine Leder-waren

MORITZ MÄDLER

Berlin Hamburg Frankfurt e.M.

Leipziger-tr.lot-s Neuen-WallSt Keine-Str.20 Ziemlich

qeprlilll

llalalogz umsonstu.portelrei.

sp»

«.

xs

l

c.

.»»

.-

«- «

Leipzig Peter-str. 8

prelsljste grau-:Mont- slläcllenLeipzig-Ununte-

(3)

-

«-s.

Berlin, den 13.Isrbruar 1909.

v

IMMT f

Die Vorurtheillosen.

WährenddereingeboreneTriebzumJdealeninderMasse unseresVolkes materialiftischentartet unddieNation derUnfreiheitgegensich selbst immermehrverfällt,weilfie nichtdieKühnheithat, sichdenlebendigen For- derungeneinerneuen ZeitmitfreigeborenerEthik hinzugeben,fehltesauchnicht

aneinerProbevom Gegentheil AucheinemißgeschaffeneAufklärungwird.der Nation zurGeißel. JstderBezirk,worindieseErscheinungsichaufdringlich zeigt, auzhverhältnißmäßignur klein, somußderdas Ganze Fühlende dochmit großer Sorge,dahinblicken;dennindiesemBezirk wohnen Prophetenneuer Kultur undApostelderZukunft.Eszeigt sich, daß Waffen selbst, dievoll heiligenEifers geschmiedetworden sind,umdenJrrthumunddieTrägheit derMengezubekämpfen,ihren Trägernverderblichwerdenkönnen.JmNamen derFreiheitundWahrheit hat sicheineSchaarvon Resormatorenleiden- schaftlicherhoben;abersiekonntenicht verhindern,-daßausderFreiheitWillkür wurde unddaßdieWahrheitliebe oftinkynischeZweifelfuchtentartete. Die schöneWallung hateinentrüben, giftigen BodensatzzurückgelassenZu Ehren höhererSittlichkeit isteinJdealgebildetworden,das vielJugendzusich hingezogenhat; doch herrscht-unterseinen Fahnennun einFanatismusderFrei- heit,derebenso verderblich iftwiestumpser Autoritätglaube

EinZugdesjanusköpsigenZeitgeistes,der zu dem Ausdruck des anderen Gesichtes paßt,eineFormdesJdealismus,die anderen Formender-entarteten nationalen Idealität nicht widerspricht, sondern sie natürlichergänzt.

Die Naturgeschichtedieserneuen Freigeisterei ist nichtebenschwer zuverfolgen.Wer ihrerEntwickelung nachgeht,sieht, daßdasUnkraut

19

(4)

2 36 DieZukunft.

aufdemselbenBoden steht, woraufeineschönePflanzung jungerFrucht- bäumewächst,und daß diese unerfreuliche Geistes-formaufdenKampfvon Vätern undSöhnen zurückweist,derindenletzten Jahrzehntendesneun-

zehntenJahrhundertsmitleidenschaftlicherHeftigkeit geführtworden ist.Nicht nur inDeutschlandAehnlicheEntwickelungskämpfekonntenwirinfastallen europäifchenLändernbeobachten;überallsahenwirdiefeindfäligeBegegnung zweier Lebensanschauungen,alsderenVertreter dieAlten und dieJungen- sich gegenüberstandenDieseBewegung müßteuniversalhistorischerklärtwer- den,wenn derVersuch,sieinihrem Ablaufgenau darzustellen,unternommen werden sollte.Man müßtevon derEntstehungderIndustrieundderGroß- stadt,von neuen ResultatenderNaturwissenschaften,von derDemokratisirung derVölker undvon vielenneugestaltenden Tendenzenin der modernen Ge- sellschaftsprechen. Auch müßte daraufhingewiesenwerden,daß dieseGeister- reovlution besondersheftigundschrankenlosin den Ländernwar,wonationale Traditionen undsozialeKonventionen nur schwachenEinfluß haben,unddaß diegeistige FluthwelleamFruchtbarstenvon Völkernmitallgemein giltigcn, festen Lebensformen genutztwerden konnte. Jndemnoch nicht konsolidirten Rußland hatdieBewegung,wenn man von einigenmysteriösherrlichen FrüchtenderepischenKunst absieht,dieFormeneinesdüsteren,gewaltfannn Nihilismusangenommen; inFrankreichund England dagegen hat siederso- zialenMoral undderKunst beträchtlicheFörderunggebrachtundnur zerstört

um gleich auchneu auszubauen. Deutschland liegt zwischendiesem östlichen Reichund diesen westlichenLändernnichtnur geographischin der Mitte. Es dankt demnothwendiggewordenenKulturkampf viel; dennoch istesohneEr- fchütterungdessittlichenGleichgewichtsnicht abgegangen.Wirhabeninun-

seremneuen Reich,wo derMaterialismus einesüberschnellenAufschwung-es feindlichmitdenneuen Geistesidealen zusammengetroffenist,dasNihilistische derBewegungbesserüberwundenals dieRussen,abernicht so gutwieEng- länderundFranzosen.

Als dieAuseinandersetzungbegann,beiunsum dieMitte deracht- ziger Jahreetwa,stand einganzesGeschlechtdenmitdenSiegeszeichenvon 1870roch geschmücktenVäternmitdemRechteinergroßwollenden Jugend gegenüber.BeidenSöhnenwar, imGegensatzzurwohlverdientenRuhe bedürftigkeitderVäter,dervom Tagesinteresse gelösteWillezufreiererSitt- lichkeit.Das, wogegendieJugendimMoralischen, Künstlerifchen,Soziaten und Gesellschastlichenkämpfte,war wirklichwerth,verneintzuwerden. Tarucn war eseinschönerAnblick, alssichderNachwuchsmitstürmischerBrgeis sterung erhobundfein Recht,WeltundLebenselbständigneu zubegreifen, geltend machte.AberdenVersprechungendieser erstenVegeisterungertspricht

(5)

TieVoturtheillosen 237·

:zurHälftekaumdie konkreteArbeit.Esistbezeichnend,daßdieneuen Jdeales sichbisheute sogar fastnur literarischundingewissenKreisen gesellschaftlich- durchgesetzthaben, daß sieabernirgends schon tiefins LebendesVolkes ge- drungen sind.Staat undGesellschaftruhen nachwievoraufdenalten Grund- -lagen;dieFundamente sindvon derBewegung,die alleWerthe umwerthen swollte, nicht erschüttertwordenJ SelbstimeigentlichenBezirkderrevolu--

·-·tionärenJdee,inderKunst, sindvielederGrundsätze,fürdie damals mit»

demAusgebotallerKraft gekämpftwurde,schonwiederpreisgegebenworden- und nachdenendlosen DiskussionenüberNaturalismus, Psychologieund Stoffwahl erwachtderalteDrang,mitHilfedamals grundsätzlichbekämpfter Traditionen wiederzurOrdnung,zurStilformzugelangen. Dem-christlichen LiebenGott hatdieatheistischwildeBewegung nichts anzuhaben vermocht und selbstdiegutealteGroßelternmoral hatdieJnfamirungen,dieihrzu Theilgeworden sind,bei guterGesundheit überstanden.DieUrsache dieser relativ geringen Wirkungeinerheftigenundgroß geplanten Anstrengung ist- ineinemfundamentalen Jrrthumzusuchen. JneinemJrrthum,der in einer- SchwächedesLebensgefühlswurzelt.ErbestehtinderAnnahme,die Kon-:

iventionen,UeberlieserungenundLebenssormen,gegendiederKampf sichrich-- tete,seienProdukte philistcöserWillkürund darumganzundgarauszurotten.·

DasichdasBeschränkendeimMoralischen, Religiösen,Künstlerischenund- Gesellschaftlichenoftalsschädlicherwiesen hatte, entstandderTrugschluß,die·

Beschränkungansich sei schädlich.Man kamzuderallzu wohlfeilen Fels-- gerung, diePersönlichkeitseinur sich selbstund ihrer freien Entschlußkrafts überlassen.Daß solcher unsozialeund jugendlich unoriginelleGedanke durch- dringenunddaßerbisheuteingewissenKreisenGeltung behaupten konnte-, ist durchausalsAnzeichenderUnkrastzunehmen. Denn dieVerneinung allenZwanges,miteinemHinweis aufdasNatürlichederpersönlichenLeiden- schaft, ist verkappteSentimentalität

Diese Halbheit hat verschuldet,daß denmeistenArbeiten derEr-«

neuerer dieStilmerktnalederNegation anhaften.Dassind: Kritizismusund Naturalismus,LustanderTendenzundam Prvsaischen. Nichtnur sürdie-—

GebietederKunst gilt Das; auchdieneuen Gedanken der Moral,derNe- ligionunddesStaatsgcfühleswaren immir mehroder weniger tendenzvolls naturalistisch Nirgends gingen sie eigentlichweitüberdie scharfsinnigeKon- ftatirung bestehenderZustände,bestehenderMißstände hinaus.Sievermochten fastniebis zumLetzten vorzudringen,weilNiemandEtwasvonGesetz,Noth- wendigkeitundBeschränkunghören mochte,weilwenigerausungeborenerkon- servativerGesinnungrevolutionirt wurde als aus einerSelbstsuchtderuns-

jiszipliniiten Begabung.SicherlichwurdeHohesund Reineserstrebt,etwas- 198

(6)

Ist-J TieZukunft

imInstinkt richtigEmpfundenes.DieWortführerderneuen Generation wollten- inallenDingendesLebenswiederdienatürliche Kausalitäterkennenund BlickeinsUrzuständlichethun. DieTriebe zumNatürlichensteigertensich biszurLeidenschaftundderKampfgegendiegeistige Trägheit nahm Züge heroischenZornesan. Aberdie Triebe waren nicht genialisch;dieEinsicht reichte zurAnalyse, nichtzurSynthese. DaderBlickdietieferen Kausal- gesetzeimReligiösen,Sittlichen, HistorischenundAefthetischennicht gleichvom neuerworbenen Standpunktauserkennen konnte,nahmman eilfertigan,Zu- sammenhängeseiengarnicht vorhanden.DieZuversichtzueinerewigenOrd- nunginWeltundLebenwurdeschwer erschüttert. HinterdenDingen sah

man dasChaosodereinennur mechanischenKreislaufderKräfte.Undaus solchenJdeenundausderdarin wieeinGift verborgenen heimlichenVer-—

zweiflungvermag dieSchafferskrast nichtdauernde Werkehervorzuzwingen.

WirmögendieResultatederErneuerer betrachten,von welcherSeite wirwollen:immer sehenwirunszuernster Achtung genöthigt,aberganz seltennur werden wirrestlos überzeugtunddemNeuen gewonnen. Wir- liebenund ehren einpaar starke Peisönlichkeiten,diefür sich selbstzuab- schließenderMeisterschaft gelangt sind;aberihre Bedeutung wurzeltimmer auchinihrer durchTradition starkenBürgerlichkeit,in ihrerSelbstbeschränkung,.

Vescheidenheitund HandwerkstüchtigkeitJn jeder Zeit hätten siedasbe- deutend Entwickelnde geleistetundsiesind alsonur bedingtalsZöglingeder·

neuen Freiheitbewegungzubetrachten.Ein Volkhatabernochkeine Kultur,

wenn eseinpaar starke Charaktere, hatkeineKunst,wenn eseinige vortreff- liche Künstlerhtt.UndDaseben wolltendie Erneuerer doch: eine Kultur, eine Kunst fürdieganzeNation,geistige Zustände,worinauchderSchwachezur Kraftgelangt.Dasneue Dramaundeinepsychologischvertiefte Epikwurden uns dargeboten;aberwelchen thätigenGeisttreibtesleidenschaftlichinsTheater,

um einmodernes Stück zusehen,wer greiftinkurzenFeierabendstundenzum Bucheinesdieserneuen Welterklärer,wenn ernach weisenWorten desLebens begierig ist?Wergeht nicht,beigrößtemWohlwollen fürdieneue architek- tonischeKunst,auch,wenn erallseine Kraftihrem Werden undWachsenwid- met,schließlichimmerwieder zurBaukunstderAlten, die nicht gute Grund- sätzeundTendenzendarbietet,sondern lebendig athmende Schönheit!Wer liebt diean uralten Traditionen erzogene Malerei desalten Hollandund Jtalienoderdesneuen Frankreich nichtmittemperamentvollererZärtlichkeit alsdiedeseigenenLandes! Wemimponirt nichteine rechte,männlicheGott- gtäubigkeitmehrals dermonistischdarwinistischeMischmaschganzmodernerPhilo- sophenlUndwem macht nichtdievon hundert Vorurtheilen durchsetzte««ein- facheMoral des Bauern mehr Freudealsdiemoralinfreie Aufgeklärtheitder.

(7)

DieVorurtheillosen. 239

-"Literarischen!EdleKulturversuchewerden uns jeden Tag nochinFülledar- geboten;doch bedeutet dieAufhäufungdieser Wertheimmer noch nicht den Anfangneuer Kultur. Starkeundmehr noch sehr beweglicheGeister umgeben uns,die in einemPunktmitihrer Erkenntnißkrafttiefgenugimmerdringen;

dennoch gelangendiemeisten dieser ewig ,,Jungen«nichtzuden Quellen,aus denen dieneuesLebengebärendeThat fließt.Wassieschaffen,isteinAn- gfangundaucheinEnde,nichtaber ein GliedzwischenGesternundMorgen.Weder imDenkennochimThunwerden sie klassischruhig;und dasieüber das Problematische nichthinauskommen,machensiedieProblematikzumeigent- .lichenKunst-undLebensmotio. Gelungen sieinihrer Spezialistenarbeitda- hin,ineinemPunkt dochdenWerthderTradition und derBeschränkung zuerkennen, sowenden sie diese Einsicht nicht aufs Ganzean,weilsie nicht fühlen,wie dasEineorganischamAnderenhängt,weilsiedieOrdnungin-

nerhalbderNatur nichtempfinden,sie nicht empfindenwollen. Und Daseben raubtallihremThundicheitere Ruhe,diebejahendeWeisheit; Eigenschaften, die alleinim Stande sind, ein Werk im edlen Sinn volksthümlichzumachen.

DerEwigkeitinstinktisteiner ganzen Generation getrübtunddarum auchder le- bendige Zeitsinn.Dievom Vorurtheil Befreiten sehen Chaos außer sich,weil esinihnen ist; siegelangen nichtzurhöherenFreiheit,weilderStolz auf -.ihrBischenFreidenkerei,dieFurchtvor derUnfreiheit siedaran hindert.Die Revolutionäre von einst vermögennichtkonservativ zuwerden: daist ihre UnzulänglichkeitAllegroßenErneuereraber,Luther,Crotnwell undNapoleon, Goethe,KantoderselbstJbsen habendasLebennurzu revolutioniren vermocht,

·weilsiedasewigNothwendigeinseinerUrbedeutung aufsNeuezuerfassen wußten,weilsiedieMenschheitineinerzeitgecnäßenFormmitsich selbstund mitihren ewigen Daseinsbedingungenbekanntmachten,weilsiedieWahrheit erkannt, die bei keinemEinzelnenist,sondernimmernurbeiAllen. Siekonntenre- .volutioniren, weilsiedasBleibende imWechselndenmeinten.JnGedankenkühn zusein, istansichnichtsGroßes. DerSchwächstekannsicheilfertigdazu bringen, dasUngeheuerlichezu denkenundauszusprechen.Nicht darausallein kommtesan.

AuchdieGefahr istzu vermeiden,sichindieKühnheitendesDenkens ihrer selbstwegenzuverlieben. UnerhörtenGedankengegenüberkannman Grabbes Faustwort dahinvariiren: »ZeigemirdieJdee,dieich nicht kühner,denGe- danken, denichnicht frecherdenkenkönnte.« DenkenohneThun ist Lehre ohneLeben,isteinSpiel fürUnmündigeund Gewissenlose. Aufgeklärtsein, heißt nicht, sich frechzumEinzigenzumachen; aufgeklärtist vielmehr,wer dieeigeneRelatioitätfühltunddieses GefühlzurBasisdessittlichenWol-

—:lensmacht,wer dasimInstinkt liegendePflichtgesetz,das derMenschheit

»einGesetzderSelbsierhaltung ist,mitBewußtseinnachschast

(8)

540 DieZukunft.

Esbrauchtnicht mitAugurentiessinnvonliterarischenGeisternverkündet zuwerden, daßansich nichts unsittlichodersittlich ist,daßesdazu erstvom menschlichenDenkengemachtwirdunddaßdiejeweilig herrschendenKonvn- tionen derSitte nur bedingte ,,Wahrheiten«sind. Man kann Daswissen .·unddoch dieseKonventionen sür segensreich,nothwendigundedelhaltenund

eineGefahrdarinsehen,wenn dieeinmalgiltigeLebenssorm ohne zureichen- desRecht verletztwird. DasistdasUnmoralische:giltigeKonvention ohne zureichendesRecht zuverletzen. Dieses Recht verleiht nichteinselbstgesälliger Freiheitidealismus, sondernnur dieselbstloseLiebezumGanzen,derEifer sürdasWohlderAllgemeinheit,die Einsicht insNothwendige.Wersüreinen sozialen Werth,denerverneint, derGesellschaft nichteinenbesseren,wenn- sauchnur vonfern, weist, ist frivol.DasGewissen sagt ihm auch stets,daß

eresist,magersich selbst nochsolaut überschreienJnAllem,wasirgend- wiehistorisch geworden ist,lebtauchNothwendigkeit;dieselbe Notwendig- -keit, die wireinerPflanze,einemThierorganismus gegenüberintuitio als SchönheitundZweckmäßigkeit,alskosmischeHarmonie empfinden.UndNoth-- wendigkeitenkönnennurdurchJhresgleichewersetztwerden. Wererkennt, daß auchdassozial,vonAltersherGewordene ,,geprägteForm ist,dielebendsich entwickelt«,oderdaß sieesdoch einmal war,Derweißauch,sdaß.dieMensch- heitohne Formen, ohneKonventionen nicht einenTag bestehenkönnteUnd ersegnetdenZwang,derunserWesenindieTiefe nöthigt. Erstvon solchem Standpunkt aus läßt sichfruchtbardann revolutioniren,läßt sichdasUr- sprünglicheundnothwendigSinnvolle wiederherstellen.

DaßderMann,demesum Thätigkeitzu thunist, seineFreiheitnur entfalten kann, indemerinhöhererWeise dient undgehorcht:Dasistes, rvas demSelbstgesühlunserer Ausgeklärtenbeschämendscheint. Daher diese epidemischgrassirendenVorurtheillosigkeitideen,indenendochebensoviel Vor- urtheil enthalten istwieimtrübstenPhilistermeinen. Darum istaus dem WillenzurFreiheitnur eineBohemekultur hervorgegangen,die nicht ins Volk, nichtin dieTiefeundnicht zurHöhedesnationalen Lebenszudringenver- .mag. DieApostel derFreiheitundVorurtheillosigkeitbleibenimHandeln- fastimmerBourgeoisGabenundTalent wachsenwildindieserZeit pathos logischerNervengereiztheit;abersie sindkaummehralskünstlichesSpielzeug iürgroßeKinder. Darum istdietalentreiche Zeit sobettelarm angroßen Charakteren.Die Ausgeklärtenhaben lebhaste Eindrücke,aberkeinenWillen;

überall wird analysirt,nichtgestaltet,man ist kritischund logisch,nicht- schöpserischDemlebhaftenJntellektualismus gesellen sichgernsemininesGe-

"schmäcklerwesen,KynismusundZweifelsucht;-.nebendergeistigenBeweglichkeit sehenwir überalleinschlaffesHinschlendernunddieheimlichheranschleichendes.-

(9)

DieVorurtheilloserr 211

Verzweiflung führtdenGeistunbemerkt in dieJrrgängeeitlerJchsucht hin- ein.Sogeschiehtes,daßderNeuerer, derdieKampfhahnderZeitalsFeind desPhilistermaterialismus betretenhat, selbstalseinüblerMaterialistda- steht.Noch mehr: daß durch ihn,dengeistigenVertreter einerlautbramar- basirendenMinorität, denVernichteraller»Vorurtheile«,die allgemeineGe- nußsuchtundZügellofigkeitmitvortrefflich klingender Logik legitimisirtwer- den.Währendertheoretischdie Staats- undGesellschafteinrichtungennegirt, gründeterdochfeineganzewirthschaftlicheundgesellschaftlicheExistenzdarauf;

und währendersichmitbrutalem Egoismus seiner Reizsamkeithingiebt, thut er,alsführeerdieMenschheitzuneuen, niegeahnten Zielen.

DasBohamehastederneuen Geisteskultur zeigt sichdarin,daß sie sich imWesentlichenliterarisch giebt.Sie stehtzudreiVierteln auf geduldigem Zeitung-undZeitschriftenpapier.Dieneue Kunst, Poesie, Kritik, Politikund Moral: Allesriecht mehroderweniger nach Holzpapier.EingoethischerGeist würde vieleMotive füreineliterarische Walpurgisnacht finden.Einganzes Literatengeschlecht,daszurHälfte dochausMännernbesteht,denendie Haare schongrauen, stürmt durch die Korridore derZeitgeschichtewiederBakka- laureus im»Faust«.AllesbleibtRaisonnement. Gelangteinerder Gedanken- reoolutionäre einmalzu einerStellung,woerdemkonkretenLebenpraktisch dienen muß,sowandelt ersichgleich,wieesder radikaleSozialistetwathut, deraufeinenMinistersesselgehobenwird. DasFreiheitideal schrumpftdann zumOrnament ein, zurSchaumünze,dieman bei derArbeitablegt.

Sosind,zumBeispiel,dieBegriffe PersönlichkeitundOriginalitätge- sälfchtworden, kaum daß siederPhilisterfesfeln ledigwaren. AlsJndivis dualität gilt nicht mehrderMann,derseine Kräfte aufs Höchsteentfaltet, währendersichalsWerkzeugderNothwendigkeit fühlt,und dervollständig imSachlichen auszugehen strebt, sondernEiner, dersichanders giebtalsder Durchschnitt,dergewisseSonderzüge auffallendwie einWappenzurSchau trägtund sichvon der,,Heerde«imDenkenundauch wohlinderErschein- ungaugenfälligabhebt. Qriginell istdemModernen dasNeue,nochnie Ge- dachteund Ausgesprochene,das"Unerhörte,womitderPhilister erschrecktwer- denkann. Dasführtdann konsequentzurLustameitelParadoxen,ander GeistreicheleiundBesonderlichkeit,zueiner Disposition also,woraus Sno- biemus,Geziertheit, ja, selbst LügeundGewissenlosigkeithervorgehen. Jeder, denOciginalitätsuchtzwingt,inParadoxenzudenken, verliertdiefeinereGe- wissensiulturund verfälltganzvon selbstderUnordnungund dergeistigen Bohememanien Er magnoch so RichtigesundEigenthümlichessagen: hart nebenderWahrheitwirdimmerdieLüge,neben demechtenGefühldie alberne Geckereistehen.DieLustanderwirksamen Pointe,anderSensationtritt

(10)

2 42 DieZukunft

vor dieSachvernunftundmacht, daßjedeneue Erkenntnißinihrer Bedeutung übertriebenundzu Todegehetztwird, alswäreAehnlichesnoch niegedacht worden;derLiterat,der miternsterMiene,alsRitter derFreiheitund -Wahrheit, daherkommt, verläßtdieArenaoftgenugmiteinemPurzelbaum,

alsHanswurft.

JmReligiösenbefiehltdasJdealderVorurtheillosigkeit seinen Jüngern, sichüber das Wort Gott,woimmeresaustaucht,unbedingt lustigzumachen.

Weranewige Dinge glaubtunddasChristenthum ehrt, isteinTrottel oder einHeuchler-.Wervon GesetzundNothwendigkeit spricht, isteinekomische Figur·Daman erkannthat, daßalleFormenderReligionrelativ sind,wird einfachverkündet:AllesSchwindel! Religion ist gut fürdieHeerdenthiere, Moralgefetze sindnur sürdie Dummen. GottfriedKellerläßtdiefromme Großmutterzudemheiter ungläubigenJukundus,densiebeimLesender Bibeltrifft,sprechen: »Mein Herr Philosoph, ich glaubeimmer, Duhastdoch einkleinWenig .Gottesfurcht!«Underläßt Jukundus gelassenantworten:

»Ich glaube,derSachenachhabe ichwohlEtwas wieGottesfurcht,indem ichSchicksalundLebe-ngegenüberkeineFrechheitzuäußernfähigbin.« Wie unbequemunmodern vonMeisterGottfried!DasWort Gottesfurchterregt bei einemrecht AufgeklärtennurHeiterkeitoderWuth. FrechheitengegenSchrei- salundLebenzuäußern:Dasist nachgeradezum Merkmal freier Gesinnung geworden.Ganz gewißändernGläubigkeitundUngläubigkeitnichtdasGe- ringsteamCharakterundamWilleneinesMenschen;man istmitundohne ChristengottgenauderSelbe. WohlaberverdirbtdieseeitleFreudeander eigenen GeistesfreiheitdenCharakter.WoKynismenundFrechheitengegen das Ewige Brauchwerden, damußdasEhrgefühlleiden. Daßeswirklich soist, beweistdiebourgeoismäßigliberaleKümmerlichkeitderEhrbegriffein denKreisenderunentwegtModernen. JederVorurtheilloseredetüber dieEhre ungefährwieFalstaff. Das Duelllehnter,,grundsätzlich«ab,verstehtes aberauchnicht, sichimUmgangmitMenschenmitnatürlicherWürdejede Kränkungfernzuhaltenz vielmehr bringt ihn feinvorlautes Weseninhundert zweifelhasteSituationen. Erist nichtbiszumAeußerftenmuthig,weilerdie Sache nichtübersich stellt.Beleidigerund Beleidigtersitzenzusammen auf demSophaunddebattiren literarischüberihren Fall;oder;vsie laufenvorden iRichter,wieGevatterSchusterundSchneider.GeradedieseFormlosigkeitaber, diefchutzlos macht, istdannschuld, daßdieVorurtheillosengegenAngriffe und Kränkungengrenzenlos empfindlich sind.DennwahrhaftePhilosophen sind sie ja auchnicht.Man erzürntundverträgtsichin denKreisenderFrei- denkerso oftundso leicht, daßEinemunwillkürlichdassehrbekannteSprich- wort in denMund kommt.Stoff füreinenaristophanischenGroteskendichter.

Cytaty

Powiązane dokumenty

Dann sind sie inzwischen klügergeworden; in letzter Zeit ist viel deutsches Renten- material nach Frankreich gewandert. Dort steht die dreiprozentige Staatsrente auf 98. Wir

sehen mit Frau und Kindern Stunden lang nicht einschlief (er mußte sich immer- wieder vorstellen, wie sichseine Frau über den Federnhut und den Spitzensächer freuen werde, die er

Wenn derVersuch mißlingt(wassehrmöglichist), kannFrankreich die Rolle, die es ersehnt, übernehmen.« Delcass6, derimWan- delgang des Abgeordnetenhauses über den coup de thdälre

Einer von Beiden kann sreilich geirrt haben. Nicht aber hat ein zu srüh verstor- bener Gelehrter, der klugeSchnapper-Arndt, geirrt, als er schrieb: »Wenn man das

Mit einer gewissen Genugthuung hat man die Thatsache verzeichnet daß der deutsche Kapitalmarkt schon seit drei Jahren nicht mehr direkt an einer russischen Anleiheemission

komischenAnstrich hatte und er selbst nun nichts mehr als eben nur ein weimarischer Geheimrath war: Das empfand Goethe wo«hl eben so herb wie Herder, der über den Freund, in einem

Stunden der Virzücktheit und nicht nur in der Sprache der Ahnung davon spricht, der vor Allem sowenig wie ich eine Anlehnung an die Gebilde des Aberglaubens braucht. Und der

Während der Mann, namentlich im freien Leben der Großstadt, schon in jun- gen Jahren seine auf erotischen Wechsel gerichteten Wünscheverhältnißmäßigleicht- befriedigen