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Die Zukunft, 1. März, Bd. 38.

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Academic year: 2022

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Berlin, den 1.März t902.

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Moderne Diplomatie.

Wnterdenalbernen Telegrammen,dievondenNachrichterkollegienwäh-

ksJ rendderletztenTageausAmerikaversandtwurdenundderenleere Geschwätzigkeitzeigte,wiewenigim GrundevonderPathenreisedesPrinzen Heinrichzuerzählenwar,stand eins,daseinenAugenblickzumNachdenken stimmte.DerPrinz, hießesda,habe gebeten,beidemFestmahlderMilliar- därelange Tafelreden möglichstzumeiden;erwollemitdeneinzelnenTisch- genossenzwanglos plaudernunddieMahlzeit benutzen,»um über diebesten MethodenzurEroberungneuer AbsatzgebieteAufschlußzuerhalten«.Das ist,wiefast Alles,was vondergreatest show ouearth gemeldet wird, natürlichUnsinn. Erstens hatdenPrinzen,wenn ersnicht vorher schon wußte,derneudeutschenOhren beinahe frostig klingendeGrußderrepubli- kanischen Würdenträgergelehrt, daß ihndieAmerikaner mitWortkünsten nichtallzu sehr belästigenwerden.Zweitenskann ein Mann vonpolyglotter Höflichkeitnichtdarandenken, seinenWirthen Vorschriftenzumachen.Drit- tensfieleesdenTrustirtengarnicht ein,dendeutschenKonkurrenten,diesie nachTischwiederordentlichübersOhr hauen wollen, ihreGeschäftsgeheim- nissezuverrathen.Undviertens kannnurin einemReporterhirnderGlaube wachsen,zwischenCaviar undKäse seien sonebenbei»diebestenMethoden zurEroberung neuerAbsatzgebiete«zuerforschen.EtwasWahresmag aber andemGeredesein. VielleichthatderKaiserzuseinemBrudergesagt-:Sieh DirdieHauptleutedrüben genauanundsprichvonihren Geschäftenmit ihnen;amEndeerfährstDu,woran eseigentlichliegt, daßwir mitunserer

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Kolonialwirthschaft nirgendsvorwärts kommen. Solcher Auftragwärebe- greiflich;undeinklügererkonnte demPrinzen nicht gegebenwerden. Dem Kaiser,dersich für industrielleund-technischeEntwickelungeninteressirt, muß längstja aufgesallensein, daßerfürdieErfüllung seines Wunsches, Vorgängeund Verschiebungen ausländischenWirthfchastlebenserkennen unddeutenzulernen,vonderzünstigenBerichterstattung nichtszuhoffen hat. Unsere Diplomaten sindweder dazuerzogennochauch geneigt, sich eifrigum dasZellenleben fremder Wirthschaftorganismenzu kümmern.

Gewöhnlichwissensie nichteinmalzuHauseBescheid,ahnen nichtsvonden BedingungenderProduktionunddesAbsatzes,haltenallesBankgeschäft für höherenSchwindelundkönnennur verbindlich lächeln,wenn sievon Valuta undArbitrage,voneinemgeplantenPoolodereiner drohendenGeld- knappheit hören.SiesindimStande, sichin dreiSprachenkorrektauszu- drücken,haben gute Manieren, sindimVölkerrecht,dasunter denwissen- schaftlichenDisziplinen dieAstrologieersetzthat, einigermaßenbewandertund.

gebensichMühe,denKlatschderHofgesellschaftbrühwarmin dieHeimathzu befördern.HerrvonRadowitzkenntvielleichtdieökonomischenUrsachen,die in Spanienbald zumoffenenBündniß zwischenAnarchistenundbürgerlichen Republikanernführenwerden;nureingläubigesHerzaber wirdeinemFürsten Radolin zumuthen, erfollewissen,warum Frankreichs Massenindustrienauf demWeltmarktnichtkonkurrenzfähigsind,oder demSkaldenundkingmaker inWien,ersollediewirthschaftlicheBedeutung bosnischerunddalmatinischer Bahnanschlüsseermessen. Im besten Fall leistendieDutzenddiplomaten heute,wasderPersonalnachrichtendienstdespreußischenGeneralstabes seit Jahrzehnten leistet.Dasist nicht geringzuschätzen.Um dieJunimittedes Jahres1866 wurdedenhöherenpreußischenStäbenvonderArmeeleitung einOktavheftchen(infarbigem Umschlagohne Titel) zugeschickt,dasihnendie Möglichkeitgeben sollte, CharakterundTalent derösterreichischenNord- armeeführerkennen zu lernen undihre EntschlüsseundOperationen danach einzurichten. Diese seltsameKonduitenliste auchdieOesterreicher hatten eine, rechtungenaue mag, dasie heute, nach sechsunddreißigJahren, Lebende kaumnochkränkenkann,hier abgedrucktwerden; ihr Jnhalt be- leuchtetdiebisinsKleinste sorgsameArtpreußischerKriegsvorbereitung:

Benedek. KeinFeldherr,keinStratege,braucht sehr kräftigeUnterstützung beiFührungderArmee. Sehrglücklicher,sehr muthiger, ja, selbst verwegener Soldat. JnderganzenArmee,namentlich Mannschaft, unendlichbeliebt.

Henikstein. 50bis 52Jahre alt, kräftigundgesund. Kluger Kopf,viel Kombinationgabe, tüchtigerGeneralstabsoffizier.Wird sämmtlicheOperationen, theilweise auchjenein.Italien, leiten.

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Moderne Diplomatie. 343

Graf Ctam-Gallas. Dinirtlieber,alsersicht. Hatdie übleGewohn- heit,wenn eszumGefechtgeht,falscheWegeeinzuschlagen. Brauchteinen tüchtigenadlatus underhielt ihnauchinPersondes GeneralsGrafen Gondrecourt (JdealeinesUntergenera-ls).

Oberst Litzelhofen. GeneralstabschefdeserstenCorps.Hatsichim Jahre1859 beiMelegnagoalstüchtigenGeneralstabsoffizier bewährt.

Generalmajor Poschacher. Braver alter Soldat, aberschon seit mehrerenJahrenzurPension reif.Warimmer beiderJägertruppe. Hatsehr

einseitigeKenntnisse. ,

Oberst Graf Leiningen. Jung,tapfer, ritterlich, sehr-beliebt, guter UntergeneraL

Generalmajo rBaro nPir et. Geistigeine sehrunbedeutende Persönlichkeit,körperlicheinKoloß. Warimmer Jnfanterist(No. 25)undvon Wenigengeliebt.

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Generalmajor Ringelsh eim. Junger Mann,imGeneralstabe seine Karriere gemacht;derrömischeKunktator scheintsein Vorbild gewesenzusein.

Beliebt,Kavalier durchunddurch.

Feldmarschall-Lieutenant Graf Thun. Alter,braver (Soldat) General. Vielepraktische Kenntnisse ohne besonderes Talent;strenger Dienst- mann. Beliebt.

Generalmajor Philippovich Jung.JstDiplomat, woerSoldatsein soll,unkkSoldat,woerDiplomat sein soll. Talentirt,ohne besondere Befähigung zumCorpskommandanten·Nurbeiden Slaven beliebt. Sehrehrgeizig.Gar keine Kriegserfahrung

Oberst Döpfner, Generalstabschefdeszweiten Corps. Generalstäbler ausderalten Schule. Sonstunbekannt.

Oberst Thom. Jung,beliebt undtüchtig.

Generalmajor Henriquez 45Jahre alt, sehr gebildet, kriegserfahren.

Kommandirt sehrbraveTruppen. KenntvieleausländischeKriegsschauplätze.

Hatsichstetsalstapferen Offizier bewährt.

Generalmajor Herzogvon Württemberg. 41Jahre alt,schwacher Körperkonstitution.TollkühnerSoldat. Hält sichfüreinengroßenStrategenund dochist ihm dieseWissenschaftfremd.Renommirt gern,hatvieleBewunderer, abernochmehrFeinde.

Generalm ajorSaffran. Wäreaußerordentlichbeliebt,wennernicht dem Zopfsystem sonachdriicklichhuldigenwürde. Läßtsichleichtleiten. Unbe- deutender Geist-

Erzherzog Ernst. WederSoldat noch General. GarkeineSelbständig- keit, kein Vertrauen beiderTruppe. LeidetanEpilepsie,erhieltdeshalbals Generalstabschefden

OberstvonCatty, der einsehreigensinnigerKopfistundseinenAnsichten gewiß Geltungzuverschaffenweiß. Hatsich1859sehrausgezeichnet,erhielt denMaria Theresia-Ordenundhält sichinFolge Dessen fürs unfehlbar. «

Generalm ajorKalik. Gescheiter,umsichtiger,vonHochundNiederge- achteterGeneral. Hatimmer imGeneralstabegedient.

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Oberst Appiano. Unbedeutender Mensch, hat kaum«TdieBefähigung

zumBrigadier. Gottmitihm! ZHL

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344 DieZukunft.

OberstBenedek. SchneidigerSoldat. Ziemlichbeliebt, sonstunbekannt.

OberstKirchsberg Gut, leutsälig,sehrängstlich·Bureaukrat,aber kein Feldsoldat.

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Feldmarschall-Lieutenant GrafFestetics. HatvonderFührung einesJnfanteriecorpskeineblasse Idee. JsteinguterReitergeneral. VielPro- tektion, bringtaberMancheszuStande. Jstinseiner gegenwärtigenmilitärischen StellungeineNull.

OberstGörz,Generalstabschef.Geistreicher,militärischgebildeter Offizier;

wirdfaktischdasCorps kommandiren. Festetics giebtnur denNamen her·

Generalmajor Mollinary· WarimmerPionierchef,wirdimVerein mitFestetics Viergrade sein lassen.Frühstücktgernundsehntsichnach Ruhe.

Generalmajor Kopal Strenger,graderSoldat,guterUntergeneral.

Beliebt,verdient Vertrauen.

Oberst Fleischhacker. GrobgegenUntergebene, kriechendgegenHöhere.

Zeichnet sichdurch merkwürdigeTaktlosigkeitaus. Hat äußerstwenig Befähigung zumBrigadien

Oberst Poeckh. Jung,Emporkömmling.BeiderMannschaftwegen planlosenChikanirens verhaßt,sonst geschicktundtalentirt.

Erzherzog Joseph. Phlegmatisch,ohne Kriegserfahrung Nimmt sich ArmeebefehleundDergleichenwenigzuHerzen, beschäftigtsichliebermitPrivat- angelegenheiten.Beidenungarischen Truppen,weilderSohndesaltenPala-

tins, sehrbeliebt. «

Feldmarschall-Lieutenant Ramming MilitärischesGenie. Un- bedingtderbesteösterreichischeGeneral,was eraberauch weißundwodurcher sich zahllose Feindegemachthat.

Generalmajor Kochmeister. Jn dermilitärischen Administration eineKoryphäe,alsFeldsoldat wenig Bedeutung-

Oberst Fröhlich, Generalstabschef. TüchtigerGeneralstabschef.Ge- bildet, talentirt,kriegserfahren

OberstWaldstätten. Sehr gebildet, fein,ritterlich.WarAdjutantdes Kaisers.HatProtektion, istaberaucheinguter, verläßlicherGeneral vollEnergie.

Oberst Hertwek Führtseine Brigadebeierster Gelegenheitin einen SumpfoderDergleichen.VertuschtseineSchnitzermitGrobheitundunzeitiger Strenge. Jstnichtbeliebt.

Generalmajor Rosenzweig. War früher Gendarm,istaberklug, militärischgebildet,energisch.KeineKriegserfahrung

Oberst Jonak. Alter Soldat, tapfer, ohne besonderemilitärische Bildung,vielPraxis. Beliebt-

Erzherzog Leopold. Siehe ErzherzogErnst; istabergesund.

Generalmajor Weber. Klug, erfahren,gebildet,energisch.

Oberstlieutenant Majnone. Bureaukrat, Jntrigant, unbeliebt.

Seine Leistungenunbedeutend. KeinenFunken produktiven Talents.

Oberst Fragnern. Unbekannt.

Generalmajor Docteur. Alt,gebrechlich,hatsichvorderSchlacht vonSolferino krank gemeldet,wirdesdiesmal wiederthun.

Generalmajor Graf Rothkirch. GuterJnfanterie-General, äußerst energisch,verläßlich.Sehrbeliebt.

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Moderue Diplomatie. Z 15

Generalmajor Brandenstein. Aus demPensionstand einberufen worden,was abereingewaltiger Fehlerwar, dennerspielt nochimmerdiebeste Rolle,wenn erinPensionbleibt. Ganzunbedeutende Person ohneTalent

Geueralmajor Graf Huyn. Einerderbedeutendsten Jesuiten Oester- reichs. Klug,verschlagen, heimtückisch,gefährlich.MilitärischesTalent, obwohl imGeneralstabegedient, keins,abervielKonsequenzundEnergie-

Generalmajor Koller. Bekannt wegenseiner StrengeundEnergie.- Keine Kriegserfahrung Verhaßt.

OberstBourgignone, GeneralstabschefGebildet,geschickt,sehrnach- giebigundeitel. ZiemlichvielKriegserfahrung Wegen seines abstoßendenAuf-

tretens nicht besondersbeliebt. « .

Oberst Mondl. Fein gebildet,einerderbesten Untergeneräle.

Oberst Griviesie5. Jung, beliebt. GenießtvielVertrauen,guter Brigadier.

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Oberst Knebel. ImmerimGeneralstabe gedient.VielKriege-Erfahrung, guterFührer, sorgsamerGeneral. Sehrbeliebt. (Leberleidend.)

Gen eralmajor Baron Wimpfen. Alles Andere,nur keinSoldat undGeneral. MußimmerinsSchlepptaugenommen werden,sonstbleibtseine Brigade stecken.

Gener almajorBaron Edelsheim. DerkiihnsteundtüchtigsteReiter- general unserer Zeit, hatsich1859vollständigbewährt.Sehrgebildet,richtiges Urtheil.Jung,kräftigundäußerstbeliebtundgeachtet.

Oberst Appel (einäugig). Tapfer, vortrefflicherReitergeneral,1859den Theresia-Ordenbekommen.

Oberst Wallis. Keine Kriegserfahrung, nochnieimFeuer gewesen- FsüreinenReiterführerzuschläfrig·

O berst Fratrieevi es.SehrordinärerMensch,ohneIntelligenz,aber alter Haudegen. BeidenHusaren sehr beliebt,weilerdieungarischeSprachespricht.

Generalmajor FürstThurn und Taxis erreichtmitseinenvor- züglichenEigenschaftenJastGeneralmajorEdelsheim.

Oberst Bellegarde. KeineKriegserfahrung, sonstunbekannt.

Oberst Westfalen. KeineKriegserfahrung, sonstunbekannt Prinz Holstein. PrinzvonGeblüt, sonst nichts.

Generalmajor Prinz Sohns-. Muthig, energisch,beliebter Reiter- general.

Genera lmajor Schindlöcker kann EdelsheimundTaxiswürdig andieSeite gestelltwerden· Sehrenergisch, tapferundinderganzenArmee gekanntundverehrt.

Generalmajor Zaj tsek. Alter Haudegen. Gar keinetieferemili- tärischeKenntnisse.Strenger VorgesetzterZeitweiligetwas koiifics.

Generalm ajorBoxberg. KeineKriegserfahrung, sonst unbekannt.

Generalmajor Solytik. Grob, ungebildet,überschätztsichundwirdsich oftgenug blamiren,wie1859.

G eneralm ajor Coudenhov e,Graf. Größter GegnerdesGeneral- majors Edelsheim, ist1859beiSolferinostattgegendenFeind nach Boltageritten, woselbstermitseiner Kavallerie-Division Mittagbrot nahm.Nach dessen Be- endigungwar dieSchlachtbereits verloren.

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346 DieZukunft.

Generalmajor FürstWindischgrätz. Sehrharmlos,ohnemili- tärischeKenntnisseodersonstige geistigeVorzüge. WarmitdemGrafenCouden- hoveimJahre1859inVolta.

Generalmajor Mengen. Streng,gerecht, guterundgebildeterReiter- general.Wenigerprobt.Allgemein geachtet.

AlsLieferantdieses nach mancher Richtung brauchbaren Leitfadens wurdedamals einFreiherrvon Gablenzgenannt;vielleichtwars derselbe Oesterreicher,denBismarck einmal alsoffiziösenUnterhändlererwähnt hat.Solche Verbindungen hat auchdieCivildiplomatiezauch sie weiß,was dieeinzelnenPrinzenundMandarinen können,ob einMinister verschuldet, einFürstpriesterlicheroderweiblicherDiplomatie zugänglichist,undkennt ungefährwenigstensdieKanäle,die in diecloacamaxima deröffentlichen Meinungmünden. Damit aber,mitglanzvoller Repräsentationund der Fähigkeit,infürstlichenEhrenquadrillenbravfeinenMann-zu stehen, darf sichdiePolitikeinesJndustriestaates,dernachimperialistischerExpan- sion strebt, jetzt nicht mehr begnügen.DerAuslandsdiensteinessolchen Staates müßte heutzutage nachdemMusterdesFilialsystems großer Banken undJndustriegesellschaftenorganisirtwerden. Ohne diese feste GrundlagekannselbstderstärksteStaatsmann nichtin derEntscheidung- stundeausderSumme desMöglichendasNothwendigeerrechnen.Bismarck sogar hat geirrt,weilseinGenieoft schlechtbedientwurde. Er kannte nicht die immer noch ungeheure KraftderPapstkirche, nichtdietiefin derkapita- listischenWirthschaft ruhenden WurzelnderSozialdemokratie;ererfuhr nie, daßneben dempolnischenAdel einekräftigeundbetriebsameBourgeoisie erwachsenist,die ganz andereTendenzen hatalsdie alteHerrenkaste,und

war sehr erstaunt,alserhörte,dassüdafrikanischeGold habeeine Um- pflügungderenglischenGentrybewirkt.In seinen glücklichstenTagen wußte erunzünftigeDiplomaten,wieLothar BucherundGuidoHenckel,aufzu- spüren,dieihnüberbritischeundfranzösischeWirthschaftverhältnisseunter- richtenkonnten. Kein Staat aberundkeinkaufmännischesUnternehmen darfhoffen, stets genialeLeiter zufinden. Organisation istdaAlles. Das lehrtdasBeispielderkatholischenKirche,dienur durchihre großartigeOr- ganisation starkund durchkeinenPersonenwechsel wesentlichzuschwächen ist,lehrt nichtmindereindringlichaberderBlickaufvieljüngere,vielun- heiligereInstitutionen Nicht durch Schöpferideen,die demJupiterkopf GeorgsvonSiemensentsprangen, istdieDeutscheBankgroß geworden, sondern durchdiestille,kaumsichtbareArbeitdesDirektorsWallich, derdie seitJahrzehntenbewährteOrganisationdesCrcådthyonnajsdendeutschen

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Moderne Diploniatie. 347 Bedürfnissenanpaßte.Davon zehrtdieBank heutenoch; sie gedeihtohne genialenLeiter undhatdieDiskontogefellschaftdesHerrnvonHansemann überflügclt,dereinselbstherrischesTalent erstenRanges ist,abernie ein Organisatorwar. Wohinwirsehen:inKrupps Königreich,insBienen- matriarchatoderin denParteistaatderSozialdemokratie, überallfühlen wirdieerhaltende,vorwärts führendeMachtderOrganisation,diejedes eroberteodererstzu erobernde Gebiet mit einemlückenlosenSpinnennetz bedeckt,jedenArbeiteranseinen Platz stellt, jede Krisenmöglichkeitvorwägt Undfür stets sichere,stets gangbare Verbindungwege zwischenPeripherie undCentrum sorgt. MußdieDiplomatieimmerunmodern bleiben,immer demSpott,derOperettensatireeinbequemerreichbares Ziel?

DieBerichtezweierklugenKaufleute,derHerrenBallinundGoldber- ger,haben aufdenKaiserEindruckgemacht.Vielleichtsindfürdie internatio- nalenGeschäftederExportstaatennur nochMänner zubrauchen,dieaus denJdeenkreisendesHandelskommen. DieBotschafterundGesandtenkönn- tenja auch künftigdemdekorativanochadelentnommen,dochmüßtenihnen, wielängstschonMilitärbcvollmächtigte,Kommerzienräthealtachirt werden, andieTitelundRangeinerExcellenzdannnicht verschwendetwäre.Heute weißjederBankdirektor undGroßkaufmannim Ausland besserBescheidals der dortbeglaubigteZunftnotenschreiber,der dasBischen Pers onalklatschin denKurialftil preßt.WennPrinzHeinrichvonPreußendieCarnegieund Konsortenunter vierAugengeschicktaussragt,wirdererfahren, daßsieeinen gutenTheil ihrer raschenErfolgedem Glückverdanken, daheim durchkeine Bureaukratiegehindertundim Ausland durch smarte Geschäftsleutevertreten zusein.Solche Auskunfterwartet derKaiserwahrscheinlichvonseinemBru- der ; unddeshalbverdientunter allenDepeschendocheineBeachtung. Fälltbei unsendlichdasMonopol,daseinerkleinenSchaar geborener Pfründnerdie diplomatischenPosten sichert,dann wirdmählichauchder AdelseinenWider- willengegenindustrielleundkommerzielleThätigkeitablegenundsichent- schließen,den Wettbewerb mit denSprossendernouvelles couches auf- zunehmen.Wenn dieTausfahrtdesPrinzenHeinrichzu einerReorgani- sation...nein: zumerstenVersucheiner modernemBedürfnißgenügendenOr- ganisationdesdiplomatischenDienstes führt,dannwirdKeiner,magersonst solcheFestreiscn nochsogering schätzen,siepolitischunnützlichnennen dürfen.

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Das Schaffendes Dichters

WerKernmeines ästhetischenVerhaltenseiner Dichtung gegenüberist dereigenthümlicheGefühlszustand,indensie mich versetzt.Sie wirkt aufmeinGefühlganzfür sich: ichdenkewährenddesGenusseswederan einenZweck,densie erfüllenkönnte, nochaneineBelehrung,dieichüber irgend welcheObjektederWirklichkeitdaraus schöpfenkönnte;sondern die Dichtungwirktauf michlediglichalsdiesesprachlichausgedrückteVorstellung- masse,alsdiesiemirentgegentritt. Jst sodereigenthümlicheGefühlszustand, inden dieDichtung mich versetzt,dasLetzte,wassie mirzugeben hat, so darf ich wohl annehmen, daß auch fürdieProduktiondieserGefühlszustand daseigentlichMaßgebendeist.

Schiller schreibtam siebenundzwanzigstenMärz1801 an Goethe:

Jeden, der im Stande ist, seinen EmpfindungzustandineinObjektzulegen, so daß dieses Objekt mich nöthigt,injenen Empfindungzustandüberzugehen, folglich lebendig auf michwirkt,heiße icheinenPoeten,einen Macher.

Schiller sprichtvoneinemEmpfindungzustand,stattvoneinemGefühlszustandz aberDasistnur einUnterschiedzwischendemdamaligenund demheutigen Sprachgebrauch:beide Wörterbedeutenim GrundedasSelbe. Jn einemPunkt freilichist Schillers Definitionzuweit: siesprichtvon einemObjektüber- haupt,indasderProduzirende seinen Gefühlszustandniederlegt;aberOb- jektesindauchGemälde, Statuen, Gebäude,musikalischeKompositionen;

Schiller definirt alsomitseinemSatzdenKünstlerüberhaupt,und wenn wireineDefinitiondesDichters habenwollen,müssenwirandieStellejenes allgemeinenAusdrucks»Objekt«einenspeziellerensetzen.Und in einem anderen Punkt ist Schillers Definitionzu eng: sie verlangt, daßdieDichtungden LeserindenselbenZustand versetzt,indemderDichterbei derAbfassung sich befand.Gewiß .istesfürdieWirkungamGünstigsten,wenn derGe- nießendedieDichtung gerade soerlebt, wie derDichter sieerlebthat;aber nichtimmertrittdiesergünstigeFall ein. Wennwir diehomerischenGesänge lesen,fühlenwirschwerlichgenau Das,was ihr Verfasserundihr erstes Publikum fühlten;und auch einermodernen Dichtungkönnenwirganz anders gegenüberstehenalsihr Verfasser·Wir werden denbeiden ge- äußertenBedenken gerecht,wenn wirdieDefinition so fassen:Jeden,der seinenGefühlszustandineinesprachlich ausgedrückteVorstellungmasseso niederlegt,daß diese einen kongenialenLeseroderHörer nöthigt,injenen Gefühlszustandüberzugehen,nennen wireinenDichter.Aberauchmit dieser Aenderung bezeichnetSchillers Satz dochnur denklassischen,denidealen FalldesdichterischenSchaffens.Esgiebt auch Schriftsteller,die garnicht deneigenenGefühlszustandinihrer Schöpfungobjektivirenwollen;dieetwa

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Das SchaffendesDichters 849-

einenRomanhelden schildern,von demsiewissen, daßeralleihre schönen Leserinnenentzückenwird,unddensiedaherDem entsprechendbehandeln, während sie selbstüberihnlachen.Wenn nun solcheSchriftstellerdie beab- sichtigteWirkungbeiihrem Publikumerreichen, sowerden wirihnenden NameneinesDichterskaumvorenthaltenkönnen;undzwarumso weniger, alszwischenihnenundDenen,aufdieSchiller-sBeschreibungpaßt, mancherlei Zwischenstufenliegen. Auch großeDichter habendemPublikumoderdem TheaterdirektorKonzessionengemacht.So arbeiteteSchiller aufdasVer- langen Dalbergsdentragischen Schluß seinesFiesko ineinenglücklichen«

Ausgangum; undHebbel strichaus seinerJudith,um diePruderiedes Publikumszuschonen,dieHauptszene,nachderAlleshinstrebt.BeideDichter Rahmen diese Aenderungenvor.mitdemvollenBewußtsein, ihrWerkzu- verunstalten. Abereinsolches Bewußtseinkannauch fehlen, währendder Dichter dochetwas Anderes giebt,alsseineminneren Drang entspricht- Einansich schwaches,abersehr merkwürdigesWerkistLessingsMißSara Sampson. Lessingwar einkräftiger,leidenschaftlicherMensch,derimZorn Wohl mitdenZähnen knirschteundder,wenn ihneintiefesLeidenüber- ka1n,zu Ausdrucksmitteln griff,wieersie seiner Orsan lieh:zubitteren Epigrammen,Sarkasmcn, dieinderWunde wühlen;unddieserMann schreibteinDrama, dasinWeichheitund Rührsäligkeitzerfließt. Ganz sicherhatte Lessing nicht seinerNatur nachdasBedürfniß, sichinsolchen Stimmungenzuergehen«sondernerhattedamalsausGründen,dieich hier nichtnähererörternwill, dieUeberzeugung,daßnur ThränendesMitleids unddersich fühlenden MenschlichkeitdieAbsichtdesTrauerspiels seien;

Unddieser UeberzeugunggemäßgestalteteerseinStück. Erwirdbei dieser UeberzeugungldiethränensäligeRührung seinesDramas ehrlichmitdurch- gefühlthaben;aberdieStimmung,dieerhierniederlegt,undseine eigent- liche Lebensstimmungwaren zweigetrennte Welten. Einen ähnlichenThat- bcstand findetman öfters.Aberdiese Trennung ist doch fürdas Entstehen einergroßenDichtung ungünstig;indengroßenDichtungen spiegelt-sichder demDichter wirklicheigene Gefühlszustand.

DieserGefühlszustandentwickeltsichinseiner Bestimmtheit erstan demStoffederDichtung selbst. NehmenwirWanderers NachtliedvonGoethe- Ueber allenGipfeln ist Ruh...DasGedichtist aufdemGickelhahngeschrieben:

derDichter istindenabendlichenWald eingetretenunddieserhatihmeine gesättigteStimmungderRuhe gegeben,wieersie offenbaram Tage nicht«

erlebthatte.DerGefühlszustandwirdalso hier durcheineSituation her- gestellt,indersichderDichter wirklich befindet.Er kannsich auch durch einPhantasiebild herstellen.So enthält manches Gedicht,dasderDichter fremdenPersonenindenMund legt,ebennur die Situation dieserfremden

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Personen;dieGefühle,die daausgesprochenwerden,sind ohneWeiteres die desDichters,wiesie sich ihmin derVorstellungderfremdenSituation ge- staltethaben,wiederDichter glaubt, daßersie selbsthabenwürde,wenn er

sichinderfremdenSituation befände(etwaalsSchäferoderKönig).Etwas Anderes istes,wenn derDichtereinewirkliche-Rolleschreibt,wenner etwa denMonologeinesfremdenCharakters dichtet: hier spiegeln sichimGedicht zunächstdieGefühledieses fremden Charakters,aberdieeigeneGefühlslage desDichters verräthsichdarin, daß ihm dieser Charakter interessantoder sympathischist, daßerihnbewundert oderverabscheut.Undsoschreibtder DichtereineganzeTragoedieunderlebt dietragischeStimmung,die zuer- lebenihmwillkommen istunddieer,währendersieerlebt, infeinemWerke niederlegt.Wenn alsoderGefühlszustandsicherstam Stoffoderwährend derAusführungbestimmt, so sind doch vorher schon gewisseGefühlsdispo- sitionen vorhanden.DerabendlicheWalderweckte inGoethe,alsihmdas Gedicht entstand,eineStimmungderRuhe;erhätteinanderenMenschen, vielleicht auchinGoethe selbstineinemanderen Moment,eine.Stimmung desGrausenserregenkönnen. ObdasEineoderdasAndereeintritt, hängt vonderGefühlsdispositionab, die imMenschen vorhanden ist, währender denabendlichenWald auf sichwirkenläßt. Diese Dispositionkann die SpurenvorübergehenderEinflüffe zeigen.Wergeradevor demSpazirgang imabendlichenWald eineunheimlicheGeschichtegehörthat,Derist gewiß für jenesGefühldesGrausens stärkerdisponirtals ein Anderer. Aberunter dieser durchmomentane EinflüssebestimmtenSchicht stecktBleibenderes: durch eine ganzeLebensperiodehindurch lassen sich gewisseGrundzügeimGefühls- lebeneinesDichters nachweisen;undgehenwirnoch tiefer, so treffenwir aufGrundzüge,diedurch sein ganzesLebensichhinziehen.-

EsisteinewichtigeAufgabe füruns, solcheGrundzügeaufzusuchen undzubeschreiben. Jchkannhiernicht versuchen,eineReihevon Typen aufzustellen,sondernwillnur einigewichtigeUnterschiedehervorheben.Von großerBedeutung istes,ob das GefühldesDichters durchFormen und Inhalte gleich starkoderdurcheinedieserbeidenGruppenvonAnlässenin ersterLinieinBewegung gesetztwird. UnterForm versteheichdabeinichtdie äußereForm Verse, StrophenoderDergleichen—, sonderndenfestenund- feinen UmrißderDarstellungselbst,diesorgfältigsteSchilderungeinesCharakters, so daßallegegebenenEinzelheitenzueinemlebensvollenGanzen zusammen- stimmen;mit anderenWorten: diekonsequenteDurchführungeinerHandlung, einesProblemsundAehnliches-.EsgiebtDichterundauchLeser,dieansolchen DingenansicheinengroßenGenußfindenunddenenesdabeimehroderweniger gleichgiltigist,ob derso lebendiggeschilderteCharakter sympathischoderun- sympathischist,obdieHandlunguns ans Herz greiftodernicht. Aufder

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