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Herausgehen
Maximilian Isardew
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Heimat-einnehqu VoncEseceuezimou ........ .......329
Berliner Petemvm VonSuciugsceiseskisraefe ............332
Dies eslxne Gali. VonEduard selbsten ........·.....341
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Uachdruck verboten.
T Erscheint jedenSonnabend.
Preisvierteljährlich5Mark,dieeinzelne Nummer 50Pf,
Berlin.
Verlag der Zukunft.
Wilhelmstraße3a.
1906.
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H Berlinden 2.11uui 1906.
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Jbsen.
chonin demerstenWerk,dasfür ihnwiefürunsvonBedeutungwar, W-
in demDrama ,,Katilina«,hatHenrikJbsensofortdieParteidesAuf- ruhrgeistesergrisfen.Bald kam instolzerReihenfolgederTrotzBrünnhildens in der,,-NordischenHeerfahrt«und der desJarlSkule in den»Kronprätcn- denten«. Dann erschien»Brand«,derMann,der dem»Ich«und derGe- sellschaftentsagteundin den WolkenseineZielesuchte;,,PeerGynt«,derdie ReiseinumgekehrterOrdnungmachte.Dann derFehdezugdes,,Kaisers«
gegenden»Galiläer«.Dazwischen,alsleichtereRandskizzen,einpaarStücke, welchedieEheunddiepolitischeParteiverhöhnten.Schließlichderunsterb- licheRingvonDramen ausderbürgerlichenGesellschaft,zu derenEinleitung undVorbereitungdiefrüherenWerkegedienthatten.DasEigenthümliche hierbeiist, daßJbsensersteundletzteDramen ineinem milderenScheinein- einander wiedernäherkommen. Aber inallendazwischenliegendenist sein Herz,wiefrüherbeiKatilina,Brünnhilde,Skule,Brand,demKaiser,nun beiNota,Dr.Stockmann, Frau Alving,der MörderinundSelbstmörderin inRostnersholm,der MörderinundSelbstrnörderinHeddaGablerundder sinnlichverwirrten HildeWangel;oderbeidemdurchdieMachthaberderbür- gerlichenGesellschaftleidendenEkdalundden anderenVerkotnmenenrather- stoßenen.EssindbezauberndeSchilderungen,in die ein bis in dieTiefecr- schüttertesGemüthdenProtestderUnabhängigengegendiegewohnheitmäszige Moral derGegenwartmitGewalt schleudert.DiezerrüttendeKritileisens undseinerMitkämpfer,ihr aufrührerischer,aufdieSpitzegetriebenerindi-
25
310 , DieZukunft.
vidualistischerDrang fallenderZeitnachmit demSozialismns,dem Kollek- tivismus,demNihilismusundderenGegengewichten,derdrückendenHerr- schaftdesMilitarismus unddendreistenBersuchenderReaktion zusammen, diesichin denSchutzderHeeresmachtstellt.DieseLite raturhat aufderganzen WeltAufsehenerregt.SiehatdasGefühlderVerantwortlichkeitbei den Edlerengeschärst.Durch sie sinddieArbeiterbewegung,dieFrauenemanzi- pation,dieFriedenssachegefördert,durchsiederKunstundder-Literaturneue
Aufgaben zugewiesenworden. Aber dieethischenArbeiterhabensichspäter zuenergischemWiderstandgegen dieUebertreibungenzusammengeschaart, derensichdieseLiteratur schuldiggemachthatte.
Esläßt sichnämlichnichtleugnen, daßihrschrankenloserIndividua- lismus (denauchHenrikJbsenspäterabzuschwächensuchte)zusammenmit anderenFaktorendieunerhörteRoheitdesAnarchismus,densinnlichenRausch derJugend,denZweifelderDecadenceanFreiheitundArbeit unddieFlucht v onderWirklichkeitundderWissenschaftzumystischerReligiositätbewirkt hat.Jchkönnte zurErklärungandieVerkommenheit desnorwegischenGeistes- lebenserinnern,dieursprünglichinJbsenundvielen-Anderen denZornent- flammte.Jchkönnte dieVersumpfung,dieMittelmäßigkeit,Tradition, Heu- chelei,TrockenheitundVerzagtheitineinerkleinen,bewegunglosenbürger- lichenGesellschaftschildern.Aberman ahntdasAllesja schon,wennman Jb- sensWerkeliest. IchwilldaherliebereinigeWorteüberdieKunstsagen,die
«inihnenzumAusdruckgelangt.Dennwenn alle WellennndGegenwellender aufgerührtenSeeüberunshinweggegangenund wirselbstihnen gefolgtsein werden,wird diegroßeMeisterkunstdieseWerkeimReichdesPhänomenalen dauernd erhalten.JhrinnerstesWesenistdieReplik,wiesieimTemperament unddenBegebenheiten,denU.mgebungen,ja,derWitterunginweitemAb-
standvorbereitetwird;AllesistanihrlosekomponirtSiesteigtinleuchten- der LinieaufundspiegeltvielfarbigdieJdeedes ganzen Stückes wieder.Jch möchtewissen, wer in derWeltliteratur eineähnlicheKrastderReplikbesitzt,
wereinesolcheKonzentrationallerdramatischenMittel zu Standegebracht hat.Kein toterPunkt,keinüberflüssigesWortinderganzenKomposition.
MögenAnderedasSelbe inreinmechanischerTechnikerreichthaben: Henrik Jbsen erreichtesimstrengenDienstedesGeistes·
Seine künstlerischeMeisterschasterscheintum so größer,wenn wir be- denken,daßvonseinenStoffengar vieledurchausnichtdramatischsind,son- dernepisch-IneinemwichtigenAugenblickerzählendiehandelndenPersonen vonsichselbstdasNöthigeDem,ausfdenesihuenankommt. Mankannsagen,
Jbsen. 311.
daß sieausDem,wassieerzählen,ihreneigenenLebensfadenspinnen.Bei- nahedieganzedramatischeSpannunggehtin denDrangüber,zuwissen,wer derErzähleristundvonwelcherArt derHörereigentlichseinmag.Daser- fahrenwirnämlichnur ganzallmählichmitdem FortschreitenderErzählung, diehierund dadurcheinenZufall unterbrochenwird,— durcheinenZufall, derfür sieweitererzählt.WirbefindenunsvoreinemAreopag,derein Ver- höranstellt,bei dem esumLeben und Todgeht. Deshalb sinddieAussagen
vongrößterWichtigkeit,deshalbdarfunskeinWortverlorengehen.Hier handeltessichendlicheinmalummehralsnur darum,wieersiekriegtoder wie eskam, daßersienichtkriegte.Aber einesolcheAnlageistganzeigen- artig; Jbsen dürftekaumvieleNachfolgerfinden.Nimmt man hinzu,daß seinrührendesVerständnißfürdieUnglücklichen,selbstfür Verbrecher,und seinHaßgegen diemitfchuldigemenschlicheGesellschaftihnzurUngerechtig- keit, ja,zurGrausamkeitverleitet, sobegreiftman,warum dieTheilnahme andiesenVerhörenundSelbsterklärungenoft rechtpeinlichwird.
Wenn esauch gut ist,daranzudenken,daßdieUnglücklichen,die mit denGesetzeninKonfliktgerathen,oftweitmehrwerthsindalsihre Richter, so müssenwirdochauchgegendieseRichtergerechtsein; auch sie müssenmit demselbenmitfühlendenVerständnißbeurtheilt werden, namentlichDievon ihnen,dieselbstunterdenVergehenihrer Mitmenschenleiden undanihrem Mißgeschickganzunschuldigsind.Abergerade dieseArmenverhöhntundver- kleinertJbsen mitunter,umdie Anderen größererscheinenzulassen. Hier drängtsichunseineBetrachtungauf,diewohlmehrundmehrdieallgemeine Meinungwerden dürfte:als Denkersteht Jbsen nicht aufderselben Höhe wiealsKünstler;feineLebenskenntnißund·Objektivitätist nicht so großwie seineLeidenschaftDieGedankenkrastdesDramatikers kommtwohlam StärksteninseinerPsychologiezurGeltungzunddiesebesitztbeinsennicht immereinensicherenUntergrund.DerAusbauist stetsmusterhaft;so,zum Beispiel,in»Nora«;aberdasFundament, aufdemerruht:nämlich,daß Nora(dielügt,—- undweristweltklügeralsDie,dielügenkönnen?)nicht wissensollte,waseineWechselfälschungist, läßtviel zuwünschenübrig.Die VoraussetzungfürdieHandlungder»Wildente«ist, daßdievierzehnjährige Märtyrerin ihremVaterglaubt,obwohl dieserSchwätzerkaum einwahres Wortzusagenvermag. NunwissenwiraberAlle, daßNiemandrascherals einKind erfassenkann,obman aufdie WorteDessen,vondemman abhängt, Etwas gebendarf.Seitihremvierten Jahrhat Hedwig sicherBescheidge- wußt;-wennJemandzweifelt,sodenkeerandie Mutter! Wie dergute,von
25He
312 , DieZukunft.
Damen erzogeneProfessorin»HeddaGabler«dazukommen konnte,Hedda alsseinWeibheimzuführen,Dasistgewißebenso unfaßlichwie der Um- stand, daß diesemitDynamitgeladeneDameesungefährdreißigJahreaus- haltenkonnte,ohnedaßes zu dergeringstenExplosionkam undohnedaßdie Umgebungmerkte,wiees umHedda stand.Dazu kommtdiegewagte,manch- malgeradezufalscheAnwendungderStudien überSuggestion, Hypnotis- musundErblichkeit.Dienochwenig aufgeklärteMachtderErblichkeithält Jbsen fürgrößerals die derErziehung,mit derergarnicht rechnet.
EshatnnsAllegerührt,denaltenMeister, nacheinemsostrengenAr- beitstagundnachso langerAbwesenheitimAusland,inseinemDrama vom kleinenEyolfdienotwegischeFlaggehissenzusehen.GanzgegeansensGe- wohnheitkommtdieSzeneunvorbereitet:einsicheresZeichen,daßeseine Ein- schaltungist. Hier hatergewißinstarkerGemüthsbewegungselbstdieRolle seinesHeldenübernommen. ManhatdarineinZeichenseinerVersöhnung mit derGesellschaftsehenwollen.Dochesist mehr.Wennwir altwerden,so verlassenunsdieFarben; weißerundweißerscheintunserHaupt indieLuft zurückzusinken,die eszuletztinAtomeauflösensoll.Ebensogehtesmitunseren Gefühlen.DieFarbenderGegensätzegleitenmehrundmehrindieUnendlich- keit;siesuchendieEinheit.Jbsenhatnachundnachgelernt,mit demAusdruckfür eingroßesGefühlzuwarten,bis essichin einem kleinen Bildespiegelnkonnte.
II-
ZehnJahreists her,seitBjörnstjerneBjörnson,der einMenschenleben lang,nichtimmermitfreundlichemBlick,denMann aus Skiensah, diese Sätzefürdie»Zukunft«schrieb.Ich wolltesievoran stellen,um zuzeigen, wieNorwegen,alsdessenrepräsentativsterGeistBjörnson fortleben wird, damalsüberJbsen urtheilte.Nichtmehrwieüber denNachbarssohn,denman alsApothekergehilfen,alsTheaterdirektor,alsarmenTeufelundunruhigen Kopfgekannthatunddemman drumnichtsRagendes,Dauerndes zutrauen mag.NochnichtwieübereinenGroßenderWeltdichtung,Einensuigeneris,
.der auseigenerKrastsichseinLebensgesetzschufundmitdem alleJntelligenz derZeit sichauseinandersetzenmuß;inLiebe oder inHaß: ohneGefühlstri- but kommtan ihmKeinervorbei, der-denOzeanoderdie Sterne sucht,den Wirbelsturmoder diegroßeStille. Nichtvielhaterunsseitdemgeschenkt;
zweiDramen nur,derenspirituellerundpoetischerWerth,so hocherwar, den SpruchderRichter nichtwandelnkonnte. Fastunsichtbarwar er, dersichdem
Gafferaugedochnichtgernbarg;seitdemMärzl900,wieerselbstmirschrieb,ein sicchcr,zur ArbeitnichtmehrrüstigerMann.Dennochwurdeernun erstge-
sehen,wieihm gebührte.Als derstreitbarsteApostel,derstärksteWirker,den
Jbsen. 313
germanischePoetenheimathin einemJahrhundertgebar.SechsJahrewährte seinSterben. DieserLeib,der garnichtsHeldischeshatte, trotztedenWettern wie einWahrzeichenausfernerHünenzeitTausendmal rieferdenTod und täglichflehtendieFreunde,derenFreundschaftnur diesereineWunschblieb, denTröster herbei;und immerwars,als bäumederLeibsichgegen denletz- tenStreich.WeißundweißersankdasHauptin dieLust zurück,ehrwürdiger schienes,heiligfastin dembleichenGlanzunbeirrtenWollens;dann,amTage vorChristiHimmelfahrt,schwiegdasHerz,dasachtundsiebenzigJahrelang so heftig,inseinerdunklenEinsamkeit,gepochthatte; kamendlichdieNacht.Das Vaterland,das denunbequemenMahner,denGespenstersehereinstgeschmäht und,»mitderSorge Bündel,mitderAngstSandale«,indieFremdegetrieben hatte,botihmnun einEhrengrabundderKönigtratandieSpitzedesTrauer- zuges.WelcheFiillevonKränzenauf diesemSarg! Alstraure dieMenschheitum ihrenLiebling.Wie vielepapierneBlumen! Warsnöthig,all die alten Anek- dotennocheinmalaufzutischen,diedemPhilisterehrfurchtlosdasAllzumensch- lichedesgroßenDichters verrathen?Was man vonihmwissenmuß,haben GeorgBrandes undHenrik Jägerunslängsterzählt.Waseraussprechen wollte,stehtinderGesammtausgabeseinerWerke.Diekauft,dielestundlest wieder;nndfragt nicht,warumderSchöpferdieserWeltseinePoseundseine Tolleliebte,nichtimmeraufrichtigwar undmanchmaldenschlauenZauberer spielte. VielleichtfanderkeinbesseresMittel, fein Innersteszuwahren;war esseinArceo. DreiJahrzehntenur SchimpfundSpott: ohneirgendeine MethodedesSelbstschutzesistsnichtzuertragen.WagnerlerntedieHeilands- grimasse;inZola wuchsderDrang, außerhalbderTurnierschrankensichden unbestrittenenWeltruhmzuerfechten;Jbsengewöhntesichinkleinstädtische Magiermanier.Füralle Drei wäre dasBeste,wennkeinBrief,keinGesprächs- setzen,keinpolemischesWortvonihnenerhaltenwäre undnur ihrWerkfür sie zeugte...Jchhabeso ost,alserinSkandinavien, Deutschland,Frank- reich,Englandnochgehöhntundgeschultenwurde,überJbsengesprochen,daß ichNeuesjetztnichtzusagenvermöchte.Neue-Wortefändeichallenfalls; noch nichtneuesEmpfindenxunddieUmkleidungalterGedanken widertmich.Unan- ständigaberschienemir,andieserGruftvorbeiznrennenundnachsolchemVer- lust (denn nochlebtederMann undmehrals einmalhatNaturein Wunder gewirkt)etwavonneudeutscherReichsgeschichtezu reden.Deshalbhabeichaus meinenVersuchen,JbsensWesenzuerfassen,denheute gewählt,vondemder Lebendeungefragt,auseigenemAntriebmirschrieb,daßeraufdemLeidens- bettihm Freudebereitethabe. NochistdieDistanz,istdasBild unverändert.
314 DieZukunft.
EhederweicheJünglingausNazareth,den derTäuferim kaltenJor- danwassergehärtethatte,sich aufdenMartyrwegmachte,weilteervierzig TageundvierzigNächteineinerWüste.Erwollte mitsichalleinsein,ganz einsam,umungestörtzurückund vorwärtszuschauenund in derstillstenStun- de denStimmen zulauschen,derenLockrufihnausderMenschengemeinschaft riß.Er wollteerwägen,obereinwillenlosesWerkzeugJohanniswerdenoder sichselbstlebensolle,auseigenerKrast.DenfelsigenAbhang,der imWesten dasTote Meerschließt,erklommer,haustedortunter demspärlichenWüsten- gethierundversagtedemLeibjeglicheNahrung.DasFleischliche,Alles, wasaufdenWillen,denMachtundWonnebegehrenden,wirkt, solltever-
kümmern,erlahmen;ungetrübtsolltedasLichtreinerErkenntnißden zuwan- delndenWegerhellen.Die Stättewarfür beschaulicheEinkehrinsJnnerste gutgewählt;keineeinsameregabesinderJudäerwelt. DochdasVolkmun- te,sieseivonDämonenbewohntund demdortRastenden droheGefahr.Und wirklich:zu demdurchFasten GeschwächtentratderVersucher.Erhöhnte denJüngling,dersichdurchGottes besondereGnade geweihtwähne,und heischtevonihm Wunder,dieübermenschlicheKraftdetnMenschenaugebe- weisenkönnten.JnklugerRedewehrtederJüngling solcheZumuthungab.
DaführtederVersucherihn aufeinensehrhohenBerg,zeigteihmalleReiche derWeltundihreHerrlichkeitundsprachzuihm: »Dasalles willichDirge- geben,so duniedersällstundmichanbetest.«DerJünglingabersprach: »He- beDichwegvon mir,Satan! Dennesstehetgeschrieben:DusollstGott anbeten,DeinenHerrn,undihmalleindienen.« Dannstiegerherabvon
-derHöhe,denMenschenLehrer,Erlöserzu werden. VonSansara,derWelt ewigerWiedergeburten,desGelüstensundVerlangens,derSinnentäuschung undwandelbarer Formen,hatteersichfreiwilliggeschieden,wieAlle esmüssen, dieausdemGeistGroßesschaffenwollen,undwar inNirwanaeinfrommer Bürgergeworden,in demwindstillenLand,wodiesündigenWünscheschweigen.
Aufdieseswundervolle,in derunerschöpflichreichenWelt desVedaer- wachseneSymbolwarderBlickdesDichters,der denEuropäernim Norden lebte,seitseinerJugendgeheftetHenrikJbsen,derNordgermaneausdemLande derstarrstenStaatskirche,derinbrünstigstenEkstase,derzornigenChristen
vom Schlage derKierkegaardundLammers, erwuchsimHaßaller Sinnen- freude.Nur imBereichderNazarenermoral,solehrtenringsumStrenggläu- bige, giebtesdes Strebens würdigeWerthe,nur diesittlicheSchönheitist wahrhaftschön.DerKnabe glaubtederLehre;indemJünglingerwachtemit demGeschlechtslebenderZweifel.Jst wirklichAlles,wasunsaufder Erde
Jbsells 315
anFreuden erwächst,als Uebel zu meiden? Leuchtetdie Sonne unsnur,um zuBüßerzerknirschungin Sack undAschezumahnen? JstdersüßeDuster- blühterKnospeneineLockungdesBösen,dieVereinigungzweierheißen,lan- gendenKörpereinSündensall?UndsollderAnblick derirdischenPrachtund HerrlichkeitdenMenschennur prüfen,den,wenn ervonGlück undGlanzein Stückansichreißt,in einemJenseits fürsolchesVermessenharteStrafener- wartet? Nochblieb esbeimeeifel. DerJünglingwar scheu,dieerstenEin- drücke erkältetenihn,dessenscharfesAugefrühschonunterdieOberflächesah, undertraute sichselbstnichtgenug,umandemHeiligsten,dasihn gelehrt worden war,das Rüttelnzuwagen.ErstderMann hattedenMuth,zu dem Gottaufzuschauen,vordemseinVolkkniete,erstderMannkonnte andasHei- ligste kritischseinRichtmaßlegen.Einschwächliches,aufkrummen Wegen wandelndes Geschlechtsaher, dassichvonTagzuTagkleineVortheileer-
feilschte,heuchlerischeKompromisseschloßund,wenn eszum GebetdieHände faltete,nurdarandachte,sichschlauindenHimmelzulügen.Wiemußteder Gottsein,dersichvonsolcherMenschheittäuschenließ?DerGott,den die Masseträumte,warnichtderGottstarkerChristenmehr.MitschrillerStirnme riefesderDichterins Land:
Wie dasGeschlecht, ergraut seinGott.
AlsGreismit dünnemSilberhaar:
Sostellt Jhrden Gottvater dar.
Doch dieserGottiftnichtdermeine!
Meiner ist Sturm,woWindderDeine, EinHeldenjüngliug,kühnundstark, KeinschwacherAlterohneMark!
DieserjungeGottläßt sichin diealte,engeKirchenichtbannen, für ihn reichtauch nichtderweitere Raum desmodernenKultgebäudesWerihn fühlen,ihmnahkommenwill, mußhinausinsFreie, hinauszudenGipfeln, die in denHimmelragen: dortwird in des Sturmes Brausender Starke Starkensichoffenbaren.Deshalb schleudertBrand,der ausderStaatskirche geschiedenePfarrer,denSchlüsselzumGotteshausin denFlußundmacht sichmit denTapferstenausseinerGemeindeaufdensteilenWeg, dessenMüh- .salsie stärkensoll.DochfürdenLeidenswegsinddieTapferstennochnicht tapfergenug.Sielechzen nachFreude:undaufderHöhedrobenathmetsichs schwer;ihrBlicksuchtBlumen :undfindetnur Eisfelder;sieerhoffenderMühe köstlichenLohn:und derstrengeFührerversprichtihnennureineDornenkrone.
Da wendetihrdumpserSinn sichzurWuth:mitSteinwürfenscheuchensie denMann fort,dersieausbehaglicherNiederunglockte,undkehrenzurück,
— insJoch,in denAlltag,inVersorgungundBotmäßigkeitBrandbleibt
316 DieZukunft.
allein;erblutet ausWunden,dieihmderAberglaubeschlug,und kann keu- chend erkennen,wiedieMengeErlösernlohnt. ZurFreiheit,zumLicht,zu eigenem,jungenWollenhatteerdie Gemeindezuführenversucht:siewollte weiterschlafen,den Willennichtstählen,mitErobererfaustnichtsichselbsteine Seligkeitschaffen.Wozudie Qual? Seligkeitwarjaschonlange verheißen.
FürAllehattejaEinergelitten..Die alteLehre hatdenWillengebrochen.
Brandschautzurück,hinunterinsThalderWillenlosen,dassichwieein Toten- landvorseinem-Augedehnt.Keinfrisches,fröhlichesLeben,keinblutrother Entschluß,nichteinmaleinerechtschaffenegroßeSünde,zu derimmerhinMuth undKraft gehört,nur-kleinlicheKrämersiege,kleinlicheSpießbürgerschmach Niemalsdorthin zurück!Lieber denTodaufeisigerHöheals einScheinleben unterflüsternden,feilschendenZwergen,denen der Wille zum Lebenentfloh.
Brand konnteseinesTraumesSinnnichtindieHerzenhämmern:sowiller ihn leben,willxlebenddenUnbelehrbareneinBeispiel geben.That so nicht auchderGaliäer? NiehätteseineLehredieWeltgewonnen, hätteersienicht mit dem BlutseinesLebensgedüngt.DemSolchesSinnenden naht,wiesei- nemVorbilde,derVersucherundzeigtihmderbürgerlichenBescheidungbe- glückendeSeligkeit,zeigtihm, daßnur derWünscheüberspannterBogendem HimmelstürmerbisherWunden schufunddaßdemGehetzten,wenner andie MenschenundansichselbstdenAnspruchmindert,in derBegrenztheitnoch lieblicheFreuden erblühenkönnen.Umsonst:über denstählernenWillendes Freien hatderVersucherkeine Gewalt. Nur eineWahnsinnigeglaubt noch
anihn; dennoch:BrandsWilleerlahmt,BrandsFußstraucheltnicht.Ersucht dieSonne, suchtdenGott,vordemerknien,zu demerbeten kann..Eine La- winebegräbtihn.Und über dasschneeweißeGrabdesVerstiegenenhin hallt dieStimme des deuscaritatis, derdem indesStrebensschwersterMüheGe- fallenenweit desVaterhausesThore aufthut.
Brandist nichtdaseinzigeGeschöpf,deminJbsensWeltreichderVer- suchernaht.DerRömerkaiserJulianund derRhederBernik,JarlSkule und PastorManders,Rosmer, SolneßundAllmers,Frau HeleneAlvingundFrau Hedda Gabler,die kleineHedwigEkdal und die kleineHildeWangel:Alle versuchtederBöse;undsogarderkühlenFrauvom Meere tratihrTraumin greifbarerGestalteinst entgegenund lockte und zog insUferlofe,in das nim- merruhendeElement,dasnur derKraftund demWillengehorcht.Manche folgtendemVerführerunderlittendasLoosvermessenerMenschheitManche verstopftendemLockrusdasOhr,krocheninsPflichtengehäusezurückundver- kümmertenda,wie in derDachkammerdesPhotographenEkdal dielahm-
Jbsen. 317
geschosseneWildente. AusKeinemwurdewasRechtes.Allesuchtenmitseh- nendemHerzendieLebensfreudigkeit,die der arme,vomVatererbevergiftete Oswald AlvingaufseineLeinwandzaubernmöchte,Alle aberstandenim Bann einerWeltanschauung,die denGeist adelt, dochglücklosmacht,Alle mußten,um einBischenSonnezuhaschen,zubetäubenden,tötendenApo- therkermittelngreifen.Ein dunklesLand,einLandohneVerheißung;und eineMenschheit,der dasChristengesetzdenMuthzuheidnischerFroheitund Sinnenlust nahm,eineMenschheit,dergleich,vonderNietzschesprach:»Jn diesemHinundHerzwischenChristlichundAntik,zwischenverschüchterter oderlügnerischerChristlichkeitder Sitte undebenfalls muthlosemundbe- fangenem Antikisirenlebt der moderne Menschundbefindetsichschlechtda- bei;die vererbteFurchtvordemNatürlichenund wieder der erneuteAnreiz diesesNatürlichen,dieBegierde, irgendwoeinenHaltzuhaben,dieOhn- machtseinesErkennens,daszwischendem Gutenund demBesserenhinund hertaumelt: allesDies erzeugteineFriedlosigkeit,eineVerworrenheitin der modernen Seele,diesie verurtheilt, unfruchtbarundfreudeloszusein.«Jst esim LandedieserMenschheit,wojederBrecheralterTafelnalsVerbrecher gilt, nicht, trotzallem Lärm derAlltagsbetriebsamkeit,so stillwieimToten- reich?Lebtsiedennüberhaupt,kannsieohnedenWillen zueigenemDaseins- rechtundeigenerDaseinsfreudeleben undist sienichtnur derSchatteneines entschwundenenTotengewimmels?Diesung scheinendeEuropa keuchtunter derLeichenlast,diesievonAsienherausihremRückenmitschleppt;ihreKin- dersehenamhellenTagwieGespensteraus;undals derKaiserApostata, derseinDrittesReich,dasReichsroherundschönerWahrhaftigkeit,nichtschauen sollte,inJbsensweltgeschichtlichemGaliläerdramaverröchelthat,kannseine christlichePflegerinmitRechtvonlebendenTotenundtotenLebenden sprechen.
DerDichterwurdeälter. Erhatteim Orientund imeuropäischenSü- denreicheres,wärmeresLeben kennengelerntundkehrtemitschweremGrei-
senschrittnunindienordischeHeimath zurück.DasBild desVersuchershatte ihnauchin des,,SonnenstrandssüdlicherPracht«nichtverlassenundgeleitete ihnnordwärts nun,zu desSchneelandes Hütten. Doch auchdenWeltruhm brachte derDichter heim;und er,den,wieBrand,Steinwürfeausdem Vater- landegescheuchthatten, sah sichvoneinem dankbarenVolke jetztplötzlichwie einenHeldengefeiert.WieeinenHelden?DerVergleichpaßtewohl nicht.Ein Heldwirktdochauf sein Volk, erkämpftseinemVolkneuen Besitzoderstärkt ihmwenigstensdenWillenzufördernderSchöpferthatDerDichtersahumsich.
Washatteergewirkt?Nichts;oderdochnichts Gutes, nichts ihm jetztnoch