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Meine sehr geehrten Damen und Herren,

zunachst darf ich mich ganz herzlich fur die Einladung zu dieser Festveranstaltung und fur die Ehre, hier vor Ihnen sprechen zu diirfen, bedanken.

Allerdings erscheint mir die gestellte Aufgabe, fiber Erfahrungen deut-scher Geographen in der Kooperation mit polnischen Kolleginnen und Kollegen zu berichten, gar nicht so einfach. 150 Jahre Geographie in Kra-kau bedeuten eine lange, sehr wechselvolle, vielfaltige und in bestimm-ten Zeitabfolgen auch leidvolle Zeitspanne mit Bruchen und Kontinu-itaten. VVeder in Polen noch in Deutschland ist meiner Kenntnis nach bislang eine Wissenschaftsgeschichte unseres Faches, ihrer Forschung-sansatze und Methoden im internationalen Kontext erarbeitet worden.

Dariiberhinaus hat es in dieser langen Entwicklung in fast alien

Forschungsfeldern und auf vielen Ebenen vielfaltige Formen von wissen-schaftlicher Zusammenarbeit gegeben. Es waren sehr unterschiedliche Personlichkeiten aus ganz verschiedenen Institutionem, aus Universitaten und Akademien, aus Behorden von Politik und Wirtschaft, die ihre eige-nen Erfahrungen gemacht haben.

Erlauben Sie mir daher, da8 ich im Sinne eines Ansatzes der “oral history" nicht nur die Zahl der zu betrachtenden Forschungsfelder ver-ringere und die Zeitspanne verkiirze, sondern vor allem meine personli-che, sehr subjektive Bewertung der Zusammenarbeit mit polnischen Geo-graphen in den Mittelpunkt stelle.

Aber auch dieser Weg erfordert eine Vorbemerkung.

Nicht nur in Polen haben sich in den Jahrzehnten nach dem II. Weil»

krieg die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen fiir Wissenschaft, Forschung und Lehre mehrfach verandert. Auch in Deutsch-land lassen sich die Wechselwirkungen von politisch-gesellschaftlichem

1 Wandel und der Veranderung des eigenen wissenschaftspolitischen

Yerstandnisses oder der Fac.htheorien aufzeigen. Das gilt z.B. insbeson-dere fiir jene Regional- und Raurnwissenschaften, die sich nach 1 945 mit den damaligen sozialistischen Landem befafit haben (Stichwort: “Osteu-ropaforschung"):

- bis in die 60er Jahre waren diese Forschungsaktivitaten bestimmt wor-den durch einen institutionellen Forschungsrahmen, der bereits in der Zwischenkriegszeit aufgebaut worden war durch persónliche Erfahrun-gen und wissenschaftliche Beobachtung wahrend der Kriegszeit, aber auch durch die Verhartung der politischen Diskussion in der Nachkrieg-szeit.

- der sich an der Wende der sechziger und siebziger Jahre vollziehende gesellschaftliche Umbruch, der iiber einen Generationenwechsel zu einem Generationenkonflikt und bis zur Infragestellung tradierter po-litischer und sozialer Wertsysteme fiihrte, hat die Wissenschaft in ih-rem Selbstverstandnis und auch in der Wissenschaftspolitik eritsche-idend beeinflufit. In der Geographie auBerte sich dieser Umbruch in einem Paradigmenwechsel (vor allem in der Wirtschafts- und Sozialge-ographie) mit einer methodischen Neuorientierung in einer quantitati-ven und theoretischen Geographie.

- die wissenschaftlichen Hoffnungen, die zunachst nach 1970 mit der sog. neuen Ostpolitik verknupft waren, konnten allerdings erst fast zwan-zig Jahre spater mit der politischen Wende und den grundsatzlichen Veranderungen in Europa zu neuen Forschungsansatzen und Formen ftihren.

Erlauben Sie mir also, vor diesem angedeuteten, allgemeinen Hinter-grund einige sehr persónliche Schlaglichter und Wertungen zur Zusam-menarbeit mit polnischen Geographen zu setzen.

Im Flerbst 1971 hatte ich ais Assistent am Geographischen Institut der Ruhr-Universitat Bochum erstmals die groBe Gelegenheit in einem langeren DAAD-Aufenthalt in Polen einige Forschungsinstitute, For-schungsansatze und Methoden kennenzulernen. Der Mentor dieses Unter-nehmens, das im zentralistisc.hen Polen selbstverstandlich in Warschau begann, war kein geringerer ais S. Leszczycki. Seine Untersuchungen iiber die Industriestruktur Polens (1960) oder iiber die Raumstruktur Polens (] 970) bedeuteten fiir mich den ersten Zugang zur polnischen Wirtscha-ftsgeographie. T. Lijewski prasentierte mir seine Analysen zu den polni-schen Agglomerationen und ihren Yerkehrsproblemen und zum Touri-smus (1967/1970), S. Misztal fiihrte mich durch die Industrieagglo-meration Warschau und zeigte mir die Ergebnisse seiner Untersuchun-gen zur Raumstruktur der polnischen Industrie im Vergleich zur Vor kriegszeit. Wahrend mir die Kollegen Olszewski und ICoter die Probleme des monostrukturellen Zentrums Łódź nahebrachten, bekam ich in

Bre-slau durch S. Golachowski und A. Zagozdźon wesentliche Einblicke in die polnische Siedlungs- und Sozialgeographie sowie wichtige theoreti-sche und methoditheoreti-sche Anregungen (Stichwort: Grafentheoriel).

Da ich zu jener Zeit im Ruhrgebiet lebte und arbeitete, lag es nahe, diesen in einem standigen Strulcturwandel befindlichen, polyzentrischen Ballungsraum mit dem altesten kontinentalen Wirtschaftsraum, mit Oberschlesien, zu vergleichen.

Krakau lag zwar exzentrisch am Ballungsrand, war aber das Zentrum der sozial- und wirtschaftsgeographischen Foschung in der Region. J.

Rajman (1970) arbeitete fiber Urbanisierung und Bevolkerungsentwic-ldung in Oberschlesien, L. Pakula uber die Konzentration der Industrie (1970/76) und B. Kortus uber die Agglomeration Krakau und die Indu-strieentwicklung Polens.

Warum berichte ich fiber diese sehr personlichen Begegriungen? Die-se wisDie-senschaftlichen und menschlichen Begegnungen haben mir nicht nur den Mut zu meiner ersten kleinen Publikation fiber Polen gegeben (Forster 1974), sondern sie waren die Grundlage fiir die folgenden, sehr vielfaltigen Verbindungen und Kooperation auf sehr unterschiedlichen Ebenen: Austausch von Informationen, Gastbesuche von Wissenscha-ftlern, gemeinsame Forschung und Lehre (Praktika, Exkursionen und Vorlesungen). So entwickelte sich u.a. im Rahrnen der seit den 80er Jah ren bestehenden Universitatspartnerschaft zwischen Krakau und Bochum eine enge Zusammenarbeit der Geographischen Institute mit dem Schwer-punkt der Erfassung und Bewertung raumlich relevanter Strukturen und Prozesse in urban-industriellen Ballungsraurnen. Der Titel der von den polnischen Kolleginnen und Kollegen vorgelegten Untersuchung (Forster, Kortus 1989, Hrsg., in Bochum erschienen) signalisiert das gemeinsame Forschungsziel. Gleichzeitig wurde in Krakau eine Studie der Bochumer Geographen fiber das Ruhrgebiet publiziert (Forster, Kortus, Warszyń-ska, red., 1990). Aus diesen Ansatzen erwuchsen in den Folgejahren za-hlreiche Forschungsprojekte, die z.T. mit Kollegen aus Duisburg (Eckart, Kortus 1995), Marburg (Buchhofer, Kortus 1994) oder spater in Tiibin-gen (Forster, Pfeffer 1996) durchgefuhrt werden konnten (Themen: Eisen-und Stahlindustrie Europas, Altindustrien in Osteuropa, Industrielle Transformation in Polen etc.).

Gehen wir auf eine andere Ebene:

lin Juni 1998 fanden in Frankfurt/O. die XXVIII. deutsch-polnischen Schulbuchgesprache in Geographie und Geschichte statt. Diese Formen der wissenschaftlichen ICooperation aut binationaler Ebene haben - unter Federfiihrung des Georg-Eckert-Instituts fur Internationale Schul-buchforschung- wesentliche kulturpolitische und wissenschaftliche Funk-tionen. Aus der ursprunglich von der Politik initierten bilateralen Schul-buchrevision, die in der Fachgruppe Geographie von der ersten Analyse

1 des Jahres 1972 an stets von kooperativem Geist und Willen zum

Kon-senz gepragt war, ist sehr bald eine fachwissenschaftliche Zusammenar-beit an gemeinsamen Forsehungsproblemen erwachsen (Grenzen/Gren-zregionen Industrie und Okologie, Landwirtschaft etc.). Eine lange Re-ihe von Tagungen jeweils in Polen oder Deutschland sowie eine stattliche Zahl von Publikationen zeugen vom Erfolg dieser Arbeit. Wesentlichen Anteil an diesem Erfolg hatten die Krakauer Kolleginnen und Kollegen, namentlich die allzu fruh verstorbene Leiterin der polnischen Gruppe, Frau Prof. Dynowska (Hillers 1987/1988, Hillers 1989/1990, Buchho-fer, Kortus 1994).

Auf dieser internationalen Ebene waren noch zahlreiche Kooperations-formen anzufiihren. Bereits in den 70er Jahren gab es innerhalb der IGU (z. B. Industrial Geography) erfolgreiche Zusammenarbeit, fiber die Kol-lege Hamilton besser berichten kann.

Einen wesentlichen Stellenwert in der internationalen Zusammenar-beit, an der die geographische Wissenschaft beteiligt ist, besitzt das vor einigen Jahren in Tubingen gegriindete “Internationale Zentrum" - ein Zusammenschlufi von fast 20 renommierten Universitaten aus den USA, RuBland, Polen Tschechien, Ungarn, Danemark, Frankreich, Deutsch-land, mit dem Ziel der Intensivierung der West-Ost-Kooperation, insbe-sondere im Bereich der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, der Ge-isteswissenschaften und fachubergreifenden Disziplinen.

In diesem Rahmen konnten in den vergangenen Jahren in Zusamme-narbeit mit dem Krakauer Institut Fachtagungen zu Themen der Okono-mie und Okologie in Ballungsraumen (Bochum 1994), zu Fragen der Altindustrieregionen (Miskolc/Ungarn 1995) oder zu Transformations-prozessen in urbanen Ballungsraumen (Moskau 1997) durchgefuhrt wer-den, deren wissenschaftliche Ergebnisse in verschiedenen Schriftenreihen der Offentlichkeit vorgestellt wurden.

Diese wenigen hier vorgestellten Beispiele von Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit polnischen Kolleginnen und Kollegen, auf unter-schiedlichen Ebenen verortet und in vielfaltigen Formen durchgefuhrt, zeigen m.E. sehr deutlich, wie wichtig und wesentlich die personlichen Beziehungen, Initiativen und Aktivitaten sind, ohne die die auf den so-genannten “hóheren Ebenen" abgeschlossenen ICooperationsvereinbarun-gen kaurn mit Leben zu erfiillen sind.

Abschliefiend bleibt mir hier nur die angenehme Pflicht, alien meinen polnischen Kolleginnen und Kollegen fur die aufrichtige und erfolgreiche Zusammenarbeit uber viele Jahre hin zu danken, zumal aus vielen wis-senschaftlichen Kontakten ec.hte Freundschaften geworden sind.

Dem Geographischen Institut darf ich auch im Namen des Tiibinger Instituts nochmals herzlich gratulieren und viel Erfolg fur den kommen-den Weg wunschen.

Anmerkungen

Buchhofer E.. Kortus B., (Ursg.), 1994, Deutschland und Polen. Geographie einer Nachharschaft im neuen Europa, Studien zur Internat Schulbuchforschung, 81, Braunschweig (in polnischer Ubersetzung 1995 in Kraków erschienen).

Eckart 1C., Kortus B., 1995, Die Eisen■ und Stahlindustrie in Europa im strukturdlen und regionalen Wandel, Wiesbaden.

Forster FI., 1974, Industrialisierungsprozesse in Polen, Erdkunde, 28, 3, 217-231 Forster IE, Kortus B. (Ilrsg.), 1989, Sozialgeographische Probleme der Agglomeration

von Krakau und Oberschlesien, Bochumer Geographische Arbeiten, 51, Pader-born

Forster II. Kortus B., Warszyńska J (red.), 1990, Aktualne problemy rozwoiu prze-strzennego Zagłębia Ruhry, Zesz. Nauk. UJ, Prace Geogr. 78.

Forster II., Pfeffer K.-IE, (Ilrsg.), 1996, Interaktwn von Okologie und Ummlt mit Ókonomie und Raumplanung, Tiibinger Geographische Studien, 116, Tiibin-gen.

I lillers E. (I lrsg.), 1987/1988, Die Bundesrepublik Deutschland und die Volksrepublik Polen. Schulbuchgesprache in Geographie, Studien zur Internat. Schulbuchfor-schung, 61.

! Filers E. (Ilrsg.), 1 989/1 990, Deutschland - Polen -Europa. Deutsch-polnische Schul-buchgesprdche in Geographie, Studien zur Internat. Schulbuchforschung, 71.

Prof. Dr. Horst Forster

Eberhard Karls - Universitdt Tubingen

Geographisches Institut, Lehrstuhl fiir Geographie Osteuropas

Doświadczenia ze współpracy z Krakowem