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Die Zukunft, 5. Januar, Jahrg. XXVI, Bd. 100, Nr 6.

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den 5.Januar 1918. Ur.6.

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Herausgehen

Maximilian Heerden

Inhalt:

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Nachdruck verboten.

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Erscheint jedenSonnabend.

Ist-i-viettekjäptkich6,50«Matc,dieeinzelne Kummer60ff.

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Berlin.

Verlag der Zukunft.

Ceoßbeerenstraße67.

1918.

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;DasVollendefsie eines modernen Hoiels. Dbahnhof,linkerÄusgang.

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Wiener Schloss—llestauranl

Dorothcenstr. 77-78 (imHause schloIZ-I-Iotel) I srslklasslge Wiener Küche I

PilsnerUrquell,sicchcn-Bräu Weine von Paul Eggebrecht

llrestlen - llotel Bellt-Tinte

Weltheksnnles vor-nehmet Islan- rnitallen tells-mästen Neuerungen

Was will klet- Lebensspur-es

crganisation tus- Kekotsm cle- Sich-Finden-?

Der»Lebensbund« bemüht sichmitbeispiellosem Erfolg-seit1914,daszuerfüllen,

wasHunderte grober, ernster Männer derWissenschaft-, Geistliche, Aerzte,sozial-

politiker undMenschenfreiinde,«was Tausende denkender Frauen von derKultur

unserer Zeit-fordern: DieWahl einesLebensgefahrten nicht vornZufall abhängig

zumachen. nichtunter wenigen zutreäen, diegeradedenLebenswog kreuzen,

nicht dieFrauen warten zulassen, biseiner kommt- und sieholt.sondern sich,

alletörichten Vorurteile überwindend, inunbedingte-r XVahruukZvon Takt und

Diskretion gegenseitig zufinden durch gerisnseltiges suchen unter Gleichgesinnten,

ohne anirgendwelche örtliche oderpersönl.Rücksichtnahme gebunden zusein od.

gesellschaftl.Rücksichten zuverletzen. ohnesichsofort jedemFauleremden gegen-

über offenbaren zumiissen u.endlich euch.ohne Zeitzuverlieren. l)er»Lebens-

bund«verlangt keinerlei Vorschub u.Provision, eristkeine gewerbl.Vermitl-«lung, sond.löstdnsschwierigeProblem ineiner lVeise,diealsaüberausgenial«gekenn- zeichnet wurdon.hundertt. höchste Anerkennungen ausallen Kreisen fandl Jeder-,

derdieAbsicht-hat,zuheiraten, ford.vertraut-nur«- vond.»Or Ists-this Lebens-

huncl«,Geschäftsst.u.Adt-esse: C.gerettet-.Veklsgsbuchhglg.,schlieudltz so.

Leipzig, gegen Einsend. von30Pf·dessen hoehinter. Bundesschrlften. Zusend·

erfolgtsof.unauffälliginverschl. Brief. Allerstrengste Vergehn-jeg- wirdzugesich.

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Berlin, den 5.Januar 1918.

7 JW

Don Carlos.

mpariserThåätreAntoine,wodergeistigbehende Spielerund Regisseur Gemier, mitNeinhardts Prosperostab,dieMenge durch Vühnenwunder verblüfft,wird«seiteinpaar Wochenein Berssiück gespielt,demserDichter,Herr Franeois PoreGCden Titel »Les Butors etla Finette» gegeben hat.DieVuiors sindein ausihreKraft,ihre Staatsmaschine,denDrill,dieAbrichtungihrer ILeute und derenFähigkeitzuEinordnunginallgewaltige Orga- nisation höchststolzes Volks ausgeblasen dünkeihasiePedanien, die,vielwissen, vielkönnen,demGenius der-Menschheit aberser-

·-neralsFaustdemErdgeist(der ja nichtimmeraussiehtwieWede- :kinds ewigamScheideweg schassendes Weibchen).Finette:so

nennen dieBürgereines Fabellandes ihrePrinzessinzweilsie

bildhübsch,blitzklugundkätzchenhastkokeitist,»rasendg«ern«tanzt, niesichvonSorgeumwölkenließ,Jedemarglosvertraut undsür Jedeneinzierlich gesormtes,nobel gesaZiesWortinVereitschast hat.Mit so liebenswürdigenGaben istPrinzeßFeinchen nicht etwa vereinzelt.Jn ihrerHeimathsind dieMeistenausähnlichem Stoff. Fröhlichund keck,geistreichund muihig,bis inLeichtsinn sorglosund doch andächtigsterHingebungan eineSachefähig, nochinGezappelgraziös.Nirgendwosonst istdieLust sovollvon Lebensluft,wirddiefreundliche Gewohnheit desDaseinsaus höherschäumendernBechergeschlürst.DrumistFeinchens schöne

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136 DieZukunft-

HeimathdasbeliebtesteFremdenland,dasEden,dem ausallen ZonendienachFreudeoderVergnügenlüsterne Menschheitzu- strömt.EinVutor,ders hört,würdesprechen: »Kennenwir.Ge- zwitschermitFremdenindustrie. AussolchenLändernkommtnie viel’raus. Weder imSinn desWaarenexportesnochsonstwie.

DieSorte hält nicht durch. AmusantbeiTtsch,dann’rausschmei-s ßen,sagteder in GottruhendegroßePreußenkönig(meinte,Herr Dator-,damit aberdenLandsmannPodewils,Minister undBes sitzerdespommerschenGutes Varzin).Diethununsnichtsund find,wenns seinmuß,leicht aufdieKnie zukriegen. Hunde,die solaut bellen, beißen nicht«HerrPorchåistanderer Meinung.

Damit wir denWerthdes Stammes erkennen,zeigterunsdessen feinste Blüthe,denjungen HerrnMiron (demSchöpfersliebeden eigenenVornamen geschenkt hat). Dieser Franc-vis,derschlanke- Sohnfleißiger WinzerundGartenkünstler, gölteselbstinButots- landalsein ganzer Kerl. AllePläne fürdenneuen Schloßbau, dieWasserkunstanlagenundParks sindvon ihmundkönnensich fehen lassen.Schade,daßderhübscheJungeso scheu ist,nirgends zuhaschenundnichtvonzehnSchimmelnin denGlanzdes Hofes zukutschiren.Sind denn,wirklich,allerechtenKünstlersolche Wildlinge,sowunderlichunbequemeZeitgerossen2 Einweihung

derneuen Gärten. Ueber denEinladungen zumHosballsieht

(wieüber denDip’omatennotendesHerrn Trotzkij):»AnAlles- Das ganze Volkist geladen; tanzt aufdemRasen, lagertsich, trinktChampagner. sticheltdieHautderMinister,bejauchzt jeden nicht plumpen Witzundbewundert imInnerstendochAlles,was eshört,sieht, schmeckt,riecht, betaftet. AufderTerrassetanztdie Hofgesellschaftzundwenn Jhr vernehmt, daßdiezweiTanzkreise sich nach zveigrundverschiedenenRhythmen drehen, fällt Euch- wieder Herr Trotzkijein, der,wiezuvorderKollegeundRasse- genosseD’Jsraeli, stets gesagthat,daßinjedemLand, magsnoch so mäkchenfchönaussehen,zweiNationen,Ausbeuter und Aus- geb.-utete,leben.JnunserFabellandsind inzwischendie Butors eingefallen.RursechsMann hochzsürsErste.Hellblond,Mützen, schwarzeKittel,Tabakpfeifen.DerVortrab desBersuchers.Fein- chensmunter schmausendem,tanzendem,schwatzendemVolkwis- pernsiedenRathzu,ihnengleichzuwerden undalsRad sichin dieungeheureMaschineihrerOrganisation einzufügen.DieAnt-

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Dion Carlos-»- 137

wortverschtllltinSpottgelächtenAus dem GewisperwirdGe- brüll,ausdemLachenWuthmnddenVutors,anderenSltzpolster sich schon mancherFuß gymnastischgeübt hat, gingeessch!imm, wenn nichtHerr-Buc,derherzoglicheJntendant,dieHändelsüchs tigentrennte. DemNamen nachmußerwohleinLandsmann des edlenFrancoisMiron sein; ist abereinausgepichter Schuft.Was der berliner Amtsjargon»Radsahrer«nennt: »Auch obenkrum- merRückemnachunten tritter.«EmsigimDienst, einPedant der OrdnungundPünktlichkeit,ohnePhantasie,alsoauchohneMensch- heitgesühlunddrumvon denKleinen,dieerknusftundschindet, längstW dieWolfsschluchtzzwischenHaßundVerachtung, gewor- fen. Und,ZUnächtigemNebenamt, Hoch-sundLandesverräther.

ZuersttuscheltermitdenSechs; dannschleichter,durchs Dunkel, über dendicken,vonuralten Bäumen überbuschtenRasentepplch, zudemFeldmarschalldesButorheeres. Das hatsichganznah bei derResidenzeingegraben. Wie es,unbemerkt, dahinkam?

Fabellandz dasnur diesseitsoderjenseitsvon nüchternerVer- nunft blühenkann.DerFeldmarschallhateinglattrasirtes, blei- ches Gesicht; erkünstelteSteisheit,dieihnWürde dünkt; schwar- zeMützeund grauen Mantel. Aus derHanddesehrenwer- thenHerrnVucempfängterdenVertheidigungsundAufmatschs plandesVolkes,das er,schmählich,überfallenwill.Nochfreut sichs, ahnunglos,seines Lebens. Finettetanztihm,inweißem KleidmitrothemBand und meerblauemUeberwurs,den bukoli- schenNeigenderfriedlichstenSchäferinvor.UnterihremFäßchen (dessengoldenesAbbild ihre Höflinge,wiedie weimarer dasihrer HerzoginAnnaAmalia,alsSchmuckgehängtragenkönnten)dröhnt, plötzlich,dieErde.Kanonendonner. Sturmgeläut.AllesVolkeilt, vom Fest,zu denWaffen;wieausFelsbächleinnach hastigem AbsturzeinStrom, sowirdaus demEiferEinzelnerundihrer SippenrascheinHeer.SehenschwarzgeschleierteMütter bringen selbst ihre Söhne,inebenso langemZueräute,vonderenHaupt hellereFarbe weht, ihreJünglingedemAltar des Vaterlandes.

AusderTragoedienstimmungflattertScherz aufznochüberGräs- tensingt jadieLerche ihr Lied.Dieses Volkweiß(solchesunwider- legliche Wissenwirdaus Gesüh1),daßihm dasgrausesteErleb- niß allerMenschengeschichtenaht,undist, schonimVann der ent- setzendenUeberraschung,zuschwerstemOpfer willig.SeineSpott-

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138 DieZukunft.

lustabernicht lahm. Ueberder-FugedesVerhängnißempfindens vermählt Witz sichdemTrotz.AufScherzsträhnenundLachflöcks chen fallen ThränemDiePrinzefsinist HirnundHerz,wirdGe- wissenundZungedesVolkes. Beschwörtes,alleKräftein den DienstderheiligstenSachezuballenzundberäih,da es mit be- geistetlemSang Verströmt ist,mitdemvon Heimathgefahrent- fchüchtettenFmUGOkschlsgeschehenkönne,zurRettungdes Va- terlandes geschehen müsse.DieBarbaren bracheninfriedliches Land,dessenVertrauensseligkeitinTräumenselbstnichtanKriegs- gefahrdachteundsichfürdenKriegsfalldrumnichtbereitet hat.

AlleZeughäuserleer;unzulänglichesGeschütz.UndderFeind schon Herrderwichtigsten WegeundWälder. Nur einMittel bleibt: OeffnungdergroßenSchleuße.DieUrgewalt unseres Meeres schwemmtdenFeind inTod. DeralteSchleußenmeister Miron hatdenEnkel einst gelehrt,wiemans,noch,wennFein- deslistdenHauptmechanismus zerstörthat,erwirkenkönne.Kostet einMenschenleben.Wasliegtdran?JmMorgengrauwirdFram eoisdieHeimathretten.Wo aberbirgterbisindiesenSchicksals- morgen dasGefäß seinesnun unersetzlichenWissensdemFeind?

Unter denblauenMantelder Prinzessin,derenüber demweißen, rothbebändertenKleidschneeblasses Antlitzmitdem Blickzärt- licherBewunderungsichdemKnienden zuneigt.Derkommtnichtim Grau, nichtimScharlachansZielseinesWillens. Zunah schon und allzu schlau istderFeind.Wie nun dieWellen entzäumen? Einaltes,vondenAhnenererbtes Lied raunte voneinem letzten NothwehrmitteL Doch diesesLiedistvergessen. Nichtganzvon Finette,ders die Amme einst sang.Wenn heiligeDoppelliebe, zu demLand,zu demJüngling,indemdesLandes GeniusFleisch ward,das Gedächtnißbefruchtet,blühtdasLiedwieder auf. Wie wars? «Bringstin derGranitgrottedenFelsbiockins Gleiten...«

Doch Buc, denihrVertrauen noch nichtflieht,brütet neuen Verrath.Derauffluthende ZornderPrinzessinstreckt ihnnieder (mitdemRevolver: imFabelland)undFraneois, dendie Vot- schafterreichthat, bringtdenschwankenFelsblockinsGleitem Erschöpft,besudelt,vonUeberanstrengung wankend,sinkterin denSchoßderholdesten, listenreichstenWärchenprinzessin.Auch dermenschlichgütigsten.JmMondlichtsahenwirsie aufdemTo- tenselddesausdenfeinstenFreuden jähinKrieggerissenenLan-

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Dpn Carlos» «» 139 dessörten aufdem vonFreundundFeind überreichlichgedüng- tenTotenacker dieEinsamefragen,obsie auch sürdengefallenen Feindbeten dürfe,obmüsse.Und ihreAntwort: »Aucherwar,. WieUnsereJungmmmschaftz Soldat; nur, wasPflichtundBe- fehl vorschrieb, hatergethan. UndumdenfernRuhendenweint dieMutter, dieWitwe. DemFreundfielwiedemFeindedas Los UNDgleichWarihr Ende. Schlafetdrum,unter eines Win- desKlass-MFriedeniKriegersehrbegriffmachtdasKind unse- rerVoikssamilie demvonunsererErde angenommenen Sohnzum nah Verwandten. Beide sindvon allenMalen derZeitlichkeitso völliggeläutert,daßinihnenHaßnicht mehrhausenkann.«Jst noch UöthkgizUberichten,daßmitblonder Wähne,ausderTo- paskämmeimSonnenstrahlglitzern,dieMeeresfluth einbrichtz diebarbarischenEinbrecherwegschwemmt,daßFinette sichselbst und.ihres ReichesKrone demRetter,demHeldendesVolkes giebt? Wichtiger,gewiß,lautzubetonen, daßderfastantigonische AusbruchdesWeibheitgefühles,Menschheitbewußtseinsinallen Herzenderandächtig lauschenden Menge Widerhall weckte.Jm Dezember1917inParis. Wichtiger: denn derAufmerkende hat längst verstanden, daßderTitel »La Finette etles Butors« denan- deren (allzu märchenwidrigen) einkapseltunddoch durchschims mern läßt:»La France etles Boches.«DerVallschmuckderPrin- zessimdieTtikolore. Semmelblonde Schwarzkittel: Preußen.

»Piece å clekalso; SchlüsselstückvonderPatriotensorte,die nach1870 wieSchneeglockenunter warmwiederkehrendemSon- nenstrahl aufblühle.Damals Vornier,Coppee,Dekoulede (ein ,BesiegtesRom«brachte,wenn meinGedächtniß nicht trügt,in einer Altweibsrolle denersten Triumph derjungenSarah, die vierzigJahredanachverliebte Jüngferchen spielte);jetzt Porche.

DemimSalop gepacklen Erfolg werdenAndere nachhinken.Der übleBncsollanAlmereybaoderBolo.meinetwegenauchanMalvh oderCaillauxerinnern,dasrettendeWasserandie Marne. SpZel- zeugfür Kinder-Vielleicht istdieLycik frisch(ausdenvierDüften Musset,Lamartine,Hugo,VerlaineläßisichLieblichsfiräftigesde- stillieen)nnd dasVersgehüpffozierlichwie derSchritteinerPutz- macherin,dievomMartyrberg, nacheinermitergrauendenKünst- IEM Undheißen poiiusdurchtostenNacht,in dieWerkstattnieder- steigt.Graziösistdas Volknun mal.Warum abererzählstDuden

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140 DieZukunft.

Inhalt? SchonbeiBornier hießVismarck Attila. DieGattung, von dersechsin eineSchachtelgehen, ist nichtderRede werth.«

ZuderGattung gehörtdieHermannsschlacht.Hutabalso, HerrMagisterlobesam. Auch Varus sollte, nach KleistsWillen,

anVonaparte, diewildeThusnelda an die garnichtzahmeLuise, derLegatan diegalantenOssizierederGroßenArmee erinnern ; und ehediekindhast ihreWahrheitahnendePhantasieRein- hardts nichtdieNheinbundssippe,die Nord- UndSüd-deutschen sammtder trojsieme Allemagnevon vorhundertJahren aus den Fellenundanderem Altgermanenplunder geschälthat,wirddas inallerWeltdichtungeinzige Werkniemals Bolksbesitz.(Kommt auch derUrsBoche nichtheraus,der indemeinen Hermanndoch wohl richtiger,wirklicher, vielleichtnichtganzwiderdesRäthsels Kleists Willen,vor demAuge stehtalsindenVutorsHomunkeln.) Mir war dieLehrsabelaus Finettes Reich heute willkommen, weilichanSchillers »Don Carlos«,dem indiesem Spieljahr vom lautestenErfolgegekröntenDrama,denReiz unddieGefahr sol- chenMaskenspieles zeigenmöchte.Neiz,dermanchmalspätwelkt;

Gefahr,dienur dasKunstwerkbedroht, also nichtdenErfolg.

HinterdünneremSchleier nochalsder»Fiesko«birgtdas Earlosdrama desDichtersAbsichtaus MummereizunddieMas-

.kensind schlechter,nichtmitderSicherheitdestollkühnenSchlaf- wandlers, gewählt.Gianettino roch nacheinemMelosGenuaz Verrina war alsBrutus-Ersatz hinzunehmenHier istkeinHauch Kastiliens.Nichteinerdieser Granden undPriesterschrittjedurch dieLuft,inderCervantes,Belazquez, Goya,Murillo und Tor- quemadawurden.Der neunzigjährigeblindeKardinalsollie wohl demunerbittlich hartenKetzeraustilger Thomas Torquemada ähneln, der alsJudenknäbleinbeschnittenwardundals Altern- derGeneral-anuisitor vonKastilienund Aragonienhieß; ist aber»guteNolle«gebliebenundnur zwischen Leinwänden insei.

nerHeimath.DenDomingo ließinMannheim DalberginJe- suitentrachtaustreten;unddieGründlingeimParterre schmuns zelteneinander zu:»PaterFrankt« So dick war,fastwie imFa- belland desHerrnPorche,derPfahl,der ausMummenschanz

inWirklichkeitdes Vaterlandes wies.Aichtdie ausBelesenheit sentimentalischenMenschennur: auch beinahe alleVorgängewä- ren inPhilipps Spaniens unmöglichgewesen-Affen Geistund

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Don Carlos« 141 KörperausBisionnachzuschasfenund aus dieser Schöpfungeine bestimmten Seelenstand durchleuchtende Handlungwetten zU lassen, hat Schiller garnicht erst versucht.SeinnächstesZielwar:

«Tendenz«(sonannten zwei,dreiAlcnschenaltetdendurchdie ThorederKunstmittelgeschleußtenEinflußinden Strom des po- litisch-gesellschaftlichenLebens);diesollte, »freskoundilluminirt«, injedes Auge sich einfunkeln.JnderWldmung an »den durch- lauchtissten Fürstenund Herrn, HerrnKarlAugust. HerzogzU Sachsen«vettåth solcheAbsichtschonder erste Satz: »Ur-du- geßlichbleibtmir derAbend,wo EureHerzoglicbeDutchlaucht Sichgnädigstherabließen,demunvollkommenenVersuch meiner dramatischen Muse, diesem ErstenAktdesDom Karlos, einige unschätzbareAugenblickezuschenken,TheilnehmerderGefühle zuwerden,in dieich mich wagte,RichtereinesGemäldes zuiein, dasichvonJhresgleichenzuentwersenmirerlaubte.«Deutlicher nochdieV-.iesstelle: »HuderDarstellungderanuisition willich dieprostituirteMenschhsit rächenundihre Schandfleckefürchter- lichandenP-anger stellen.Jch will,und solltemeinCarlos dadurch auch fürs Theater verloren gehen,einerMenschen-M welcheder Dolch derTragoedie bishernur gestreisthat, aufdie Seele stoßen.

Jchwill..Gottbewahre,daßSie mich nicht auslachent« Und dem siebernden Wunsch(dennichtnur Goethe,der»decwirte Nichts Christ«,belächeithä:te),dieanuisitorenins Herzzutreffen, fettet der nicht wenigerwunderlichesichan, dasOpfer dieser schandfleckigenMenschenart,dieMajestät Philipps desZweiten, indenHimmeldesErbarmens zu retten.Die inderRheinischen Thalia erschieneneVorrederuft:,,Wenn diesesTrauerspielschmel- zensoll, so muß es,wiemich deucht, durchdieSituation und den- Charakter Königs Philipp geschehen.AufderWendung,dieman diesem Charakter giebt, ruht vielleichtdasganzeGewichtderTra- goedie.Man erwartet einUngeheuer,sobaldvonPhilippdem ZweitendieRede ist;meinStückfälltzusammen,sobaldman ein solchesdarin findet.Unddoch hoffeich,derGeschichte(Dasheißt:

der Kettevon Begebenheiten)getreu zubleiben. Esmagzwar eingotisches Ansehen haben,wenn sichin denGemäldenPhilipps sundseines Sohnes zwei höchstverschiedeneJasrhunderte an- stoßen;aber mirlag daran, denMenschenzurechtfertigen:und.

skonnteichDaswohlbrsserals durchdenherrschendenGenius sei-

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142 DieZukunft.

ner Zeiten?«Einviertes ZeugnißliefertderBrief,indem,nach- derersten berlinerAuführung,derDichtersagt:»DieSzene(Posas Audienz beiPhilipp)soll gut gespieltundSeiner Majestätdem Dicken sehr ans Herzgegangen sein.Jcherwarte nun alleTage eineVokation nach Berlin,umHertzbergsStellezuübernehmen und denpreußischenStaat zuregiren.«Selbstverspottung2 Mehr im Ton alsindemGefühl, daserkleidet.PolitischeWirkungwar gewollt,derEinfall,einen geistigVedeutenden mTtklingenden Seele zumMinisterzumachen,derZeitKarlAugusts nicht so- fernwieunserer; warum solltediefürMenschheitaufslackernde JugenddeszweitenFriedrichWilhelmzurGesialtungihresPla- nens nicht, stattderWöllner undVischosfwerder,denSchöpfer- desPosaerkiesen?Einerlei. DesDichtersGeständnißläßtnir- gendseineLücke,indieZweifel sicheinilemtnen könnte.Schiller willrichtenundretten; derPriesterschafiAnkläger undUrtheils- vollstreckerwerden,den KönigunddenJnsanten,Jeden auf seine besondere Weise,entschuldigen.Veiden Zweckendieneder wun- dervoll inderMaschinebereitete Gott-Marquis vonPosa,Rit- ter desMalteserordens.Geschichte istdemDichter-,der vierJahre danachals»SchulmeistersürHistorie«auf Jenas Katheder sitzen soll,nun, wieirgendeinemRomanschreiber,vdie KettevonBege- benheiten.«AtheniloszdustloszKette ausgeschmiedetenEliedern, in.denen keinPuls pocht.·-NichtdieSumme allereineZeit,inab- gegrenzterZone, bestimmenden Kräste,diedenIStäristen noch,ge- radeihn oftmitZwirnsfödenzirgendwoanbinden.Nichtdersau- sende Webstuhl,der einerMenschheitlebendigesKleid wirkt.

Drangerin denfünf Jahrender ArbeitamCarlos jebis inden DunstkreisderGeschichtevor? Versuchthaters.Jstaberstolz darauf,daßerwedervonFranzosenhaßwiderPhitippnochvon SpaniergrollwiderCarlos sichverleiten ließ;undempfiehktden LeserndieNovelle,ausdererselbstgeschöpfthat.

Einen Sickerborn,dessenStossimsererZunge süßlichschmeckt.

Die»vonGeschichteund vonLiebehandelndeNovelle«,die im letzten Drittel dessiebenzehntenJahrhunderts Abbe SaintsReal aufdenMarkt gebracht hatte.PrinzessinElisabethvonFrankreich istdemspanischenJnsantenverlobt,wirdaber vonP.)ilipp,dem dieKönigin gestorben ist,zuEhebegehrt.Carlos mußsie,mitden FürstenvonParma undvon Eboli, einholen, muß.ihrbisans

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Don Carlose 143

ZielderReisenahbleiben;empfindet tiefer nochalszuvot,was ihmgenommen wardsbekenntseineLiebe,wirderhört,dochinden Schranken strengerSitte gehalten.Widerstandlosläßtersichin dumpfe,zuThatNichtküstkge»Schwachheitund Melancholie«·«

gleitennndvereinsamtimHosprunkzsäumt,wenn ersprechenmuß, nichtdieZungeund wirddemKönigundzugleichderHeiligen anuisition verdächtigt.Philippschicktdenseinerzweiten Eheund seiner MonarchieLästigenaus dieHochschulevonAlkala.Wilder Ritt,Sturz,Wunde,diedasLebenzugefährdenscheint; letzter- Gruß,denPviap desPrinzenFreund, nach Madrid bringt,an diegeliebte Königin.Dieglaubt,einem Sterben den zuschreiben, unddämmtihrGefühl nichtlänger.Bald danachistderdurchdas GlückseinerLiebe,·durchdasHeilkkautneu sprossenderhoffnung genesene PrinzWiederamHofVonzweiSeiten ballt sichGewitter.

Ebolis vonBrunstundEhrgeiz gekttzelteFrausinntdemPrinzen,-, derihren Leib nicht nahm, Rache;undRuhGomez,Fürstvon Eboli, hatdasOhrdesKönigs. BlamischeEdlebeschwören,im Bund mitderKönigin (diedenUngestümen entfernenundbe- schäftigenmöchte),denPrinzem das Amt des Statthalters in Fiandernzu erbitten und dieProvinzen vomDruckspanischerEr- oberergewaltzubefreiem Elisabeths freundschaftlich innigerBeri- kehr mitPosa,dem Boten drängenderLiebe,wirdvonMißtrauen bespäht; und daderMalteser imTurnierfürdieFarbender Kö- nigingefochtemgesiegt hat, läßtihn dereifersüchtigeKönignachts, aufderStraße, meucheln. Nach Brüssel schickterAlba, nichtden Jnsantemder flehendumdas Amtwarb. Muß gegendiesenBaier, derihmdieBraut nahm,denFreund tötete,diePfortezuwohl-- thätigerArbeitverriegelt, sichder ArmdesSohnesnichtwaffnen?

Carlos willfort,dasHauptderAufrührerwerden,diedemReich

neuen Sonnenaufgang ersehnen,willsichPhilippsFeindenver-

bünden.Dle WachsamkeitdesPostmeisters Taxisentschleiertden.

Anschlag. Don Carlos wirdverhaftet, deranuisitiou ausge- liefert;durchschneidetimBad sichdieAdern undküßtmitdem letztenBlicknochdasBildnis,dasihmElisabethgab. Auch sie stirbt;und derLeser soll vermuthen, daß der Königselbstoder, unter seines Auges Wink,eineisernder Diener dasAmt der Parzeansich gerissen habe.DieFürstinEboliaber,die denSohn nichtzuhalten vermochte,fängtimNetzihrerReizedenVater.

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144 Die Zukunft-

JmBuchderGeschichte(dem, freilich,blindzutrauen,das Spektakel unserer Zeiteindringlicheralsjeeinswarnt)stehtes anders. Philipp, derkleine,schmächtig,doch sein gebaute Sohn Karls desFünfteU-wirdalsSechzehnjährigerMarien vonPor- tugal vermählt,dieihmimzweiten Ehejahrden Knaben Carlos schenkt. (Bergessetnicht:in derZeitdeshäuslich-politischen5a- ders mit demzsanzigjährigenSohn istPhilippAchtunddreißig.

Das erklärt dieEifersuchtdesVaters,desKönigs.) NachMa- riens Tod wirdKöniginMary vonEnglandseineFrau. Als auch sie srühgestorben ist,wirbterumdieHandderjungenBri- tinElisabeth,dieihnTabernicht erhört. (DenKrieggegen sie,in dessen VerlaufSpaniens Armada scheiterte,hatererstdreißig Jahre danachgeführt.Unserhistoriendichterläßtdenalleinüber- lebendenAdmiralMedina Sidonia vonCarlos trösten,derzwei Jahrzehnte zuvor gestorben war.)DasiehtderzwiefachVerwil- wete einBildnifzderPrinzessin Elisabethvon Balois,gegen deren französischeHeinratherseit1556Krieg führt.Sieistdem Jnfanten alsBraut zugedacht;aberderKönigmeint,bessererAbschlußals durch seineHochzeitmitder Prinzessinkönne demKriegnichtwer- den.DesschönenMädchens Antlitz streicheltseinenGeschmack;

nnd erbeschließt(nach Brantömes hübschemAusdruck)»unter demFußdesSohnes dasLenzgraszumähenundsichselbst,nicht einemAnderen,dieersteWohlthatzugewähren.«Elifabeth wird, als Königin Jsabella, seinedritte Frau,gebärt ihmdieJnfantin Klara Eugenieundstirbt nachkaumneunjähriger Ehr. Philipp vermählt sichnocheinmal;an derSchwellederBierzignochein- maleinerdemSohn einstzugesprochenen PrinzessinrderOesters reicherin Anna,einer TochterdeszweitenMaximilian. Seine Wesensartistinsoverschiedenen Farbenwiefast jedesköniglichen Blutes gemalt worden. Das heutebekanntesteBildist wohldas vondemBlamen CharlesdeEosterinseinem kräftig,manchmal rabelaisisch schönen»Ulenspieael«ausgestellte. KaiserKarl fin- det, nachlangem Suchen,denSohnin einem nur vonLukenlicht erhelltenBerschlag.Philippchenhat soebendenzierlich bebenden Leibeinerindischen Aefsinüberholzscheitenlangsam verbrannt.

DasThiergerippe ähnelteiner gewundenen, knolligen Wurzel- aufdemMund ist nochblutigerSchaum, aufdenBackenknochen dieSpurvonThränem JnderEcke kauertderschwarzgekleidete

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Mit endgiltiger Deutlichkeit müssenwirdeshalb nicht nur die Grundsätze, für die wir kämpfen,sondern auchihre bis ins Einzelne greifbare Anwendung ausdie Erdkarte klären.Wir find in

- des rusfischenMarxismus und der Kreuzlinie Bakunins habe ich im dritten Dezemberheft (,Das fahle Pferd «) zu zeigen versucht, Dem weiträumigenGedankenzeughaus Bakunins entnahm

gegen. Und wenn alle Juden in corporc, wenn der ganze Kahal wie eine Berschwörung widerNußland steht unddenBauer aus- saugt: wir sagen kein Wort. Sonst könnten wir ja den

Vergesset nicht, daß der zu KriegAufrusende irgendein Scheusal zeigen, also, wenn er das zu bekriegende Volk ehrt, dessen Re- girer an den unentbehrlichen Pranger schnüren muß;

Mit der Zerstörung belgischer und französischerFreiheit, mit impetialistis scherVergiftung des deutschen Proletariats wollen wir Rußlands Freiheit nicht erkaufen.«Gregorij

FlanktekQ das Gefilde des Jdeals, hat sür alles dei Menschen- seele Zugehökkge gelitten« Jn derZuversicht seines aus dem Qiell keinstek Menschlichkeit geschöpsten Hoffens nimmt es,

Die wird aber gehindert, die Völker werden einander immer noch mehr entfremdet, wenn die Eigenart jedes Volkes mit stolzer Abwehr alles Fremden gepflegtund erhalten wird.Will das