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Die Zukunft, 2. August, Bd. 40.

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Berlin, den 2. August 1902.

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MädchenHandeL

Herr

EmileLoubet,deralsPräsidentderfranzösischenRepublikebenso

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ehrbar, phikistkischundapplaussüchtiggebliebenist,wieersalsBiir- germeistervonMontålimar undalsMinister gewesenwar,hat neulicheine rührendeRede gehalten.ErempfingimElysåedieMitgliederderconte- rence internationale contre la traiizedesblanches, einerSommer- versammlung müßigerDiplomatenundanderer arbeitlosenBeamten,die fest entschlossensind, noch währendderHundstagedenMädchenhandelaus derWelt zuschaffen.HerrLardy,derdieSchweiz inParis vertritt, enthüllte dasZielderBerathungen.Dasneue Delikt,dasvondenUnzucht-und KuppeleiparagraphenderStrafgesetzbüchernicht völlig gedecktscheine, soll kriminalpolitischabgegrenztundalle Staaten sollen aufgefordert werden, esmitFreiheitstrafen,nicht allzu gelinden,zuahnden.DieVerfolgungsoll international seinunddurchErgänzungderdieAuslieferungregelndenGe- setzeundVerträgeerleichtertwerden. »Sie,HerrPräsident,dem dasSchick- salderKleinen undSchwachenimmeramHerzenlag,werdendiehoheBe- deutungdersittlichenPflichtempfinden,derenErfüllungwireiner der inter- essantestenKategorienunter denElendenschulden.«HerrLonbet nickte.

Vielleichtfiel ihmimAugenblicknichtein,wannergezeigthabe,daßihmdas SchicksalderKleinenundSchwachenamHerzenliege;etwa, alserfürdie PanamistenundgegendieEntschleiererdesArton-Schwindels Parteier- griff? Dochdie Wortedes biederenSchweizers klangen schmeichelndins Ohr.Ersei glücklich,sagtederPräsident,eineVersammlung sovorragender Männerbeisichzusehen,undzweiflenichtandemErfolg ihresMühensz

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wieesgelungen sei,denVogelschutzdurchinternationale Abmachungenzu sichern,somüsseesauch gelingen,diezarten Geschöpfezuschützen,nachdenen Habgierdie Krallenausstreckt.EinerührendeRede,die keinemgekrönten HauptSchande gemachthätte.Alssiebeendetwar,wurdefeierlichgefriihstückt.

DiehöchstenVertreter derStaatsgewalt brauchendieWirkungder GesetzeundVerträge,Unter denenihrNamesteht, nichtzu kennen. Und HerrLoubetwarnoch nicht Präsident,sondernnur einDutzendsenator,als 1895 die internationale Vogelschutz-KonferenzinParis tagte. Auchdamals wurden rührendeRedengehaltenundschließlichdieRegirungen aufgefordert, inihrenGebieten dienützlichenVögelzuschützen.Erreicht hat dieserKon- greßebenso wenigwie alleseitfünfzigJahrenunternommenen Versuche;

sogarderzwischenOesterreichundItalien geschlosseneVogelschutzoertrag ist ja unwirksamgeblieben.Dochwird inderhochansehnlichenVersammlung KeinerdenVergleichdesPräsidentenbelächelthaben.Nütztsnicht, soschadets wenigstens nicht; undje größerderKreis Dererwird, diefürdieAusführung derGesetzeverantwortlich sind, desto bequemer für löblicheBehörden,die dannum so leichtereinSchlupflochfinden,dassie lästigerKritikentzieht.

TheilungderVerantwortlichkeit, EntbürdungdesEinzelnen:dieSegen spendendeKraftdieses Grundsatzes liberalerPolitikhabenwiroft schondank- barempfunden. AuchdieehrsameZunftderFrauenfleischexporteurewirdsich seinernun freman Galizien,Ungarn, RumäniensitzteinHebräerpaar,das die BordellederaltenundderneuenWeltmitfrischerWaarein allen Quali- täten undPreislagen versorgt.Esweiß,daßeshart bestraft wird,wennein greifbarer FallansLichtkommt. DenntrotzHerrnLardy reichendieStraf- gesetzbücherzurAhndung solcherNichtswürdigkcitenvollkommenaus.Zwar istinDeutschlandderMädchenhandelkeingesondertes Delikt;aber die EntführungminderjährigerKinder,dieNöthigungzurUnzucht,die Ver- leitungzumVeischlafoder nachderSpruchp1«a-xisdesReichsgerichtes"—

zubeischlafähnlichenHandlungenundalle ArtenderKuppelei sindmitStra- fen bedroht,derenGrenzlinien individualisirendemErmessenweitenSpiel- raum lassen.Ungefährsoistsauchinanderen Staaten undwoesanders ist, sinddie Lückcnleichtauszufüllen.Herr MoischePinkelesundFrauGutchen Veigelstockwissen also Bescheidundseufzen:EinelendesHandwerklWenn sie jetztvondemPlan eines internationalen Feldzuges lesen,werden sie auf- athmen,wie dieChinesen,alsdieFlottenallerweissen VölkerihreMann- schaftinsReichdesHimmelssohnes spien.Diepariser, berliner,wienerPo- lizei,dienichteinmaldieKuppelinseratederihr nächstenZeitungen hindern

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Mädcheiihandel. 179

kann,wirdaufdie Dauer kaumLust spüren,sich sehr eifrigum Dingezu kümmern,für die Brenien oderGenf, MarseilleoderValparaiioderOrt

»derbegangenenThat ist.EinBericht mitSignalement istraschgeschrieben;

MögenAnderesichnun den beamteten Kopf zerbrechen.Kommtnichtsher- aus,dannziehtderPolizeipräsident,Geheimrath, MinisterdieBrauen hoch: Ja,wirhaben unsereSchuldigkeit gethan; ausländische Behörden aberwürden« unsereJngerenznicht dulden. Herr MoischeundFrauGut- chcndürfen ruhig sein,könnenamEnde gar in schlechtenZeitendieGefahren- prämieherabsetzen.Siewerden immerElternfinden,die ihnen Kinderzum Kaufanbieten, immerLadeiiniädelieii, Bonnen Kelliieriii«neiiunter fal chir VorspiegeluiiginBordelleipedtrenMitMi r-.Bntl-r,derFi lireriixdirAbo litioiiisten,könnensiesprechen:»Der HandelmitweinenStta sinnen istdie unvermeidliche FolgederGesetze,deren Wortlaut diePsostitution alseine

offizielleEinrichtung anerkennt; sür diePolizeiistdieProstituirteeineöffeiit lich feile Waare,gegendienichts einzuwenden ist, sobaldderArzt ihreUn- schädlichkeitbescheinigthat.«Undzur Waare gehörtderHändler,wie zur LügederMonogamiedieHeuchlerschutzeinrichtungderProstitution.

DerHandelmitweißenSklavinnen, la traite desblanches: das selbeWortbeidenAbolitionistenundinderpariser Diploinatenversanini- lung.Das ist keinZufall. DieselbeUnkenntnißwirklicherVerhältnisse führtzuden selbenJerthümeiu SeitindenDigestenalsProstituirtedas Weibbezeichnetwurde,daspalam,sinedelectu, pecuniaaccepts-, den Leibpi«eisgiebt,ist,vonAugustinusbisauf Parent-Duchatelet, Ryan, Richelot,Jeannel,bisauf TarnowskijundRudeck, unendlichviel über die Prostitution geschriebenworden; ihr Wesen aber, ihreWurzelundEntwicke- lungscheintheute nochunbekannter als inrnythischechit.DieAbolitionisten, dieihrenNamendenBekäinpfernderNegersklavereientlehnten,glauben,die

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Prostitiitionwerde ganz oderdochzumgrößtenTheilverschwinden,wennsie aufhöre, gesetzlichsanktionirtodergeduldetzusein; alsokeinefittenpolizei- licheUntersuchungkeineDirnenlisten undKontrolbüchermehr,keine Staats- garantie sürdieUnschädlichkeitderFleischwaare. AuchdiepariserVer- sammlung hatte ja überhauptnur einenSinn,wennsie sicheinbildete,durch ExporterschwerungdasAbsatzgebietderProstitutionschmälernzukönnen.Jn

.beidenGruppen giebtsentimentale UnwissenheitdenTonan. Dieseguten MenschenundschlechtenBeobachter meinen, sürdasHeerderkäuflichen Weiber werde dieRekrutenschaarunter demZwang unwiderstehlicherGe- waltzusammengetrieben.An dunklenStraßenecken,denkensie,lauertmit

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einemstarkenGesellendieMegäre,fängtdasargloseOpfer ab, schlepptesin eineHöhleundverschachertesdannaneinenWüstlingoderLupanarpächter.

Dassind ResteromantischerBorstellung,dieaufdemHauptjederHuredie Martyrkrone sah.Diegemeine Wirklichkeitzeigtuns ein anderes Bild.

Schon ParentDuchatelet hat nachgewiesen,daßdieZahlderdurchGewalt oderListin denDirnenstand Gestoßenensehr gering ist. Fälle gewaltsamer Entführungundlistiger Verlockungkommen javorundwerden dannin derPressezumöglichstlangedauernden Sensationen zurechtgezerrt, sind immerhinaberso selten, daßman sienichtalsNormfürdieBeurtheilung einesGewerbesnehmen darf, dasinEuropavonmindestenseinerhalben MillionFrauenbetrieben wird.Nicht äußerer,sondern innererZwang drängt dieMeistenin solcheSchmach.AlsParent sein statistischesMaterialgeordnet unddieNothals Dirnenwerberin erkannthatte, riefer,nacheinemtiefen Seufzer: »WasverdienendennunsereSchneidermädchen,Weißnäherinnen, all dieArmen, denendie NadelBrot schaffensoll?Werihren Lohn,nament- lichden dermittelmäßigbegabten,demderKörperpreisgabevergleicht,wird sichüberdiehoheZifferderinsLasterSinkenden nicht mehrwundern.«Das wurdeumsJahr1830 geschrieben,ehedieIndustrie ihren Siegermarsch begonnenunddieLandmädchenin dieFabriken getrieben hatte; schonda- malswaren von 10000 eingeschriebenenProstituirten 3400 derNähstube entlaufen. Sechzig Jahre späterhörtenwirvomPastor Burckhard, daßeine Näherin füreinDutzendKnopflöcherfünfPfennige, füreinDutzendDamen- hemdeneine, füreinen Damenmantel anderthalbMarkerhielt;unddie ber- linerundwienerFrauenlohnstatistikbrachtenicht tröstlichereKunde. Diese· Zustände KriminalistenkönntensieZustandsverbrechennennen —,dieun- entbehrlicheGrundlageneinererfolgreichenWelthandelspolitiksind,ersparen denKupplern dieAnwendungvonGewaltundArglist.DieMenschenwaare stellt sichfreiwillig ein, mit derselben Willensfreiheit,die denHungern- denin dieLadenkasseoder den Bäckerkorbgreifen läßt.Undist dieNachfrage dennoch stärkerals dasAngebot,danngiebtesstillereMittel: dieausEnt- bindunganstalten, Gefängnissen,Luesspitalen ohne Aussicht aufeineEr- nährungmöglichkeitEntlassenensindleichtgeködert.Undhaben sieerstHand- geldgenommen, so istkein Entrinnen mehr; denndieKupplerin,Bordell- wirthinoderZimmervermietherin sorgt dafür, daß ihrdasMädchen,bei reichlicherKostund billigemBazarluxus,immerverschuldctbleibt.Rettung ausderFrohnkannnur dieLauneeines Verliebten bringen,derseinSchätz- chenfür sichalleinhaben möchteunddiezurAuslösungnöthigenGoldstücke

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Mädchenhandel. 181 hat-Dochauchvondendurch solchenGlückszufallBefreitenkehrtderallergrößte Theilins alteGewerbe,die alteAbhängigkeitzurück.Dennmit derNoth muß. Anlageoder unausrodbare Gewöhnungzusammenwirken,damiteinWeib in dieSchichttaumelt,derYves GuhotdenSteckbriefschrieb:Estprostituåe toutepersonne pour quilesrapports sexuels sontsubordonneås å la questiondegerin. Deshalb istauchderProzentsatzderBekehrtenabschreckend niedrig.Von1932 insAsylderGuardian SocietyAufgenommenenent- schlossensichnur455zu demVersuch, durchArbeitihrBrotzuverdienen, undkeineStatistikverräth,wievieledavon späterwieder offizielleoder Winkelprostitutiontrieben.AusdempetersburgerHausderBarmherzig- keitliefen264von425ProstituirteninsfrühereLebenzurück,trotzdemihnen leidlichbezahlte Stellungen angebotenwaren. AehnlicheErfahrungen hat NochjedesMagdalenenstiftgemacht,derBon Pastqu dieSchöpfungder reuigenMaintcnon,wie dasDirnenasyl,daselfhundert Jahrevorher Theodora,Justinians Ehemetze,amBosporus gebaut hatteunddas—in Skutari,nahbei einem derdürrsten ManöverfclderdesHerrnEduard Sanden

längstzurWohnstätteHeulender Derwischegeworden ist.

DerWahn,derProstitutiondieNährquellenverstopfcnzukönnen, sollteendlichnebenanderen Kinderhoffnungenbestattetwerden. Manhat sieimLaufderJahrhundertegepriesenundverdammt, legalisirtundver- pönt,zuStaatsfesten,zurKurzweil reisender Fürsten herangezogenundin dendunkelstenSchandenwiukcl g,escheucht:sie hatunverwundbar all inihrer Munterkeit fortgclebt.Solongründete Staatsbordelle, HeinrichderAchte triebbeiTrompetenschallalleDirnen ausden londonerLusthäusern,Agora- phoren,Gynaikonomen, Aedilen,adeligeMarschälleüberwachtendiefeilen Weiber,Päpste patronisirten, Päpste ächtetensie, LudwigderHeilige,der dritteHeinrichausdemHauseValois,Maria Theresia wüthctenwidersie mitEisen undFeukrunddet·HoheRathderStadtNiirnberg schenkteihnen inAnerkennungihrer VerdiensteumdassittlicheWohlderGemeinde,das- Bürgerrecht:Allesblieb,HärteundToleranz, unwirksam.DieKuppelei,

vondeneinfachstenFormendeslenocinium bis zu denschwerstenFällen derBeihilfezurFamilienprostitution, ist straflosundmitstrengenStrafen bedroht gewesen:auch hierkein-e umwandelnde Wirkung. JnHamburg,wo es,trotzdemLessingvonseinemSteinsitzin eineLupanarstraßeblickt unddie GoldeneVierzig für jeden Derbytagneu aufgeputzt wird, nach amtlicher VerkündungdesSenatesBordelle nichtgiebt,hatman,wohlumdie nationale Arbeit zuschützen,denJmport ausländischerBajaderenverboten: seitdem

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sinddieZüge nachBremen besserbesetzt.JnBerlinhatman dasHerbergen Prostituirter alsGewährungderGelegenheitzurUnzuchtmitGefängniß- strafe bedroht:ganzeHäuserundhalbeStraßender belebtestenStadttheile sindfastausschließlichvonKontrolmädchen bewohnt; undwenn dieMiether aufdenhohenUn311ck)tzinsverzichten müßten,könntederchlus nichtmehr aufdieSteuerleistungderHausbesitzerrechnen,die aus dieDuldungder DirnenquartiereundAnimirkneipen angewiesensind. Jn England briistet sichMr.Cantmit derunantastbaren SittsamkeitseinesStammes-. Schon 1830 aberhatDr.Talbotfestgestelltdaßin Londonjährlichrundachttausend FrauenundKinderandenFolgenderPros1ituirung sterben;1874 wurde erwiesen, daßin einemeinzigenBordellstetsungefährvierzigMädchenund Knabenim Altervonneun bis achtzethahren zuhabenwaren; undheute findet jederZahlungfähigedortschnell,was erbraucht:trainirte Kinder, fresh girlsundStapelwaare. SogareineeinträglicheKleinindustrie,die mitNadel, FadenundgefälschtenAttestenderDeflorirtenwieder den Markt- werthdervirgojntacta verschafft,istanderThemse entstanden...Und nachsolchenSäkularlehren schwatztman jetztden Völkernvor,das Uebel müsseschwinden,wenn derMädchenhandelalsneues Deliktin dieStraf- gesetzbücheraufgenommenund international verfolgt werde. Jmaller- giinstigstenFallwäre ausdiesemWegdochnurdieAusschaltungdesZwischen- handels,einfreilichsehrzeitgemäßesZiel,zuerreichen.AnWaare wirdsauch dannabernicht fehlen; siekommtaus dendüsterstenTiefenderGesellschaft

dieReichen, sagt Martineau, ahnen nicht,wielangedieBlumen,diesie theuer bezahlen, meist schonvomStiel gepflücktsind undwirdinaus- reichender Menge geliefert werden, so lange nichtElendundLudertrieb, Sehnsucht nach behaglichemLebenundbequemerBrunststillung beseitigt sind.WasinTagenunumschränkterHerrschermachtPäpstenundKaisern, wasdemEifernderReformatorenunddemschlimmstenWirthenderSy- -philis nicht gelang, wirdauchdenLoubet, Lan-byundGenossennichtge- lingen. Klügeralssiewar derDoctor Angelicus,dergelassendasgroße Wort sprach: »Die Prostitution ist fürdieStädte,wasfürdenPalastdie Kloakeist; schließtsie:undimPalastwird derGestankunerträglichsein.«

DiebourgeoisenGewaltensollten sichmit derGewißheitbescheiden,daßdie Kloakeparfuinirtundvonstaatlich besoldetenAerztentontrolirt wird.Wer inso angenehmen Besitzrechtenwohnt,kannsich, auchwenn ihm nichtHu- manitätalsDessertversprochenwird, sorgenlosandenFrühstückstischsetzen.

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Handelsverträgliches 183

Handelsverträgliche5.

Man

wirddenDeutschenimReichdenRuhm nicht schmälerndürfen, daßsieihrenneuen Zolltarifgründlicherörtern. Dem Outsider freilichmagesvorkommen, als ob dieMacht zolltarifarischerKünste einiger- Maßetlüberfchätztwerde. VielleichtistdieZeit nicht mehr fern,wodieun- geahnteEntwickelungderVerkehrsmittel,derindustriellenundkommerziellen Technikalte,sadenscheinigeVertragsnetze sprengen;wo mancher zünftige DiplomatoderHandelsministervor denKönigenderTrustsundvor der OkganisirtenArbeiterschaftabdankenmuß;woman sichwiederaufdienatür- lichenBedingungenderGütererzeugungbesinnt, das Klima unddiephysische undgeistigeKraftderMenschenmitinRechnungzieht;wodie· Stammes- verwandtschaftzurWirthschaftgemeinfchaftwird;wo dasdeutscheVolkdie Handelspolitikseines Reiches nichtin946 Zollpositionenundeinpaarge- schicktgemachten Verträgen erfüllt sieht.Dann wird sichderBlickauch nachdemSüdosten unseres Erdtheiles lenken; aufdiezwölfMillionen deutscherVolksgenossendaunten. UndDeutschlandwirdsich fragen: Jst meinewirthschaftpolitischeMissionindiesemGebietEuropas durchdenVer- tragvom sechsten Dezember1891 erschöpft?

NichturndieErschmeichelungzoll-nndveterinärpolitischerLiebenswürdig- keiten, nichtum Bismarcks ,,wirthschaftlicheTrinkgelder für befreundete Mächte«handeltes sich.Der Kern derösterreichisch:deutschenHandels-- vertragsfragesitzt tiefer. Eskann demDeutschenReichnicht gleichgiltigsein, obanseinersüdlichenGrenzeeineinigesZollgcbietvon 676,446Quadrat- kilometcrnmiteinerBevölkerungvon 47Millionen bestehtoderob dieses GebietimBegriff ist, sichzutheilen. DerwirthschaftlichenTrennungwürde baldauchdiemilitärischefolgen.Der»Monarchieauf Kündigung«wäre endlichgekündigt.DiedurchHerrnvonKoerberundHerrn Kossuthjunjor mit großerKonsequenzindenVordergrundderDiskussiongerückteEr- richtungvonZollschrankenzwischenCisundTrans wärefürdiepolitische Machtstellungderösterreichisch-ungarifchenMonarchie, fürderenmilitärische Leistungfähtgkeitund fürdieDynastieHabsburgLothringenvon unabseh- barenFolgen, eineorientalifche Krisis,ganznahdemHerzen Europas.

DernächsteNachbar,dasDeutscheReich, müßtedieWirkungenderKrisis fühlen.Dieseit einemVierteljahrhundertbewährtenBahnen fürdieöster- reichischePolitikdesDeutschenReicheswären nicht mehr gangbar.Neue Aufgaben,neueZielewürdensich ergeben.

GegenüberdemsichvollziehendenAuflösungprozeßkanndasDeutsche ReicheinedoppelteStellung einnehmen.Eskann dieDinge vorläufiggehen lassen-wiesie gehen,undnach eingetretenerZolltrennung zwischenOefter-

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reichundUngarn danach trachten, sichdieehemaligendeutschenBundesländer Oesterreichs zollpolitischanzugliedern.Das istdasalldeutscheProgramm- DieJdeederZollunion Mitteleuropas hatseit denTagenBrucks anPopu- larität inOesterreich nichtverloren,obwohldienationalpolitischenNeben- gedankendieses wirthschaftlichenProjektes ihre Träger gewechselthaben:einst die k. k.Regirung selbst, heuteweiteSchichtendesVolkes,Trotz lebhafter Gegnerschaftin denKreisenderIndustrie hat sichderWunsch,mit den Brüdern imReicheingemeinsamesWirthschaftgebietzubilden,mehrund mehrvertieft.ErbildetdenHauptsatzdesZukunftprogrammesallerdeutsch- nationalen ParteienunddesWirthschaftprogrammesderAlpenländer.Mit derdurcheineZolltrennung bedingten ErschwerungdesVertriebes öster- reichischerJndustrieprodukte aufdemungarischenMarktwürden dieExistenz- bedingungenvielerFabrikationzweigeinCisleithanienverrückt undunter- graben. SelbstderhöchsteZollschutzkönntedieplötzlicheEinengungdes Absatzgebietesnicht wettmachen.UndsowürdenimLaufderZeitdieBe- strebungenzurVereinigungmit demgroßenund konsumkräftigenreichs-

«

deutschenAbsatzgebietimmerlebhafterenAnklangauchbei denIndustriellen finden.

DiehierskizzirteEntwickelungderDinge beruht aufderVoraus- setzung, daßdiezollunionistischeLiebederOesterreicherimReich Gegenliebe findet. Das EintreffendieserVoraussetzung ist mehralsfraglich.Wenn auchdermachtpolitischeHintergrund,der denfolgerichtigenundunbeugsamen WiderstandBismarcks gegenalleZolleinigungversuchedurchleuchtete,heute fehltoderein andererist, soscheint draußen nachAllem,wasUnsereinerin Erfahrung bringt, irgendwelcheNeigungzu einergroßblickendenAuffassung derösterreichischenDinge dochnur höchstvereinzeltzubestehen.Dann aber rücktfür DeutschlanddieNothwendigkeitheran, sich aufandere Weisemit derKrisisimDonaustaate abzufinden. Diese zweiteMethodebestehtin derEr- haltungdesheutigendualistischenVerhältnisseszwischenOesterreichundUngarn.

Man solltefüglichglauben, daßesdazukeineswegsderEinmengung einesDritten bedürfe, daß vielmehrdie überfünfzigJahreunter demSzepter desselbenMonarchen innerhalb derselben ZollschrankenvereinigtenBruder- staateninersterLinieauf ihr eigenes Wohl bedachtwären. Leideristdie Situation sogründlichverfahren, daßdasmehralsUnwahrscheinlichezum EreignißgewordenundderösterreichischeMinisterpräsident,wieesscheint, unter stiller PatronanzderhöchstenStelle,dasLosungwortderZolltrennung selbst ausgegebenhat. VerschiedeneLandtage, Handelskammcrnunderstaun- licher WeisedieVereinigungen jener Industriellen,dienächstderDynastie inUngarnam Meistenzuverlieren hätten, habendasneue Feldgeschreimit Feueraufgenommen.DieGeistersindgerufen:obman sierechtzeitigwieder loswerden wird? Nicht ohne wesentlicheAenderungin derHaltung Ungarns,

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Handelsverträgliches. l 85 Nichtfüreineoderdieandere Positiondesneuen Zolltarifes,dieihren bleibenden Werth ja doch erst durchdieVerträge empfängt.

JnUngarnwird etwas wenigergedroht, dochdürftedieVolksstimmung demAusgleichkaumminder feindlich seinalsinOesterrcich.Derberüch-- ting§l4= PaktdesGrafen ThunmitHerrnvonSzellausdemJahr1899 ernlöglichtdiesozusagen automatischeintretendeTrennungdesZollgebietes.

Damals wurde als äußerster Termin fürdieErneuerungdesabgelaufenen Zoll-undHandelsbündnissesdasEndedesJahres1907 bestimmt.Wenn DieseFrist abläuft, ,,ohnedaß dieGemeinschaftlichkeitinZollangelegenheiten durchdieGesetzgebungenbeider StaatsgebietederMonarchieüberdiesen Terminhinausverfügtwordenwäre«,dannendet derheute bestehendeRezi- prozitätzuftanddesgemeinsamenZollgebietesnnddasPrivilegiumdergemein- samenBank. Durch bloße NegationderaufdenAbschlußeinesZoll:und Handelsbündnisseshinzielenden Anträge Oesterreichs, durchnur passiven WiderstandkannUngarndieZolltrennungmit Ende des Jahres 1907 erzielen.Essieht soaus, alsobHerrvonSzell dieses fatale Rechtder OptionalseinvielwirksameresDrohmittel gegenüberder Krone undder österreichischenRegirungzugebrauchenversteht,alsesdieenergischenReden desHerrnvonKoerber und diepapiernen ResolutionenderLandtageund industriellenVerbändesind.AberauchdemführendenStaatsmann Ungarns könntepasstren, daß dieöffentlicheMeinung seinesVaterlandes ihmdenWeg zurückzumZollbündnißmitOesterreichversperrt.

Der österreichischenVolksvertretung ist durchdenunerhörtenMiß- brauchdesvierzehnten ParagraphendesStaatsgrundgesetzesdasRückgrat gebrochen.Dasnur füreinzelneFällevorgeseheneNothverordnungrechtdes

§ 14istindenletztenJahren geradezueinSupplementdesparlamentarischen Gesetzgebungrechtesgeworden.WasderReichsrath nicht bewilligt,wirddurch dieMajestätdes§14verordnet. Fast keinGebietderLegislation istver- schont geblieben.DergrößteTheildervom §14getroffenenVerfügungen istinpraktischesLebenübersetztund kannphysischnicht mehrrückgängig gemachtwerden. Steuern sind erhobenundverausgabt. Geldzeichensind eingelöstundeingestampft.Das hatdietraurige Folge, daßandie Wirksam- keit derösterreichischenVerfassungNiemand mehrrechtglaubt.DerWider- standeinesParlamentes, das man stetsbequemdurchden§14ersetzen kann, gilt soviel wienichts.Nun lerntman denWertheiner aufrechten Volksvertretungschätzen,daman sie Ungarn gegenübervermißt.Könnte HerrvonKoerber, wieesHerrvonSzellvermag, aufeinselbstbewußtes Abgeordnetenhauszeigen,dasdem ungarischeneinenösterreichischenWillen entgegenzufetzenvermöchte,dann wäreseineStellung fest. Heuteaberwird jeder Hinweis aufdenetwamöglichenWiderstanddesösterreichischenReichs-

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rathes durchdenGedankenabgeschwächt,daßimärgstenFalleimmer noch der§14dieBolksvertretungbereitwilligablösenwird.

EswäreeinUnrecht,zu übersehen,daßdasJahre lang währende RegimedesNothverordnungrechtesunter denAbgeordnetenselbstverherende Wirkung geübtundinvielen von ihnendasBerantwortlichkeitgefühlaus einsehr geringes Maß beschränkthat. DieHerren Deputirten haben sich

nur zugerninderPosedes unentwegtenVerweigererswohlgefühlt,während siedoch sicherwaren, daßdievon ihnen abgelehnteArbeitder§14ver- richtenwürde.Das Parlament,alsderzumStaatswillen erhobeneVolks- wille,darf sichumdiegroßenAufgaben,die dem Staate dieZeit stellt,unter garkeinemVorwand herumdrücken.AllePolitik bestehtinKompromissew Eine idealeLösungpolitischerProbleme, ohneZurückstellungheißesterWünsche, giebtesnicht.Werin das Staatsleben positiv eingreifen,werNeuesschaffen und vorwärts schreitenwill,Der muß aufdasBessere verzichten, darf manches Unrecht nicht sehen, hat häufigJa zusagen,wodasHerzNein rufenmöchte.EinParlament,dasnicht fähigist, selbstunpopulärscheinende Fragenzubeantworten, scheidet sichaus derMitwirkungam Staatsleben aus. Das ist ungefähr-dieLagedes österreichischenAbgeordnetenhauses.

HinterderRegirung stehtkeineVolksvertretung,die bereitwäre,Abmachungen mitUngarnzugenehmigen. Herrvon Koerber hatwedereinParlament, dessenWiderstandUngarnerschreckenkönnte,nocheins,auf dessenZustimmung Ungarn sich verlassenkönnte. MitHilfedes§ 14hatman esglücklich dahingebracht, daß,dasösterreichischeAbgeordnetenhausweder eingiltiges Ja nocheingiltigesNein zusagenvermag. Nur einwirklichverbesserter Ausgleich hättedieMacht,dasösterreichischeParlamentmitzureißenund über dentotenPunktzubringen;jedemVerbesserungantragabersetztUngarn einstarkes Quodnon entgegen.

Hiernun dürftederMoment gekommensein,wo einereichsdeutsche Jntervention am Platzwäre. Nichtineiner bevormundenden Formund nichtineinerdieSouverainetätrechtederbeidenStaaten derösterreichisch- ungarischenMonarchiebeeinträchtigendenWeise.Sondern durchdenzwischen demDeutschen ReichundderMonarchieabzufchließendenHandelsvertrag.

DieSouverainetätdervertragschließendenTheile ist unantastbar. Dennoch kanndas Deutsche Reichkraftseiner wirthschaftlichenUeberlegenheitBe- dingungen fürdenAbschlußeinesHandelsvertragesstellen,dieausden Weiterbestandderösterreichisch-ungarischenMonarchie abzielen. Deutschland setztungefährdenzehntenTheil seines Exportes nachOesterreich-Ungarnab, währendvon derösterreichisch-ungarischenAusfuhretwa dieHälfte nach Deutschland geht. Namentlichdasagrarische Ungarnkönnteunmöglichzur selben Zeit aufdasösterreichischeundaufdas deutscheAbsatzgebietverzichten.

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Handelsverträgliches. 187 DiereichsdeutschenPolitiker habenesdaherinderHand, dadurch, daß sie denAbschlußdesneuen Handelsvertragesvon derErfüllung gewisserBe- bingllngenabhängigmachen,denAuflösungprozeßOesterreich-Ungarnszum StillstandzubringenunddenSelbständigkeitgelüstenUngarnseinewirksame Grenzezusetzen, ohne seinerSouverainetät irgendwie nahzutreten und the diewohlverstandenen wirthschaftlichenInteressen dieses aufstrebenden Landesselbst irgendwiezuverletzen.Denn esisteineUtopie,wenn man

jenseitsderLeitha glaubtoderzuglauben vorgiebt,man könne imZeitalter desWeltverkehresund der handelspolitischenKommassationeneinkleines, selbstgenügsamesunddennochindustrielles UngarnmitZollschutzundZoll- kriegaufpäppeln.

VonwelcherArtwären nun dieseBedingungen?Eskannsichdabei nur um Dinge handeln,dienachalterGewohnheit durcheinenHandels- vertrag geregeltwerdenunddieinsbesondereauchdaswirthschaftlicheInteresse desDeutschenReiches berühren-.-

Einsehr lebhafter Konflikt zwischenCis-undTransleithanien besteht imGebietderVeterinärfrage. OesterreichwilleineGrenzkontrole,Ungarn bat1899 dieGiltigkeitderungarischen thierärztlichenZeugnisse auch für das österreichischeGebiet durchgesetzt.Der zwischendemDeutschen Reich undOesterreich-Ungarn,zuerneuernde Handelsvertragwird voraussichtlich eineAusgestaltungderVeterinärkonvention in dem Sinn bringen,daß eine auf wissenschaftlicherBasis beruhende Grenzkontroleunter Mitwirkungder interessirtenStaaten eingeführtwird. KeinStaat soll gehalten sein,krankes ViehdieGrenze überschreitenzulassen.AberjederStaat sollindembe- stimmtenFall sichmitwissenschaftlicherObjektivitätdieUeberzeugungver- schaffenkönnen,daßderbeanstandeteTransport wirklich verseuchtwar. Es gehörtnichtvieljuristischeBaukunst dazu,um in diezwischendemDeutschen ReichundOesterreich-Ungarn abzuschließendeVeterinärkonventionauchdie AnordnungderGrenzkontrole zwischenOesterreichundUngarneinzufügen.

Ein weiterer PunktbetrifftdieGiltigkeitdauerdesVertragesund derenZusammenhangmitderDauerdesösterreichisch-ungarischenZoll:und Handelsbündnisses.Jn früherenPerioden sieldieGiltigkeitdauerbeider Vertragsverhältnissenicht zusammen.DerFortbestandderHandelsverträge mitdemZollauslandwar einAnsporn,das inzwischenabgelaufene öster- reichisch-ungarischeinterneZoll-undHandelsbündnißzuerneuern, weiljeder derbeidenStaaten derMonarchie durchdenAbschlußderHandelsverträge mitdemZollauslandgewissermaßenauchdieGarantie fürdenWeiterbestand desösterreichisch-ungarischenZollgebietes währendderHandelsvertragsdauer auf sichgenommen hatte.Bei denbevorstehendenVerhandlungenwirdes dieAufgabedesDeutschenReiches sein,dieFragezustellen, aufwielange

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Dem Kriegsgerichterster Instanz ist der Freispruch, der das Ver- brechenungesühntließ und die Ermittelungmethode aller an der Vorunter- suchungBetheiligten einer im Heer stets

Dividende aber wird nicht vertheilt. Den dortmunder Herren ist eine geschickte Grnppirnng der Ziffern wohl zuzutraueu; aber sie müssensich, seufzend, zu dem Geständniß bequemen,

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Unter diesemGesichtspunktstellt sichauch die Aufgabe der Ergänzung Schlegels anders. Für die etwa zehn späteren Stücke, namentlich die großen TragoedienOthello, Macbeth, Lear,