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Unterrichtsblätter für Mathematik und Naturwissenschaften, Jg. 18, No. 8

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Jah rgan g X V III. 1912. No. 8.

U nterrichtsblätter

für

Mathematik und Naturwissenschaften.

Organ des Vereins zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts.

B egründet u n ter M itwirkung von B ernhard S ch w alb e und F ried rich P ietzk er,

von diesem geleitet bis 1909, zurzeit herausgegeben von

Prof. Dr. A . Thaer,

Direktor der Oberrealschule vor dem Holstentore in Hamburg.

V e r l a g v o n O t t o S a l l e i n B e r l i n W. 5 7.

Redaktion: A lle fü r die R e d a k tio n bestim m ten M itteilungen und S endungen w erden n u r an die Adresse des D ir. T h a e r , H am b u rg 36, erbeten.

Verein: A nm eldungen und B e itrag szah lu n g en fü r den V erein (6 Mk. Ja h re sb e itra g ) sind an den Schatzm eister, P rofessor P r e s l o r in H annover, K ön ig sw o rth erstraß o 47, zu rich ten .

Verlag: D er B e z u g s p r e i s fü r den J a h rg a n g von 8 N um m ern ist 4 M ark, fü r einzelne N um m ern 60 P f. Die V erein sm it­

g lied er e rh a lte n die Z e itsc h rift u n e n tg e ltlic h ; frü h e re J a h r ­ g änge sind d urch d en Y erlag bez. eine B u c h h d lg . zu beziehen.

A n z e i g e n k o ste n 2 5 P f. fü rd ie 3 -g e sp . N o n p ar.-Z eile; bei A ufgabe h a lb e ro d . g a n z e r S eiten, sow ie hei W ied erh o lu n g en E rm äß ig u n g . — B e ü ag eg eb ü h ren n ach U eb erein k u n ft.

Nachdruck der einzelnen Artikel ist, wenn überhaupt nicht besonders ausgenommen, nur mit g e n a u e r Angabe der Quelle und mit der Verpflichtung der Einsendung eines Belegexemplars an den Verlag gestattet.

I n h a l t : Die beiden W ege zur A b leitu n g der barom etrischen H öhenform el. Von P rof. Dr. E m i l S c h u l z e in B erlin (S. 141). — D ie W irkungen des R adium s au f den O rganismus. V on Dr. V. F r a n z in Cron- berg i. T. (S. 143). — lie b e r T alsperrcnplaukton. V on Dr. ph.il. G e o r g S c h n e i d e r in F u ld a a.

d. R hön (S. 146). — Die anschaulich-geom etrische M ethode der Q uadratw urzelausziehung. V on Dr.

R . H u n g e r in D resden (S. 151). — Z um euklidischen Beweis des pythagoreischen L ehrsatzes. Von O berlehrer M. L i n n i c h in K iel (S. 152). — G oniom etrische Gleichungen. Von O berlehrer H . M i l z in M ünchen - G ladbach (S. 153). — Das Foucaultsche Pendel. V on D r. G. B e r k h a n in H am burg (S. 154). — K leinere M itteilungen (S. 155). — B ücherbesprechungen (S. 155). — Z u r B esprechung ein­

getroffene B ücher (S. 160). — A nzeigen.

D ie b eid en "Wege zu r A b leitu n g der b a rom etrisch en H öh en form el.

V on P rof. Dr. E m i l S c h u l z e (Berlin).

Zur Ableitung der barometrischen Höhen­

formel denkt man sich bekanntlich eine vom Erdboden bis zur Oberfläche des Luftmeeres reichende Luftsäule in Schichten zerlegt. Ohne Hilfe der Infinitesimalrechnung kann das Ziel auf zwei W egen erreicht w erden: man setzt alle Schichten entweder von gleichem Volumen oder von gleichem Gewicht voraus. Obgleich beide W ege gangbar sind, wird im U nterricht nur der erste W eg beschritten, und doch hat, wie hier näher ausgeführt werden soll, auch der zweite W eg seine Vorzüge.

Zunächst soll die Lösung m it Hilfe der Infini­

tesim alrechnung herbeigeführt werden. Irgend­

eine der Luftschichten habe die Höhe dh, das Gewicht dq und das spezifische Gewicht s; in der Höhe dieser Schicht sei der Barom eter­

stand

b,

in der nächsthöheren sei er um

d b

verringert. H at die Schicht den Q uerschnitt /', so ist dq = s ■

f • dir, andererseits ist dq gleich

dem Gewicht einer Quecksilbersäule vom Quer­

schnitt

f

und der Höhe db, und daher ist

d q — o - f ' d b ,

wo a das spezifische Gewicht des Quecksilbers ist. Nach dem M ariotteschen

b s

Gesetz ist — = —, wo ?)0 = 760 mm und s0

’’o s o

B arom eterstand und spezifisches Gewicht der

Luft am Erdboden seien. Aus den drei Glei­

chungen ergibt sich

1) dh = ^ f und daher 2) h = • / ’

«o b So b°h b

3 ) 7( = A ■ (log b0 — log bh), w o A = ° p - is t.

1 ' u i u - l o g e

Der Gang der Untersuchung hat gezeigt, daß bei Verwendung der Infinitesimalrechnung die Höhenformel gefunden worden ist, ohne daß über die Höhe oder das Gewicht der Schichten eine bestimmte Annahme gemacht worden ist.

Schlagen w ir je tz t denselben Gang ein, ver­

zichten aber auf die Hilfe der Infinitesimalrech­

nung, so gelangen wir zu der der Gleichung 2) entsprechenden Summenformel

f l — fl

4) ]i — ° h° ^ V - ‘ ~ V _

^0 bn

f l = 1

o - b 0 (bi, — \ — bi, . b/i-2 — b h -i . 5(1 — 6A

~ % v b„ + b . - t + " ' h y

Die Summierung der Reihe gelingt ziemlich leicht bei der Annahme, daß alle Schichten gleiches Gewicht haben, denn in diesem Fall sind die Differenzen b0 — bv bi — b.2, ■ ■ ■ gleich groß gemäß der Gleichung =

Haben die Schichten dagegen gleiches Volumen,

so sind die Differenzen von ungleicher Größe,

und daher gelingt die Summierung nicht, w ir

kommen auf diesem W ege zunächst nicht weiter.

(2)

'S. 142.

Un t e r r i c h t s b l ä t t e r.

Jahrg. XVIII. No. 8.

W ir verfolgen je tz t den neuen Weg.

setzen

W ir

¿0 — — b^ — ¿o — *

so ist

5a — 1 — ¿A + ¿A — 2 = à/i 2 (f, b„

■d,

W ir führen noch

: n

, bp — bh + h d‘

ein und erhalten

5) h^ Q - b p / 1 s0 \ n

1

+ •

— \

h — l j

\ n » . + 1 n + h

Damit wir die D ichte in einer Schicht als konstant ansehen können, müssen wir d äußerst klein, also n ungeheuer groß annehmen. Nun gilt für ein sehr großes z annähernd die Gleichung

l (s + 1) — l {z) = i , denn

f(* + l) ..

Hiernach ist annähernd

n l (n + 3) — l (n + 2)

l ( n + 2) ~ / ( « + !) = 1

' n + 1’

’ « +

l ( n + h ) - l ( n + h — 1):

>i + li — 1

Addieren w ir diese Gleichungen, so ist

1

» + 1

+ •

'& ) ■ loge

--l<,n+h) — l{n) = l

(log b0 — log bh).

« + h

Setzen wir den gefundenen W ert in Gleichung 5) ein, so lautet die Endformel

6) h = A - (log ¿>0 — log Sa), wo A-

a ■ b„

s0 log e ist.

Die Gleichungen 3) und 6) stimmen genau über­

ein. Hiernach ist uns auch ohne Hilfe der In ­ tegralrechnung durch Einhalten desselben Ganges wie bei deren Verwendung die Ableitung der barometrischen Höhenformel gelungen, allerdings nur unter der Annahme, daß die Schichten gleiches Gewicht haben, während wir bei der Annahme, daß die Schichten gleiches Volumen, bezw. gleiche Höhe haben, diesen Gang nicht einhalten konnten. Doch gelangen w ir bekannt­

lich auch hier zum Ziele, wenn wir die Glei­

chung 1)

A h - . o - b p b fi -

«o °(l

auf die Form b/i — k • bn

- 1

bringen und hieraus die Gleichung bh = ä* • b0 ableiten, so daß wir erhalten

7 ) ä= J 3 - ( lo g i0

logÄ,,), wo B- A h ist.

Von den Konstanten A und B der Gleichungen 6) und 7) gibt die Konstante

o ■ bn 13,597 • 76

; cm =

18 406 m Sp ■ log c 0,001293 • 0,4343

den genauen W e rt an, während der W ert für die Konstante B nur ein angenäherter ist und

m it dem von A um so genauer übereinstimmt, je kleiner wir A h wählen. W ir erkennen das,

wenn wir den Ausdruck für B umformen:

B = 1 _

log{l + so-Iog ( x +

= lim

¿ \ A — 0 S o • e

Nach der Definition von c nähert sich der W ert von B um so mehr dem von A, je größer

^

.

7. Q

wird. Da —• • b0 fast gleich 8000 m ist, s0 */\h

so genügt schon die in den meisten Lehrbüchern

gem achte Annahme A A = 1 m, um für B einen W ert zu erhalten, der dem von A sehr nahe kommt.

Im Vorhergehenden ist die Höhenformel 6) bezw. 7) auf zwei ganz verschiedenen W egen erm ittelt worden. Beide W ege besitzen ihre Vorzüge. D er alte im U nterricht ausschließlich verfolgte W eg fü h rt etwas schneller als der neue zum Ziel und erfordert geringere m athe­

matische Vorkenntnisse; unterw egs findet man das hübsche Sätzchen: „W enn die Höhen in arithm etischer Reihe wachsen, nehmen die B aro­

m eterstände in geom etrischer Reihe ab “.

Der Vorzug des neuen W eges besteht darin, daß wir das Ziel vom ersten S chritt an vor uns haben und beim Fortschreiten nicht aus dem Auge verlieren. An die Spitze der U nter­

suchung stellen wir die Gleichung

/( = + • • • + 5a,

wo (5.,, • • • die Höhen der Schichten bedeuten, formen den Ausdruck um und gelangen über die Gleichungen 4) und 5) zum Ziel, zur Glei­

chung 6). Auf dem alten W ege ist das Ziel versteckt; ganz unerw artet tr itt die Höhe als Exponent einer Potenz auf (bh — kh • b0) und diesem glücklichen Zufall ist die Auffindung der Höhenformel zu danken. Meines Erachtens ist der Vorzug des neuen W eges vor dem alten, das planmäßige Vorgehen, so groß, daß die Schüler, die die m athem atischen Vorkenntnisse dazu haben, den neuen W eg geführt werden m üßten; das vorhin erwähnte Sätzchen läß t sich hinterher aus der Endformel leicht ableiten.

Haben die Schüler hinreichende Kenntnisse in der Integralrechnung, so ist es natürlich am zweckm äßigsten, die Höhenformel m it ihrer Hilfe zu gewinnen.

Uebrigens finden w ir auf dem neuen W ege ebenfalls ein Sätzchen. Aus der. Gleichung 1)

a ■ b0 • A b 1 A h =

' b

«o

folgt der S a tz : W enn die Barom eterstände in

arithm etischer Reihe abnehmen, so sind die

Höhenzunahmen um gekehrt proportional den

Barometerständen. Beispielsweise müssen w ir

an der Meeresküste bekanntlich 10,5 m hoch

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1912. No. 8.

Di e Wi r k u n g e n d e s Ra d i u m s aUF d e n Or g a n i s m u s.

S. 14.8.

steigen, um ein Sinken des Barometers um 1 mm zu erreichen; nach obigem Satze müssen wir an einem Ort, wo 'd e r Barom eterstand 600 mm beträgt, - 10,5 m hoch steigen, damit das Barom eter ebenfalls um 1 mm sinkt.

Zum Schluß sei bemerkt, daß der im Vor­

hergehenden als „neuer W eg“ bezeichnete W eg in W irklichkeit der ältere ist, denn er is t schon von M a r i o t t e 1678 beschritten worden, wie ich erst hinterher, als ich diesen Aufsatz schon eingereicht hatte, gefunden habe. Nur inso­

fern als der W eg „im U nterricht“ noch unbe­

gangen ist, darf er als neu bezeichnet werden.

Die von M a r i o t t e aufgestellte Formel ist sehr ungenau und praktisch nicht verwendbar, haupt­

sächlich deshalb, weil ihm die Summierung der Höhen der einzelnen Schichten nur unvollkommen gelungen ist. Die je tz t im U nterricht übliche Ableitung rü h rt von D e l u c (1762) her; sie brachte die von M a r i o t t e in Vergessenheit.

D ie W irk u n gen d es R adiu m s a u f den O rganism us.

Von Dr. V . F r a n z (C ronberg i. T.)

Die Tatsache, daß das Radium m it seinen verschiedenartigen Strahlen sehr ungleiche, oft scheinbar launenhafte W irkungen auf lebende Gewebe ausübt, dürfte der Anlaß dafür sein, daß Biologen sich m it diesen Einwirkungen bis je tz t weniger beschäftigt haben als Mediziner;

für den A rzt war die Hoffnung auf praktisch verw ertbare Resultate stets ein neuer Antrieb zu Untersuchungen über die W irkungen dieser merkwürdigen Substanz, und manches Ergebnis ist auch bereits auf dem Gebiete der Radium- Heilkunde (Radium-Therapie) gewonnen worden.

Beim Mediziner müssen w ir daher zu Rate gehen, wenn wrir nach einer abgerundeten Darstellung der Ergebnisse mit Radiumwirkung fahnden, und hierzu dürfte Gelegenheit gegeben sein in dem soeben erschienenen „Grundriß derR adium - Therapieund der biologischen Radiumforschung“*) von S. L o e w e n t h a l , einem A rzte, welcher unter den Radiumforschern in der ersten Reihe steht. W ir wollen im Folgenden aus diesem W erke einiges über die biologischen W irkungen der radioaktiven Substanzen herausgreifen, zuvor aber .noch kurz die N atur der verschiedenen Strahlungen ins Gedächtnis zurückrufen.

Das Radium sendet bekanntlich unter schwacher Licht- und W ärm eentw icklung drei Arten von unsichtbaren S t r a h l e n a u s , die a-Strahlen, die /9-Strahlen und die

7

-Strahlen.

Die erstgenannten sind die am wenigsten durch­

dringenden , ihre In ten sität wird schon durch dünne Luftschichten wesentlich geschwächt,

*) W iesbaden, B ergm ann 1912. 255 Seiten.

und durch dickere bezw. durch ein äusserst dünnes Aluminiumblatt werden sie bereits völlig absorbiert. Sie bestehen aus positiv geladenen Atomen des Elements Helium.

Die ß-Strahlen dagegen bestehen lediglich aus negativ geladenen E lek tro n e n , sind viel durchdringender und werden durch einen Magneten in viel stärkerem Grade und nach entgegen­

gesetzter R ichtung als die vorigen abgelenkt.

Die ^-Strahlen endlich sind die am stärksten durchdringenden; im magnetischen Felde werden sie im Gegensatz zu den beiden vorigen nicht beeinflußt, ebenso wenig durch elektrische Kräfte.

Diese Umstände im Verein m it ihrem ausser­

ordentlichen Durchdringungsvermögen lassen annehm en, daß die ¡¡'-Strahlen nicht aus ab­

geschleuderten m ateriellen Teilchen bestehen, sondern ähnlich den Röntgenstrahlen aus un­

regelmäßigen Impulsen des Aethers.

Außer diesen drei Strahlungen im eigent­

lichen Sinne sendet jedoch das- Radium noch eine sogenannte „ E m a n a t i o n “ aus, welche ein farbloses, chemisch völlig indifferentes Gas ist, das die Eigenschaften des Radiums hat, sich in ein Glasgefäß einschließen läßt, in andere Gase oder Flüssigkeiten hineindiffundiert usw.

Diese radioaktiven W irkungen gehen vom Radium und seinen Verbindungen aus, ähnliche, größtenteils schwächere von verwandten Metallen wie dem Thorium und dem Aktinium. Das Polonium, von welchem man oft hört, geht gleich manchen anderen Substanzen aus der Radium­

emanation durch bestimmte Umwandelungen hervor.

W as nun die W irkungen des Radiums und zunächst der S t r a h l u n g e n desselben auf O r g a n i s m e n betrifft, so sind diese, wie schon gesagt, sehr verschiedener Art, sie können nämlich je nach dem Stärkegrade d i e g a n z e S k a l a d e r R e i z w i r k u n g e n v o n d e r A n r e g u n g u n d E r h ö h u n g d e s S t o f f w e c h s e l s u n d d e r L e b e n s f u n k t i o n e n bi s zu s c h w a c h e n u n d s t a r k e n S c h ä d i g u n g e n , j a b i s z u m T o d e d e r b e e i n f l u ß t e n O r g a n i s m e n o d e r G e w e b e d u r c h l a u f e n . Die Unterschiede der W irkung hängen teils natürlich von der Stärke der angewandten Dosis, teils von dem unterschiedlichen Verhalten der einzelnen Gewebs- arten ab. Von diesen allgemeinen Gesichts­

punkten aus sind die im Folgenden spezieller zu besprechenden beobachteten Tatsachen auf­

zufassen.

Da erwähnen wir zunächst noch im Anschluß an eine jü n g st erschienene A rbeit von M o lisc h * ), daß im November- oder Dezembermonat die noch schlummernden Endknospen von Flieder­

zweigen und einigen anderen P f l a n z e n (Tulpen-

*) H . M olisch: U eber das T reiben von Pflanzen m ittels R adium . Sitzungsberichte der W iener A kadem ie der W issenschaften, 1912.

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S. 144. Ü N TEItR lC H TSB LÄ TTEIt.

Jahrg. X V Ill. No. 8.

bäum , Pim pernuß) — doch längst nicht bei allen zum Versuche verwandten Arten — durch eintägige Bestrahlung m ittels aufgelegter radium­

haltiger Glasröhrchen zum vorzeitigen Austreiben nach einem Monat gebracht werden konnten, daß also die Ruheperiode der Pflanzen, wie der Vergleich mit Kontrollpflanzen zeigte, eine Abkürzung erfuhr, während länger dauernde Bestrahlung hemmend, schädigend oder gar tötend auf die Pflanze wirkte.

In anderweitigen Versuchen sind bestrahlte Pflanzenblätter verw elkt und schließlich ab­

gefallen, und Pflanzensamen, welche in trockenem oder vornehmlich in gequollenem Zustande bestrahlt wurden, kamen nicht zur Auskeimung.

Dagegen wurde bei Vicia faba und Brassica napus zuweilen auch wiederum eine Beschleunigung der Keimung und des W achstums beobachtet.

Nicht minder deutlich sind die Wirkungen der Radiumstrahlung auf B a k t e r i e n ; so wurde m it kräftigen Radium präparaten ein Stillstand im W achstum des Bazillus prodigiosus, des Hervorrufers des Bluthostien-W unders erzielt, bei den Bazillen der Cholera und des Typhus sowie des Milzbrandes sogar eine völlige Ab­

tötung. Zu diesen nur scheinbar sehr erfreulichen Tatsachen muß L o e w e n t h a l vom Standpunkte des Arztes leider bemerken, daß wir von den bakterientötenden W irkungen des Radiums für die praktische Medizin einstweilen nichts zu hoffen haben, weil geringe Dosen wirkungslos, stärkere aber gleichzeitig zerstörend für die Gewebe des menschlichen Körpers sind.

Interessant ist w ohl, daß Radiumstrahlen auch einige G i f t e zu zerstören, d. h. ihrer giftigen Eigenschaften zu berauben vermögen.

Dies gilt sowohl von dem Gift des tollw ütigen H undes, sowie von dem der Cobra (Brillen­

schlange), doch wiederum nur bei hinreichend starker Bestrahlung. Die von den Bakterien gelieferten Gifte (Toxine) scheinen jedoch nach den bisher vorliegenden Untersuchungen, z. B.

am Dipherietoxin, nicht geschädigt zu werden.

Verschiedenartig ist auch die W irkung des Radiums auf die Ferm ente des tierischen Körpers, jene Stoffe, welche, selbst wenn in sehr geringer Menge vorhanden, beliebig große Mengen be­

stimm ter chemischer Verbindungen spalten können.

Eine A ktivierung des F erm entes, eine Be­

schleunigung seiner spaltenden, abbaufördernden W irkung ist insbesondere bei dem autolytischen Ferm ent nachgewiesen worden, dessen T ätigkeit darin besteht, isolierte tote Teile von Organis­

men auch bei Anschluß bakterieller Fäulnis allmählich zu verflüssigen oder zu verdauen, und welches im normalen Leben, wie man an­

nimmt, die Aufgabe haben dürfte, in H unger­

zuständen Eiweißsubstanzen des eigenen Körpers zu verdauen und somit Lebensen ergie zu gewinnen.

Einige der sonstigen Verdauungsfermente, z. B.

das Pepsin unseres Magens und Trypsin der Bauchspeicheldrüse, erwiesen sich unempfindlich für Radium, andere wurden stark geschädigt.

Die Radium strahlung beeinflußt auch — das sei noch hervorgehoben, bevor w ir zum Einfluß auf lebende tierische Gewebe übergehen — das L e c i t i n , die wichtige im Nervensystem, im Eigelb, im Blute und fast allen tierischen Säften in Verbindung m it Eiw eißkörpern vor­

kommende Stickstoffverbindung. Sie zerfällt unter Einwirkung des Radiums und erfährt gleichzeitig dabei eine chemische Veränderung, so daß sie, eingespritzt, im lebenden Organismus die Strahlenreaktion noch „nachahm t.“

Einwirkungen des Radiums auf sich e n t ­ w i c k e l n d e t i e r i s c h e O r g a n i s m e n sind von verschiedenen Forschern angestellt worden.

Die ersten Untersuchungen hierüber stammen von B o h n , welcher an Eiern des Seeigels Strongylocentrotus lividus Störungen der E n t­

wicklung auftreten s a h , wie alsdann auch P e r t h e s an den Eiern des Pferdespulwurms.

In diesen Versuchen wie in den späteren, welche S c h a p e r und B o h n an Fröschen anstellten, war stets eine Hemmung der Entw icklung bald am ganzen Organismus bald an seinen einzelnen Teilen zu bemerken, so daß die verschiedensten Mißbildungen ohne bestimmte Regel auftraten, auch konnte an unbefruchteten Froscheiern die parthenogenetische Entw icklung heryorgerufen werden, in Uebereinstinnnung m it der Annahme R. I l e r t w i g s und zahlreicher anderer Forscher, daß die Befruchtung im wesentlichen auf eine Entw icklungserregung des Eies hinauskomme.

An sich regenerierenden Teilen wurde jedoch wiederum die Hemmung der Lebensvorgänge festgestellt. Auch an befruchteten Hühnereiern wurden durch Bestrahlung Entwicklungsstörungen und Mißbildungen erzielt.

Es ist vielleicht schon bekannt, das O s k a r H e r t w i g unlängst diese Untersuchungen auf breiterer Basis au verschiedenen Amphibien- und Seeigeleiern wieder aufgenommen hat. Er stellte insbesondere fest, daß die stets erst nach einer gewissen Latenzperiode bem erkbareW irkung des Radiums nicht nur je nach dem Entw icklungs­

stadium des Eies verschieden ausfällt, sondern daß, wie Serienschnitte erkennen lassen, zuerst das Zentralnervensystem, dann die Sinnesorgane und dann die M uskulatur geschädigt werden.

Hinreichend lange dauernde (mehrstündige) Be­

strahlung kann somit an Stelle funktionsfähiger Hirn- und Rückenmarksubstanz an deren Stelle nur noch indifferente Rundzellen m it stark ver­

änderten Kernen erscheinen lassen, ja es können, wenn auch noch die Sinnesorgane und die Muskel­

fasern in gleicher Weise unausgebildet bleiben, nerven- und muskellose Monstra entstehen, in denen nur noch die resistenteren vegetativen Ge­

webe, wie Stützgewebe, Gallerte, Deckepithel zu­

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1912. No. 8.

Di e Wi e k u n g e n d e s Ra d i u m s a u f d e n Or g a n i s m u s.

S. 145.

standekommen. — An S p e n n a t o z o e n von See­

igeln war keine Einw irkung einer 24 ständigen B estrahlung m it Radium erkennbar, wohl aber zeigten die m it solchem Samen befruchteten Eier eine verlangsamte Entw icklung und Mißbildung, ganz als ob sie selbst mit Radium bestrahlt worden wären.

Schon aus diesen H ertw ig’schen Versuchen geht deutlich die „elektive“, d. h. auf verschiedene Gewebsarten verschiedene W irkung des Radiums hervor, welche sich denn auch bei Behandlung erwachsener Organismen zeigte.

Auch am f e r t i g e n O r g a n i s m u s ist gerade das Z e n t r a l n e r v e n s y s t e m relativ empfindlich. B estrahlte Mäuse starben nach 3 — 5 Wochen, wobei sie im Gehirn entzündliche Zustände und im Rückenmark degenerative Veränderungen — wahrscheinlich die Folgen überwundener Entzündungen — erkennen ließen.

Aehnliche Wh-kungen rief die Einbringung von kleinen Radium behältern in die Schädelkapsel von Hasen hervor; nicht minder wurden bei Sinnesorganen die Nervenzellen (im Auge) oder die Nervenendigungen (im Ohr) durch Radium­

strahlung zerstört.

Nächst dem Nervengewebe ist das D r ü s e n ­ g e w e b e im allgemeinen stark angreifbar für Radium, wenn auch unter sich m it gi-oßen Ver­

schiedenheiten. W as speziell die G e s c h l e c h t s ­ d r ü s e n betrifft, so übt das Radium auf die Samenfäden des Meerschweinchens — im Gegen­

sätze zu denen der Seeigel, wovon wir oben sprachen — bei dii-ekter B estrahlung oder bei Einw irkung auf den H o d e n des lebenden Tieres deutliche destruktive W irkungen aus, ja es kann der gauze Hoden atrophieren, in welchem Falle die miki'oskopische Untersuchung die Zerstöiuing seiner ganzen feineren Struktur erkennen läßt.

Die N i e r e wird durch Radium bestrahlung geschädigt.

S tarken Schädigungen sind auch die L y m p h - d r l i s e n und die b l u t b e r e i t e n d e n O r g a n e zugänglich, so z. 13. die Mi l z , welche ein besonders wichtiges blutbereitendes Organ in unserem K örper ist.

Bestrahlungen der L e b e r führten zur fettigen Degeneration dieses Oi’ganes, Schleimhaut- und Speicheldrüsen sind m it positivem Erfolge be­

strahlt worden.

Im* ganzen sind Niere, Nebenniere, und M uskeln, Knorpel und Blutgefäße weniger empfindlich als das Nervengewebe und die Mehr­

zahl der Drüsen, relativ unempfindlich dagegen sind die Speicheldrüsen der Mundhöhle und die Bauchspeicheldrüse.

Man sieht, daß diese Ergebnisse über die B estrahlung des fertigen Organismus m it den­

jenigen an Embryonen in großen Zügen über­

einstimmen, daß insbesondere d i e m e h r „ v e g e ­ t a t i v e n “ G e w e b e i m T i e r k ö r p e r i m

a l l g e m e i n e n w e n i g e r u n t e r d e r R a d i u m - s t r a h l u n g l e i d e n al s di e „ a n i m a l i s c h e n “.

Beim Tier und Menschen sind fern er

„AllgemeinWirkungen“ durch R adium bestrahlung bem erkt worden. Die H altung yon Mäusen oder Kaninchen in einem Käfig, an dessen Deckel ca. 30 mg. Radiumbromid befestigt waren, h atte oft baldige M attigkeit, spätere Störungen des Nervensystems, Verlust der H aut­

behaarung, A uftreten von Geschwüren und E r­

löschen des Geschlechtstriebes zur Folge, also eine Vielzahl von Schädigungen, die nach Vor­

stehendem nicht mehr verwundert. Beim Menschen kann nach intensiver Bestrahlung Durchfall, Ei'brechen, tiefe Schlafsucht und rapider K räfte­

verfall eintreten.

W ir haben nun noch die biologischen W irkungen der R adium -E m a n a t i o n zu be­

trachten. Dieses Gas kann zunächst Tiere wie z. B. Mäuse oder Frösche, die es einatmen müssen, regelrecht v e r g i f t e n , außerdem kann es im großen und ganzen ähnliche Ei’scheinungen wie die Strahlung des Radiums hervorrufen — besteht es doch selbst aus Radium bezw. aus radioaktiver Substanz — doch ist infolge seiner viel weniger kondensierten W irkung relativ häufiger die anregende und für das W achstum förderliche Einwirkung auf den Organismus zu bemerken, als bei der direkten Bestrahlung.

So ergab sich beim autolytischen F e rm en t , welches wir schon oben erwähnten, bei Zusatz von Emanation wiederum eine Steigerung seiner W irksam keit; eine solche ergab sich auch, aller­

dings nach anfänglicher Hemm ung, bei dem zuckei-spaltenden „diastatischen“ Ferm ent des S])eichels, bei dem Ferm ent der Bauchspeichel­

drüse usw.

Bei B a k t e r i e n ist wiederum namentlich die tötliche W irkung zu vei-zeichnen, doch ist leider wiederum hinzuzufügen, daß die hierbei wirksame Dosis erst eine viel größere ist, als dem menschlichen Körper zuträglich wäre.

Das W a c h s t u m erwies sich im Gegensätze zu den Versuchen mit R adium strahlung unter der Einwix-kung der Emanation häufiger ge­

fördert, namentlich bei geringen Em anations­

mengen. Es dürfte dies wahrscheinlich im wesentlichen auf der Aktivierung der Ferm ente beruhen.

Beim Menschen wurde u. a. nach m ehr­

stündigem A ufenthalt im Emanatorium ein an­

fänglicher Anstieg der Zahl der w e i ß e n B l u t ­ k ö r p e r c h e n m it darauf folgender, anhaltender Verminderung derselben beobachtet, wobei sich jedoch nicht ohne w eiteres sagen läßt, ob dies für den Organismus etwas ungünstiges oder etwas günstiges bedeutet. Die G e r i n n u n g s ­ f ä h i g k e i t d e s B l u t e s wird durch Inhalation von Radiumemanation, durch geeignete T rink­

kuren oder durch Verabreichung von Emanation

(6)

S. 146.

Un t e r r i c h t s b l ä t t e r.

Jahrg . XVIII. No. 8.

unter die H aut in eklatanter W eise gesteigert.

Auf das H e r z w irk t das Gas vornehmlich im Sinne einer Steigerung der Erw eiterungsphase des Herzschlages. Sehr im ungewissen sind wir noch über die Einw irkung der Radiumemanation auf das N e r v e n s y s t e m , wo am ehesten bei geringeren Konzentrationen eine s c h l a f - m a c h e n d e W irkung, bei gewissen Nerven­

leiden auch eine s c h m e r z s t i l l e n d e W irkung anerkannt werden kann. Andererseits aber gibt es auch einen einwandfreien Fall eines japanischen Soldaten, der nach Verletzung am Beine eine sehr starke Ueberempfindlichkeit der H aut gegen alle möglichen Reize besaß, und bei dem jedesm al durch Annäherung eines Radium präparates m it Sicherheit ein lebhafter Schmerz im Beine erzeugt wurde.

Daß die B e r g k r a n k h e i t nicht nur von der Luftverdünnung, sondern gleichzeitig auch von ihrem Radiumgehalte abhängen mag, kann man vielleicht auf Grund der Tatsache annehmen, daß gewisse Talbildungen und Spalten im Hochgebirge, aus denen zweifellos wie aus der ganzen Erdoberfläche, nur in verstärktem Maße, Radiumemanation ausstrahlt, den Ausbruch der B ergkrankheit begünstigen.

Die naheliegende Frage jedoch, ob die W i t t e r u n g s e m p f i n d u n g e n bei disponier- tenPersonen (Barom etersturzvorhersage,G ewitter­

empfindung usw.) vielleicht sämtlich durch den wechselnden Em anationsgehalt der Atmosphäre zu erklären sind, scheint sich nicht zu bejahen.

Schließlich wäre möglich, daß ein gewisser Radium gehalt unserer Umgebung geradezu für uns und alle Tiere und Pflanzen eine L e b e n s ­ n o t w e n d i g k e i t wäre, geradeso wie dies z. B.

vom Sauerstoff der L uft und vom W asser und vom Salz gilt, und nicht minder vom Eisen, vom Jod, von der Kieselsäure bezw. dem Silicium und manchem anderen absolut lebenswichtigen Elem ent, dessen U nentbehrlichkeit uns erst eine verfeinerte physiologische Forschung kennen gelehrt hat. Ob aber in dieser W eise der gesunde Mensch des Radiums bedarf, ist eine gegenw ärtig sehr schwer zu entscheidende Frage, die natürlich für den Arzt längst nicht das Interesse hat, wie die Frage, in wiew eit dem kranken Organismus durch Radium geholfen werden kann.

U e b e r T a lsp e r r e n p la n k to n .

V ortrag, g e h a lte n a u f d e r 84. V ersam m lung d eu tsch er N a tu r­

fo rsc h e r und A erzte zu M ünster i. W .

V on D r. phil. G e o r g S c h n e i d e r (F ulda a. R hön).

F o r e l bezeichnet als See im w eiteren Sinne „eine allseitig geschlossene, in einer V ertiefu n g des Bodens befindliche, m it dem M eere nicht in d ire k te r K om m uni­

kation stehende stagnierende W asserm asse“. N ach dieser Definition w äre je d e r W assertüm pel ein See im kleinen, da ja die G rößenverhältnisse au ß er acht gelassen sind.

M au h a t deshalb w eiter u n tersch ie d en :

1. „Seen im engeren Sinne, d. h. solche Seen, die eine Z entrale R egion besitzen, in w elcher die Tiefe des W assers genügend g roß ist, um das E indringen der vadalen F lo ra auszuschließen“.

2. „W eiher, das sind Seen von so geringer Tiefe, daß die subm erse vadale F lo ra überall F u ß fasseii kann“.

3. „Süm pfe sind endlich W eiher von so geringer Tiefe, daß sich überall die durch ihre ü b e r den W asser­

spiegel em porreichenden T rieb e ausgezeichnete Sum pf­

flora entw ickeln k an n .“ Dazwischen h a t m an noch M ittelglieder geschaffen, die Scenteiche und die Teichseen.

Nach dieser D efinition müssen w ir die T alsperren als Seen im engeren Sinne bezeichnen. U nd doch finden sich zwischen T alsperre und See eine R eihe eingreifender U nterschiede, die T alsperre stellt einen ganz neuen Typus eines Binnensees dar.

1. Z unächst sind bei beiden die A bflußverhältnisse grundverschieden. E in See h a t stets od er doch in der R egel einen oberflächlichen Abfluß. E ine T alsperre h a t dagegen nur ausnahm sweise zu Z eiten des höchsten W asserstandes ihren Abfluß in der H öhe des W asser­

spiegels ; sie h a t durchw eg ihren A bfluß an d er tiefsten Stelle des W assers, an der Sohle des Sperrenbettes.

„E ine T alsperre ist also ein künstlicher Sec, der aus einem B achlauf durch A ufstauung h in ter einer das T al durchquerenden M auer en tsteh t un d desson Ausfluß n u r kurze Z eit im J a h r e einen oberflächlichen U eberlauf ü b er die M auerkante darstellt, den w eitaus größten Teil des Ja h re s aber w illkürlich zu öffnenden oder zu schließenden, an d er tiefsten Stelle der Mauer befindlichen R oh ren e n tströ m t“. (Landw . Ja h rb ., 1911, S. 538.) In den A bflußverhältnissen liegt also der prinzipielle U nterschied zwischen See und T alsperre u n d „aus diesen verschiedenartigen A bflußverhältnissen lassen sich die gesam ten hydrographischen und hydrobiologischen U nterschiede zwischen T alsperre und natürlichem Seo ableiten.“ (Landw . J a h rb ., 1911, S. 538.)

E in e w eitere E igentüm lichkeit dar T alsperre sind die W asserschw ankungen, die hier bedeutend g rößer sind als im See. Zw eck d er S p erre ist ja die A ufstauung von W asser in der R egenzeit und feuchten Periode, das dann in der trockenen Som m erperiode zur R egu­

lieru n g des u n teren F lußlaufes u nd zur K rafterzeugung w ieder abgelassen w ird. E n d e W in ter und A nfang F rü h ja h r h a t also das W asser den höchsten S ta n d ; von da sinkt der W asserspiegel ständig. D ie Schw ankungs­

größe kann so 15—25 u nd m ehr M eter betragen. I n ­ folge dieser beträchtlichen Schw ankungen kann sich natürlich keine flache U ferschar ausbilden. Bei einem See b leib t d er W asserstand annähernd konstant. Der W ellenschlag trifft das U fer im m er in gleicher H ö h e ; es w ird so m it der Z eit das U fer u n terg rab en und eine B randungshohlkehle bilden. Die untergrabenen E rd - u nd Gesteinsmassen stürzen zuletzt ein und lagern sich auf der Seeböschung ab. D urch dieses fortgesetzte V erfahren w ird sich schließlich eine flache, oft b reite U ferbank ausbilden.

Bei einer T alsperre ist die Bildung einer solchen U ferbank ganz ausgeschlossen. H ie r sin k t der W asser­

spiegel zu schnell und lä ß t so den W ellenschlag nicht genügend auf das U fe r einw irken. „Das Fehlen einer typischen K üstengliederung h a t w iederum äußerst w ichtige F olgen für die F au n a und F lora der T al­

sp erren “ (Landw. J a h rb . 1911, S. 567). Die flache U ferzone ist der S ta n d o rt fü r die W asserpflanzen des U fers. E in en See sehen w ir m eist von einem grünen

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1912. No. 8.

Üb e r Ta l s p e r r e n p l a n k t ó n. S. 147.

G ürtel solcher W asserpflanzen umzogen. In diesen Pflanzenw ucherungen entw ickelt sich eine reiche K lein­

tierw elt, die hier reiche N ah ru n g und Schutz findet.

G erade in der flachen U ferzone entw ickelt sich das reichste pflanzliche u nd tierische Leben, die flache U ferhank ist der produktivste Teil des ganzen See­

beckens. F eh lt aber, wie bei der T alsperre, diese flache Uferzone, so kann sich kein Pflanzenwuchs e n t­

wickeln. M it dem F ehlen der U ferflora fällt auch die reiche U ferfauna fo rt und dam it die prod u k tiv ste Stelle des W asserbeckens. Die sogenannte L ito ralfau n a der Seen fehlt also den Talsperren. „Die gleiche Tierw elt zieht sich vom U fer die B öschung hinab bis in die dunkle Tiefe, L ito ral und Abyssal sind in der T alsperre von fast den gleichen Organismen besiedelt“ (Landw .

S tra n d U ferbank H alde

(— b ed eu tet das u rsp rü n g lic h e Ufer).

Schem a einer Seeküste (nach Forel).

Ja h rb . 1911, S. 566.) Und doch haben auch diese W asserschw ankungen auch w ieder einen günstigen Einfluß auf die Bildung von N ah ru n g ; wir könnten uns j a sonst n ich t den P lanktonreichtum m ancher Sperren erklären. „D er m oderne T eich w irt sucht den E rtra g seiner Fischteiche durch periodische T rockenlegung (das Som m ern der Teiche) künstlich zu h eben“ (Steuer, P lauktonkunde 1910, S. 114). Das w ird in den T al­

sperren auf natürliche W eise durch die großen W asser­

schw ankungen erreicht. Ganze U ferstrecken werden freigolegt; „der Boden tro ck n et aus, L ich t, W ärm e und K älte können auf ihn e in w irk en ; er lockert sich wieder, u n ter der M itw irkung der B akterien w ird er aufgeschlossen u nd von neuem zur B ildung von N ahrung für die O rganism en an g ereg t“ (L and. J a h r b . 1911, S. 570.) A uf den trocken gelegten U ferstrecken en t­

w ickelt sich eine bestim m te F lora, bestehend a u s : G naphalium uliginosum,

Polygonum persicaria, R anunculus flammula, S pergula arvensis u. a.

S teig t der W asserspiegel wieder, so komm en diese Pflanzen alle u n ter W asser, sterben ab, faulen und

„bilden so neue N ahrung fü r die B odentiere der T al­

sp erre“ (Landw . J a h rb . 1911, S. 571).

E ine besondere B edeutung haben diese starken W asserschw ankungen noch fü r das Talsperrenplankton.

E ine R eihe von W assertieren b ild et Dauer- oder W in ter­

eier, welche die fü r erwachsene T iere ungünstigen L ebensbedingungen wie F ro s t und trocknende H itze

überstehen und so die A rt erhalten. H ie rh e r gehören die D aphniden m it ihren sogenannten E phippien. Zu ih rer E ntw ickelung müssen diese E ier aus dem W asser heraus ins Trockene und in den B ereich des Frostes kommen. Bei einem See w irft ein starker W ellengang die E ie r leicht über das flache U fer ins T ro ck en e; die Frühjahrsschnee- und Eisschmelze b rin g t sic w ieder zurück ins Wasser. D ie steilen U ferhänge der T al­

sperren verhindern ein solches V erfahren. H ier bleiben ab er die E ie r beim R ückgang des W assers ganz von selbst auf dem S tran d e h ä n g e n ; im F rü h jah r nim m t sie dann das steigende W asser w ieder auf, nachdem sie durch den F ro st und die K älte des W inters den A nstoß zu ih re r E ntw ickelung erhalten haben.

„V on g rö ß te r B edeutung für die E n tfaltu n g und V erbreitung des P lanktons sind endlich die Strom ver­

hältnisse“ (Steuer, a. a. 0 ., S. 106). A u ß er den im See auftretenden Ström ungen, hervorgerufen durch Einfließen von W asser, durch W inde usw. finden wir bei den Talsperren noch eine ihnen eigentüm liche Ström ung. B ei einem See w erden die oberen W asser­

schichten durch den A usfluß abgeführt, die unteren Schichten bleiben in R uhe. Bei einer T alsperre werden dagegen gerade die unteren Schichten abgelassen, die oberen Schichten stürzen sozusagen ein und wie in einem T ric h te r fließt das W asser ab. Diese eigen­

artigen S tröm ungen geben natürlich dem T alsperren­

w asser eine besondere therm ische S tratifikation, die ja L o z e r o n geradezu verantw ortlich m acht fü r die bio­

logische Schichtung des Planktons. Die Talsperren gehören zu den sogenannten tem perierten S e e n ; aber un ter ihnen nehm en sie in therm ischer B eziehung eine ganz besondere S tellung ein. Im W in ter zeigt die T alsperre gerade wie ein See die verk eh rte therm ische Schichtung. Im F rü h ja h r w erden nun die oberen W asserschichten allm ählich erw ärm t und durch K o n ­ vektionsström ungen zur Tiefe g e fü h rt; es h errscht schließlich in der ganzen W assersäule eine gleichm äßige T em peratur von 4°. Die noch w eiter erw ärm ten oberen S chichten w erden nun n ic h t m eh r in die Tiefe geführt, da sie j a leich ter sind als das T iefenw asser; w ir be­

obachten die d irek te therm ische Stratifikation, oben w ärm er als in der Tiefe. G leichzeitig dam it t r it t die sogenannte S prungschicht auf, die allmählich von der Oberfläche zur T iefe w an d ert; „sie kann auch von w esentlichem Einfluß auf die P lanktonverteilung sein“.

I n einem See können w ir diese S prungschicht oder Therm okline bis zum S pätherbst, j a bis N ovem ber be­

obachten, bis sich die oberen Schichten w ied erab g ek ü h lt haben u n d durch K onvektionsström ungen nach der T iefe g efü h rt w erden, bis die um gekehrte S chichtung w ieder einsetzt“ (Steuer, a. a. 0 .. S. 63). A nders bei der Sperre. H ie r ist die Sprungschicht schon von J u li oder A ugust ab verschw unden; „bei d irek ter S chichtung h errsch t von der Oberfläche bis zur Tiefe ein annähernd gleichm äßiges Tem peraturgefälle, und dam it ist ein prinzipieller U nterschied zwischen dem natürlichen See und der T alsperre gegeben“. (Landw . J a h rb ., 1911, S. 595.) Diese eigenartigen therm ischen V erhältnisse in den T alsperren sind w ieder bed in g t durch die A rt des Abflusses des Talsperrenw assers.

Die unteren Schichten, die in einem See von genügender Tiefe W in te r wie Som m er 4 ° haben, w erden abgeleitet, die oberen Schichten w erden in die T iefe gezogen.

G egenüber den Seen w erden also in den Talsperren im Som m er die w arm en höheren W asserm assen das Tiefenw asser bedeutend erw ärm en, im W in te r dagegen

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S. 148.

ÜNTERRICHTSBLATTER.

Jährg. XVIII. No. 8.

die kalten oberen Schichten eine starke A bkühlung des G rundwassers hervorrufen. Zum V ergleich seien einige Som m ertem peraturen a n g e fü h rt:

H olzm aar (20 m) = 6.1°

G lörtalspcrre (20 m) = 13.5°

O estertalsperre (20 m) = 13.7 0 V ersetalsperro (19 m) = 13.2°.

Im M ärz, also im W in ter 1909, fanden sich T iefen­

tem p eratu ren zwischen 2.5° und 1.7°. W ir können also die therm ischen E igenheiten der T alsperren so zusam m enfassen: „Die in d er T alsperre im F rü h ja h r auftretende Sprungschicht w ird d urch die V ertik al­

ström ungen, die d er Tiefenablaß hervorruft, allmählich hinabgezogen und vernichtet. A uf diese W eise gewinnen die tiefen W asserschichten der Sperre im Som m er eine außerordentlich hoho T e m p e ra tu r; die gleiche U rsache ern ied rig t im W in ter die B odentem peratur bedeutend u n ter 4 ° “. (Landw . J a h rb ., 1911, S. 597.) Diese den Sperren eigentüm liche therm ische S tratifikation, diese eigenartigen T em peraturverhältnisse müssen a b er vor allem auf die vertikale V erb reitu n g des Planktons wirken.

Charakteristisch ist fern er die Zusam m ensetzung der T alsperrenfauna. Im A nschluß an F o r e l haben w ir in einem See folgende R egionen zu u n tersch eid en :

1. „Eine Ufer- oder V adalregion;

2. eine Tiefen-, G rund- oder P ro fu u d a lre g io n ; 3. eine lim netische R egion, die R egion des offenen

W assers, der T um m elplatz des L im noplanktons“, (Steuer, a. a. 0 ., S. 396) je d e m it typischen V er­

tretern .

Ganz anders in der T alsperre. „H ier können w ir w eder von einer eigentlichen U fer-, noch von einer eigent­

lichen T iefenfauna sprechen“ (L andw .Jahrb. 1911, S. 639).

E s sam m eln sich zwar m itu n te r in dem E quisetum - oder B atrachium -R asen der flachen durchsonnten U ferpartien die auch im P lankton frei lebenden Copepoden und D apbniden, Tendipedidenlarven, Schw im m käfer u sw .;

ab er ihre Individuenzahl ist so gering, daß sie gegenüber der o ft stark entw ickelten L ito ralfau n a d er Seen gar n ich t in B etrach t kom m en können. W ir verm issen auch eine eigentliche T iefenfauna; so werden w ir die Tiefen- rhizopoden d er Seen hier vergeblich suchen, vielleicht wegen des M angels an Schlam m ablagerungen in der S perreutiefe. Es sind vielm ehr L itoral, Pelagial und Abyssal, w enigstens im eigentlichen Sperrenbecken, von einer einheitlichen F au n a besiedelt. Diese Fauna stam m t zum großen Teil, das Plankton durchw eg — die Zuflußbäche führen kein Plankton — aus W asser­

becken, die m it d er T alsperre in keiner V erbindung stehen. V on hier sind sie durch passiven T ransport, also durch W inde, V ögel usw. in die S perre geführt w orden. „E s h a t sich also eine T ierw elt in den Sperren angefunden, die aus leicht verschleppbaren F'ormen besteht, aus Form en auch, die eine große A npassungs­

fähigkeit zeigen; T iere kleiner Teiche, j a Pfützen, Tiere langsam fließender Gewässer, haben es verstanden, sich den ganz andersartigen V erhältnissen der Talsperren auzupasssen. Typische Bew ohner g ro ß er Seebecken haben w ir in den S perren noch n ich t gefunden“ (Ber.

d. bot. u. zool. V er. f. R heinl.-W estf. 1909, S. 102/103.) I n dieser A rt d er Besiedelung liegt vielleicht auch die E rk läru n g fü r die m erkw ürdigen V erschiedenheiten im Plankton zwischen den einzelnen S perren. Die geographischen, chem ischen und physikalischen V er­

hältnisse zweier Sperren sind o ft gleich, und doch zeigen beide zur gleichen Jah reszeit o ft ganz verschieden­

artig es P lankton. D om inierende Form en der einen Sperre können in der anderen kaum oder g ar nicht Vorkommen. So nim m t G ym nodinium in den T alsperren des W uppergebietes eine vorherrschende Stellung ein,

„w ährend w ir diese P eridinee in den w estfälischen Sperren des Sauerlaudes n ich t fanden, obwohl beide G ebiete n u r durch eine schm ale W asserscheide g etren n t sind“. (Schneider, das P lankton der westf. T alsperren des Sauerlandes, 1912, S. 4.) W oher diese V erschie­

denheiten?

„Nun, es ist sehr wohl m öglich, daß, als die Sperre zum ersten M ale sich füllte, die D auerform en gewisser A rten in g rö ß e re r Anzahl zufällig in das Becken ver­

schleppt w u rd en ; die A rte n nahm en Besitz von dem jun g fräu lich en W asser und erfüllten es k ra ft der den Planktonform en eigenen ungeheuren V erm ehrungsfähig­

k eit in kurzer Zeit. W urden nun von den anderen A rten, denen die chemisch-physikalischen E igenschaften des W assers ebenso zusagten, wie den A rten der ersten G ruppe, K eim e in das schon von O rganism en gefüllte Becken getragen, so konnten sich diese eben wegen der dichten E rfü llu n g durch die F orm en d er ersten G ruppe

— wegen des „biocoenotischcn“ F'aktors — trotz der G unst des „physikalisch-chem ischen“ F ak to rs — doch nicht oder n u r in genügendem M aße entw ickeln“ (Landw . J a h rb ., a. a. O., S. 103). Diese zweite G ruppe suchte sich dann eben eine andere noch besiedelungsfähige S p erre als W ohnsitz auf.

Alles in allem stellen also die T alsperren sowohl in m orphologischer, wie in therm ischer und faunistischer Beziehung einen ganz neuen Typus eines Sees dar.

Zu w elchem Planktontypus müssen w ir nun das Sperrenplankton rech n en ? A us den U ntersuchungen von Prof. K o l k w i t z und unseren eigenen U n ter­

suchungen — andere U ntersuchungen von T alsperrcn- plankton liegen noch n ich t vor — nehm en die folgenden A rten eine ausschlaggebende Stellung in dem T al­

sperrenplankton ein:

A us der G ruppe der P e rid in ia c e a e : Gym nodinium p a lu s tre ; O der B acillariaccae:

A sterionella g racillim a; -f- d er C hlorophyceae:

E u d o rin a elegans, P an d o rin a m orum , Volvox a u re u s ; der M astigophora:

M allom onas ploesli, D inobryon sertularia, S ynura u v e lla ; der C la d o c e ra :

D aphne longispiua, C eriodaphnia pulchella, -j- B osm ina lo n g iro stris;

der C opepoda:

D iaptom us gracilis, Cyclops L e u c k a rti; O der R o ta to ria :

P o ly arth ra platyptera, A splanchna priodonta, Q Synchaeta pectinata, Conochilus unicom is, -f-

O = hauptsächlich oder nur bei Kolkwitz vorkommend;

+ = hauptsächlich oder nur bei uns vorkommeud.

„Diese angeführten P lan k to n ten spielen allerdings n ich t in je d e r S perre eine ausschlaggebende R o lle:

ab er gerade die F orm en, die zur C harakteristik des

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1912. No. S.

Üb e r Ta l s p e r r e n p l a n k t o n.

S. 149.

S perrenplanktons nö tig sind, niimlich die Chlorophyceen, w urden in allen S perren gefunden.“ (Schneider, a. a. 0 ., S. 80.) Man h a t nun eine R eihe von P lanktontypen aufgestellt, die untereinander verschieden sind durch das V orherrschen oder V erschw inden m ancher A r te n ; m an unterscheidet so ein Seen- oder Lim noplankton, M eeres- oder H aliplankton, Teich- oder H eleoplankton, Fluß- oder Potam oplankton.

„W ir wollen das Potam oplankton als eine bio­

logische G ruppe oder ßiocoenose von Schwebewesen definieren, die in fließendem W asser lobt und vorzüglich durch B acillariaceen (A sterionella, M elosira, Synedra, F rag ilaria, Stephanodiscus) und R o tato rien (Asplanclma, B rachionus, A nuraea, G astropus, P o ly arth ra, Syncliaeta) rep räsen tiert w ird“ (Steuer, a. a. 0 ., S. 410). Zu dieser T ype können w ir das S p errenplankton nicht rechnen.

Q u i r m b a c h fand im D ortm und-E m s-K aual und in der W erse ein P lankton, das eine M ittelstellung zwischen T eich- und F lußplankton einnim m t. I n ihm feh lt von den C opepoden: D iaptom us, d afü r is t E u ry tem o ra velox ein häufiger P ianktont. V on den D iatom een sind nur F rag ilaria capucina un d T abellaria fen estrata var. aste- rionelloides vortreten, die Chlorophyceen fehlen gänzlich.

Dem gegenüber sind aber im S p errenplankton die Chlorophyceen ausschlaggebend. In ihm feh lt auch E urytem ora velox, die D iatom een sind aber m it anderen F orm en vertreten.

Das Teich- oder Tüm pelplankton unterscheidet sich nam entlich durch seine größere M annigfaltigkeit an M ikropbyten vom Seenplankton. W ährend w eiter die Schizophyceen hier wie d o rt in gleichen A rten v ertreten sind, fällt im H eleoplankton noch besonders die reiche B eteiligung gew isser R otatorien aus den G attungen Brachionus, Schizocerca und Pedalion au f.“ (Steuer, a. a. 0 „ S. 406.) Im H eleoplankton spielen eine h e r­

vorragende R olle A rten der G attu n g Bosm ina, A croperus, A lona, A lonella, Chydorus und D iaptom us vulgaris;

die D iatom aceen treten gegenüber den Desmidiaceen ganz in den H in terg ru n d . Bei einer C harakteristik des Sperrenplanktons scheidet also auch das Teich- oder H eleoplankton a u s : w ir müssen also das S perrenplaukton als Seenplankton bezeichnen.

„Spezifische O rganism en, welche in D eutschland n u r in S perren vorkäm en und deshalb als ausgesprochene T alsperrenorganism en bezeichnet w erden könnten, sind n ich t aufgefunden worden, da die T alsperre ihrem all­

gem einen C harakter nach in den allgem einen Typus der Seen gehören.“ (K olkw itz, zur Biologie der T al­

sperren, B erlin, 1911, S. 315.)

In dem Seenplankton h a t m an w ieder U n ter­

abteilungen geschaffen. So unterscheidet H u i t f e l d t - K a a s zwischen Chlorophyceen-Seen und Schizophyceen- Seen. „Die Chlorophyceen-Seen zeichnen sich durch einen im V erhältnis zur M ächtigkeit ihres P h y to ­ planktons großen R eichtum an Chlorophyceen aus, wie auch» durch entsprechende A rm u t oder vollständigen M angel an Schizophyceen“ (H uitfeldt-K aas, Plankton- undersögelser i norske vande, S. 181.) G erade wegen dieses M angels an Schizophyceen unterscheidet K o l k - w i t z die von ihm untersuchten S perren von den Seen d er norddeutschen Tiefebene. A uch in den west­

fälischen S perren des Sauerlandes treten die Schizo­

phyceen ganz zurück. W ir müssen dem nach die T al­

sperren als Chlorophyceen-Seen bezeichnen.

W ir haben früher die T alsperren charakterisiert als Seen, die aber in m orphologischer, therm ischer und faunistischer B eziehung einen ganz neuen Typus eines

Sees darstellen. E benso sagen w ir h ie r: die Talsperren beherbergen ein Plankton, das dem P lankton der Chloro­

phyceen-Seen ähnlich is t; ab er in der tem poralen und vertikalen V erteilung des P lanktons stellen sie einen besonderen Typus dar. Die den S perren eigentüm lichen Ström ungen, die entstehen durch den Tiefenablaß und den W ärm eaustausch der verschieden tem perierten W asserschichten, müssen doch offensichtlich au f die V erteilung von O rganism en m it n u r g erin g er oder keiner Eigenbcw cguug, wie sie die P lan k to n teu d ar­

stellen, von bedeutendem Einfluß sein. Die U nterschiede in der P lanktonverteilung zwischen Seen und T alsperren müssen w ir noch kurz besprechen.

N ach S t e u e r scheinen für das w eitverbreitete beratiu m hirum dinella cingipfelige K urven m it einem M axim um zur Z eit der höchsten Stagnation und W asser­

tem peratur die R egel zu sein. I n den S perren kon­

statierten wir dagegen deutlich zwei M axima, das erste im A pril, das zw eite im Septem ber.

A sterionella gracillim a müssen w ir fü r die Sperren als eine sehr variable F orm bezeichnen; jed e S perre zeigt ih re E igentüm lichkeit in der E ntw ickelung von A sterionella. K ein P lanktonforscher h a t meines Wissens in dem A u ftreten von A sterionella eine solche V er­

schiedenheit und U nregelm äßigkeit gefunden. V ielleicht h än g t das dam it zusam men, daß in den Sperren noch keine konstanten V erhältnisse cingetreten sind. V ielleicht rü h rt diese U nregelm äßigkeit auch h er von den eigen­

artigen Ström ungs- und W asserstands - V erhältnissen;

denn nach den U ntersuchungen des A m erikaners W h i p p l e „sind die w ichtigsten V orbedingungen für ein üppiges D iatom eenw achstum , abgesehen von den entsprechenden T em peraturen, genügende M engen von N itrab en und freie L uftzirkulation, beide B edingungen sind aber w ährend der P erioden der W asserzirkulation gegeben“ . (Steuer, a. a. 0 ., S. 540.) D ie W asscrabgabc in den einzelnen S perren u nd die sich daraus ergebende S tröm ung und Z irkulation ist ab er nicht J a h r für J a h r und fü r alle S perren dieselbe. In trockenen Ja h re n m uß der S perren w ärter m ehr W asser ablassen als in feuchten Ja h re n . E s w echselt also die Z irkulation von J a h r zu Ja h r, von S perre zu S perre und dam it eine der V orbedingungen fü r ein üppiges D iatom een­

wachstum .

S t e u e r fü h rt D iaptom us gracilis als Beispiel einer typisch dicyklischen F orm an. „In d er R egel ist das Friihlingsm axim um das bedeutendere u nd pflegt in die Z eit von A p ril bis J u li zu fallen. D ie E ntw ickelung des N ebenm axim um s kann sich von S eptem ber an bis in den A pril verschieben“ (Steuer, a. a. 0 ., S. 550).

Ganz anders is t d er E ntw ickelungsgang in den Sperren.

Im A pril, M ai erscheint D iaptom us im P lankton, erreich t im H erbst, zwischen Septem ber und D ezem ber das M axim um und is t im H e rb st verschwunden.

Von größerem E influß w erden die E igentüm lich­

keiten der T alsperren au f die vertikale V erbreitung des Planktons sein, gerade die T em peraturverhältnisse w irken j a vor allem auf die vertikale V erteilung.

N ach S t e u e r können w ir die Seen bezüglich der Schichtenfolge — wir können eine R otatorien-, Cope­

poden-, Cladoceren-Zone usw. unterscheiden — in zwei G ruppen einordnen. D ie erste G ruppe is t vertreten in den Seen d er norddeutschen Ebene, die zw eite in den A lpenseen.

In den Seen nach dem Typus d er norddeutschen Seen „sam m elt sich die H auptm asse des Planktons in den oberflächlichsten W asserschichten an, die im L u-

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S. 150. U

NTERRICHTSBLÄTTER.

Jahrg. XVIII. No. 8.

zerner See und noch m ehr im N euenburger See nahezu organism eufrei sind. In den A lpenseen treffen wir relativ planktonreiche Zonen erst in 2 bis 5 m T iefe“.

(Steuer, a. a. 0 ., S. 336.) Die große L ich ttiefe der klaren A lpenscen m acht ein reiches L eben in diesen Schichten m öglich. Diese U nterschiede in der v erti­

kalen Plankton-V erteilung zwischen beiden Seengruppen sind offenbar b eg rü n d et „in der verschiedenen K larh eit des W assers, in der da und d o rt w echselnden M enge gelöster organischer Substanzen, in der verschiedenen L ich tin ten sität usw .“ (Steuer, a. a. ü ., S. 340).

A n gelösten Stoffen sind nun die T alsperrenw asser bedeutend ärm er sowohl als die norddeutschen wie die Alpenseen. In bezug auf die D urchsichtigkeit stehen die Sperren „zwischen den Seen der V oralpen und denen der norddeutschen T iefebene“ (Land. Ja h rb ., 1911, S. 605.), und hinsichtlich der K la rh e it des W assers kom m en sie wohl n äh er den norddeutschen Seen.

T rotzdem zeigen die S perren, wenn w ir zunächst das P lankton als Ganzes ohne Scheidung in Phyto- und Z ooplankton betrachten, eine den A lpenseen ähnliche v ertikale V erteilu n g ; sie sind allerdings in den oberen W asserschichten nicht so planktonarm wie jene, ja im F rü h ja h r liegt die Zone der g rö ß ten P lanktondichte noch oberhalb 2 m in 1 m Tiefe. W ie in den Alpen- secn bew egt sich auch in den Sperren vom F rü h ja h r bis zum H e rb st hin die Zone der g rößten D ichte des Planktons von der Oberfläche bis in eine Tiefe von etw a 7 m. U nterschiede zwischen A lpeuseen und T al­

sperren ergeben sich aber, wenn w ir Phyto- und Zoo­

plankton g e tre n n t behandeln. In den A lpenseen ist

„die oberste 2 bis 5 m Schicht gew öhnlich fast gauz azoisch zu nennen“. (Steuer, a. a. 0 ., S. 344.) Das P h ytoplankton ist d arü b er geschichtet. In den Sperren fanden w ir ab er folgende S chichtung:

„ 2 0 - 5 0 cm I R o ta to rie n ;

| C opepodcn;

f Chlorophyceen;

1 P e rid in e c n ; ( B o sm in a ;

| D a p h n e ; 5 m |

I M astigophora“ . 1 m

2 m 3 m 4 m

6 m

(Schneider, a. a. 0 ., S. 74.) Das Zooplankton ist also zum großen T eil oberhalb des Phytoplanktons. Diese E ig en art der S p erren in d er vertikalen V erteilung des Planktons lä ß t sich m einer A nsicht nach g u t erklären durch die durch den Tiefenablaß und die besondere therm ische Stratifikation der S perren bew irkten S trö ­ m ungen. Vom F rü h ja h r bis zum H erb st hin, solange das W asser abgelassen w ird, findet ja ein fast k onstanter S trom von der Oberfläche zur Tiefe statt. W ährend nun das P hytoplankton infolge des M angels einer E igenbew egung oder doch wegen seiner unzureichenden L okom otionsm ittel in seiner vertikalen V erteilung in hohem G rade von den jew eiligen Ström ungen abhängig ist, sehen w ir das Zooplankton m it seinen verschiedenen Schw im m organen befähigt, selbst die ihnen zusagenden Schichten aufzusuchen.“ (Steuer, a. a. 0 ., S. 343/344.) I n den S perren w ird also das P hytoplankton m ehr und m ehr in die T iefe gezogen, w ährend das Zooplankton dem S trom e m eh r W id erstan d entgegensetzen kann.

D eshalb also die besondere vertikale V erteilung des Planktons in den Talsperren. E in schönes Beispiel,

wie p ro m p t selbst au f kleinere äußere Einflüsse ein P h v to p lan k to n t reagiert, liefert uns E u d o rin a elegans.

V on Einfluß auf die vertikale V erteilung des P lanktons ist auch der U nterschied in der A usbildung der S prungschicht zwischen S perren und Seen. W ir sahen die Therm okline oder Sprungschicht in den S perren schon von J u li und A ugust ab, in den Seen aber erst von Novem ber ab verschw inden. Die S prung­

schicht kann ab er von w esentlichem E influß au f die P lanktonverteilung sein. D eutlich sehen w ir z. B. in der Ilasp ersp erre, wie beim E in tritt der S prungschicht eine rapide A bnahm e von C eriodaphnia pulchella und Copepodennauplien erfolgte. E s w erden sich sicher noch m ehr solcher U nterschiede ergeben in der P lan k to n ­ v erteilung zwischen Sperren und Seen, wenn noch m ehr U ntersuchungen von T alsperrenplankton vorliegen.

Ganz kurz will ich noch eingehen auf die F ragen nach der P ro d u k tiv itä t der T alsperren und au f die B edeutung des T alsperrenplanktons fü r die Fischerei.

In der jä h rlic h e n E ntw ickelung des P lanktons konnten w ir zwei M axim a — E n d e M ai und E nde S eptem ber, das letzte kleiner ■— konstatieren. A ehnliche R esultate liegen auch aus den U ntersuchungen des G enfer Sees, des großen P lö n er Sees, des Löw cntins usw. vor. „Die heißesten und kältesten M onate sind also am w enigsten günstig für die V erm ehrung; eine m ittlere T em p eratu r scheint am besten zu sein.“ (E.

Y ung, G enfer See.) V ergleichen w ir nun das Plankton der G lörsperre seiner Q uantität noch m it den von A p s t e i n untersuchten Seen H o lste in s! A p s t e i n rechnet z. B. den D obersdorfer See, der am 31. Mai 1891 u n ter 1 qm Oberfläche bis zu einer Tiefe von 20 m ein Planktonvolum en von 707 ccm hatte, zu den planktonreichen Seen, den kleinen P löner See dagegen, d er am 5. Ju n i 1892 u n te r 1 qm Oberfläche bis zu einer T iefe von 26 m ein V olum en von 91 cm hatte, zu den planktonarm en Seen. „Die G lörsperre lieferte am 29. M ai 1909 in einer W assersäule von 1 qm O ber­

fläche und n u r 10 m Tiefe — also halb soviel wie im D obersdorfer See — ein V olum en von 1134.80 cm.

W ir können also die G lörsperre als eine planktonreicho Sperre bezeichnen“ (Schneider, a. a. 0 ., S. 87).

G egenüber der G lörsperre treten allerdings die anderen S perren im P lanktonreichtum m itu n ter sehr zurück. „A ber wenn vielleicht unsere T alsperren auch etwas geringere E rträ g e liefern m üßten, als natürliche Seen von d er gleichen G röße, so m uß die Talsperre ih rer P ro d u k tiv k ra ft nach doch zum m indesten in die E rtragsklasse d er „m ittelm äß ig en “, in vielen Fällen sogar in die der „guten“ Seen eingereiht w erden“ (Landw.

Ja h rb . 1911, S. 688).

Ic h d a rf vielleicht noch hinzufügen, w elche M engen einer A rt das gesam te Sperrenw asser beherbergen kann.

A m 9. M ärz 1909 e n th ielt die G lörsperre bei einem S tau in h alt von 1.11 M illionen cbm und einer Stauhöhe von 23 m neben anderen A r te n :

2 1 1 4 0 4 4 0 0 0 0 0 E udorina, 4 3 9 400000 Cyclops und 3 558 000 000 P olyarthra.

A m 29. M ai 1909 en th ielt dieselbe S perre bei einem S tauinhalte von 1.96 M illionen cbm und einer Stauhöhe von 28 m neben anderen A rte n :

318 82 0 0 0 0000000 A sterionella, 1435 000 000 000 E udorina.

„U m einen besseren Begriff dieser Z ahlen zu bekom m en, sei eine andere U eberlegung angestellt. Die durch­

schnittliche Zellenlänge von A sterionella b e trä g t 74.20/1.

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