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Die Zukunft, 3. August, Bd. 36.

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Berlin, den Z.August 1901.

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Der Zolltarif

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denSchwächendesgescheistenundgeschicktenMannes-,derbisauf Y WeiteresKanzlerdesDeutschenReichesist, gehörteine, dieihm—- unduns noch schlimmeTagebereiten kann: erist,wie derBürgerin Norddeutschlandsagt, empfindlich.JederTadelärgert ihn; vielleicht,weil ersichnicht sichergenugfühlt,umZustimmung entbehrenzukönnen;nicht sichernach außen nochimeigenenBewußtsein. AufdenBefallderMasse müssenMinister heute verzichten;denndieMasseistsozialdemokratischoder mindestensinsolchemGradefozialkritischgestimmt, daß siederoffiziellen Politikum keinenPreiszugewinnenwäre. Das weißGrafBülowund hat, nicht ohne hörbare Seufzer,derHoffnung entsagt,alschancelier des gueux gefeiertzu werden. UnentbehrlichaberdünktihnderBeifall derGebildeten,derenStimme ihmausdengroßenZeitungen entgegen- zUschallenscheint,und erleidet,wenn erdagescholtenwird,wenn er, Nachdemironischen Gallierwort, keinegutePresse hat. Ermöchte derMann derProfessoren, Künstler, Bebetiisten,TechnikerUnd in- telligentenGeschäftsleutesein,·derlitterati im altenWortsinn,einModer- ner,dersichinderModernen Gunstsonnen darf. Das ist ihmbis- her gelungen.DieProfessorenpolitik,dieBismarcks AnfängeinPreußen Frschwerteund auchdemerstenKanzler oft nochdasLebensauer machte, hat den dritten Erben desehrwürdigenTitelszärtlichgehätschelt,alserfürdie MehrungderFlotte eintrat,denPlatzanderSonne suchteundsichzu einem unklaren,aberfriedlichgefärbtenJmperialismusbekannte. Diezierlichge-

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feilteRedegefiel,die garnicht nach Junker-härteklang,unddassühlbare Streben, mitdendieZeit bestimmenden Mächtenzugehen.Manchen SchrittdesviertenKanzlerserklärtnur diesesStreben. Wie wäresonst

um nur einBeispiel anzuführen dasuneingeschränkteLob zuver- stehen,daserFichte gespendet hat,demimmer prachtvoll empörten Op- timistenundAntichristen,derheutesicherzwischenVollmar undBebel säße?Mag sein, daßderKanzler ihn, nachderSchullehre,irrendfüreinen Philosophen hält, daßnur aus einzelnen Patriotenredenandiedeutsche NationeinwirrerWiderhallin dasgespitzteOhrdesDiplomaten drang:

unverkennbar war hier,wiein den Worten überGoethe,Bismarck unddas ZielallerStaatskunst,derWunsch, sichalseinendieWeltausmodernen AugenAnschauendenderöffentlichenMeinungzuempfehlen. DieserWunsch hätte,wieerHeanvonMiquelvomFinanzthrönchenwarf, vielleichtauch HerrnKauffmann aufdenSesseldesberlinerBürgermeistersgeholfen,wenn diethörichteTaktik derSpreedemokratennichtdemMinisterpräsidentenden Spielplanverdorben hätte.EinemSolches ersehnendenMannkonnte der Ruf entfahren: »Nurkeine innerenKrisen!«Seit esleicht geworden ist, jedeRegungkonservativenUnmuthes schnellzubeschwichtigen,können innere Krisennur noch entstehen,wenn mitharterHandin denKomplexvonGe- fühlengegriffenwird,in dem die KulturderVewohnergrößererStädtewurzelt undden man, ohnedabeianabgegrenzteFraktionenzudenken,die liberale Weltanschauungzunennen pflegt. Diesen Griff brauchtman vom Grafen Bülow nichtzufürchten. Einstweilen wenigstens dürfenwirhoffen, daß dernervöseRationalist fürSozialistengesetze,Umsturzvorlagenundähnliche forscheUnklugheitennichtzuhaben seinwird. Rühmlichereskannvonihm keinUnbefangenersagen. AusdemBoden derinternationalen Politik ist ihm nochkein Lorbergewachsen.Unterseiner Leitung istdieTürkenherr- schaft, EuropazurSchmach, gestärkt,inKleinasien, ohnezwingendeNoth- wendigkeit,derrussischeJslamanseinerempfindlichstenStelle gereizt,in AfrikadiegroßeGelegenheitderenglischenOhnmacht verpaßt,aus China nichts Erwähnenswerthesheimgebrachtwordenals dieAntipathiederWelt- mächteundeinebesondersbösartigeLues,derenFolgen noch langezuspü- ren seinwerden. DesKanzlers melodischdunkle, doch stark instrumentirte Redenhabenüberall dasMißtrauengegenDeutschlands expansivePläne geschürtzunddasReich,demjede zuverlässigeBundesgenossenschaftfehlt, klammert sichinbrünstigemWerben anBritannias sehnigeHochgestalt DieBilanz schließtschlechtab, vielschlechterals imInnern. So unheilvolle,

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antisoziale Gesetze,wie der imkleinstenStil ehrgeizige,nur durch fastbei- spielloseUnfähigkeitvorFlächen geschätzteHohenlohesiedem Volk zuge- mnthethat,würdeGrafBülowkaum zu vertreten wagen. Erscheutden RufeinesReaktionärsDasistganzgut.Abermuß solcherScheu sichein Applausbedürsnißgesellen,dasdieStetigkeitdesWollens aufhebtundohne resonirende Augenblickswirkungnichtleben kann ?

DesKanzlersWille war, derneueZolltaris solleerst bekanntwerden, wenn ervomBundesrath genehmigt seiundalsVorlageanden Reichstag gehenkönne.Zur AusführungdiesesEntschlusseshatten sich,wieberichtet wurde,denpreußischendie Stimmen alleranderenBundesstaaten vereint;

allesolltenundwolltendenEntwurf »strengvertraulich«behandeln.Nicht allenVerbündetenRegirungenaberscheintdasimReichsamtdesInnern entstandeneWerk willkommengewesenzusein.EinExemplardesEntwurfes wurde nach London,in dieRedaktion derFinanzchronikReuters, geschmug- geltunddievon lechzenderNeugierumlauerten Ziffernwurden es war nicht allzu schwer,zurathen,vonwem imHauptblattderschwäbischen DemokratieausgeplaudertEineniedlicheJntrigue,über dienur derunserer ZuständeganzUnkundige nochstaunenkann. NunbrachdasWetter los.

Schnell ward,als hättederBlitzindieScheunederHändlerhoffnung eingeschlagen,inallenCobdenitenställendieMeute losgekoppelt;und sie fiel aufdenersten,dieschwüleStilledurchgellendenPfisfmitwichen- dem Gebell über denKanzler her,denargenPatronderAgrarierj dessenpech- schwarzeJunkerseele endlich jetztaus denmodischenSchleiern geschältsei.

NichtdieGetreidezollziffernnur,hießesimHeulch«orus,nein:den ganzen Tarifwollenwir,müssenwirhaben,wieJbsensHildeihr Königreich Apfelsinia,gleichhier aufdenTisch! Jn Norderneywarddemexcellenten BadegastumKopfundBusen bang;AllerAugen sahervorwerfend auf sichgewendet, aufdenBösewicht,der dem liberalenBürgerthumin Stadt und LanddenUntergang sinne. Das war nichtzuertragen, nichtin denHundstagennamentlich,die denNervenSchonzeit gewährensollten- EineKonzession,geschwindeineKonzession! Vielleichttauchtebeim Nord- meerleuchtendasSpottbilddesMannes ausderFluth,derglorreich einst in dieOessentlichkeitgeflohenwar undderam GoldenenHornnun die

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SchulternandenHals zieht.WerdenGötzenOeffentlichkrit füttert, darf gedrucktenSegens stets sicher sein.DenganzenTarifwollen die Leute?

Siesollen ihn haben, gleich hier aufdenTisch.AmzehntenTag nachder stuttgarterEnthiillung beschertederReichsanzeigerihndennauch wirklich, schwarzauf Weiß,derinschwebenderPein langendenWelt. Und imletzten- AugenblickwurdenocheinerneuenKonzessionWirksamkeitversueht:derNord- deutscheAllgemeine Lauser müßte für AussetzungdesUrtheils plaidiren, weil derBundesrath noch nicht gesprochenhabe,indessenMachtesja stehe, denInhaltdesTarifgesetzesundsämmtlichePositionenzu ändern...Es- geht auch so·DieGegnereinesverstärktenZollschutzeshaben Zeit, sichzu organisiren,anallenHändlerthüreneinenKriegsschatzzusammenzubetteln und imZeughausderDemagogiediebesten Waffenzuwählen.Dochihr Eifer wirdaufdieLängeerlahmen, ihr Schatz aufdemHochsommerschlachtfelde ichmelzen,ihreswildenGeschreisEcho träg werden;und wenn dieSache dannandie Triarier desReichstages kommt,wirddieHitzegewichenund dieTemperaturderGemütherabgekiihlt sein.Esgeht auch so;undMiquel Cunctat0r— derbald dieGenugthuungerlebenwird,daßselbstdieHerr- scherderWilhelmstraßedie oldparliamentary hand sehnend vermissen

hättewahrscheinlichdiesebewährteTaktikempfohlen.Warum abervor- herdanndieentschiedenklingendeWeigerung,dasGeheimnißdesTarises vordesWintersturmes erstem Wehenzuentschleiern?Eine Regirung darf sich nicht drängen lassen;-sie mußtapfer sein,dashitzigsteBegehren abweisenundDenen,diesieschiebenwollen, sagenkönnen: Nein;wir wählendasZielundbestimmendieZeit,woesEurem Blickgezeigtwerden soll.Sonstist sieum ihr Ansehenundmuß gewärtigsein, daß sie aus SchrittundTritt von schreiendenHaufen geleitetwird. Ueberdieparla- mentarischeRegirungform nachdemBritenmuster läßtsich,trotzdenschlech- tenkontinentalenErfahrungen, reden;über denWerthdesCaesarismus, denman einendurchDemagogie gemilderten Absolutismusnennen könnte, hatdieGeschichteentschieden.EineAnstandspanse wenigstens mußteGraf Büloweintreten lassen, eheerderhungerndenOeffentlichkeitdengroßen Brockenhinwarf·Abererwolltenichtverdammt,denGebildetenderNation nichtein Gräuelsein«Dashielten seine verwöhntenNervennichtaus« Ehr wirdesbereuen,wennerbis 1"904Kanzlerbleibt.Manwandelt nichtun- gestraftdenWeg, aufdemanno ManteuffelderStarke muthig zurückwich.

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Wirdernochweiterweichen?...AufeinegutePresse darfervorläufig nicht rechnen.EinergötzendesSchauspiel,wievoneinem zum anderen Mor- gen in deröffentlichenMeinungausdemMaxeinKaspar wurde,derhehre HeldzumSchwarzalben zusammenschrumpfte;so schnellvollzogselten sich nocheinWerthungwechsel. LängstzwarhattederKanzler gesagt,erwerde -dafiirsorgen,daßderneueTarifderLandwirthschafteinen,,-wefentlich«besse- ren, einen»ausreichenden«Zollschutzgewähre.DochdieHändlerundHänd- lerdienstleutehattendieBotschaftbelächelt.Sprenkel fürdieDrosseln!Biilow, deerperialist, derMehrerderFlotte,derExponentderliberalen,vonGoethe zuGothein führendenWeltanschauung,derwahrhaftmoderne Menschund seit seinenRömertagenallerfreisinnigen SchreiberAbgott, dieserallem Schönenund GutenoffeneGeist solltederagrarischenBegehrlichkeitan die volleSchiissel·leuchten?Wersglaubt,mag inKasselTreber trocknen,mit Kallay, »strengreell«,dasbosnischeVaterland rettenodermitKummer in leeren Centralen hausen. Sahen dieWangenheimundKonsorten mißtrauisch nichtstets auf unserenBülowPFloß ihm nicht oftdasLobdeutschenGewerbe- fleiszesvonderbercdten Lippe? HaternichtebenerstdenDysangelisten Johannes barschvordieThür gewiesen?WillerdasBörsengesetznichtden Bänkerwünschenanpassen?Wartet nur: balde wirdoffenbar werden,was Der unterausreichendem,unterwesentlichverftärktemZollschutzversteht.Die gierigeGesellschafthälterhin;derHaruspexabersiehtiiberdemweltberühmten GrübchendasAugurenlächelnDeralso Gefeiertemußtesicheigentlichbeleidigt fühlen,daseinemWortdiebestenFreundenichtglaubten. Dochesfcheint,daßer frohwar,nocheine WeilewenigstensvonderKulturkämpferPfeilen und Schleudernverschontzusein«Damitistsnunvorbei;undschauderndmußder Kanzlererkennen,daßerfeines Ehrgeizes WerkgeköpftunddenRuhmdesmo- dernenGeistesdurch eigeneSündeeingebüßthat.Diegesternnochliebsten und inEhrfurchtbewunderten, sindheutegarnichtgelind;undBernhardiner, deren Dressurvollendetschien,zeigendemblonden Bändiger drohend-dieZähne.

EI«hateinen»Wuchertarif«sersonnen,ein»Monstrum«-ansLichtgebracht, eine»Spottgeburtvon volkswirthschaftlichemUnverstandundInteressen-—

politik«. ErmuthetdenMassendesdeutschenVolkesden,,Verz1ichtauf Fleischnahrung«zu,will sie,,;auspowern«undflichtihnen-eine »Skorpio-

Umgeißel«.Als Vertreter der ,,finsterftenFinsterniß«wird er»anden Prangergestellt;.dennseinBeginnensist-»ungeheuerlich«und-» ohne Beifpielin der-WirthschaftgeschichteeivilisirterNationen«. Und iso weiter»Und.aufvdie Schanzedenletzten Mann, daß.er,bisBriinne

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ihmundZNothungentsinken,widerdenErzfeind fechte,der desReiches Ruinbereitet. WennderKanzlerindiesenSpiegel schaut, mußerstöhnen:

ArmerBernhard,wiehastDuDichverändert! Underkannsichersein,daß noch unbenutzte SuperlativeimWortköchersindunder,ehederMostaus derKelterrinnt,dieFrage vernehmen wird,oberimVolk etwadenGlau- ben verbreitenwolle,dieHohenzollerntrügeninjedem SinnmitFug ihren Namen,dennkein anderes FürstengeschlechthabedenHungernden je so hohenZoll auferlegt...Das klingtwieParodie; soweit aberwirdes kommen. Und wird insolchenStürmen dernervöseGrafstandhaftbleiben?

Wird er, deraufglattgebohntemBodenjedenTag stürzenkann,sichmit der Gewißheitabfinden, daßihm derStundenruhm versagtist,derdenCaprivis zufliegt,denVollstreckerndesManchestertestamentes?DiekönnenPie- tisten sein,wieGladstone, beschränkteKommißköpfe,wiederSproßaus Montecuccolis Stamm: derliberalen Menschheit sind sieeinWohlge- fallen.Undnebenihnen istKeinergroß,ist selbstderBismarck derachtziger Jahrenur ein verirrter Titan. Da lockt dieGloria,dortdräutVerdam1n- niß.Als derKanzler seinen LauserumAussetzungdesUrtheils flehen hieß, hatteernochnoch nicht endgiltig gewählt,hatteervielleichtnochgarnicht geahnt, welchesUnwetter überNachtherausziehenwürde. Ersolltevon einemNordseesischerSüdwesterundTheerjackeleihen.Ob aberselbstsolcher

»ausreichende«Schutz ihnvorNervenkrisen bewahrenkönnte?

EswirdihmkeinTrost sein,zuhören, daßderSturm hinterden Coulissenvoneinembehenden Theatermeister aufderWindmaschine her- gestelltwird.

AlleernstzunehmendentheoretischenDarstellungendesWeltgetriebes stammen,vonAristotelesbisaufTreitschke,ausderZeit,dievorderkommer- ziellenEntwickelungdesZeitungwesenslagundnochnichtwußte,daßmanauch öffentlicheMeinungenimGroßbetriebherstellenkönne. DasBuch,dasden Einflußderneuen,alsMassenfutter fürHunderttausendebestimmtenInsera- ten-undNachrichtenpresseaufdieGestaltungderPolitik schildert,ist nochzu schreiben;auchHerr Benoist hatesnicht geschrieben,trotzdemerdie Vor- arbeiten derLassalleundBücher,LagardeundLebonbenutzenkonnte und trotzdem schonseinLandsmann Voltairegefühlthatte,diePublizistenwürden

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die ErbenkatholischerPriestermacht sein.ObdieseMacht nicht welkte, seitihr GeschäftsgeheimnißderKundschaftverrathenwurde: dieFrage brauchtuns heute nichtzubeschäftigen.Immerhin istin allenLänderndieZahlDerer nochstattlichgenug,diegläubigderPresse lauschen,wenn sieseligsprichtuud verdammt, Vorgänge ,,ernsterVearhtung unwerth«oder»weltgeschichtlich«,

»welterschütternd«nennt. ErnsterBeachtung unwerth ist jeder Vorgang, derkommerziellderPresse nicht nützen,ihren Absatznichtmehren,denKreis derAnnoneenkunden nichtverbreitern kann,namentlichjeder,dersieins Unrecht setzt.EineZeitungdarf nie imUnrecht,nie gezwungensein, zurück- znnehmen,wassiemitPriestermieneVerkiindethat.SiehaßtDen,dersie dazu nöthigt,sie, durchunerwarteies HandelnoderdurchBenutzungdeself- tenParagraphendesPreßgesetzes,zwingt, sich selbstzu dementiren. Erster Grundderjetztgegenden Grafen BülowsentfesseltenWuth·Wassollder ErleuchtungSnchendevoneinemBerather denken,der denErhöherderZoll- mauer Jahre langeinen modernen Menschen genannt hat?EineZeitung hataber auchdas uatiirlicheInteresse,immer wenigstenseinenVor- gangvon welterschiitternder Wichtigkeitans Lagerzuhaben;sonstwürde sie ja langweiligunddieKundschaft liefederKonkurrenzzu,den,,Sensa- tionblättern«,—- sogenannt,weilsiesiirNachrichtinmehrGeldausgeben als die anderen. Soll derRedakteur etwa zugeben,daßeranmindestens dreihundert TagendesJahres sich,derMahnungdes«shakespearischen Prinzentaub,ohne großenGegenstand regt, daß,waserweise bespricht,des Besprechenseigentlichunwürdig ist?LieberverleihterirgendeinemGolu- chowski taxsreidenRangeines Staatsmannes undmachtauseinerStich-

·

wahleineHauptaktion. Unerfahrene scheltendieAusbauschungtendenzder Presseundmerkennicht, daß siedenwichtigstenGeschäftsgrundsatzderJn- ftitutiontadeln. DiePolitikderPresse ist,wiejedeandere,vonProfitwün- schendeterminirt. WärederChinesenlärm nicht gekommen,dann wäre TransvaalnocheinweiteresJahrderAngelpunltderMenschheitgeschichte gebliebenundderdenAgentendesHerrnLeydsabgekaufteSchutt nichtin denhinterstenZeitungwinkeln abgeladenworden. Stirbt Crispioderein andererbegabterVandit in einerstillen Zeit, sowirdseinTod zumEreig- Uißzisterunvorsichtiggenug, währendeinesflotten Saisongeschäftesden letztenSeufzerzuthun, soüberlebtseinAngedenkenihn höchstensdreiTage.

DasAllesist ungemein einfach, istdemBlicknurdurcheinendichtenPhra- senschleierverhüllt..

Undnun bedenke man,daßderStoffdrsZolltarifes reichensoll,bis '

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neue Handelsberträgegeschlossenodergescheitertsind, also mindestens zwei Jahre lang. Welcher-KaufmannwürdeeinenArtikel,denerso lange führen muß,entwerthen, welchernichtalleWaarenhausknisfeversuchen,umgerade diesemArtikeldieAufmerksamkeitdesPublikumszusichern?Undsollder

·Kaufmann,derseinKapitalinLettern, PapierundAnnoneenzuchtangelegt hat,anders handelnals derNachbar,derRegenschirmeoderGlühlampen, OdoloderAutomobile verkauft? Auch für ihn stehenHunderttausendeauf demSpiel, auch seine »Artikel« müssen,,gehen«,wenn erdenLadennicht schließenwill.ZweiJahre lang müssenüberdenZolltarifArtikelgeschrieben werden;unddasollteman nichtvonvorn herein sagen,eshandle sichum einenweltgeschichtlichenVorgang,um dasallerivichtigsteEreignißseitder GründungdesReiches? JstderLärmgroßgenug, dann greiftMonate lang FreundundFeindnach deinBlatt,diewuchtigstenStellen der«Leit- artikelwerden eitirt,dieBeachtung wächstund derUnternehmerkann mit Blumenthals unsterblichem Helden sagen:Das Geschäftist richtig. In unserem Fall namentlichdann,wenn esihm. gelingt, seine Prokuristenund Commis alsmannhaste SchützerderHändlerinteressenherauszuputzen.

DerLandwirth inserirt nicht oderdochnur seltenundohne Aufwand erheblicherSummen undkommtdeshalb fürdenVerleger höchstensals Abonnent inBetracht. Großeund regelmäßigeJnseratenaufträge,von deneneineZeitung leben, aufdiesie rechnen kann, sindnur vonBänken undHändlernzuhabenUndBänken1-IndHändlerbevorzugen,natürlichund mitdemNecht desniichtern wägendenGeschäftsmannes,dieBlätter,die das Bank-undHandelsinteressewirksamvertreten oderwenigstens nichts diesem Interesse Schädlichesbringen. EhedieZeitungzumGroßbetriebwurde, konntenTheaterpächternnbequemeBlätterdurchEntziehungderAnnoneen kirren.Das-gehtingrößerenStadien nichtmehr-;wasliegtandemwinzi- genTheaterinseratPDas schnödeUnterfangendesThespiskärrnerswird urbj etorbi bekannt gemachtundinkernigen Sätzen dieUnabhängigkeit undUeberzeugusngtreuederReduktion gepriesen-diemitdemAsnnoncentheil nichtsznschaffenhabe.Heilig aberundunantastbar sind dieMiestherganzer oderhalberSeiten.GegensRudolfHer-Izog,-den-Ernährerderberliner anti- semitischenBewegung,iwurdein denZeitungenselbshwojederAntisemitsonst zumAbschaumderLilienschheitgeschüttetwir-d,kaumjeeinleisesTadelswört- chengesagt; uiidTietzkannunangefochtensei-nHandwerk,treiben.Die ganze, großeJnseratenseitedecktalle Sündenzu.Unddiesichtbar von-solchenEr- wägungendeterminirtePresse-solltediegiinstigsteGelegenheit,beiderHaupk

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kundschaftsicheinenSteininsBrettzubringen, ungenützt vorbeigehen lassen?Siewill denWerthdesStoffes steigern,derlange auf ihrem Lager liegen wird;undsie muß sich,imstillsten Quartal, möglichstgeräuschvoll derSchicht empfehlen,von derenSubventionen sielebt. Wiesollte sie da nicht schreien,die Welt sei erschüttertunddesReichesRuin nur vonihr

nochzuhindern? ·

Dochwas nütztdemKanzlerdieErkenntniß,wie derSturm ent- stand?AuchinBayreuth wünschenTausende täglichdemhabsüchtigenDa- land denUntergang.

AlsderSturm losbrach,war derdeutscheZolltarif noch nichtbe- kannt. DerEntwurf füllthundertvierundsechzigSeiten, istvonSachver- ständigeninlanger, mühevollerArbeitfestgestelltwordenundkann,infeinen einzelnenPositionen,nur vonSachverständigennach forgsamer Prüfung beurtheiltwerden. DesLaienersterEindruck ist:einetüchtigeArbeit,die mit derunter denAuspizienCaprivisundMarschalls vollbrachten nichtin einemAthem genanntwerden kann;denn daran mußjetzterinnert wer- den dieserHerren HandelsverträgegefielendenoberschlesischenIndustri- ellenund manchen berlinerBankdespoten nicht mehralsdenostelbischen undniederbayerischenBauern unddiePläne mußtenerstimReichstagvon denärgsten Unklugheiten gesäubertwerden. Diesmal waltetganz andere GründlichkeitdesWerkes,dasseinen Meister,denfleißigenGrafen Posa- dowskh,lobt. Weraberfragte,ob derneue Tarifsorgfältigoderlüderlich entworfen sei?Vier Stunden nachderVeröffentlichungimReichsanzeiger Sing,geschrieben,gesetzt,korrigirt,dasUrtheil indie-Rotationmaschi-nje:

Wuchertarif,Spottgeburt, Monstrum, aufdieSchanzentVonneun- hundertscchsundvierzigNummernwurden nur vierbeachtet,viernurzur Urtheilsbegründungherangezogen. Undwelche ungeheuerlicheBotschaft brachtendiesevierSchicksalsnuiiimernZJnkünftigenHandelsverträgenspsoll derMindestzollfür Roggen.5, fürWeizenL5,.50,für-Hafer5und für Gerste ZMarkaufdenDoppelcentner betragen.Nurdiese-Zahlensindwichtig,nicht diehöheren,die in demEntwurfdesautonomen Tarifesprangen-.Ein Kaufmann,der,bevornocheinFeilschversuchgemacht ist,demKunden sagt:»Dieser.RegenfchirmkostetzwanzigMai-kundunter achtzehn gebe

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ich ihninkeinemFall ab«, einso wunderlicher Handelsmann darf nicht hoffen,inseiner KassedieDoppelkrone klingenzuhören.Undeben so wenigkann eineRegirungdaran denken,denhöherenZollsatz durch- zubringen,wenn sie, nochehedieSchachermachei begonnen hat,derNach- barschaft kündet,wie vielsie »ablassen«will.Dieneuen Getreidetarifzifsern sindalso nicht wichtigerals diealten,die denjetzt geltenden Generaltarif zieren;beidestehen auf geduldigem Papier. Wird der Entwurf Gesetz, dann wird, nachdemAbschlußrevidirter Handelsverträge,derDoppel- centner Roggenmit5, derDoppelcentner Weizenmit51s2Markbelastet sein.Dasheißt:für RoggenwirddervomCaprivismusermäßigte«Zoll- satzwiederhergestellt,denBismarckschonvorvierzehnJahren unzureichend fand; fürWeizenwirderumeinehalbeMark erhöht."Man kannohne Uebertreibung sagen,daßesinDeutschland wohlnurwenigeMenschengab, dienach zehnjährigerAgitationdesBundes derLandwirtheundnachden feierlichenErklärungenzweier Kanzler so geringe Kornzollerhöhungener- wartet hattcn.Unddarum Monstrum undSpottgeburt,—wegendieser Sätze,die keinseinerfünfSinne Mächtigeragrarischnennen kann unddie, iwie kluge Kornspekulantenunter vierAugen zugeben, nichteinmal dem

Getreidehandel gefährlichsind?

DenLesernzurLustund demSchreiberzur Wonnekönnen wirheute uns denStreit überSchutzzollundFreihandel sparen. FürbeideWirth- schaftsystemesind guteGründe in ganzenGeschwadernheranzuschaffenund seitCobdens undPeelsTagen so oft herangeschafftworden, daßjedeWieder- holungermüdenmuß. Jchwillmich aufein paarSätze beschränken,die mit keinemeinzigenGrund zubestreiten sind.Esist unehrlichund oben- dreindumm,zubehaupten, Freihandelsei moralischeralsSchutzzoll;denn erstens herrschtin Politik und Wirthschaft nichtein»natürliches«

Rousseaurecht, sonderndie alleRechte prägende Macht, nichtdieMoral, sondernderVortheilzund zweitens istesnicht sittlicher, verschneite Wege fürdieSchlittenfahrtendessehrmobilenHändlerkapitalsglatt- zufegen,alsjungen,alternden oderinKrisen gerissenenGewerben von Staates wegen eineStützezuliefern. Nicht alsoumHimmelundHölle handeltessich,um feine SittlichkeitundniedereTücke,sondernum zwei Systeme,die beidejenseitsvonGut undBöse liegenundvondenenjedes einerbestimmtenEntwickelungstufederWirthschaft angepaßtist.Ebenso falschistdie.Vehauptung,nur derFreihändlerseiliberal. PolitischeFrei- heit istmitausgesprochenemProtektionismus, TyrannismitFreihandelbe-

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quem zu vereinen.Inden beidengrößtenRepublilen unserer Tage, woJeder

·UngestraftdasStaatsoberhaupt einenDummkopf heißendarf, herrschteine SchutzzöllnerinehrheitzunddasBeispiel freihändlerischerDespotienbietet UvchheuteunsdieGeschichte.Esistalbern,eineKlassezuschimpfen,weil sie thut,wasnoch jede gut berathene Klasse,was mitbewundernswerther ZähigkeitunderfreulichstemErfolg zuerstinmodernerZeitdieArbeiterklasse that:weilsie sichorganisirtundriieksiehtlosihren Vortheil sucht.Undnoch alberner,die MärvonsiegreichenBeuteziigendesJunkerthumes durchein Landzutragen, dessenPrachtstraßensänimtlichvondenneuen Feudalherren derIndustrieunddesHandelsbevölkertsind,vonLeuten,derenGroßvater UvchHandwerker,HörigeoderHofjudenwaren unddenensichnacheinem Menschenaltereinjreichlichrentirender Besitzgehäufthat.Undsollen selbst dieseSätze nicht gelten;dann sei main wenigstenskonsequentundhabeden Muthzuhaltbarer Logik. Jst derGetreidezoll Wucherzins,ein den AermstenabgepreßterTribut, dannmußermitallenMitteln, auchmit revolutionären,bekämpftwerden,magernun dreiMarkundeiuehalbeoder fÜUfMarkbetragen.Jstaber dieFestsetzungeinesKorntonnenzollesvonfünf- UnddreißigMarkeineHeldenthat,derenVollbringerderBürgerkronewürdig schien,dannkann derTonnenzollvonsünfzigMarknichteinMonumentvon Unsrer Zeiten Schande sein.AlsderauseinemschlesischenSchloßans- gehecktePlan, denDoppelcentner deutschenBrotgetreidesum anderthalb Markzuentlasten, ruchbar wurde, riefHerr Theodor Barth,desMan- chestermessiaseifrigster Apostel, solcheZollermäßigungseinur »eineLum- perei«. Das warvor zehnJahren. Und weildiesedamals kaumderRede werthe Bagatelle beseitigtwird, solldie Weltnun erschüttertsein?

Sieistnicht erschüttert.Sieweiß,daßfürdieendgiltige Gestaltung desneuen TarifesalleLamentationen undBannfliichenochnichteinmaldie BedeutungderFrage haben,ob derAbgeordneteLieber mitderHöhedes Schieferzolleszufrieden ist.Siehörtnur mithalbem Ohr sogar nochdie schöneGeschichtevonderfünfköpfigenArbeiterfamilie,derdasBrot,das

HauptnahrungmittehinsUnerschwinglichevertheuertwerden soll, durch DenZollnämlich,derdoch,nachderselben Geschichte,demAusland Wuth- krämpfebereitet, weil er ihmdieEinfuhr unmöglich macht.Wer eineViertelstundezum Nachdenken übrig hat, muß, ehe sieum ist, merken,daßes beidemheutigenStande derWeltwirthschaft aufganz andereDingeankommt alsaufdieBeantwortungderFrage,obzwei- hundert annd Roggenmit anderthalbMarkmehroderweniger verzollt

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