xx. Jahrg. Berlin,fden3.Februar1912. It. 18.
Herausgeber-
MaximixlianIsardm
Inhalt:.
Seite Herbnrium ..s...-..-.......-..............137 KanneinmodernenMensch konservativ sein? VonOskar Schmin .....153 Haksan-um- und Regirnng. VonRoms-W Macdonald -........158
Audenkaufem Von Ziqu Mantkhner .....—..........·.165
Ins-Iptllkuø Reich. Voncadön ....................168
Nachdruckverboten.
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Erscheint jedenSonnabend.
Ins-isonst-nahends stark. dieeng-cu-Nuiums soPs.
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thxttxk . Verlag der Zukunft Wilhelmsttaße'3s·a.
1912.
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Berlin, den 3.Februar 1912.
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Herbarium.
Fritzenfeier.
Wutvierundzwanzigsten Januartag waren zweihundertJahre vergangen, seitim berliner SchloßdemKronprinzenFried- richWilhelmvonPreußen,demzweiKnäblein, ehe ihrGeburts- tag sichjährte,gestdrbenwaren, einSohngeborenwurde,der von
demGroßvaterden Namen Friedrich empfingund,bis der Ut- rechterFriededemjungenKönigreichdas Fürstenthum Orange nahm, PrinzvonOranien hieß.ZweihundertJahre;also:Feier.
KeinVolksfest (niewarddeutlicher fühlbar,wiefremd dieserFritz, dieses einzigeGenie desHohenzollernhauses,demBolke geblie- benist);keinVersuch, fürein paarStunden wenigstensNation undDynastiein einerEmpfindungzuvermählen. Auchkein Ar- meefestznirgends,an derSpitzedesStaates, derGemeinden,des HofesnichyeinDämmern desWunsches, jedempreußischenSol- daten einefestlicheErinnerungan diesenTaginsLeben,einPur- purfähncheninsAlltagsgrau,mitzugeben.NurabgesperrteFeier- lichkeitundunbeseeltesSpektakeLNauchswürdigesFriedrichs- dcnkmal,dasGebildeinesschwunglos anständigenKünstlers,der sichins-Erlangbarebescheidetunddurch fast dürftige Schlichtheit witkt,wurdefürdenWintertagmitunzeitgemäszerTreibhauszier aufgeputztund mitbuntemStoffbebändert.(AufdemSeidenband desKranzes, denderKaiservordasDenkmal legen ließ,standendie Worte: »DieStärkederStaatenberuhtaufdengroßenMännern,
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138 DieZukunft.
dieihnenzurrechtenStunde geboren werden.«Dann stündees schlimmum Vreußens,um desDeutschen ReichesStärke. Auf ihrenZinnenist ringsumkeinGroßerzuschauen; undeiner,der ihnenzurrechtenStunde geborenwar,mußteunverbraucht,be- vornochvon Weitem der Todihm winkte,aus demDienst schei- den.JstabernichtdieSchöpferleistungeinestüchtigenVolkesdas festesteFundament seinesStaates? Undmußteauchansolchem Tagwieder derGlaube genährt werden, daßderWerthdieser Leistung noch nichtinsBewußtseindesAeichshauptes drang?
»WenndieFürsten sichvonihren irrigenJdeen losmachenund bis zu demZweckihrerEinsetzunghinaufsteigen würden,sowürdensie sehen,daß ihrAang, ausdensie so eifersüchtigsind,undihreEr- hebungnur dasWerkderVölker ist«:Das hatFritz gesagt.) Jn Potsdam bekamdasAegimentder Gardes duEorpsVrustschilde mitdemNamenszug desgroßenKönigs; möge,so hießes in der Kabinetsordre, »dieseAuszeichnungfürdas Regimentein An- sporn sein, mir, meinemHausunddem Vaterland auchfernerhin ingleichhingebenderWeise zudienen,wieesDiesbishergethan hat.«Seltsam;unseremAugewinden solcheWorte sichzumZöpf- chen.Das HeerderallgemeinenWehrpflichthatnur dem Vater- ,land zudienen,dessen Interesseweder inZufallsreden nochgar
inKabinetsbefehlen andiezweite Stellegerückt,vondem des Kö-
- nigs,derDynastiegetrenntwerden sollte.EinRegiment,dessen völligeHingebungandiesenDienst durch sichtbaren Huldbeweis erzwungen werden müßte,wäredemLand einFluch, nichtein Segen. UndistanBesatzundVehang,anWaffenrockszierrath allerSorten noch nichtgenug gethan?Alsosprach Fridericus Rex:»EinRegimentmuß sich nicht durcheitlenPomp, durchv PrachtundäußerenGlanz auszeichnen.DieTruppen,mitdenen Alexandersich Griechenlandunterwarf und dengrößtenTheil vonAsieneroberte, sahenganzanders aus—Jhr einzigerSchmuck war dasSchwert.«AmStadtschlvß,nebenderGarnisonkirche, inder,unter derKanzel, FritzensLeibliegt,war Parade. Leut riefda derKönigundKaiser: »Die erstePflichtderhier versam- melten Gruppen, dieunter denAugendesgroßen Königsge- fochtenund gesiegthaben,istheute,ihmhier,vorderGarnisons kirche,in derseine sterblichen Ueberresteruhen,diemilitärischen Ehrenzuerweisen.Achtung! PräsentirtdasGewehr!Sogrüßt
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Herbarium 139 diePotsdamerWachtparade ihrendahingegangenenglorreichen Führer. Jcherwarte von ihr,daß sie sichimErnstfallgerade so schlagenwirdwiedamals.« Das darfderKönigerwarten; doch desAhnenWortnichtvergessen,nach demderPreuße zumAngriff besseralszurBertheidigung taugt.DiewunderlicheTönungder Rede,die(nichtnureineWiederkunftdesGleichen)eineHeeres- seelenwanderungannimmt und vonderDoppelfiktionausgeht,in derGruft sehedasKönigsaugedenEhrengrußseiner alten,inun- zerstörbarerGemeinschaftmitihremFeldherrnfortlebendenTrup- pe,istdemfriderizianischen Empfindensbezirknicht so nahwie dem derballad-opera.Ob einemMärker oderPommer von heute dasHerzhöherschlägt,wenn erinderHeimathschänkeerzählt,er habedemtoten Friedrichdas Gewehrpräsentirt? Vorher hatte inderGarnisonkircheeinberedter Feldpropst gepredigt.Als Grundtext hattederKaiserdenSatzaus demVuchdesProphe- tenJesaia gewählt:»Wennsie gleichAllezusammentreten,müssen sie dennoch sich fürchtenundzuSchandenwerden-« Das wurde als dasTrutzworteinesBedrängtengedeutet,vondemdietapfere Zuversichtniemals wich;sollteanFritzens Lageundzugleichan dieFährniß unseres Reicheserinnern. WillkürbefahlsolcheDeu- tung.Dasvierundvierzigste KapitelimBuch Jesajaswendet sich widerdenGötzendienst.»Ichbin derHerr,bin derErsteundbin derLetzteund außermiristkeinGott,keinHort irgendwo. Die Götzenmachersindallzumaleitel;was siealsKöstlichstesanprei- sen, istunnützlich.Wersindsie,die einenGottmachen,einenGötzen gießen,der zunichts nütz ist?Siehe:alleihre Genossenwerden zuSchanden; denn essind Meisteraus Menschen«Wenn sie gleichAllezusammentreten, müssen siedennochsichfürchtenund zuSchandenwerden. Sie wissen nichtsund verstehennichts;
denn siesindverblendet, daßihreAugen nichtsehenundihreHer- zennicht fühlenkönnen.«Aus dieserWarnungvorGötzenhänds lernward einLeitartikelthema gemacht.Fritzisch: »UmNachbarn undFeindennichtzumSpielzeugzuwerden, mußeinPreußen- königzujedemEreignißbereit undgerüstetsein.DieWeltruht nicht sicherer aufdenSchultern desAtlas alsPreußen aufeiner starkenArmee.«Neuberlinisch:»UnskannKeiner.« Jesaiapaßt nichtindenWehrvereinzundbrauchtenicht bemühtzu werden.
Leichtists freilichnicht,denKönig,derschondieFrommenseiner
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140 ,- Die Zukunft.
Zeitinjedem Wesensng denJüngern Jesuunähnlichfand,in denPuppenstand derKirchenchristenheitzu retten. AusderFrem- de, sagtderFeldproPst,,,wehteeinsatanischer Geist herüber,von dessenGisthauchdesKönigsSeele nichtunberührtblieb. Doch
ervertheidigt, nachdemMaß seiner Erkenntniß,das Christen- thumzerglaubtanPreußen,anPreußensZukunftunddamit an Den,der dieGeschickederBölker lenkt unddiese Zukunft gewollt hat.«Darüber ließesichstreiten. »Priestermachterwächstnur aus derLeichtgläubigkeitderMenge. DerHerrgottiststetsbeiden stärk- stenSchwadronen«:solcheWorte sind nichtvonderGedächtniß- tafelzukratzen.DerMilitärpsarrer weiß auchgenau, was uns fehlt:»Bei-trauenindieeigene Kraft.Deshalbwerden die Deut- schenihresVaterlandes nichtfroh.Gerade dieMißgunstaber,mit derdasAuslandjetztwiederunserThunundLassen verfolgt,müßte uns dieGrößeund StärkedesBaterlandes erkennen lehren.«
Eine merkwürdige Predigt. NichtdemVolk, sondernderRegi- rung sehltsan Vertrauen indieeigene Kraft.Und von»Miß- gunstdesAuslandes« sollte, auch aufderKanzelder Soldaten- kirche,vor demOhrdes KönigsundderKönigischennichtlaut geredetwerden. (WennsinLondon geschehenwäre:wir läsen 1angeAlarmdepeschen.»DusiehestdenSplitterinDeinesVruders AugeundinDeinem eigenen nicht denBalken?«) Mahnung,sich dasWort einzuprägen,das derKaiser ausdas Seidenband seines Kranzesdruckenließ.PaßtsiezumVibeltextderPredigt? »Ich bin derErsteundbin derLetzteundaußermiristkeinHortirgends
wo. Die Stärke derStaaten beruht aufdengroßenMännern, dieihnenzurrechten-Stunde geborenwerden. DieGötzenmacher sind allzumaleitel.«Das giebtkeinenDenkreim. Aber seidge- trost: »Nochniemals ließesGottunsandenrechtenMännern sehlen.«,(Niemals. Jm Kirchenschiffsitzt Herrvon Bethmanns Hollweg.)»GottläßtunsnichtzuSchanden werden, solangewir uns umdenThronunseresKönigsschaaren,inTreue,dienicht wankt,inGehorsam, dernicht fragt,inAusdauer, dienichtversagt, inOpfermuth,demnichtszuschwerwird.« Jesaia schütteltden zerfurchtenJudenkopsund inFritzens Profildreieckkrümmt ein LächelndenLippenstrich.Dasalsoistdas Endziel zweitausendjäh- rigerEntwickelung?Weiter nichtsnöthigalsblinder,stummer Gehorsam,sraglosesVertrauen indas Instrument desHerrn
H erbariumx 1ZU undBereitschaftzumschwerstenOpfer?FasthundertvierzigJahre nachMirabeaus Essaisurledespotsjsme wirds,alsletzter Schluß preußischerStaatsweisheit,vomAltar gekündet.Nichteine Silbe, die denKönigaus derReihederAhnenundNeffensöhnerückt;
nicht eine,aus derdieses großenHirnes besondererTonwider- hallt.Der SachseTreitschkehat denPreußenklarergefühlt.»Fried- richgiebt sich,wieerist,undsiehtdieDinge,wiesie sind.Sooft erzumSchwertgreift,verkündet ermit unumwundener Bestimmt- heit,was ervon demGegnerfordert,undlegtdieWaffenerst nieder am erreichtenZiel.Seit erzumDenkenerwacht, fühlter sichfrohundstolzalsdenSohneines freienJahrhunderts, das mitderFackelderVernunftin diestaubigenWinkel einer Welt alterPorurtheile undentgeisteterUeberlieferungenhineinleuchtet.
Jndenschweren MachtkämpfenderStaaten achteternur das Lebendige,nurdievonrascherThatkraftklug benutzteMacht.Sein innerstes Wesen drängtezurascherEntschließung,zuftürmischer Verwegenheit Nichts halbzuthun,giltihmals dieoberste Pflicht desStaatsmannes und unter allen denkbaren Entschlüssenscheint ihmderschlimmste,keinenzufassen.Sokühnundfrohder3weifel undderSpottinseinemKopfsichregen: diesittlicheWeltordnung, derGedankederPflichtsteht ihm unantastbar fest.Pom Pater- land viel zureden,warnichtdieWeisediesesHassersderPhrasez unddochwar seine Politiknur preußisch,nichtsweiter.«
DiesenFritzwill dasoffiziellePreußenvon heute feiern?
TrotzPredigt und HymnebleibterihmeinFremdling. »Wer vordenGroßender Erde dasKniebeugt,Derkenntsie nicht.«
»WennmanimPortheilist:sollman ihn nicht ausnützen?« »Un- terhandlungen ohne Waffen sindwie Nöten ohneJnstrumente.«
»JnjedemLand,woman Plutus mehr ehrtalsMinerva, müssen dieVörsenvollunddieKöpfeleerwerden.« Sosprichter.Wann ward,seitzwanzig Jahren, bei uns jeeinPortheil ausgenützt2 Könnte dasblaueFritzenaugeheiter ausden Staat blicken,der diePierpont MorganundErnest Cassel mitdenhöchstenEhren krönt und in dem dieMahnung, mitdem Gegner nichtohne Waff- enzuverhandeln,alsHetzruf gevehmtwird? Macht:warFried- richsLosung;showof power: höherhinauflangts heute nicht.Kein Wunder,daßaus derGruftnichteinFünkchendesFritzengeistes bisaufdieKanzel sprühteundAllerhöchsterBefehl ihn aufdem.
142 DieZukunft.
Hoftheater vondem armsäligsten Bersstümperauswalzen ließ.
Magman dem bis zumletztenWankAllzumenschlichen Engels- flügel ankitten,dieFülleseinerabscheulichen Eigenschaften(die seineGröße glaubhaftmachen, nicht kürzen) feigverkleben,die ranziggewordene Rationalistenweisheit, dievoltairischenWitze über diepechschwarze»pretraille«ausdenWinkeln klaubem nie war eineZeitihmwieunsere so weltenfern. Nichteinmal die des längstüberlaut gelästertenSonnenkönigs.Der schrieb,alsder FlaggeFrankreichsvondenBriten einstderschuldigeEhrengruß versagtworden war, an seinen Gesandtennach London: »Der König,mein HerrBruder,kenntmich nicht,wenn erwähnt, mich hochmüthigbehandelnzudürfen.Keine Machtunter demHim- meliststarkgenug, um mich auf solchemWegauchnur zumersten Schrittzuzwingen.Schlechtkann mirsgehen; furchtsamwird nie Einer mich sehen.DerKönigvonEnglandundseinKanzlerwiss sen ungefährvielleicht,was ichanWehrmacht aufzubringenver- mag; aber sieblickennichtin meinHerz.Jch begnügemich nicht mitUntersuchungundKompensation. Jch werde,was auchdraus entstehe,meinRecht wahren und, ehe ich durch Schwachheitmei- nen Namen beflecke,meinen ganzen königlichenBesitzan den Kampf fürdieses Rechtwagen.«Das klingthöllischunmodern.
Nicht sosehr,was Mikabeau inder Histoire Secretede Iacour de Berlinerzählt.Der GeistFriedrich WilhelmsdesZweiten iftuns näherals Fritzens»DreiViertel allerBerliner mühen sichjetzt, zuerweisen,daß FriedrichderZweiteeingewöhnlicherMensch, kaumvonDurchschnittswuchs,war. WennseingroßesAuge, das, jenachdemWillen seiner Heldenseele,bezaubernoderentsetzen konnte,nur füreinesBlickes Dauer sichwieder aufthäte: hätten diesealbernen Schmeichler auchnur denMuth,inSchamzuer- sticken?«Mirabeaus Worte erinnern andasunter demMärz- mond desJahres 1890Erlebte. Dafinges·an. AuchFriedrichs Erbe wurde alsFriedensfürstgepriesen.Treitschke:»Preußen stand völligvereinsamtzman vernahm bald, daßdiebritischeTreu- losigkeitinPetersburg undWienmit lauter Schadenfreude be- grüßtwurde. ImpreußischenStaat aberahnteNiemand,wietief dieMachtdesStaates durcheinePolitikderHalbheitundUnklar- heitgeschädigtwar.DieHauptstadtjubelte.Das prächtigeSieges-
"-denkmal der altenMonarchie, dasBrandenburger Thor,ward
Herbarium.« 143 eingeweiht;frohlockenddrängte sichdasVolkherbei,als dieliebs licheBraut desjungen Kronprinzen durchdiesTriumphthor ein- zog.PreußischeSchriftstellerverglicheninehrlicher Verblendung dasungetrübteGlückder Nation mitderZerrüttungund derOhn- machtdesStaates dergallischenKönigsmörder.« Vismarck hat denVergleich nichtgescheut,der denAbgesetztendochindenSchein eitlerUeberhebungbringenkonnte. Hört ihn! »Friedrichder Großehinterließeinreiches Erbevon Autorität undvonGlau- benan diepreußischePolitikundMacht«Seine Erben konnten,- wieheuteder NeueKursvon derErbschastdesAlten,zweiJahrs zehnte hindurchdavon zehren,ohne sichüber dieSchwächenund Jrrthiimer ihrerEpigonenwirthschaftklar zu werden ;nochindie SchlachtvonJenahinein trugen sie sichmit derUeberschätzung deseigenen militärischenundpolitischenKönnens. ErstderZu- sammenbruch dersolgendenWochenbrachtedenHofunddasVolk zu demBewußtsein, daß UngeschickundJrrthuminder Staats- leitungobgewaltethatten.WessenUngeschickundwessenJrrthum aber,wer persönlichdieVerantwortlichkeitfür diesen gewaltigen undunerwarteten Zusammenbruchtrug,darüberkannselbstheute noch gestritten werden.«AltePreußenhaben gestöhnt,weildie Fritzenfeiergarsounfritzischwar. Konnte sieanders sein?
Pro memoria.
»DasSchicksalDeutschlandsdrängtzurEntscheidungund dieerleuchtetstenFürstenhaben erkannt, daßnuraußerordentliche undkräftigeMittel das Vaterland retten können.DieKrisisist sehr nah;undwenn dieRegirungensie nicht selbstzu leitenver- suchen, so fällt siedenParteienanheim,derenMachtundmög- lichesZusammenwirkenNiemand leugnenwird. DieRepublik derFranzosenhat durch ihrunerwartetes undfürdieUmstände vernünftigesundwürdiges AuftretendieWeltinErstaunenge- setzt.Man verhehle sichnichtdenZustandvonDeutschland.Die GesinnungenderLandbevölkerung,derBauern,die der Mon- archie durch natürlichenInstinktund durch ihre religiöseErzieh- ungamMeisten zugethanscheinen, sindleidervielfach untergra- ben undbedroht;auchaufdemLand istanvielenOrten dieZahl derProletarier reißendgewachsen»Undwenn Dies dembeson- nenenBeobachter unleugbar:wasmußman erstvondenniederen
144 DieZukunft.
KlassendergroßenStädte,den eigentlichen Proletariern, befürch- ten?DasSchlimmste,wenn manbedenkt,durchwensiegeleitetwer- den, nämlichdurchdie inDeutschlandzahllose Menge von-Halb- gebildeten, brotlofen Subjektenaus demStande derGelehrten, Aerzte,kleinenBeamten,diesämmtlichkeinInteressemehrandem Bestehenden haben.Und womitgedenktman gegen diesewilden Mächte auszureichen?Hoffentlichnicht mitderMilitärmachtun- sererNationalarmee, die ausallendiesenKlassenzusammengesetzt ist. RepublikoderAnarchie isteinerungeheuren Anzahlder Ve- wohnerDeutschlands durchauswillkommen-Die höherenKlassen desdeutschenVolkeshaltenanderMonarchie ausEinsichtoder Glauben andieNothwendigkeit,aus Interesse,ausGewohnheit oderpersönlicherTreue;aberdieJugend,die immer undüberall zuerst handelt,kenntdasklassischeAlterthum,kenntdieNepublik, liebtsie,kann sienur lieben undsiehtindieser Staatsform die nächsteundschönsteHoffnung, dafzsichJedernach Verdienst selbst Bahn brechenundum denLorber inKriegundFrieden,inKunst UndWissenschaftkünftig,ohneGunst,nach freierBewerbungrin- gen werde.Der BegriffderNationalität istbeiallen Völkern Euro- pasbiszurBergötterungeiner Jdee emporgetriebenworden.
DieEntschlüssederFürstenmüssenrasch,großundeinmüthigsein.«
Aus einer konservativen Zeitungvon gestern?Nein: aus derDenkschriftzdieMaxvonGagernamvierzehntenMärz1848 dem erstenVayernkönigLudwigvorlegen ließ.(ProfessorLud- wigvon Pastor,Janssens würdigsterSchüler,hatsieseinem »Le- bendesFreiherrn Maxvon Gagern« angehängt;einem Buch, das vielNeues bietet,einen wichtigenAbschnittderdeutschenGe-
schichteimKopfeinesklugenKatholikenspiegeltundahnen lehrt.
wieschädlichihr, seitdem kölnerKirchenstreit,demersten »Kultur- kampf« in Preußen,derHaderderKonfessionen gewordenist.)
vWahlaufrufe.
»Erbitterung, wie siejetztmitvollemRecht herrscht,verleitet leichtzur Abgabe sozialdemokratischer WahlzetteL Nichtsist falscheralssolchesVerhalten. Esgilt nichtnur, zuzerstören; es gilt auch, aufzubauen. WirbrauchenimReichstageinearbeit- fähigeMehrheit,die eintritt füreinedasnationale Ansehendes Reiches verbürgendeAufrechterhaltung unsererWehrmacht,für
Herbarium. 145 denfreiheitlichenAusbau unserer Verfassung, füreinegerechte Wirthschaftpolitik. Zur Erreichungdieser Aufgaben führt nicht dieWahlvonAnhängernderSozialdemokratie-Denn sie versagt demReich nichtnur alleMachtmittel, sondern auch,durchdieAb-- lehnungdesNeichshaushaltes, alleMittel zukultureller und wirthschaftlicherHebungderBedrücktenzsiehemmtdenFortschritt, indem sieextremeForderungen stelltundDiejenigen,die dasEr- reichbare erstreben, bekämpftund verhöhnt; sie verbreitert, statt densozialenFriedenzufördern,alseinseitigeKlassenparteiden«
Gegensatz zwischenArbeitgebernundArbeitnehmern,aufderen harmonischemZusammenarbeitendasGedeihenderBolkswirths schaftberuht. WohlgiebtesauchinderSozialdemokratieEinzelne, diedasVerkehrte solcherHandlungweiseerkennen; aberdieMehr- heitersticktsolcheRegungenmitbrutaler Gewalt. Darum kann die Sozialdemokratie nimmermehrdieReaktion beseitigen. JmGe- gentheil: ihre Erfolge schmiedendiereaktionären Elemente zu- sammen,treiben ihnen KräfteausdemVürgerthumzu undstabi-- liren damit auch für weiterhindieHerrschaftdesbisherigenre- aktionären Systems. Hinausmitden Reaktionäreniii Hinaus aber auchmitderSozialdemokratieaus unseremWahlkreisiii Esgilt eingroßesZielinernsterseit.Werdas Gebotder Stunde versteht,DerwähltdenLiberalen. DerWahlausschußderFort- schrittlichenBolkspartei.«AlsdieserAufruf,denschonder Stil zurKulturthat stempelt,imWahlkreis TeltowsBeeskow-Stors kow-Charlottenburg morgens zwischendieThürritzengeschoben- wurde,hofftedieVolkspartei noch auf glorreichen Sieg;verkün- detenihre Häupter ihnals »absolut sicher«. Vielleicht wuchsdie Wahlbeute sogar hochüberdas Hoffnungspalier hinaus;wahr- scheinlich.»Entrechtung, Erpressung,Theuerungz Heiligeund- Ritterz Steuerdefraudanten, ReichsblutsaugerFaCo.;Brannt- wein-,Kali- undZündholzschmach;schwarzblauerBlock.« (Cle--
menceau hatuns was Schönes angerichtet.Weiler,imRede--
turnier wider Thermidorfeinde, einstdieGroßeRevolution ei- nen blocgenannt hat,von dem die LaunewederKnubben noch Zackenabbröckelndürfe,muß unser Schaudern jetztdiedümmste,.
schäbigsteSprachverhunzung dulden. Hottentotenblock, Schnaps- undSchweineblock,schwarzblauerundrosarotheerock,Grosz-und- Antigroßblock,Rechts-undLinksblock. »Um’sHaarsichauszus-
146 DieZukunft.
raufenundanden Wänden hinaufzulaufen!«DaßeinMensch, demSelbstachtung nochVedürfnißist, sich solcheröffentlichen Rülpsereinichtschämt,ist schwerzufassen.)»Längstaufgespeicher- terVolkszorn-Fürchterlichwirds tagen.JnfünfundneunzigKrei- senhabendie Kandidaten derFortschrittlichen Volkspartei Aus- sicht,gewähltzu werden. Hinausaus unserenmitderSozial- demokratie!«Aus derreinlichstenZelleriefsderDoktorWiemer.
Jhmerwiderte, auf-sundabschwebend, Mannheims paterecsta- ticus: »Der Kampfder Nationalliberalen Partei gegendie So- zialdemokratiewirdheißerwerden alsje zuvor. Darüber darf Niemand imUnklaren sein.Zwei Frontenl AbermitHoffnung kannheute unsere ParteiindenWahlkampfziehen, währenddie Sozialdemokratie, wieich glaube, selbst ihreHoffnung beträcht- lich herabgestimmt hat.«Nun istsanders gekommen.DieSo- zialdemokratenhaben hundertzehnSitze,dieLiberalen, trotzab- solute-r SiegessicherheitundgespeichertemVolkszorn, fünfzehn wenigerals imschlechtenErntejahr1907: undnun sollen wir, auchdieWählervonTeltowsVeeskow-Storkow-Charlottenburg;
nachderWeisungder-verbündetenParteibonzen, jauchzen,weil sovieleSozialdemokraten gewähltworden sind.Die, hießesdoch gestern,,,könnennimmermehrdieReaktion beseitigen;imGegen- theil:ihreErfolgeschmiedendie reaktionären Elemente zusammen, treibenihnen Kräfteaus demVürgerthumzu undstabilirenda- mitauch für weiterhindieHerrschaftdesbisherigen reaktionären Systems.«Das ertragenwirUr-undErzliberalennichtlänger;
könnennicht,wollen nicht, dürfen nicht«Wirds also stabilirt?
Dann sindwirzuzornigerEmpörungverpflichtetundbegreifen nicht,wieJhrvonunserer LippeJubelliedererwarten könnt.Wird esdurchdieRothen zerstört?Dann habtJhr,um denNachbarn die Stimmen wegzuschnappen,uns hundsfötischbelogen.
Aus derpreußischenMark indenbadischen Vreisgau. Um denWahlkreis Freiburg ringenCentrum, Sozialdemokratie, Volkspartei. Kommt derFortschrittskandidat in dieStichwahl?
Nur,wenn erdenHandwerkernund Bauern denRothenverekelt.
Leicht hatersnicht. Daß er,HerrDr.vonSchulze-Gaevernitz,ein tüchtigerGelehrterundLehrerist,OrdentlicherProfessorundGe- heimerHofrathgar,überRußlandund England lesenswerthe Bücher geschrieben hat und,als Nationalökonom undSoziologe,