• Nie Znaleziono Wyników

Die Zukunft, 14. April, Bd. 31.

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Die Zukunft, 14. April, Bd. 31."

Copied!
48
0
0

Pełen tekst

(1)

II«""IlllI72;··'-I"sIs.II-;;I;I«s--·stgis-It

Mzigssssssxssi».'llI-s3s:l...’.iklI-««IH.ILF«"M

TIE- ·-

-

«"«

-.- lttssjs.·r««·'ll·«j,·I» s-q Its-

: , ·.» EDXIIli-Mi»Hsisslssssshssstsskgspsst

J-.OTTO ""·« . ««»,.

TDie

is»...ski-:Ixs!!!s;;sixssi»kiskz

If

Eis-Es«-·-:i:::....,

E

« » ...-·!-"-i..f-si«i;

-·.:«:1"i«-«s;:...sit-» :·;.«

- -« - .. -"..--;·-":;....-i"·-«-«E-""ZU

».-sisIsEILEiHHEEEILJiIIIEETEhLE... .. « . ,- «-·«s--;:IIEeisk-EIIIEEiIsIHFLIiEiiIEIEHHIIEis-se

SICH V

Berlin, den H. April x900.

H vsv FI-

Auferstehung

pät erstundnochfast zögerndnahtdemdeutschenNordendesFrüh- Æ·rings holder,belebendchcicr Vorsichtigspähterdurchdasstkähuige Regengespinnst,findetkeineSpur körnigenEises mehr, nichts,wasihn ärgern,·erkältenkönnte,undlächeltderErde,dieinfeuchterSehnsuchtdes Weckers,desBefruchterswartet. Unterseinem Lächelnergrüntsachtdie Flur. Junge Grashälmchen,PrimelnundKrokus grüßendasLichtund dieFichtensehen,nebstanderememergrün,staunend,wie ein buntesFäd- chennachdem anderenindenBoden gesticktwird,dersichallgemachlenzlich färbt. AuchimHolzregtsichsnun. WärmereTropsensindin denStamm, in dieWurzelgesickertundhabengemeldet, daßder Winter geflohenist.

Obenrecken dieZweigesichnochkahlin den lauenDunst;ausdem Unter- hvlzaber wagensichschüchterndieerstenBlätterhervorundbaldistdas Braun,aufdem dasAuge so lange ungetröstetweilenmußte,völligder fkvherstimmendenFrühlingssarbegewichen.DasistunterunseremHim- mel dieschönsteZeitimJahr;mitjedemMorgen bringt sieunsdieGewiß- lZeit,daßringsum sichdasLebenerneut, daßdieandenundankbar"scheinen- denBodenverwendete Kraftnicht verschwendetwarunddaßdemtiefsten WinterschlaseinErwachenfolgt. SolcheSicherheitlabt denMenschen,der sein Lebenhinschwindensieht; sollihm,der aus Erde wardund zu Erdewird, nicht auchderLenzneue Kräfte,zuneuen Trieben dennährendenSaft bringen?FurchtundHoffnunggebärendenGlauben.anrünstigerbeugten

4

(2)

50 DieZukunft.

dienordischenHeidenvorFreyaundOstaradasHaupt,wenn die Sonne höherstiegund dieFruchtbarkeit wuchs.UndalsJrenundAngelsachsen denGermanen dasChristenthumübers Meerbrachten, stießkeineVorschrift auf sogeringenWiderstandwiedie,amFrühlingsanfangdasFestderAuf- erstehungzufeiern.·FroherklangkeineBotschaft:Alle werdenzu einem zweitenLebenerstehen,dieGutenbelohnt,dieBösen bestraftunddie üblen Wirkungen mangelhafter Menschengerechtigkeitvon derHanddeshöchsten Richters weggewischtwerden. DieRationalistenweisheit,dievonderAuf- erstehungdesFleisches nichtswissenundAlles»natürlich«erklärenwollte, verklangins Leere.DasVolksempfinden hielt sichandasgroßeSymbol.

Warum solltedesMenschenSohnnurvomStarrkrampf erwacht sein,wie dieDüftelndenmeinten,undnichtvomTode? SindnichtBäume,Gesträuch undAngervom Todeerstanden?UndandemHerrnderSchöpfungsoll solchesWundernichtmöglichsein? DertröstendeGlaubeüberlebte denan- thropocentrischenWahnunderhelltnochheutedielange umdüstertenSeelen, wennüber denersten grünenSchimmer hin,wieeinstdemKinde,dieOster- glockedassüßeHimmelsliedsingt: Christ ist erstanden!

Das ReichderMonomachenkenntunseren Frühlenznicht.Esist dasLand derUeberraschungen,dasLand derSlythenundHyperboräer Herodots,die,auskaumnochfindbarenQuellen getränkt,einesTages sich derneuenWelt in einerislamitischenEinheitvonachtzigMillionenMenschen enthüllten.Jn diesemRiesenreichgiebteskeinesachtenUebergänge.Monate lang liegteswie tot. DiedickeEiskruste scheintallesorganischeLebenver- nichtetzuhaben;keinBächlein,keinHalmistzusehen.Plötzlich,überNacht, einKrachenundBersten:dieentfesseltenWasserbrausenwild aus denBetten undstürzensich,wieimWonnerausch ersterFreiheit, durch FeldundWald.

Wogestern nochSchnee lag, blühenheute schonBlumen, hastig,alsmüßten siesichbeeilen,derkurzenSommerpracht frohzu werden. DieSonne,die sengendeTropensonnenahtundbedrohtallesBlühendemitfrühemWellen.

DaistOstern nichtdasFestderBegrüßung,sonderndesAbschiedes,—- einesfröhlichen:desAbschiedesvomWinter. Noch istdieErdeweißund dasStrauchwerkkahl,aber dieGlocke kündet dasScheiden derZeit,woder Bauer hinterverkittetenFensternaufdemOfenkauernmußte. Jungund Alt,ArmundReich säubertsichsorgsam,derelendesteMsushikstriegeltund fettetdasHaarund imbestenKleid gehtsin dienächtlicheMesse,Umjanur dabei zusein,wenn derPriesterimsilbern glänzendenMeßgewanddendrei- armigen,mit BlumengeschmücktenLeuchterschwingtund zumersten-Mal

(3)

Auferstehung. 5l indiesummendeMengeruft: Christ ist erstanden! Jedem,derdiefroheBot- schaftwiederholt,mußJeder,dergroßeZur-Vaterund dergeringsteSchar- werker,dieLippenzumOsterkußbieten.DasistdanneinJubeln!Diegräm- licheFastenzeitistvorbei,bald werdenwärmereLüstewehen,auf derfchwarzen Fruchterdewird dasLebenerwachenund demBettlerselbstein StückBrot bescheren.DerAuferstehungtagdesim LeidengeläutertenGeisteswird zumMenschenverbrüderungsest.JnderNacht,da derGerichtetesichaus derVerwesungSchoßentband, sollKeinerdenNächstenrichten, soll Jeder der Stimme gehorchen,die demJünger befahl, siebenmalsiebenzigmaldem sündigenBruderzuvergeben... DochaufdieNacht folgtderMorgen, aufdie Feierstundemitihrem KerzenscheinderTagmitseinenKämpfenumNahrung undGlück. Wie dieBlume,die dasNahenderdörrenden Sonne ahnt, so sputen sichauchdieMenschen,insLichtzugelangen.DasLebenist kurz:

schnellnur erraffen,wasdieKraftzugreifenvermag,schnelleinenVortheil erlisten,den in dernächstenMinuteein Anderer haschenkönnte! Dieguten Ostervorsätzewirkennicht lange.Undin denletzten, verhallendenGlocken- ton dessüßenHimmelsliedesklingtschonwieder die alteWeise hinein,das bangeKlageliedvondemHaderundJammerderMenschen,dieeinander bedrängen,bedrücken,ausbeuten, überlisten,richtenundstrafen.

DieserGegensatzhatdasHerzdesGrafenLewNikolajewitschTol- stoimitSchreckenerfüllt.SeitmanchemJahr saheramOsterfestdiefröh- licheMenschenverbrüderung,sahergleichdanachdasEntbrennen der alten Kämpfe.UnderfragtedieFreunde,fragte sich selbst:Wieistesumdie SeelenDerer bestellt,dieheute küssenundmorgen hassen, heutever- zeihenund morgenrichten?Glaubensie wirklich,in einerStunde die Sün- denfüllesühnenzukönnen,diesieeinganzesJahrhindurch so geschäftig häuftenPJst ihnendasBekenntnißzu demGekreuzigtennur wie einAmu- let,dasvorUngemachschützt?Somußeswohl sein; sonstwäre das ganze Treiben nichtzuverstehen.DesDichters traurige Augen,die wirvonRje- PiusBildher kennen,blickenlangsamin die Runde. Prunkkirchen,deren GemäuerdieLast kostbarerOrnamente kaumzutragenvermag ; Säulen ausreinemSilber,GeräthundSchmuckinleuchtendemGold;dasBild Marias,dergesegnetenMagd,vonEdelsteinen umrahmt;diePriesterin schwerenBrokatgewändernzdortderPope,derjetztsoverzücktseinLiedplärrt, lag gestern,derMengeeinSpott,vorTrunkenheitlallend in derGosse.

SosiehtesaufdemSchauplatzdesGottesdienstesaus. Und dienach gött- licherBegnadungLechzendenPHierbegaffteineGruppedieFahnen,die

47e

(4)

52 DieZukunft.

NapoleonsHeerfliehendinRußland ließ.FahnenausblutigerFeldschlacht in einerKirche,SiegestrophäenimHausedesFriedensfürsten!Dort, noch aufderSchwelledesheiligen Ortes, sprichtEiner schonvomGeschäft, ein Anderer von demVergnügen,daser sich selbstunddenGästen amAbendbereitenwill. DieLippen gewährensie Dem,dersieim Namen desAuserstandenengrüßt,demzerlumptestenStrolch sogar,dennsowill esdieSitte,vondereinRechtgläubigernichtweichendars; ihreSeelever- schließtsichauchdemAllernächsten.Jesus starb ja für sie, starbunderstand vondenToten;daEinerfürAllelitt, fürAlle inEwigkeitlebt, istesnicht nöthig,sichdenTagzu verkümmern.DieBeachtungderFormenundFor- melngenügt. Weshalb sichmit derFrage quälen,welchesZielderMensch- heit gesetztward, welchemEndzwecksie zustreben soll? Schnellnur ge- nießen;dieZeitspannezwischenFrostundlähmenderHitzeistgarso kurz!

Vielleichtkannman rascheineFabrik bauen, nachGoldgraben,die Ernte eines ganzen Gouvernements schonjetztauskaufenundimHerbstmit Vor- theil losschlagen,eineZeitunggründen,einBuhlhauserrichten,Rennpferde laufen lassen.Dassind nützliche,demWohlstand ersprießlicheDinge.Den Dichtergrausets.Er wendet den BlickvondieserweltgeschäftigenChristenheit, dieman niegelehrt hat, daß ErdenglückundHimmelsseligkeitvonJedem, wievondemSohnderJungfrau, durchleidvolleOpfer erkauftwerden muß. Zu ihrer OsterlustwillerseinesWesens tieferenTonnichtstimmen.

Er träumtein anderesOstern,eins imGeist innerster Brüderlichkeit.Und erbeschließt,mittenin dasGetön derStaatskirchenglockensein schlichtes Menschenevangeliumhineinzurufen.

Erhatesoft gethan, seiterdenEhrgeiz,einDichterzusein,aussei- nemTrachten riß. WelchesZielkonnteihn auch nochlocken? Als denmäch- tigsten Epiker,denstärkstenplastischenKünstlerunterden Lebendenhatten ihn huldigendlängstdiefeinstenEuropäerbegrüßt.AlleReizedesLebens,

«

alle lautenundleisenFreuden,die derWeltruhm bringt, hatteerausge- kostet.Jhmwares ergangen wiejenemJüngling,dessenLoosGoethepreist- ausvollenBechern hatteerdenJrrthum geschlürft;nun warderBecher leer und demJrrendenkam dieBesinnung.Waswarerdenngewesen?Ein Lustsucher,Lustfinder,derniegefragt hatte,obseineLust nichtAndererLeid sei,niebedacht,oberdenWunschdergeheimnißvollenMacht auch erfülle, dieihnauf russischerErdewachsenließ.UndseineBewunderer inderHeimath unddraußen? SieergötztensichanseinerKunst,anderzwingendenGewaltsei- nerVorstellung;aufihreSeelenwirkteernicht.ErwarihneneinLiterat wiean-

(5)

Auferstehung 53

dereLiteraten,nachderenBüchernmaninmüssigenStunden greift.Andiese TrägereinerKultur,dieihmim Kernverfaultschien,konnteermitfeiner ernsten Lehrenicht heran. ZumVolkmußteersprechen,zu denstummen Millionen,derenSinn nochgesund,derenHerzderMahnungzumHeil nochzugänglichistunddieseligseinwerden,wenn auchihnen endlichwieder seinLehren-eingütigerHirtnaht...Obnicht doch,unterderBewußtseins-

schwelle,derEhrgeizseinSpieltrieb?DiesesGewimmelhatte nochnie einem Dichter gelauscht;immerhatteesselbstsichseinLiedgesungen,zumTanz- zumKriegundzumSchlummer,undnur verwehteTöne aus derWeise erhascht,dieNekrassow durchs stille Schneeland stöhnte.AuchdemSieg- reichstenwinkte da einhöchsterTriumph.Tolstoierlebtihnundbrauchtdie Ekelregungnichtzubereuen,dieihnausdem engen Revier desGesellschaft- poeten trieb. EristeineMacht geworden,einGegenkaiserundGegenpapst.

Undnichtnur inseinerHeimath.Ueberall,bisin denfernen Westen, schaarenumseinenNamen sichgläubigeGemeinden.Undinseiner unsicht- barenKirchesitztneben demBauernderAesthet,neben demGrobschmiedder Hirnerforscher.Erhatdie imGeistArmen gewonnen und dieKultivirtesten nichtverloren. DasdurftekeinDichter bishervonsichsagen.

SeineLehreist nichtneu; underist stolz darauf, daß sieuraltist.

Die·Menschenfind gleich geborenundsolleneinanderalsGleichelieben, achten,vorFährlichkeitschützen.Jhr Lebenszweckistnicht, Reichthümerzu erwerben,ingrobenoderfeinen GenüssenzuschwelgenunddieGattung fortzupflanzen,sondern,instillem, frommemSinnen ihre Seele,dasbeste TheilihrerMenschheit,sozuläutern, daßsienichtsAnderesmehr begehrt, als»Schauzuhalten«,wieBuddhadiemönchischenJünger lehrte. Zu fol- cher Sammlung stimmtdenaus FleischeslustGezeugtenamBestendas Leben aufdemLande.Deshalb istdasZiel: JedemeingleichgroßesStück Land,auf daßKeiner übermüthig,Keinerneidischwerde. DieMachtent- sittlichtDen,dersie hat,undDen,gegen densie gebrauchtwird. Deshalb mußAllesbeseitigtwerden,waseineMacht bilden,einenDruck übenkann.

Und davonallenGroßmächtendiegrößteheutzutagedasGeldist:weg mit dem Geld!Gabesnicht glücklicheZeiten,die keingemünztesTauschmittel kunnten? DieRegirung fordertdieSteuer, sagtIhr? EineRegirung brauchenwir ebenso wenigwieeinenGrundherrn.BeiderWalten ist schäd- lich-MagJeder seineScholle bebauen, nichtmehr säenundernten,alser für sichunddie Seinen braucht,demFreundetreusein,demFeind vergeben:

dannbedarfdieGesammtheitkeinesHerrnundkeinerHerrschaft.Auchkei-

(6)

5 4 DieZukunft-

nesRichters.RegentenundRichter sollenja dochimmernurdie imBesitz- rechtWohnendenvordenBesitzlosenschützen.DieBrüderschaftderGleichen, dienichtSchätzeaufspeichern,nichtmitvergänglichenGütern denEntbehren- denTributerpressenwill, hat für siekeinenRaum. DiedieserBrüderschaft AngehörigenmüssenkünstlicheSteigerungundkünstlicheHemmungihrer Lebenskraftmeiden ; keinAlkoholalso, keinTabak,keinSpielundkeineKunst DemUnfrommen,derihre rechteWange schlägt,sollen siedielinke zuneuer Züchtigungbieten;demwahrhaftUeblenaber,dasihnenangesonnen wird, müssensieum jeden Preis widerstreben.Sie dürfen nicht Richter, nicht Henker,nicht Soldaten fein; sündigeMenschensindsie allesammtundsollen sich nichtüber andere Sünder zuGericht setzen,nichtandereMenschen töten...Esist schwer,in einer Weltdes Industrialismus undJmperialis- musvonsolcherLehreernsthaftzu reden. WersieimHerzen, nicht aufder Lippenur,trägt, muß darauf verzichten,Reichezugründen,fernenVöl- kernLuxusbedürfnisseaufzuzwingen, Weltpolitikzu treibenundaufdem Markt die Wettbewerber zu unterbieten. Welche geheimnißvolleGewalt wirbtdiesem milden, christlichenKommunismus, dervonJohannesbis auf Jean JacquesundSamt-Simon so häufigvondenverschiedensten Temperamentengepredigt wurde,inderDiaspora heute nocheineGe- meinde?EingroßerKünstler läßtunsseineVisionmiterleben. Dasistdas RäthfelsLösung.Freilich: Tolstoiwürdesienicht annehmen.Er willnicht alsDichter gelobt sein;alsReformator,alsReinigerderentweihtenKirche forderterGehörundGefolgschaft.DenTadel,der denDichter trifft,wird ergelassenbelächeln.Wersichabervermißt,mit demReformatorzuhadern, ihn höhnischetwazufragen,wasinseinemReich derUnthätigkeitdenn aus demFortschrittderMenschheitwerdensoll,Dermagsich wahren. Fort- schritt?Dasteal liegt nichtvor,sondernhinteruns.NichtzumBaufeiner Maschinen,zurZüchtungstarkerWillensmenfchensindwirberufen, sondern zumDienstdesHerrn,denwir imElendestenunterdenElenden,daauch Dieser ja nach seinemEbenbilde geschaffenward, ehren müssen. Fort- schritt!Dann erst, heißtesimKoran, solltJhrdasVerlöschendesWelt- lichtes fürchten,wenn eineSeelenichts mehr fürdie andere vermag.

Vermag sienochEtwas? DerDichter,der zum Bauern wardund zumLutherdergriechischenKirchewerden möchte,hatdieFrage nicht fo nüchterngestellt; die Antworthaterihrinfeiner Osterlegende »Aufersteh- ung«gefunden.VorJahren erzählteihmeinFreund,derSenatorKonij, derStaatsanwalt undOberprokuratordesReicheswar, einErlebniß

(7)

Auferstehung 55 aus seiner Praxis. AufderAnklagebankhatteeinverkommenesFrauen- zimmergesessen.DerZufall-—andenTolstoi sicherso wenigwieWallenstein glaubt fügtees,daß·unterdenGeschworenen,in derenHanddasSchick- salderBeschuldigtenlag,derMann war,dersiealsErstervom Pfadeder Sittsamkeitweggelockthatte.Er wurde denfurchtbarenEindrucknichtwieder los undentschloßsich,umzusühnen,wasnochzusühnenwar, derEntehrten, GeschändetenvorderWelt alsEhemann seinenNamenzugeben.Ausdieser kleinen Geschichtehätteder AbbåPråvosteinezärtliche,Maupassanteine satirischeNovellegemacht.In Tolstois Geist wuchs siezu einemGedichtvon derMenschheitSchwächeundNoth.EinempfindlicherNervwar berührt.

Früher,alsihm,demehemaligenOffizier,derSinn desKriegesmitall feinen Schrecken, seiner entfittlichendenGlorievordie Seelegetretenwar, brachtedasEpos »KriegundFrieden«seinemempörtenGefühlBefreiung;

greifbar,alsereignetesichjeder VorganginUnseremGesichtskreis,standda vorunseinVolk,einHeer,eine in derEuropäergeschichtewichtigeEpoche.

Jetztwar einBeispiel irdischerGerichtsbarkeitgegebenworden. Hatnicht AlexanderHerzengesagt,derHistorikerdesZarenreiches habe meistmit Sträslingenzuthun?Undists nichteingutes,GottunddenMenschenwohlge- fälligesWerk,RichternundGerichteteneinmalHerzundNieren zuprüfenund bis in diestinkenden WanzenwinkeldenUnglücklichennachzukriechen,die einesTagesderArm eines BüttelspackteundauswarmemLeben riß?Dosto- jewskijsTotenhausgeschichtenhatteneineReformdesStrafoollzuges fürdie Verschicktenbewirkt;RaskolnikowundPorphyrius hattendennichtvölligvon kurulischemGrößenwahngeblendetenAnklägernundRichterndenanuisito- rengeistausgetriebenund einerModernifirungdesStrafverfahrensdenWeg geebnet. SolchenErfolgwürdederSlavenapostelvonJasnajaPoljananicht gering anschlagen.Abererwolltemehr.Seine assoziativeKraft ließihn soforterkennen, daß hierdieGelegenheitzurSchlußabrechnungmit einer Gesellschaft,einerMenschheitkulturgegebenwar,die überTrümmerstütten undLeichenhaufenhinweg eineerrlicht nachjagt.DiewundesteStelleim WesendergepriesenenCivilisationkonnteerentdecken undsodeutlichzeigen, daßdie Trunkenen zurBesinnungkommenundvordemSchreckbildzusich selbstsprechenmußten: Dieses bistDu!...DieWehendauerten langeund noch jetzt scheintdasBuch nichtbeendet. Diesmal ists wohl nicht,wie bei

»AnnaKarenina«,die nie ganzbefriedigteGestaltungsehnsuchtdesKünst- lers,die denAbschlußderArbeit hinauszögerte.Tolstoi hatüberseinThema soviel zusagen, daßesihm schwerwerdenmußte,diedrüngendeFülleir- gendwoeinzudämmen,dasWeltbildin dasGehäuseeinesRomanszusperren.

(8)

56 DieZukunft

DieTechnikdesRomans galtihm so wenigwieDostojewskij,in dessenSpurerjetztzumerstenMaleinherschreitetErerzählt,springtin dieVergangenheitseinerGeschöpfezurück,schildert,wieeinGeschichtschreiber, in ein paarSätzeneinganzes Leben,giebtdenvorüberhuschendenGestalten einenSteckbriefodereinLeitmotiv mit undläßtunsniemals allein. Esist die Art derklassischenErzähler,die denLeseraufSchrittund Trittbegleiten, ihmdieneu indieHandlungEintretenden vorstellenund immer in ihrerHeldenNähe Wacht halten. Diese Methode,dievonunserenMo- diften bespötteltwird,warhier nichtzuvermeiden;denn derDichterwill unsseine sittlicheVorschrift einhämmern,injedem Augenblickuns aufdie Stellenstoßen,dieerfür bedeutsamhält. Doch seineTheorieundTheologie kennen wirschonundlauschennurnoch zerstreutderWiederholungDerur- christlicheAsket,dervonderWissenschaftNutzensonstnichtshörenwill, schwört nochimmeraufdenSpencerderfünfzigerJahre,denAgrarkommunisten,

-

undaufHenry George. WelchesGlück,daßin demSoziologenundRefor- matorderDichter nicht starb!Sobald ersichzu demHerrgottswerkherab- läßt,Menschenlebendigzumachen, haterunsinseinemBann. DaistAlles echt,jeder größteundkleinsteZugausderAnschauungentstandenundnir- gends stört,weder imSchloßnochin derSpelunke,derleisestefalscheTon.

Zu dichtdrängt sichdieMasse,alsdaßesmöglichwäre,demEinzelnenfest insGesichtzusehen.NurdieStockwerkediesesGesellschaftbaueskann der Blick des ausdemVannkreis Geschiedenennoch überfliegen. Oben,bei Wein, Karten,galantem Getändel, Sportundmondäner Andacht,die Herrenkaste,dieLeute,die dasLand unddasGeldbesitzenundsehr stolz aufihrenwesteuropäischenFirniß sind.UntenderarmeHaufe;nicht soedel wiebei den derWirklichkeitfremden Romantikern,abernichtimGenießen verderbtunddurchdieHygienederNothvordenLuxuslasternbewahrt. In derMittediegeistlicheundweltlicheBeamtenschaft,derenAufgabeist,die RuhederMachthaberzusichernunddenPöbelimZaumzuhalten,die KnechtederHerrenund dieTyrannendesHaufenszusein.Von den drei Parteienkenntkeine die andere. DaziehteineFügungaus demschönsten

Stockwerk einenDurchschnittsedelmanninsGewimmelhinunter;ersieht, erkennt,waskein Albdruckihnträumen ließ, undkannseinLebennicht weiterleben.Fürst Nechljudow,einervondenrussischenAdcligen,dieseit Turgenjews Tagen bestimmt sind, Nihilistenzu werdenoder»insVolk zugehen«,findetdasMädchen,daseralsLieutenant einstinbrünstiger Wallung verführthat, aufderAnklagebankwieder. KatharinaMas-

(9)

Auferstehung 57 Iowa istzurLusthausdirne geworden.Was sollte sie thun? Siewar Nächtenweilsie sichimHausihrer Wohlthäterinnenmitdemjungen Herrnvergangenhatte,derNothpfennig war ihrbaldabgejagtundAr- beitgabesfür sie nicht.Arbeit! MitdiesenAugen, dieser weißenHaut- dieserstraffenBrust? Wohin sie auchkam: die Männerwolltenimmerdas Selbe. Am Endeergab siesichdrein.Undnun war sievogelfrei,eine Aus- gestoßene,derman nichteine Silbeglauben,derman jedes fchändlichste Verbrechenzutrauen darf.UndNechljudowsollsiealsGeschworenerrichten.

DaerwachterundsiehtinsLeben.Sieht,wieAndererichten,in deruntersten undin derhöchstenJnstanz,wie diefeierlichste,erhabensteHandlungzu einerRoutineleistungerniedert wird,einemAlltagsgeschäft,dessenAus- führungvonderLauneüberreizter,verärgerterkleinerMenschen abhängt.

Ists nicht bloßerZufall oder,richtiger: FolgederäußerenLebensum- stände—,daßDieser aufdemRichterstuhlundJener aufder Sünderbank sitzt? Ohne väterlicheSorgeundFamilienvermögenwäreDiesereinLump, in einembehaglichenHeimwäreJenereinguter,in Würden ergrauter Bürgergeworden.-Nieistgegen das in derToga thronende Unrechteinso furchtbarerStreich geführt,nieinsolcherFlammenschriftdieNaturgeschichte dereuropäischenJustiz geschriebenworden. AnseinemOpferkannNechl- jUdowdas Verbrechennicht sühnen.DasMädchen,demerwerbend bis UachSibirien folgt,willseinOpfer nicht, willnicht, nachdemeseinInstru- mentdesVergnügenswar, demfeinenHerrneinJnstrumentderLäuterung werden. Aber derfeineHerrfindet Besseres.Erentwöhntsich,nicht ohne Qual,des leerenGesellschaftlebens,verzichtetaufalleanmuthigeinlullende NichtigkeitderKultur undmachtsichauf,imGeistdes GaliläersderMen- schengemeinschaftzu dienen.DiesenWegwiesihmdiegebrandmarkteDirne.

So viel vermagauchdiedürftigsteSeeleheute noch füreineandere.

.. .EinrussifchesEvangelium?Nein:einWeckrufandieentschlum- merte Menschheit.UnserKlima kenntnichtdenjähenWechseldesSkythen- reiches,nichtdieMenschen,diesichinEkstafe, ohneHemmungundblind, insUngewisse,in einMartyrium stürzen. Dennoch solltejederDeutsche TolftoisOsterbuchlesenund daraus lernen,wieleichtdas ganze Gewebe des Kulturwahneszerreißt,wenn eineMaschegelockertward,und wieandem schlichtestenErdenbewohnersichdasWunder derAuferstehungerneuen kann.

IS'

(10)

58 DieZukunft.

Herbert Spencer und der SozialiSmuS.

Im

Laufe diesesJahres feiert HerbertSpencer seinen achtzigstenGeburts- tag. Wenn einemMann von seiner Gedankentiefeund seinerlite- rarischenAufnahme-undSchaffensfähigkeiteineso langeLebensdauerbeschie- denist, somuß Das injedemLandealseinebesondereGunstdesSchicksals empfundenwerden« Esdürftewohl wennüberhaupt nurwenigeMenschen geben,die dasWissen unserer ZeitimselbenMaße beherrschen.Underhat sein ungeheures WissenindenDiensteinerdurchkeinerleiRücksichtenbeengten Wahrheitliebegestellt.

Wenn ertrotzdem inDeutschland nichtvielgelesenwird und,obgleich vielgenannt, doch weniggekannt ist, so liegtDas zunächstandemgroßen Umfang seiner Schriften,dannaberzumgutenTheil auchdaran,daß sein Stil Schwierigkeitenbietet, die diedeutscheUebersetzungnichtzu überwinden vermocht hat; ferneraneinergewissenBreiteseiner Darstellungundaneiner fürdenLeserunbequemenNeigungzuWiederholungen,die dasDurcharbeiten seinerSchriften beschwerlichermacht,alsesdieSache selbstmitsichbringt.

Man begnügtsich meistensmitReseratenundCitaten undesist schonviel,wennman weiß,daßvonihm, außerverschiedenenanderenSchriften, ein»Syste1ndersynthetischenPhilosophie«inelfBändenerschienenist,das imerstenBand »Die GrundlagenderPhilosophie«,imzweitenunddritten

»Die PrinzipienderBiologie«,im viertenundfünften»Die Prinzipiender Psychologie«,imsechstenbisneunten »Die PrinzipienderSoziologie«,im zehntenund elften »DiePrinzipienderEthik« behandelt. Ferner pflegt man von ihmzuwissen, daßerselbst seineAnschauungweisealsEntwicke- lungphilosophiebezeichnet;daßeralsodievon seinem großenLandsmann Darwin inBezug aufdieEntwickelungderPflanzen-undThierweltver- treteneAuffassungaufalleGebiete des Werdensübertragenhat,darunterauchauf dieEthik. Vielleichtauch noch, daßerin derErkenntnißtheoriezwar Kant nah steht,aber einemeinseitigenJdealismusebenso wenigwie einemeinseitigen Materialismus huldigt, sonderneinen vermittelnden Standpunktvertritt. Da- gegenscheintdieZahlDerer,diesein Hauptwerk selbstgelesenoderauchnur indenHändengehabt haben,inDeutschland nicht übermäßiggroßzusein.

Unddochsind seine Schriften reichanAusführungenüber die bewe- gendenProblemederGegenwart,überProbleme,zu denen einJeder Stellung nimmt, freilichinderRegelmitmehr LeidenschaftalsEinsicht.Sobe- sprichtSpencerim vierten Bandeder»PrinzipienderSoziologie«diesoziale Frage,dieFragedesEwigen FriedensunddieBeziehungenzwischenKriegs- wesenundKultur undweistdabeiaufGesichtspunktehin,die inderöffent- lichen Diskussion dieser FragenzumTheilnur ungenügend,zumTheilgar

Cytaty

Powiązane dokumenty

Wenn es in dieser Aussiellung bei gleichgiltigerHochachtung blieb, so erregte die Vorführung von Bildern der berliner SezessionistenBreyer, Philipp Klein und Leo von König bei

türlich auch die Individuen gleicher Art: und dann kann man von einem Kampfe sprechen. Aber was nöthigt uns denn, uns auf den Standpunkt dieser Individuen zu stellen? Wir brauchen

Jn Afrika sinden sich ganz kleine Königthümer von ausschweisender Unumschränktheit, aber sie steigen in vielsprossiger Stufenleiter zu Reichen von großem Umfang auf Viele von ihnen

sich zu vertheidigen. Die Zeit von vor fünfhundertJahren liegt nicht gar so fern; wir sind seitdem nicht so »anders« geworden. Frauen, die mehr vom Leben begehren als glückliche

Da er so hochfahrendsprach, verminderte sich der Berg seiner Verdienste um sechzehn Johanns und Tugend und Wirkungskraft fielen ab von ihm, so daß, als er sich wieder an die

Das konnte er, trotzdem er in den »Träumen eines Geister- sehers«Swedenborgs Arcana »acht Quartbände voll Unsinn« nannte; denn zu den Glaubenssätzen, die er »auf dem Luftschiff

Genie ein rein ästhetisches Christenthum. Voltaire hatte das Christenthum lächerlichgemacht, die Encyklopädisienhatten den Atheismus in die Mode gebracht, die Revolution hatte

Ich beschreibe, was kommt, was nicht mehr anders kommen kann: die Herauf- kunft des Nihilismus. Diese Geschichte kann jetzt schonerzählt werden: denn die Nothwendigkeitselbst ist