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Berlin, den 19.April 1902.
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Palinodie.
WereFriedrich Lehmannwurdewüthend,wenn man ihneinenAchtund- vierzigernannte. Erwar imrothen Lenzgeboren worden,amAbend desTages,woFriedrich WilhelmvorderLeichenparadedenHutziehen mußte.Deshalbaberistman nochkeinAchtundvierziger.Dasklingt heute so höhnisch,sonacheinerEhrfurcht,diemühsamdasLachenverhält.Man denkt aneinenzottigenGraubart,anSchaftstiefel,Havelock,Schlapphut,anver- witterteIdeale.UndFriedrichLehmannhielt sichfür höchstmodern. Seit erinEnglandgewesenwar,gingernie ohneCylinderhut aus, trugSchnür- stiefelundKleider nachmodischemSchnitt, denBart,dererstsachtergraute, assyrisch,ganzkurzgeschnitten.EineleganterHerrin denbestenJahren. Auch schalterdieneueZeit nicht. Mancheswarfreilichanders gekommen,alser«
gewünschthatte,undmit den Bismärckernkonnteersichniebefreunden;zu wenig.Ethos;keinGefühl fürdieBedeutung sittlicherMächteim Völker- leben.Damit wars nun jaaberausundnach langer NothderGeistder NationderLehreewiger Wahrheitenwiederoffen.DieZeitdesLiberalis-
mus nahteundHerrFriedrich Lehmannerbat vomSchicksalnur das eineGeschenk:dieseMorgenrötheihn noch sehenzulassen.Aufjedes Symptomachteteerund kam inWallung,wenn irgendwoin der Welt ein KampffürdieFreiheitverkündet wurde. DabeiwarereinguterKaufmannz PolitikundGeschäftaberwaren für ihn getrennte Gebiete,derenGrenzen einEhrenmann respektirenmüsse.Nichtskonnteihn so ärgernwie die Nei-
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94 DieZukunft.
gungjiingerer Leute,bei derPolitikansGeschäft,beimGeschäftandiePo- litik zu denken. DawarseinNesfeErnst Meyer.EingescheiterMensch,ders in derGroßindustriefrühzu einemDirektorpostengebracht hatteundmit demsichangenehm plaudern ließ.Wennernur nichtgarsonüchternwäre, so unfähigjeder Begeisterungl ImmerdieselbeSkepsis,«dieselbekühleAb- lehnungallerEmphase.EinIunggeselle,derschoneinhübschesVermögen erspart hatunddoch für öffentlicheAngelegenheitennichtmobilzumachen ist, trotzdemerameigenenLeibedieWirkung unsererRückständigkeitspüren mußte. Nicht einmalReserveoffizierwar er,alsIudensohn,geworden;und hattesichimDienst dochredlich geplagt.WenninGesellschaftdie Redeauf MilitärverhältnisseundUebungen kam,wurdeerverlegenundsuchtedem Gesprächeine andereWendungzugeben. FürdennothwendigenKampf gegen die Reaktion aberwar ernichtzuhaben. Politik ist Rokoko, sagteer Undwar stolzdarauf, daßerseit zehnIahrenkeinenParlamentsberichtmehr gelesenhabe. Ihre Plauderstundenendetenfast jedesmalmiteinerDisso- nanz. DochderOnkelmochtedieseSeele nicht aufgeben.Nachderersten Flasche Perrier-Iouct gingesgewöhnlichlos. UndheutekonnteHerr FriedrichLehmannso lange nichtwarten. SeinHerzwarzuvoll,dieGe- legenheitzugünstig,einem Verirrten endlichdenrichtigenWegzuweisen.
»Na?Wiedenken wirdennüberBelgien?DeinLieblingsatzwar jaimmer: Industrie ist Freiheit.Damit bohrtestDusämmtlicheFracht- dampfermeiner Hoffnungenin denGrund. Industrie istKultur. Nur keinepolitischeAufregung; Alleskommtvonselbst.Enrichissezwousi DieReichstensinddieStärksten.Eineneue Maschine ist wichtigeralsein Dutzend Gesetze.Undsoweiter. Ichkönnte das ganzePensum herunter- leiern. Fürchte aber, daßdiereifereIugend nicht Recht behält;oderhoffe vielmehr,dennichmöchtein DeinerBusineßweltnichtlebcn. Industrie giebts inBelgien dochgenug. AuchanGeldfehltesnicht;dieStaatseinnahmen haben sichin denletztenzwölfIahren verdoppelt.VonFreiheitabermerke ichnichtviel.WerAugen hat, mußdiesmalsehen. Nicht für höherenLohn kämpfendie Leute.Sielegendie Arbeitnieder, hungernmitWeibundKind, setzensichaufderStraßedenUebergriffenderbewaffnetenMachtaus, weil sie nicht längerinUnfreiheitleben wollen. Siefordern ihren Theilander Regirung.UndtrotzallemGeredevonKlassenkämpfenmarschirenBürger undArbeiter hiervereint.Der Druck derklcrikalanerrschast lastet soschwer aufdemLande, daßderWunsch,vonihmbefreitzusein,alleParteiunter- schiedevermischt. Langegenughatman diesenarmen MenschendenHimmel
Palinodie. 95 mit Kuttenverhängt. Jetztwollensie endlichwiederdie Sonne sehen,frei denken und die idealenGüter, fürdieeinstdie VäterihrBlutvergossen, wenigstensdenKindernsichern. Noch ist nicht vorauszusagen,wassieer- reichenwerdenundob ausdenPutscheneine Revolution wird.DieFührer predigen ja Mäßigung.AberesisteingroßesBeispielundderbesteBeweis, daßdieJnteressenpolitiknochnicht unumschränktdieKöpfebeherrscht.«
»Ja...DieGeschichtehatunsauchbeschäftigt.Zuerst zogenKohlen anundmanglaubte, FriedländerundArnhold gratulirenzu können. Wenn imBorinage achtodervierzehnTage nichts gefördertwurde,mußtendie Preiseordentlichklettern. MirschiendieRechnung gleichfalsch.General- strike hinoderher:derAusstandkonntenichtaufdieKohlengrubenbeschränkt bleiben. UndsobalderandereIndustrien ergriff,war wiederkeineKohlen- noth zuerwarten.Dashatdie Börse auchbaldeingesehenund denHaussiers dieMahlzeitverdorben. Immerhinwarens ekligeTage. Der Gedanke, BelgienkönneWochen lang feiernundeinBischenGerminal spielen, ist nicht leicht auszudenken.GeradevordenfranzösischenWahlen. EinFunke, derüber dieGrenze fliegt,würde denschönstenBrand anfachen. Natürlich hattedieSache auch ihre gutenSeiten. Jn Geschäftengilt ja fastimmer dasmartialischeWort:Suntmala,suntquaedam bona,Suntmediocria plura. Je fauleresdenBelgiern geht,die als Konkurrenten mit allenHun- dengehetztsind,um so besserfüruns. Heutzutageaberfürchtetman jede Ueberraschungundistschonzufrieden,wenn Allesruhigbleibt. Wirschlep- Pennochzu vieleLeichenmit,umSprüngewagen zu können.Namentlich letzt,woJedernur nachLondonundPretoria horchtunddieEntscheidung über denKriegund diesüdafrikanischeZukunft fallen muß,brauchtenCleos PoldsUnterthanenunsnicht nochnervöserzumachen.«
»Und sonst hat DichanderSachenichts interessiert?«
»Doch. Zum Beispielderamusante Unfug,dermitderForderung desFrauenstimmrechtesgetriebenwurde.Stoff füreinepolitischeKomoedie.
Alsichnochöfter nach Belgien kam, hörteichimmer,die Arbeiter verlang- ten dasWahlrecht, sogardaspassive,auch fürdieFrauen,die inFlandern, besondersinGent,in denGewerkschastenvertreten sind, überhauptin der sozialdemokratischenOrganisationeineRolle spielen.Lesuffrageuni- versel sans distinetionduSexe: wieoftbinichdamitgelangweiltwor- den! NunsinddieKonservativen— Dukannst sie,wenns DirVergnügen Macht, auchKlerikalenennen — da drübennicht aufdenKopf gefallen.
NachdemsiedenerstenSchrecküberwundenhatten, sahen siesichden radi- 7äb
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kalenVorschlaggenauer an; und dieHerrenColaertundWoestefanden,er seinichtzuverachten. SchließlichsinddieorganisirtenGenossinnendoch nur eine kleineMinderheitunddie anderenWahlweiber,die,bürgerlichen«, gehörenderPartei, die überdieBeichtväterverfügt. Vorläufig wenig- stens· DürfendieFrauen erst wählen,dann wird man sie natürlich demPriestereinflußzuentziehenundunter dieHerrschaftmodernerer Parteibonzenzubringen suchen.Das dauert abereinehübscheWeile und inzwischensitztsichsvorvollenSchüsselnganzbequem. WeißtDu,wasdie TheaterleuteeineVerwandlungbeioffener Szenenennen? Sowars in
·Belgien.DieSozialdemokraten habendieForderungdesFrauenstimm- rechtesbisaufWeiteres vertagtunddiedrohendenBuchstabens. U. be- deutenihnennur nochdassuffrageuniversel deshommes. Grund:
wenn dieFrauen mitwählen,bleibendieKonservativenamSteuerruder.
DeineehrenwerthenParteigenossen,die wederdieProletarierinnen nochdie frommen Beichtkinderfür sichhätten,haben erst rechtkeineLust,denFrauen politischeRechtezugeben.Sotreten dennnur die,Rcaktionäre«fürdie holde Weiblichkeitein« Bleibtsbei derProportionalwahlmitPluralvoten:
schön;wird aberdasallgemeineundgleicheStimmrecht durchgesctzt,dann werden dieKonservativen sichalleMühe geben,esauchdenFrauenzu sichern.Dashaben sie offenerklärt.Famos, nicht wahr?«
»Hm...DieMachtderVerhältnissekannauchdenLiberalsten zwin- gen, einsseiner Ideale zurückzustellen.Darin sehe ich nichts,wasTadel oder garSpottverdiente. DasFrauenstimmrecht ist nicht so wichtigwie dieBefreiungvomPfaffenregiment.DeineGlossentreffendieHauptsache nicht.DemgroßartigenSchauspiel,daseinfür FreiheitundRecht fech- tendesVolkbietet,kannichmich nicht entziehen.Dasaberhabenwirhier voruns. Eshandelt sichum denKampf zweierWeltanschauungen...«
,,Gewiß.iDassagen seit zwanzigJahrenundlängerdie beidenPar- teien,dieumdenFuttertrog streiten.Wenndie Liberalenherrschen,istder
VäterehrwürdigerGlaubeinGefahr;undwennswiejetztseitachtzethahren,
dieFrommenregiren,wirdschonin derSchuledesVolkesgeistigeFreiheit vernichtet.MitdiesenSpäßenhabendieverschiedenenGruppenderBour- geoisieüberallderMasselangedieZeitvertrieben.Dasziehtnun nichtmehr.
Hungerndewerdenvondenwundervollsten Jdeologien nichtsatt,OnkelFritz.
SiehDir mal Meuniers BilderundBronzenausdemschwarzenLandean undfrage Dich dann,obdieseschlechtgefüttertenPuddler, dieseinhärtester Männer-arbeitfastallerGeschlechtsreizeberaubtenFrauen Lusthaben werden,
Palinodir. 97 fürdenHokuspokusEurerJdeale ihrarmes LebenaufsSpielzusetzen.
Ihre Lagebleibtunverändert,obKlerikale,ob Liberale dieStaatspfründen ansichreißen.Sie könnennur selbstsichhelfen.Dashaben sieerkanntund sichdeshalb organisirt.AnpolitischerFreiheit istinBelgienkeinMangel.Du kannstdaungefährdetRedenhaltenundArtikelschreiben,fürdie Du beiuns verdonnert würdest,daßesnurso krachte. DochwasnützenalleFreiheiten, wennman sichkaum alleacht Tageein StückFleisch leistenkann? Wer in solcherNoth sitzt, giebtdieIdealeunterdemSelbstkostenpreis hin.Die umdie Beuteraufenden Parteien müssenthun,alshandle sichsumdie be- rühmtenheiligstenGüter.WennwirirgendeinenMagistrat bestochenund derKonkurrenzeinenAuftrag weggeschnappthaben, sagenwirauchder Generalversammlung,daßwirstolz darauf sind,dernationalen Arbeit neuenBoden erobertzuhaben.Ohne PhrasenschleiermagKeinerin die Sonnegehen...Jn Jedemvon uns steckteinSnob;undich leugnegar nicht, daßdieHoffnung,einerichtigeRevolutionerlebenzukönnen,mich angenehmkitzelte.So,was abermachenhöchstensnochdieFranzosen;Wal- lonenundBlumen sind, glaubeich, dafür nichtzuhaben.DerbelgischeAr- beiterfordertdasWahlrecht,weilereingesehenhat, daßnur politischeMacht ihmzubesserenArbeitbedingungenhelfenkann.Strikessindzuofterfolglos geblieben.EinePartei,mit der dieRegirung rechnen muß,kann Allerlei durchsetzen.Undüberkurzoderlangwerdendie LeuteihrZiel erreichen!«
»Das also giebstDuwenigstens zu?«
»Nichterst seit gestern.WennichdasGeheulüber dieLastender Arbeiterversicherung,über denwachsendenAnspruchauf LohnundGesund- heitschutzhörte,habe ichimmergesagt: Abwarten;kommtüberall.Jchbin vomSegenderDemokratienicht allzu fest überzeugt;aberauf persönlichen Geschmackkommtesjanichtan. DieEntwickelung ist nicht aufzuhalten.
Daherder·Satz,denDumirviorwirfst:Industrie ist Freiheit.Allerdings erst nacheinerEpochederSklaverei. Ichkönnteauch sagen:Industrieist Revolution.DieaufderStraßeerrungenen Siegekönnenunbelohnt,die fchönstenGesetzeaufdemPapierbleiben:derdichtzusammengepferchten,mit demfür ihreArbeitnöthigenBildungminimum ausgestatteten Mengekann keineMachtder Erdeaufdie Dauer ihr Rechtvorenthalten.Daströstet Michmanchmal,wennsichdieSchammeldet. sievosnon vobis njdiki—
catjsaves. EinesTageswerdenwirja dochentthront.(Hoffentlichdauerts nocheinWeilchen,dennmein Altruismus istangute Nahrung gewöhnt) Ein Staat vonder-ausschließlichindustriellenKulturBelgienskannnicht
98 DieZukunft.
lange oligarchisch regirtwerden. Ich sehenur zwei Möglichkeiten.
Entweder wirddieVerfassung geändertunddasallgemeine Stimmrecht gewährt:danngiebtesstattdereinunddreißigbaldsechzigSozialdemokraten in derKammer,derLohn steigt,dieArbeitzeitwirdverkürztundwirsind eineKonkurrenzlos,die uns oftgenugunterbot. Oderdieherrschenden Kapitalisten,frommeundgottlose, sindblindundsträubensich,bis es zu spätist:dannkommteszur Revolution unddieKoburgerkönnendieKoffer packen.JnkeinemFall siehtdieZukunft heiteraus. Ueberallverringert sich dieZahlderAuszubeutenden.WeiteAbsatzgebiete,derenBewohnerwir die Maschinentechnikgelehrt haben, verschließensichunseren Produktenund der ArbeitererhebtdenunerhörtenAnspruch,wie einMenschzu leben.Neue Märkte?ProfitMahlzeitl DieseWonnenspürenwirschonin den Gliedern.
Daswird einHausirgeschäftschlimmsterSorte,beidemEuropa nichtaufdie Kostenkommenwird Und dawunderstDuDichundzürnst,weilichfür EurePolitik nichtzuhabenbin.Jchkönnte mir einePolitik denken,derich meineBequemlichkeitopfernwürde. Weltbund gegenNordamerika,das unssonst auffrißt. Rußland mußmit derFurchtvorderasiatischenKon- kurrenz fürdieSachegewonnenwerden. Frankreichkann überdiePyrenäen gehen.Daistgloireundrevanche zufinden.Esistdochzudumm, daß aufdemkleineneuropäischenFestlandderverfaulendeStaat derSpanier geduldetwird.Die würdensichirgendeinenLoubetmindestensebensogern gefallen lassenwie einenAlfonsooderDonKarl,wenn nurGeld ins Land käme;zuernsthaftem Widerstand reicht ihre Kraft auch nicht.Unddie Franzosenwärenfür hundertJahre beschäftigtund könnten diegutenBilder, diejetztin Madrid vergraben sind,mitnach Paris nehmen.Und dann..«
»Dann schickenwirdie verbündetenFlotten nachNew-York,hom- bardiren undverwüsten,was zuerreichenist,undlassenuns so ungefähr fünfzigbissiebenzigMilliarden alsKriegsentschädigungzahlen.Daswürde selbstdieYankees füreinMenschenalter unschädlichmachen. Nicht wahr- soetwadenkstDu DirdiePolitik,dieDich reizenkönnte?DaßDuIdeale hast, ist danach jedenfalls unbestreitbar.Nursind sieeinBischen...ein Bischen urwüchsig,meinJunge. Das kleineWörtchen,Recht«fehltin DeinemKatechismusMacht! Macht!Ob dieeinfachstenPflichten derHu- manitätverletzt,dieRechte fremderVölkergebrochenwerden, ist gleichgiltig;
derZweckheiligtdie Mittel. JnmeinemganzenLeben binichmirnicht so rückständigvorgekommen. Also Straßenräuberpolitik. Sich zusammen- rotten undJedem,deroorüberkommt,dieWerthfachenabnehmen.Dasist
Palinodie. 99 dieneue Schule.Meinetwegen.Dann aberweißich wirklich nicht,was wir denEngländernvorwerfen. AuchHerrChamberlain hatdannRecht.«·
»Natürlich,wenn erdieMacht hat, sichseinRechtzuprägen.Damit haperteesaberbisjetzt.Duthust,alsgäbeichmichfürdenErfindereiner neuen MethodeoderSchuleaus. KeineSpur. SoistimmerPolitikgez trieben worden. Zuerst für Fürsten, füreine kleineSchaar Privilegirter, dannfür ganzeNationen. Das ist docheinFortschritt. Zeigemireinen Staat,der unter Wahrungerworbener Rechte entstanden ist.DasRecht hat sichnachher gefunden. SelbstDeinegeliebtenBurenhabenden-Kaffern erst ihrLandgeraubtunddieHeimathlosendannzuihrenSklaven ge- macht.MitdemRechtderhöherenKultur? Darauf berufen sichauchdie Engländer.Ohne LügengehtsingroßenGeschäftennun einmalnicht.Der alteSalisbury hat feierlicherklärt,Großbritanienwolle inSiidafrikaweder- GoldnochLand erobern. DieBuren haben hundertmal gesagt,siewürden biszumletztenMann fürihreUnabhängigkeitfechten.Daserschwertjetztden Friedensfchluß.DieBritenwollen Land undGold,dieBurenhabenden begreiflichenWunsch,dieReste ihrer Freiheit möglichsttheuerzuverkaufen;
siewerdennichttotdebitter endkämpfen,sondern zufriedensein,wennsie für ihre FarmenundViehverlustereichlicheEntschädigungbekommen. Beide Völker möchten,dasGesichtwahren«,wie dieklugen Chinesen sagen,und deshalbziehendieVerhandlungen sichhin.Wennsiebeendetsind,können wir dieBilanzen prüfen· VielleichtschließendieEngländerschlechtab;dann dürfensiesichbeiihremEduardbedanken,dernichts imKopf hatalsseinen CeremonienkramundalsFriedensfürstgekröntseinwill.«
»Mir scheintderschlechteAbschlußschonheute nichtzweifelhaftVon denmoralischen Einbußenwillichgarnicht reden; sonst würdestDumich amEnde wieder einenAchtundvierzigerschelten.AbersiehDirdieZiffern derKriegskostenrechnungan. Schonwar dasParlamentgezwungen,einen Zoll aufKornundMehlzubewilligen. SchutzzollinEngland!Werdieses kläglicheEnde derPolitikPeels vorausgesagt hätte,wärenochvordreiJahren insNarrenhausgewiesenworden. AberReaktion undSchutzzollgehören Uuneinmalzusammen.Dasweißderschlaue Chamberlain; deshalbwar erfüreinegrößereAnleiheundgab erst nach,alserfühlte, daßHicks BeachdieMehrheitderRegirungpartei hinter sichhatte.«
»So standsin derZeitung.Aber wirsind dochKaufleuteundkönnen rechnen. ErreichtEngland seinZiel,dann kommt einb00m,wie wirBeide Uvchkeinensahen;alleBörsendesKontinentes freuensichseit zweiJahren
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daraufund diehoheMinensteuer,dieRhodes jetztnicht mehr hindern kann, wirddenRauschkaumstören.Damit aberistdieSache nicht abgethan.
WenndiebeidenHolländerrcpublikenenglischeKronkolonienwerden-einer- lei, welchenNamen man demKindegiebt—, so istAfrika englisch.Das willEtwassagen;Wasbedeutet danebendasVischen Finanzzoll,dasim nächstenoderübernächstenBudgetwiederbeseitigtwerden kann? Jchwill uns mitdemBeweis,daszpolitischeFreiheitund FreihandelnurdenNamens- klang gemeinsamhaben, nichtdenAbendverderben;Franzosen undYankees sind, trotzdenSchutzzöllen,ja wohl nichtgeknechtet.Warum aberbrauchen wirüberhauptso großeWorte? PeelundCobdenkönnten wirruhenlassen.
Jeder Engländer wußte,daßderKrieg theuerwird. DasLandistreich genug, umihnzubezahlen,und dieüberwiegendeMehrheitwürdeauch doppelt sohohe Kosten ohneMurren tragen. Chamberlain,einLiberalen demohnehin schondieVerleugnungderwichtigstenParteigrundsätzevorge- worfenwordenist, scheutenatürlichdas011us,«denLebensmittelzollvorzu- schlagen.Daspaßt besserfürdie altenTories. WennJoe sichRosebery·, demKandidaten desKönigs, verbündet,kannihmKeinernachsagen,erhabe, alsdemokratischerStaatssozialist,dasBrotdesarmen Mannes oertheuert.
Dasist derZweckderUebung.Erist überstimmtworden. Somachenwirs doch auch;nur ist füruns, da wir Alles demAufsichtrath zuschiebenkönnen, dieSache nochvielbequemer...SiehstDu:dieseUmständlichkeitenverlei- den mir diePolitik.v Jchwillmichwahrhaftig nicht ausspielen.WerJahre lang gereist ist,umAufträgezubekommen,undmitJtalienern verhandelt hat, ftolpert nichtüber eineLüge.Aber das dummeLügen,dasKeinentäuscht, diesegräßliche,sinnloseWortmachereixdakannichnichtmit.«
»Undunter-diesemVorwand entziehstDuDichderStaat-sbürger- pflichtundläßtdieDinge gehen.Bis DeinKriegsplangegen Amerikaaus-
geführtwird, wirst-Dunocheinpaar Tagewarten müssen.
«
Giebtes in-
zwischennichtzuHauseEinigeszuthun?Dumerkstdoch-selbst,wie«die Reaktionunsbedroht.Deutschland stehtvoreinerKrisis,diezurVernich- jungseinesWohlstand-esführenkann. SiegendieJunkerdiesmal,dann werden siesichandieMacht klammern,mitihrerbekannten brutalen Rück-
fichtlosigkeitdenErfolgausniitzen,dem gefessektenBürgerthumden-Fußaus denNackensetzenundunsdenRestoon Freiheitne·h"men,deru—ns,nochblieb.«
.»Abersiefiegenja nicht. Siesind ja schonbesiegt.Dudenkstanden Zolltarif. Jchmuß"gestehen,daßdieSache michnichtsehr interessirt.Seit einem Jahr mindestens wissen«wir,daßder-Export nachmanchenLändern
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erschwertwird.Dasist unangenehm,abernichtso schlimmwie anderewirth- schaftlicheVorgänge,gegen die wirauchnichts machenkönnen. Wirhaben uns,wie die ganzeIndustrie,daraufeingerichtet,und warten nun ab,wie dieneuen Handelsverträgeaussehenwerden. BeiEuchdauert Allesso furchtbar lange.EinSiegderLeute,die DuJunker nennst, istganzaus-
geschlossen.Das wissensie selbst.Manwillihnennur denUeberganger- leichtern. Reichthümerwerden sie auchunter demneuen Tarif nicht sam- meln. Wassoll ichnun thun? Jn Bezirksvereinengegen denBrotwucher reden,dieVortheiledesschlechtrestaurirtenDreibundes preisenoder zuer- rathen suchen,warum dereineMinister dahin,der anderedorthin gereistist?
DenBureneinlangsamesVerbluten wünschen,trotzdem jedeVerlänge- rungdesKriegesuns Schadenbringt? VonsolcherThätigkeitkannich mir keinenNutzenversprechen. Ihrwolltden AdelausseinenPrivilegien jagenundsuchtihm deshalbdieLebensmöglichkeitzuschmälern.Dasist nicht unser Ziel.Wir wollendie Anderen nichtärmermachen,sondern unsbereichern. SchondergutenRassewegenmöchteichdieJunker nicht entbehren.DuhastnunmaldieAntipathie. Achtundv..Pardon! Schließ- lichmußtDuDichaberdochfragen,wasJhr bisher erreichthabt. Nichts, scheintmir. AnEuren Redenliegtesnicht, daßdieBourgeoisie starkge- wordenist.DasistdieFolgedergroßkapitalistischen,großindustriellenEnt- wickelung,dieheute längstviel zuweitgediehenist,als daßirgendeinePartei oderGruppesiedauernd hemmenkönnte.Siehe Nordseefahrt. Schwank- ungensind möglich;einenStillstandkannesaufdem-Wegenicht geben,der nach Englandoder—- wahrscheinlicher— nachBelgien führt.Nehmenwir un, wir wärenschonamEnde. Belgien zwischenOder undElbe,mit scharferKonkurrenz,ungeheuremJndustrieproletariatund demberüchtigten ,plutokratischenWahlshstemL WürdestDuDichdann für das-allgemeine Stimmrechtbegeistern? Ich nicht;undDeineParteigenossenthunesda, wosienichtzugewinnen,nur zuverlieren-haben,auchnicht. WirAllehalten ebennur die Güterfür heilig,derenGenußunssicherist.AlsichnichtLieute- nantwurde,habeichmichschmählichgeärgertundaufdieReaktiongeschimpsh daßDuDeineFreudedranhattest. Dochman wirdälter;undwenn man dieMassennichthinter, sonderngegensichhat, mußmaneinebesondereTaktik ersinnen WirsindFleischvonEurem Fleischundhabendiegute Sache nichtschnödeverrathen.AberwirhabenvoneinemSängergehört,der,weil
ereineschöneKönigstochterbeleidigt hatte, mitBlindheitbestraftwardund dasAugenlichterstwiedererhielt,alserin einemneuen dasalte Lied wider- rief.Wirsummennur undhabenEureSünde dennochschongesühnt.«
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102 DieZukunft.
Nervositätund Kuiistgenuß.’«·)
MkWerthungdesKunstgenussespendelt seit einigerZeit zwischenzwei deutlichen Extremen.Auf dereinenSeite ist,wieKurt Breysig gelegentlichsmitRechtbemerkt, dersozialpädagogischeCharakterderKunst selten sostarkbetontwordenwie inunserenTagen.DieNutzkunstnimmt- immerbreiteren Raum für sichinAnspruch.Man willdasLeben,auch dasderEinfachen, stilisiren;undbeim Kindesoll angefangenwerden·Was dasKindheute-umgiebt, so hörte ich einstdenDarmstädter Georg Fuchs empört rufen, ist häßlich,nur häßlich,undwirwollen,daß unsereKinder inSchönheitaufwachsen.Die ersten Künstler dichtenundmalen Bilder- bücher,inHamburgwerdenKinder inGalerienund Theater geführtund- man entwirft stilvolle Kinderstuben.Berlin folgtdarin nach.Aufder anderen Seiteaberwirdlauterundnachdrücklicheralsje aufdieGefahren einerAesthetisirungderErziehungundLebensführunghingewiesen.Wir denken dabeinichtan dasUrtheildesPhilisters,dernachderofsiziellen Galerienjagdinseinembrummenden SchädeldenSchluß zieht,dieKunst machedoch aufdie Dauer dieNervenkaput; wohlaberisteseinbedeut- sames Symptom,«wennNervenärztevom RangeeinesOppenheim,eines Binswanger dringend ihreStimme erhebenunddieNervositätderZeitin naheBeziehungzumästhetischenGenuß setzen.
Man darfjadasUrtheil dieserMänner nichtalsunbedingtunan- tastbarhinstellen.SeitDubois-ReymondGoetheundBöcklin vernichtete, wirdman imGegentheildemGutachten medizinischerAutoritätenüberKunst recht skeptischgegenüberstehendürfen.Es kannEin-erein hochbedeutender Neurologe sein, ohneeininneres VerhältnisszurKunstzuhaben-;werDas aber nicht hat,wirdüberKunstdinge stets schiefundungerecht urtheilen- Aberfreilich: nicht Jeder gestehtDassofreimüthigein wieBismarck;ein Bischen Familienanschlußan dieKunstwillKeinerso leicht missen.-Ob ihr VerhältnißzurKunstaberenger oder loser sei:Männer von solcher Bedeutungundsolcher geistigenMachtüberihreSphäre,wie die genannten Nervenärzteessind,wollenundmüssengehörtwerden. Nichts hindertuns, ihreAnsicht, thuts Noth, scharf abzulehnen,Allesaber,siezuignoriren.
Sichmit ihrzubeschäftigen,ist schon-darum besonders interessant, weildiebeidenWarner aufganzverschiedenartigeWirkungendesKunst- genusses abzielen. Oppcnheim hat vornehmlichdassinnlicheSubstratder V)DerVerfasser hatbisherseineliterarischenArbeiten unterdemPseudonym ErnstGystrowveröffentlicht;erwirdsie fortanmitseinembürgerlichenNamen zeichnenundlegt Werth darauf,dieIdentitätbeiderNamen festzustellen.