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Die Zukunft, 23. November, Bd. 37.

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Berlin, den 25. November 1901.

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Humanitätim Kriege.«)

ÆMMseltsamen ZwiespaltderGeister sehenwirheute.Fastüberall

s gesteigerterJmperialismus, HangzurWeltpolitik, Betonungdesge- schichtlichenRechtesdertüchtigerenRasseoder Nation, Abweisuugaller SentimentalitätimVerkehrder Staaten, BetonungdesWerthesder»That«, selbstderbrutalenznebenschwachen Friedenstendenzen Verherrlichungdes Kriegesalseiner dauernden geschichtlichenNothwendigkeit·Unddennoch gesteigerteEmpfindlichkeitgegenüberAllem,was ausdemRahmenderfried- lichen,gesetzlichen,humanenKultur heraus-fälltoderherauszufallenscheint.

JnDeutschland zeigte sich dieser Zwiespalt schon seit JahreninderBe- urtheilungdesVerhaltensderKolonial:Beamten undOsfiziere Vereinzelt vorgekommeneSchandthaten sindzuverdammen;aberzuselten machtman

sichdieAlternative klar:entwederwillman kräftigbehauptete,erweiterteKolo- nien, mitentschlossenerZurücldrängung,Beherrschung,Ausnutzung uncivilisirter Stämme, oderman willsienicht.Willman sie,dannmußman auch die Mittel wollen: eineHerrenpolitik, verwirklichtdurchHerrenmenschenmit starkemTemperament, nicht vollgepfropftmitReglements,vollLöwenmuthes, dersichnicht leichtmitLammsgeduldpaart. Sanste, fromme,korrektePara- graphenmenschensetzen sich nicht geradegernvereinzeltunter Tausendevon halbthierischen,blutdürstigenWilden. Undwenn sieesthun,nützensiedem Vaterlande gewöhnlichwenig.

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AehnlichistsimKriege. Schonvon derSchulzeitan, begünstigt durchdieneuste Tendenz unseres Geschichtunterrichtes,setzt sichbei vielen

:’"·«)Diesesehr unzeitgemäßenBetrachtungen,diemanchem Zormniithigen nicht gefallen werden, stammenvon einemManne,derdempreußischenOffizier- MkpsangehörtunddenKrieggegenFrankreich mitgemachthat.

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kleinenundgroßenKindern einLichtbilddesSoldatenlebens imFelde fest:

Morgen:undAbendgebet,Choräleoder die»Machtam Rhein«vorund nachdemGefecht,denTodverachtendeTapferkeit,Ertragendergrausigsten Schmerzenohne Klagelaut, strengsteDisziplin, unsäglicheGüte undRitter- lichkeitgegenNichtkombattanten,namentlichFrauen und Kinder,keusches, ständigesGedenken derheimischenGattin oderBraut, ängstlicheScheuvor jederunnützenBeschädigungodergarAneignung fremden Eigenthumes.

Damit jaAllesrechtreinlich zugehe, stellt sichdieJungfrau auchdieWun- den in derStirn oderhöchstensinderBrustvor; sie sehnt sich,alsStaf- fage diesem erhebendenMilieu zunahen.Und wenn siedannhinkommt, passiren wohl so köstlicheGeschichtenwie diejüngstvom Kap gemeldete.

EinefreiwilligePflegerin,die ebenerstdenDienst angetretenhat,siehtsich schüchternum,willsich nützlichmachenundtrittendlichandasBetteines schwerverwundeten Soldaten: »Soll ichJhnen vielleichtdasGesichtwaschen?«

Tommy: ,,Gern, Miß,wenn esJhnen Vergnügenmacht.Uebrigens haben dieDamen esmirheute frühschon fünfmal gewaschen-«Liestman aber zuHausedenBriefdesjungen schottischenFreiwilligenvor, derausseinem Hemdalleinrund fünfhundertFlöhe absucht,dannheißtes: »Pfui!«Und man willvonder ganzen Geschichtenichts mehr hören.

WennesdieFlöhealleinwären!England sowenigwieDeutschland oder ein anderesReichkann ArmeenvonHeldenundEngelninsFeldschicken.

AuchdasFriedensheer bestehtnichtnur aus Lichtgestalten.Sicheristdas sittlicheNiveau derTruppenbeiuns dashöchste,nicht sowohlwegen all- gemeinerUeberlegenheitdesVolkscharaktersalswegen derfest eingewurzelten allgemeinenWehrpflicht,wegen derBeimifchungdengebildetenKlassenAn- gehöriger,wegen desvorzüglichenMaterials und derstrengenZuchtund Arbeit desOffiziercorps. Wohl darfman denDienstimHeeredieHohe Schule jedes Deutschennennen. AlsaberineineröffentlichenRedeeinmal dieseBezeichnunggebrauchtwurde,sagteeinsehr konservativer, sehr frommer, mitdemEisernenKreuz geschmückterGeistlicher,jetztinhöheremKirchenamt:

»Leideristdie Armeeauch fürHunderttausende-junger BurschendieHohe SchulederVöllerei, derUnzuchtund vieleranderen Laster.« Vielleicht könnten dieVorgesetztensolchemTreibennochwirksamerwehren.DenThoren, diejetztdenGeneral von LindequistwegenseinesEinfchreitensgegenun-

fläthigeLiederverhöhnen,wärezuwünschen,daß sieeinmal indenBezirken andererArmeecorpsmitihren FrauenundTöchterneinemarschirendeund singendeTruppeein paarStunden langbegleitenmüßten.Trunk und Unzuchtspieleninallen HeereneinegroßeRolle. Das lehrendiewissen- schaftlichenSchriftenundnamentlichdiekünstlerischenSchilderungen,diesich von derWirklichkeitnicht entfernen.Man denkefürdiefranzösischeArmee

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HumanitätimKriege· 291 anZolasDobaele unddenUnterofstzierromanvonDescaves,fürdie eng- lischeandenfast unübertroffenenMaler von Soldatentypen,Kipling,der dabeidochseineLandsleute verherrlichenwill. FürdeutscheVerhältnissefehlt esanDarstellungenvonsopackenderPlastik;essteht auch thatsächlichbei uns besser. ImmerhinbleibengenugdunklePunkte. Und wiekönntees anders seinbeimZusammenlebenTausendervon jungen Männern,diegut genährt,nachdenbesten GrundsätzenderHygiene beschäftigtsindunddabei doch mancheFreistunden haben,vollüberschüssigerundüberschäumenderKraft undmeistnicht gebildetgenug, umedleGenüsseanfzusuchen?

DieseMassen nunziehenindenKrieg.Dasheißt:sie scheidenaus dengewohntenVerhältnissenderGesetzlichkeit,siesollenMenschenundSachen«

zerstören,diehärtestenAnstrengungenundEntbehrungenwerden ihnenzu- gemuthet,dannsehen sie sichwiederimUeberfluß,schondienächsteZukunft ist ungewiß,dienächsteStunde kannschrecklicheVerstümmelung,Tod, Ge- fangenschaftbringen.-Da werdeninJedembrutaleJnstinktegewecktund esfragt sichnur, obDisziplinundeigene sittlicheKraft so stark entgegen- wirken, daß dieGrenzendeslegitimenZerstösrensreinlich eingehaltenwerden.

AuchderGebildeteist nicht gefeit.WerkannohneGrauen lesen,wie in KiplingsThe Lightthat failed derblindgewordeneMaler undKriegs- korrespondentnur einmal nochdasNiederknallen derFeindezuhören sich sehntund, daes dazukommt,jauchzendschreit:Give then hellt Denen aber,diehierineinenspezifischenglischenZug sehen, seieinkleinesBild ausderBelagerungvonParis vorgesührt.JndenletztenWochendesJahres 1870 spazirtebeiklaremWetter,um dieMittagszeit,einjunger Ofsizier mitVorliebe zueinem detachirteuUnteroffizierpostenhinaus,wenn seine Compagnie ihn stellte, ließ sicheinGewehr gebenundschoßauseiner Scheune, selbst völlig gedeckt,Distanzvier-bisfünfhundertMeter,aufein- zelne Franzosenoderauch Ablösungen.Er war einvorzüglicherSchütze undbehauptetemehrmals,getroffenzuhaben.Solche Schießereiwar mili- tärischvölligzwecklos,ja, schädlich,störendfürdie denzurückliegenden«Trup- pennöthigeRuheunddeshalbverboten. DerOfsizier schoßgenausotrieb- undsportmäßig,wieman aufHasen schießtodersichvor derScheibeübt.

DieserLieutenant wareiner derbegabtestenundgebildetstenOfsizierederArmee, hatdenGeneralstabmitglänzendemErfolge durchlaufenundistungewöhn- lich früh Excellenzgeworden.Esist sehrnnwahrscheinlich,daßersichje überseinendamaligen SportmitlebendenMenschenscheibenGedankenge- macht hat.SowirktderKrieg selbst aufdieBesten.Undweilersowirkt, istesverfehlt,von obenherdie TriebederHärte,desBlutdurstes,derZer- störungnoch besonderszu wecken. Dieschwere,oft undurchführbareAufgabe derFührerist vielmehr, solcheTriebeeinzudämmen.Steigt »derGeruchdes

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Blutesin dieNase«,dannbrauchtman übermäßigeWeichheitnichtzufürchten;

sowar esvorachtzehnhundertJahren,zurZeitvonFreytags Jngo, soblieb esbisübersMittelalter hinausundsoistesnoch heute.

Dabeikanneswohl vorkommen, daßinPeriodenderRuhederge- meineMann,dernichtgenügendfürdieZukunft vorsorgt,derNutzenund Schadennichtabzuwägenversteht, sichgeradezusentimental zeigt.SeinLeben ist augenblicklichnicht bedroht,erhungert, durstet, friert gerade nicht:dabe- greifterdie gegenPersonenundSachen angewendeteStrenge nicht, schmilzt beiKlagenundJammernhin,tadelt dieVorgesetzten,diebeharren,umihn fürmorgen, für später,um seineKameraden anderswo vorjenen Gefahren zubewahren.Kaum war dieGrenze überschritten,dagaltimAugust1870 einpreußischerReferendarundUnteroffizierseinen Polackenund Breslauern als»Hunne«:erhattedreiNächteimEisenbahnwagenzugebracht,war den Tagübermarschirt, brauchte fürmorgen seinevolleKraft undnahmdes- halbdasBettfür sichinBeschlag,dasderBauer wohl fürdieeine Nacht malentbehrenkonnte. DieKorporalschaft,die imEisenbahnwagengeschnarcht hatteundaufderStreu wiederschnarchenwürde,schenktedemausraffinir- temLuxusbedürfnißschmählichberaubten Quartiergeber ihr.vollesMitleid.

So findetman auchbei denneuerdingsaus Chinaundnamentlich aus Südafrikaals grausamgemeldetenHandlungenkritiklosVerschieden- artiges durcheinandergeworfen.Wenn dieEngländergefährdeteEisenbahn- zügevonNotabeln derFeinde begleitenlassen, so thunsienur, wasdie Deutschenanno 70vielfachgethan haben,undman müßte sicheherwun- dern,daß diesesvölkerrechtlichnichtzuverwerfendeMittel erst so spätwieder hervorgesuchtwordenist. Dagegenwirdwohl JedermitAbscheudieNach- richt hören,daß englischeSoldaten imGefechtgefangeneFrauenundKinder derBuren vorsichhingestellthabensollen,umdieFeindevornSchießcnabzu- halten.DerUnterschiedist juristisch nichtganzleichtzuformuliren,für dasGefühlaberschnell greifbar:dorteinmehr heimtückischerscheinendcs, ohneeigeneExponirungmittechnischenMitteln gegendieBahntransporte gerichtetesVerhaltendesFeindes,sehr schwer abzuwchiem hieroffencr Kampf,bei dembeideTheiledieHautzuMarktetragen.Fernerdie Ten- denz, FrauenundKinderunter allenUmständenimmuu zuhalten, ihreBe- drückunginkeinemFallealsKriegsmittelzu verwenden. Dannwiedermuß man über die Leutestaunen,diesichentrüsten,weildieKapkolonisten,die fürdieFreistaaten gekämpfthaben,alsLandesverrätherbestraftwerden.

DieSteigerungderEmpfindlichkeitgegenfrüher,dasbeständigeAuf:

zuckendesMitgefühlswirdbegünstigtdurchdieschnelle,detaillirteundmög- lichst wirksamgefärbteBerichterstattung,dieheutzutage auf Tausendevon MeilenjedesmarkanteGeschehnißMillionen von Lesernbrühwarmver-

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HumanitätimKriege. 293 mittelt. Nicht gleichhoch stehtdieZuverlässigkeitderNachrichten. Selbst nach Jahren noch,wenn dieJournalisten längstdieAufgabedenGeschicht- schreibern abgetreten haben,bleibtesschwer,dieWahrheitzuermitteln.

Noch heutzutage stehtin Frankreichunter Millionen dieUeberzeugung felsenfest,daßdieDeutschensich1870 als barbarisch hausende Horden gezeigt,GewaltthätigkeitengegenPersonenundSachenverübt,zahlloseKost- barkeitengestohlen, gesengtundgeplünderthaben.MitverletzenderDeut- lichkeithatebenerstderGeneralVoyrondasangeblichhöhereNiveau seiner TruppenineinemBriefandenGrafen Waldersee hervorgehoben.Aber auchinderganzenangelsächsischenWelt, inRußlandund anderswo sind annäherndähnlicheVorstellungenvonunserem Verhalten währenddesletzten Kriegesverbreitet. Jedem,derEnglischverstehtund mitEngländernin Berührungkommt, tritt alsdieinnige Ueberzeugungvielerwahrheitlieben- denundgebildetenBritenentgegen, sie verführenjetztinSüdafrikamilderals wirdamalsinFrankreich. BloßefeierlicheProteste,dieunsalsEngel,dieEng- länder alsTeufelhinstellen,werden dagegenwenig helfen.Ebensowenig nützt dasHervorsucheneinzelnerZügevonHumanitätoderBrutalität auf dereinen oder anderenSeite. DieFrage ist nicht,obvon Hunderttausenden Fünszigsichedelmüthig,Fünfzigsichbestialischgezeigthaben,sondern:Wie be- nahm sichderDurchschnitt,wie wurden AusschreitungenvonderAllgemein- heitempfunden,wiewirkten die unmittelbaren und diehöchstenVorgesetztenein, wiestandesmit derSühnevonExzessen?Deshalb istes vonbleibendemWerth, daßderGeneral vonLessel,derinChina kommandirte,unter demZeugeneid neulichbekundethat,nur ungefährzwölfVergehenderMannschaftengegen LebenundEigenthumundsechsDienstvergehenderOffiziere seien gemeldet worden. Man kannschonjetztmitziemlicherSicherheit sagen, daßdie Befürchtungen,dieman angesichtseiniger Vorgängebei derAusreise wohl hegen durfte, sichalsunberechtigt herausgestellthaben, dank demsofor- tigenAufbäumender-öffentlichenMeinungundihrerpublizistischenVertreter-, dank demVerlaufderEreignisse,dieja nichteinenKrieg, sonderneine Reihevon Polizeiexpeditionen,Rekognoszirungen,Felddienstübungeningroßem Stil,freilich auch oftmitgroßenStrapazen, brachten,dank derDisziplin, dieunter solchen Umständenfastder imFriedengeübtengleichenkonnte, dank»derguten Qualität derMannschaften.

Vielunklarer istnochimmer dasBilddessüdafrikanischenKrieges, vielschwererdasUrtheil darüber,ob undinwelchemMaßdortunnöthig grausam verfahren wird; zweifelhaftwenigstensfür Jeden,der einenKrieg gesehenhatunddergewöhntist,Beweismaterial zuprüfenundzusichten.

Wahrscheinlichwirdvon beidenParteienvielgelogen. GleichzuAnfang waren,auchzuUngunstenderEngländer,handgreiflicheMärcheninUmlauf;

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sowurdeerzählt,daß sienur bezahlte ProletarierihrLebenaufs Spiel setzen ließen,diehöherenKlassenaberweitvomSchußblieben,während dochdieBlüthedernobilityundgentry, überhauptderupper ten, bei Garde,Linie, yeomanry undvolunteers, inkaumje erhörtemProzentsatz niedergemähtist, nachdemsie einengeradezu tadelswerth tollkühnenMuth bewiesenhatte. Diese Beschimpfunghörtman jetzt auchkaumnoch.Aber wie viele andereBerichtevonatrocities mögen ähnlicherfunden sein!Be- ruftman sichdarauf, daß auch einzelne englischeStimmen selbstandem Verdammungurtheilsich betheiligen,so sprichtDas dochauch wieder fürein gewisses Maßvon FeinfühligkeitinderNation undhängtmitderweit- verbreiteten Abneigunggegen Militarismus, mitreligiösemSektenwesenund politischenParteibestrebungenzusammen,mitderfast unbeschränktenFreiheit derMeinungäußerung,mitderWahrheitdeshübschenWortes,dasneulich von demenglischenErzieher unseres Kaisers erzähltwurde: Wasistein spleenigerEngländer? »EinMann,derthut,was erwill, undsagt,was

erdenkt,ohne sichdarum zukümmern,wasandereLeutedazu sagen.«

DiedeutschePresse scheintvondemVorwurf nichtganzfreizusprechen, daß sie,inübermäßigerAbhängigkeitvom Massenglauben,wederdieNoth- wendigkeitundUeblichkeitmancheralsgrausam verschrienenMaßregelnge- nügendhervorhebtnochdenWiderlegungenangeblicherExzesselauscht.Bei einemAufenthaltinderSchweiz fand ich gleicham ersten Tageinder Gazette deLausaune denBerichteinesreformirten, seinenNamen unter- zeichnendenPastors,derseit langen JahrenimTransvaal lebt und Buren- freund ist; nach eingehendenRecherchen bezeichneteervieleAngabenüber Exzesse,namentlichNothzuchtfälle,als vollständigerfunden.Beianderen Anklagen,auchbei der dieKonzentrationlager betreffenden,wirdman doch erstweiteresMaterial darüber abwartenmüssen,ob beiWahrungdesKriegs- zweckes,nachLagederdortigen Verhältnisse,solcheMaßregelnvermeidbar, ob sie nichtnochdasverhältnißmäßigHumanstezurVerhütungvonSchlimniere1n,ob siemilderauszuführenwaren. Damitsollkeineswegsgesagtsein,daßdie An- klagengegendieEngländerunbegründetsind:non liquet. Einzelnes recht Schlitnme ist gewißvorgekommen;und eineungünstigeVermuthungdarfman vonvornherein aufdieQualitätdesSöldnerheeresbauen. Ganz auszuscheiden ist hierdieFrage nachderBerechtigungdesKrieges.Kinder undkindliche Erwachsene verlangeneineAntwort inzweiWorten, ob die Buren oderdie Engländer»Rechthaben«. Solche geschichtlicheProbleme sindaberrechtkom- plizirt. Sichcr haben sehrunedleMotive beimVerhaltenEnglandsmit- gewirkt.Wann aberundwofehlten je solcheMotive? Versuchtman,Fehler oderauchSchuld abzuwägen,das historischeRecht herauszuschälen,dannlie- neidetman fastdieHarmlosen,die meinen,PreußenundDeutschlandseien

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HumanitätimKriege. 295 stetsnur von denreinstenBeweggründeninKriegegetriebenworden. Auch FritzReuterwar einguter Patriot,derindenKasematten für seineJdeale geschmachtet,nichtnur beim BiereHeilgerufen hat.Ersagt: ,,De Preußen hewwenenAdlerin’tWapen,undorsteihtenlatinschenVers unner, de hürt sickbinahan, aswenn EinenFarkenin den Start knippt,un uns’

Feldwebeläwersett’tem: Holl wiß,watDu hest,unnimm,watDukriegen kanns ErmeintdasWort: Suum cuique.

Siehtman von derFrageab,wer ,,Recht hat«, so läßt sichleichter die andereerörtern:wiederKriegnachVölkerrecht,nachKriegsbrauchundKriegs- raisonmöglichsthumanzuführen«ist.Das VerhalteninSüdafrika ist eigenthümlichbeeinflußtdurchdieungeheureEntfernungvomenglischenCentrum, vonderKulturwelt imengerenSinne, durchdiekolossaleAusdehnungund dasKlima desKriegsschauplatzes,dieSchwierigkeitendesTransportes,die seit denfrüherenKriegenneu gewonnenen technischenMittel, dasFehlen eineseigentlichenHeeresderBuren,deren levåe enmasse, dasHerüber- greifen ihresStammes in ältereGebietstheiledesbritischenReiches,dieMit- wirkungvielerFarbigenunddenCharakterdesGuerillakrieges.Beider WerthungdesGeschehenenundGeschehendenwirdkünftigzuscheidensein zwischenBefohlenemund zwischenHandlungen Einzelner,die alsverboten empfundenundvondenVorgesetztengeahndetwerden.

Eine guteGrundlage fürdieZukunftwird esbieten,wenn man aufdiegeschichtlicheEntwickelungderKriegsraisoneinenBlickwirft, unser eigenes Verhaltenindenletzten Kriegen sichzurückruftunddaraus einige Grundsätzezugewinnen sucht,imAnschlußandiespärlichenDetailvor:

schriftendesungeschriebenenundgeschriebenenRechtes.Werüberhauptan

ethischenFortschritt glaubt,wirdaucheineSteigerungderKriegshumanität fordern. »Niebefinden sichdiemoralischenKräfteimStillstande; sie fallen, sobald sie nicht mehr nach Erhöhungstreben«,citirt Colmar von derGoltz alsScharnhorstsWorte. AberaucheinesanderenAussprucheswerdenwir gedenkenmüssen: »Im Kriege geschehendieschlimmstenJrrthümerausGut- müthigkeitzwergewaltthätigerist, ist stärker.«Auch diesesWort hatein Deutschergesprochen,einerdertüchtigsten:Clausewitz.

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Was istuns Giordano Brunop

In demjungen zwanzigstenJahrhundert gehtein wunderbares Sehnen durchdie Welt. NacheinerWeltanschauungverlangtdieMenschheit einmalwieder,nacheinereinheitlichenErfassungdes Alls. Dagewinnen leichtMännererneutes Interesse,die inlängstverflossenerZeit nach ähnlichen ZielenmitderKraft ihres GeistesundHerzensgerungen haben.Einsolcher Mann istGiordanoBruno gewesen.Darum fandesbegeisterteAufnahnIe, alsimvorigen JahrdiedreihundertsteWiederkehrseines Todestagesfeier- lichbegangenwurde. Darum sindinunsererStadt zwei Vereinigungen entstanden,die beidenachGiordano Bruno genanntsind dieGiordano Bruno-VereinigungundderGiordano Bruno-Bund —, dieauchindiesem Jahrwiederfeines Todestages gedachthaben.Daistesdennvielleichtam

Platze,einmalzuerwägen,was dieserMann füruns heute nochbedeutet.

Bruno starbam siebenzehntenFebruar1600inRom denTodauf demScheiterhaufen.AberseinGeist hat fortgewirktdurchdieJahrhunderte undistauchinseinemHeimathlandwiedererwacht.«Amneunten Juni1889 wurdeander-selbenStelle,andererverbrannt wurde,seinDenkmal ent- hüllt.EineJnfchriftwidmet esdemGiordano Bruno-im Namendesvon ihmgeweissagtenJahrhund:rts,desJahrhunderts nämlich,dasihn schätzen gelernt hat. Einfurchtbares SchicksalverkündetdiesDenkmal;und doch war der Tod aufdemScheiterhauer nichtdasSchlimmste,was Bruno beschiedenwar.

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.Giordano Bruno lebteinderzweiten HälftedesfechzehntenJahr- hunderts,einerbösenZeit.ErschloßsichausinnerstemDrangeinergroßen geistigenBewegungan, dieseiteinemJahrhundertinJtalienemporgekom-

men war. Jhr galtdie ganze belebte und unbelebte Natur alsdasleben- digeAbbildderGottheit; sie suchtevonderNatur auszu Gottzugelangen.

DieneuplatonischeAkademiederMediceer inFlorenzwar dieerste Trägerin dieserBewegung gewesen«DieKirche hatte diese Strömung geduldet, ja, gefördert.AberseitdemTridentiner Konzil riß sichdieKirchevonden modernenGeistesströmungenlosundwandte sichmiteifernerEntschlossenheit derAufgabezu, dieGeisterderMenschenwiederunter dieZucht scholasti- schenDenkens zubeugenund demglänzendenLebensidealderRenaissance das starreLebenszieldermönchischenAskese entgegenzufetzen.Mit der erneuten HinwendungzumJenseits standdiekatholischeKirche nichtallein.

Einverwandter Geistkam überall zurHerrschaft.Diefinsteren Puritaner Schottlands,diefranzösischenunddieschweizerEalvinistenwaren von der selben Gesinnung erfüllt.Bruno haßte siemitder ganzenGluthseiner ungezügeltenLeidenschaft;unddadurchwar dasLoos, das Giordano Bruno

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WasistunsGiordano BruuoP 297

zufiel,von vorn herein bestimmt.Erwar derTrägereinerGefinnungweife, die inItalien, ihrem Heimathland,von derKirche niedergeworfenwurde undindenanderen LändernEuropaskeineHeimath hatte. Erwar damit verdammt,seinLebenlang heimathloszusein.Dasisterdennauch gewesen.

JmJahre1576 entfloheraus demDominikanerklosterinNeapel,indas erimvierzehntenLebensjahr getretenwar, weil erfürchtenmußte, wegen Retzereiangeklagt zu,tverden. Erirrte dann durch Italien, Frankreich, EnglandundDeutschland,konnte aber in den vierzehn Jahrenfeines Wanderlebens nirgendsdauerndFußfassen. Schließlichwandte ersichnach Venedig zurücknndwurdedortvon feinemSchüler,einem edlenMocenigo, deranuisitionindieHände geliefert,dieihmdann fein letztes Schicksal bereitethat. So fieler, einOpferderübermächtigenGewalten umihn.

Doch nichtdieTheilnahmeanBrunos Geschickmacht ihnuns heute werth. Trotz feinemunsteten Lebenhater Kraftund Muße gefunden, die Ideen,dieinihmlebendigwaren, ineinerReihegroßerphilosophischen Werkeniederzulegen. Durchsie wirkter noch heute aufuns. Ja, viel- leicht istdieGegenwart besonders geeignet, ihnzuverstehenundzuwürdigen, denndieGegenwart stehtunter ähnlichenZeichenwiedieZeitGiordanos.

WelcheGedankendes vergangenenJahrhunderts scheinenbestimmt,dieWelt- anfchauungdeskommendenvorzüglichzubeeinflussen?Zwei gewaltigeNatur- gesetzehabendenSinn derMenschengefangengenommen. Daserste ist dasGesetzvon derErhaltungderKraft,daslehrt, daßalleunseren Sinnen alsverschiedengeltende Naturkräfte dieSchwereunddiechemischeVer- wandtschaft,die WärmeunddasLicht,dieElektrizitätundderMagnetismus

verschiedeneErfcheinungformeneinerallgemeinzudenkendeneinheitlichen Naturkraft sind.EsläßtunsinVerbindungmit demKaufalitätgefetzahnen, daßalle VorgängeinderNatur zueinheitlichemGeschehensichzusammen- fchließcn,zu einergroßenOffenbarungeineseinheitlichenAllwesens.Neben demGesetzvon derErhaltungderKraft stehteineandereErrungenschaft derNaturwissenschaft.Seit Darwin meinen wir, daß dieunendliche Fülle der belebtenWesenvon denniedersten, einfachstenWesen,dieaufderGrenze zwischenThierundPflanze stehen,biszu»denBaumriesendesWaldes, dengroßenSäugethierenunddemMenschen,eineneinzigen großenLebens- zufammenhangbilden,daß dieserganzeReichthumvon Lebensformen durch allmählicheEntwickelunghervorgegangen istaus einer einfachstenUrform.

Soist unserDenkenbeherrfchtvonzweiumfassendenEntdeckungen,die beide darauf hinstreben,uns dieWelt alsetwas durchunddurchEinheitliches erscheinenzulassen.Eine monistischeWeltanfchauunggilt heutals der nothwendigeAbschlußdesnaturwissenschaftlichenErkennens. Aehnlichstand eszuBrunos Zeiten. Damals war dieEntdeckungdesKopernikusdie

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großeneue Wahrheit,diedie Geisterbewegte.Was hatKoperuikusdenn gethan? Gewöhnlichhörenwirnur,erhabedieLehreaufgestellt, daß sich dieErdemitdenübrigenPlanetenum dieSonne bewegtundnicht selbst derMittelpunktallerBewegungenam Himmel-Jst AberKopernikus hat vielmehr geleistet.ErhatdieGrundsesten erschüttert,aufdenendieüber- kommene mittclalterliche Weltanschauungruhte. HimmelundErdegalten alsdieentschiedenstenGegensätze:derHimmelalsder Ort,woseligeGeister invollkommener GleichmäßigkeitdieGestirne herumführten,dieErdeals derOrt desveränderlichenSinnens undHandelnsderMenschen.Dort ewige Vollkommenheitundumwandelbare Beständigkeit,hierUnvollkommen- heit,Unbeständigkeit,VergänglichkeitNun wurde dieumstürzendeLehre ausgesprochen:dieErdeisteinHimmelskörper.DieErdegehörtebenso zumHimmelwiederMond,die Sonne, derJupiterundderSirius. Die Weltist nichtzwiefach,sondern einfach.Einer undderselbenArtsindalle Weltkörper,dieimHimmelsraume schweben.Einer einheitlichenSchöpfung also,nichteiner zwiespältigenstehtderMensch gegenüber.Daswar die neue WahrheitinBrunos Tagen.Sie drängteeben soaufeinemonistische Weltanschauung hin,wieesunseregegenwärtigeNaturerkenntnißthut.Sie erweckte dieselbeSehnsucht,diejetztindermodernen Menschheitlebt·Und Bruno istderMann,derdiese Sehnsucht für seine Zeit befriedigt hat,der zu demkopernikanischenWeltbild eineneue Weltanschauunggeschaffenhat:

»Eins istdieWeltundunendlichinZeitundRaum,nichtintiefem Gegen- satz steht siezuGott, wiedas imGrunde Berderbtezu demewigVoll- kommenen; sondern sie selbst istderlebendigeAusdruck, dielebendigeDar- stellung,daslebendigeAbbildgöttlicherHerrlichkeitDennwasimtiefsten Innerstendereinzelnen Wesen sichregt, istGottesWesen, istGottesKraft;

undwodas Jnnersterecht deutlich hervorstrahlt,daerglänztdasAllin göttlicherSchönheit.«

Das istdieLösung,dieBruno demWelträthsel giebt.Sie lehrt uns dengottbegeisterten,weltfreudigenGiordano kennen. Je mehrwiruns indieseAnschauung versenken, desto vernehmlicherspricht siezuunserem Herzen:DieWeltisteins. Alles in ihr hängtmitAllemzusammen.

Nirgends giebteseinGebietkörperlichenodergeistigenGeschehens,dassich ganzaus demZusammenhangmitallemAnderen lösen ließe· DieserGe- danke, den Bruno verkündet,istdieLebensluftmodernen Denkens geworden.

DasGeisteslebeneinesVolkes, seinePoesieundKunst setzenwirinengste Beziehungzu denpolitischenSchicksalen,dieestreffen,denwirthschaftlichen Verhältnissen,unter deneneslebt,derBeschaffenheitdesLandes,das es bewohnt. GeistigeStrebungenundmaterielle Verhältnissesehenwirüberall imZusammenhangAbernoch mehr.DiemannichfachengeistigenStröm-

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