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Die Zukunft, 2. November, Bd. 37.

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VII-EXC- 191F. '. .

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Berlin, den 2.November 1901.

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Pour Le Mårite

Was

Algierkamuns währendderschönstenSommerszeit beglückende Kunde. Graf Waldersee, dessenGeschäftinChinabeendet war,hatte aufderHeimreisein demnordafrikanischenHafengerastet. Daeraneinem bestimmten TagevomKaiser feierlichinHamburg empfangenwerdensollte, durftederGreis,UmnichtetwazufrühdendeutschenBoden zubetreten, dassonst sehrbeliebteBerkehrsmittelderEisenbahnnichtbenutzenundkonnte behaglichweilen,woesihm gefiel.UndinAlgier fühlteersichsehr,wohl.

AlsMensch,alsKrieger,alsPatriot. Das verschwiegderexpansiveVer-- treterdesjungenJmperialismusseinenLandsleutennicht.Wie dieFranzosen ihm huldigten, hörten wir;undwieherzlichdasVerhältnißzwischenden Truppen sei,deren VätervordreißigJahren aufTodundLeben mit ein- andergerungen hatten.So sei esauch schoninChinagewesen;keinan- deresKontingent habe sichso willigdemdeutschenOberbefehl gefügtwie dietapfere Schaar,derdieTrikolore derRepublik vorwehte. Jn Algier konnteder Feldmarschall sichkaumderLiebeerwehren,dieihn zärt- lich umdrängte.Es ging ihmwieimKriegegegendenbösenBer- lichingerdemReichsexekutor,dermitseinem Lustgezeltunter Zigeuner gerieth:garmajestätifchfanden ihnAlle unddie Kinderselbst sahen sein graues-Hauptinlichtem,inmildem,ingüldenemSchein.EinTageswollte derMarschall sichdieRosettederEhrenlegionkaufen,derenRitter erist;

alsersie endlichaberin einem Ladenaufgestöberthatte,wollte der Krämer keinGeldvonihm nehmen:nur schenken,nicht verkaufenkönneerdem deutschenGeneral dasgallifcheEhrenzeichen. JnderpariserPressewurde

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166 DieZukunft

derMann gelobt,der dieScheidemünzedesPrussien abgelehnthabe.Das- argloseHerzdesDeutschenaberfühltenurLiebe insolchemThun, ehrfürch- tige, uneigennützigeLiebe.Das kleineLadenerlebnißwurdeeinemInter- viewererzähltund,alseinHerrlichesverheißendesSymptom,in dieHei- mathgemeldet,damitesdie immernochMißvergniigtenlehre,welchenEr- tragdesReichesFeldherrausAsien heimbringe.WermochtedenKreuzzug noch schelten,daerdemlangen, verderblichenHader,derFrankreichvon Deutschlandtrennte unddasnothwendigeBündnißdermitteleuropüischen Völkerhinderte,nun dasersehnteEnde bereitethatte?GrafWaldersee barg seineFreudeanso ungemeinemErfolg nichtimBusen.UndweilLandund Leuteihm sogefallenhatten,spracherdieAbsichtaus,inAlgerienmitseiner FraudenWinterzu verleben.

OberdieAbsichtausführenwird? VielleichtistdieErinnerungan seineaus Algierdatirten Selbstanzeigen ihm durcheinenneuen Beweis französischerFreundschaftundWaffenbrüderlichkeiteinigermaßenvergällt.

Mehralseinmalwurdehier, ehedenKrieg,derkeinKriegsein sollte, einFriede endete,derkeinFriede sein kann, angedeutet,derOberbefehls- haber sei,um wenigstensdenScheinderMachtzuwahrenundöffentlichen Skandal zumeiden, genöthigtgewesen,aufdas WesenderKommandogewalt zuverzichten.DasgingausmancherausländischenDarstellungderEreig- nisse,deutlichernochaus privatenSchilderungenderPetschili-,Misereher- vor. Natürlichwurde heftig widersprochenunddasDiplomatengeniedes Marschalls gerühmt,demgelungensei, durcheineklug berechneteMischung

vonArtigkeitundEnergie sichseineStellungzuschaffen,deralle Verbün- detensich,ohnezu murren, beugten.UnddaßernamentlichderFranzosen HerzenimSturm erobert habe,war uns vonseinem Troßhundertmal schonin dieOhren gebrüllt worden,bevoraus AlgierdiefroheBot- schaftkam. Jetzt istderGeneral Vohronheimgekehrt,derinEhanden französischenTruppen befahl. Jn Marseille stieger an Land, ohne SangundKlang; dennHerrLoubetjagte,HerrWaldeckbereiteteseine Kandidatur fürdie AkademievorunddenGenossenFreiherrnvon Mille- rand hieltderdrohendeBergarbeiterstrikeinParis zurück.Das magden General geärgerthaben.Am Ende kümmerten die Leutesichnur deshalb nichtumihn,weilsieihmzutrauten,erhabeda drübendieRolledesHand- langersgespielt.OhåiAuch hier stellten pünktlichdieJnterviewer sichein undHerrBoyronbewies, daßervondemdeutschenKameraden gelernt hat;

dieSchweigsamkeit schätztauchernicht mehrals eineSoldatentugend.

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Pour LoMost-ite. 167

Mit demGrafen Walderseehabeerauf sehr gutem Fuße gestanden.Netter Mann;stets artignnd zumNachgebenbereit;denOberbefehl habeernicht allzu ernstgenommen; Jeder habe gethan,wasihmrichtigundnöthig schien.Damit man ihn nichtalsRenommisten höhne, hat Voyronnun einpaar Briefe veröffentlicht,indenen er auf»vom Marschallaus- gesprocheneWünsche geantwortet hat. Keinen dieser Wünschehater erfüllt. Walderseeerinnert daran, daß fürdieverbündetenHerren derGrundsatzvoller Gleichberechtigunggelte,mitdemderAnspruch nichtvereinbar sei,diekatholischenMissionenunter einfranzösischesMill- tärprotektoratzustellen.Niemand,erwidertVoyron,kannvonderNoth- wendigkeitvollerGleichberechtigunginniger überzeugtseinalsich,Niemand auchbesserenWillens,demOberkommando zugeben,wasihm gebührt; indiesembesonderenFallabergebietendieheiligstenundältestenTraditio- nenmir,denSendboten meinerKirche nichtdenSchutzzuentziehen,den sievonihren bewaffnetenBrüdernerwarten dürfen.Walderseewill inPe- kingeineneinheitlichenPolizeidienstorganisiren, dessenLeiter eindeutscher General sein soll.Er sieht nichtvoraus, daß dieser Plan Widerspruch erweckenmuß,weildieFührerderanderen Kontingente nichtdulden können,daßdenSchlitzaugender Chineseneinneuer Schein deutscher liebermacht sichtbar wird,undholt sichabermals ablehnenden Bescheid.

Nein,HerrMarschall, sagt Voyron;diegeplanteOrganisationwürde dieBedeutungdesfranzösischenCorps nichtins rechte Licht rücken;

ichbin für Decentralisation und bitte,gefälligstzu glauben, daß in demvonFranzosen besetztenTheilderHauptstadt schonjetztdieZustände keinenberechtigtenWunsch unerfüllt lassen. Waldersee ist erstauntdarüber, daßzwischenPekingundPaotingfunur dieTrikolore zusehenist, nichteine einzigeFahne eineranderen Nation. AllesinOrdnung, sagt Voyron; ich habe Ihnen,HerrMarfchall, jabereitsdenWortlaut meinerBefehlemit- getheilt;und diesenBefehlenwird meinCorps auch künftiggehorchen.

Fahnen? Ja,diegeehrtenVerbündeten haben für ihre Feldzeichenneben unseren noch Platzgenug. UebrigenswirdunsereTrikolore sehr oftvon Chinesengehißt,diesichunter unseren Schutz stellen wollen,weil wirgesit- tete Leutesind,uns niebarbarischzeigen,Leben undEigenthum schonenund

unserHandelndengroßenPostulatenderMenschlichkeitundGerechtigkeit anpassen. Vielleichtist deshalb unsereFahnedenChinesensoliebgeworden.

Dievorher leiseIroniewirdhierzuoffenemHohn.DasisteinBissenfür diePariser. HerrVoyronkann überNacht-einBoulangerwerden.

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168 DieZukunft.

Einetraurige Geschichte,die,ohneunzüchtigzusein,dasSchamgefühl gröblichverletzt.Esist,als wolle derFluch nichtweichen,dervonderersten Stunde anauf diesemunrühmlichenAbenteuer lag.DerhäßlicheHandel, denMancher schonimwesenlosenSchein hinterunswähnte,bringtimmer neue Widrigkeit;dieTriumphreisedesSühneprinzen,dieunwürdigeAn- eignungderastronomischen Instrumente,dieBriefe Voyrons: welche Schlappewirdnächstensnun dieWeltheiter stimmen?Niekonnteesso weitkommen,wenn diedeutschePolitik nichtdasOpfereinesschlau·erson- nenen Lügensystemsgewordenwäre. Erlogenwaren diepekingerMetzeleien, erlogenwar beinahe Alles,was uns über dieAbsichtenderGroßmächte gemeldetwurde;unddie ganzeTragikomoediedesdeutschenOberbefehls wäreuns erspart geblieben,wenn nichteinGeschichtenträgerdemKaiser falscheNachrichtapportirthätte. Jn KasselsagtevorWaldersees Abreise derDeutsche Kaiser,essei»vonhoher-Bedeutung«,daßdieErnennung desGeneralissimus »der Anregungund demWunschSeiner Majestät desKaisersallerReußen«entsprungen sei, ,,des mächtigenHerrschers, derweitin dieasiatischenLandehinein seineMacht fühlen läßt«; darin zeige sich wieder, »wieengverbunden die altenWaffentraditionender beidenKaiserreichesind«. ImrussischenReichsanzeigeraberwurde er- klärt: »Kaifer Wilhelmwandtesichdirekt in einemTelegrammanKaiser Nikolaus,wieanalleinteressirten Regirungen,undstelltedenFeldmar- schallGrafen Waldersee zurVerfügung Kaiser Nikolaus,vondemWunsch beseelt,die imfernen Osten entstandenen Verwickelungenmöglichstschnell zuordnen,antwortete auf dieseDepesche,ersehekeinHinderniß,dassichder AnnahmedesvomKaiserWilhelmgemachtenVorschlages entgegenstelle.«

WerträgtdieVerantwortungdafür,daßineinersowichtigenSache Zustände undStimmungen demKaiserfalschgeschildertwurden?WederRußlandnoch eineandereGroßmacht-mißerEngland-wünschteeineExpeditionvereinigter Truppen nochgardendeutschenOberbefehl.SieschicktenSoldaten hin, weilsnachdemdeutschenVorgang nichtzu vermeiden war, dachtenaber stetsnur daran,daseigeneSchiffchenfrühundsicherinsTrockene zubringen.

DemOberbefehlshaber machten sie eineVerbeugungund nannten ihneinen gutenMann. DemgelbenVolkempfahlensie sichimschönenWetteiferals HüterjjfeinsterGesittungund wisperten,nur dieDeutschen hättenzuso heftigenMaßregelngetrieben.DieChinesenlachtenundspartenihreRache fürfgünstigereZeit.UndebenberichtetderamerikanischeKommissar,im ReichederMittegähreesbedenklichundman müssemitdernahen Mög-

lichkeit-neuer«Aufständerechnen.

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Pour LeMist-ite. 169

Graf Walderseewirddochwohl nicht nach Algier gehen.DieHoff- nung,denaltenHadergeendetunddieHerzenderFranzosengewonnen zu haben, haterwahrscheinlichschonaufgegeben;wennersieüberhauptje hegte·

Werweiß?SeineFreunde haben ja behauptet, auchdemarmen Marschall seien erlogeneReden in denMund gelegtworden«Vielleichtsaher, bevorer nochüber dieAlpenzog, Allesvoraus undnannte sichinAbschiedsbriesen deshalb ,,Oberbefehlshaberinpartibusinlidelium«. Daswar, ins Mili- tärischeübertragen,derTitelderBischöfe,die keinenSitzundkeineGe- meinde hatten. Derarme Weltmarschall ist verspottet worden; daßer nur überdiedeutschen Truppen Kommandogewalt hatte, habenwir erst durch Voyrons unanständigeJndiskretion erfahren.EinenOber- besehlshaber gabesinChina nicht.EinGeneralissimus, der,wenn er irgendeineKleinigkeitdurchsetzenmöchte,lange Briefe schreibenunddann jedesmalhöhnischeAbfertigungen hinnehmen muß, istzu bedauern. Dem, Grafen WalderseeaberbliebkeineWahl. ErhattealleMittel versucht, sogarmitfranzösischerOperettenmufikumdie Liebe des gutenFeindesge- worben. Er witterte denWunsch, ihn so langezuärgern,bisermüde ward unddasFlitterkleiddesParadefcldherrnvonsich warf.Dann hättendie AnderenausVollemHalsegelacht.AbererdurftekeinAergernißgeben.So saßerseufzendinseinem AsbesthausundließdenEreignissen ihren Lauf.

Daswar keinegeringe Leistung.AlleMächtehabendenWerthsolcherRe- signationanerkannt undhoheundhöchsteOrdenzieren heutedieBrustdes altenHerrn,dersichzeitigbeschied,Oberbefehlshabernur zuheißen.Jetzt haterauchdenOrdenPour Le Måritenoch erhalten,derfrüherdieJn- schrifttrug:PourLaGånårosittå. DensolltenselbstdieGegnerihm gönnen.

NichtinderSchlachtalleinbewährtsichderHeld;undeinesfüredleHaltung verliehenenOrdens istKeinerwürdigerals derfromme Knecht, der,trotz- demereinSchwertanderSeitetrug,SpottundSchimpfimDienstedes Herrnlächelndlitt.

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170 DieZukunft

Durch Kunstzum Leben.

M

asunter dem Titel,,DurchKunstzum Leben« beiDiederichserschieneue Buch LotharsvonKunowski istaus einemWerkvorläufigheraus- gegriffen,dasingroßemZusammenhangalleFragen künstlerischenSchaffens vonderhandwerklichenBearbeitungdesMaterials an biszurGestaltung tiefsterseelischerWertheundihrer UmsetzungschließlichinLebensmachtvon einemneuen oder,wennman will, sehralten, aber verlorenen Standpunkt

ausbehandeln soll.Das WerksolldieGrundlagezurErziehungeines

neuen Künstlergeschlechtesbilden. Das sechsteBuchdaraus, »Gesetz,Frei-

heitund SittlichkeitdeskünstlerischenSchaffens«,ist ihmalsVorläufer voraufgesandt,alsNächstes,Wichtigstes,weilalleErwägungenDessen,was zuschaffenist, nutzloswären,so langebeimKünstlerdieseelischeVerfassung fehlt,in deralleinesgeschaffenwerdenkann. Diese psychologischeSchaffens- möglichkeit,dieeben inGesetz, FreiheitundSittlichkeit ruht,zuerzeugen, ist sein Ziel; daß ihr Fehlen unsere Zeit künstlerischunfruchtbar macht, dieaus persönlicherErfahrung geschöpsteGrunderkenntniß.

Der Verfasser sieht Tausendeinund außerhalbderSchulenund AkademienDeutschlandsmitFeißundgroßerWichtigkeitumdieHervor- bringungvonKunstwerken bemüht,siehtsie, soweitsieesernst nehmen, gequält,müde,unwilligundmuthlos,dieUebrigen gedankenlosineiner Beschäftigungaufgehend,dienichtnur mitKunst nichtszuthun hat, sondern überhauptalsThätigkeiteinesMenschen unwürdigist; siehtalsResultat beiJenen Einzelnes,Weniges,dasmit ganzunverhältnißmäßigerAnstrengung hervorgebrachtist,beiDieseneinNichts,dasnichteinmal denWerthguter Nachahmung hat. SchlagendalsZeichen fürdenTiefstand unseres Kunst- schafsensist unsere Stellungzur Vergangenheit:wenn sie nichtalsvöllig überwundenbei Seite geworfenwird,sowerdenihre MeisteralsHalbgötter von übermenschlicherKraftin einen besonders dazu ersundenen Himmel glücklichererZeiten versetzt, so daß jederGedanke,jeeinmal mitihnenin dieSchranken-treten zusollen, nichtnur fürdenEinzelnen,sont-ernfür unser ganzes Geschlechtvon vorn hereinalslächerlicheUeberhebungerscheint.

Das ist nicht mehr Anerkennung ihrer Größe, sondern Versuch, sichüber dieeigene Kleinheit hinwegzutäuschen.

WerdemVergleich zwischenuns undihneninsGesichtzuschauen wagt,muß sichfragen:wenn siedoch auchnur Menschenwaren, warum ist derWegzuihremMenschenthumverschlossen,warum istdieArtunseres Schaffenseinesoganzandere,warum bei denGrößereneinsoverzweifelt quälendesRingen,seltenes und spätes Gelingen,bei denKleineren nicht wenigstensdasNachschaffenund Verarbeiten des vonJenen Erreichten?

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DurchKunstzumLeben. 171 DieZahlderAntworten istwie Sand amMeer: demUeberwiegenwissen- schaftlicherForschung,demErlahmen anschaulichenGestaltungtriebes,dem VersiechendesreligiösenGefühls,dem Vordrängen sozialer Nützlichkeit- forderungen,derUeberlastungmitArbeitundVerarmunganLebensfreude, demgeringenInteressedergroßenBolksmassen,derungenügendenmateriellen Förderungvonoben,ungünstigerRassenmischung,derDepravationdes ge- sammten Menschengeschlechtesundnoch manchemAnderenwirddieSchuld zugeschoben.Kunowskis Antwort istrund und« klar: dieKünstler wissen nicht mehr,wiesielernenundwiesiearbeiten sollen.Wennsieeswüßten, würdeihrWerkderWissenschaftalsnothwendige,unumgänglicheErgänzung zurSeitestehen,denvorhandenen bildnerischenTrieb inBahnenlenken, religiösesGefühlerzeugen, soziale Nothwendigkeitengestalten,derLebens- freude Formen geben, InteresseundFörderungerzwingen,dentiefen, gerade inunserer Rasse liegendenSchönheitdrangerlösenunddamitdieMensch- heit gewaltsam aufwärts führen.Aberwirwissennichtmehr, wissen nicht mehr, daßanderKunstetwasAnderes erlernbar istalseinige recht rohe Handgriffe,und noch weniger,wieeserlernt werden kann. Jeder beginntdenselben WegvonNeuemund darumkommendieWenigstenüber dieAnfängehinaus,dieschondemKnaben selbstverständlichsein müßten, undsetzennocheineEhredrein,dasAlphabetselbst gefundenzuhaben.

Wirwissen nicht mehr, daßdieErzeugungeinessichtbarenBildes für unsere Weltanschauung,dasdieHöheunseresbegrifflichenWissens verreichteund allesBesteinsichschlösse,wasunsere Zeit bewegt,einegewlaltigeSumme vondetaillirenden KenntnissenundzusammenfassendenErkenntnissendersicht- baren Natur erfordert,dienur durchdiegemeinsameArbeit Vielererworben, vermehrt, gesteigert,vertieftund vervollkommnet werdenkönnen,daß diese ArbeitvondenältestenZeitenallerKunstübunganganzsystematischSchritt vorSchrittwienacheinemvorgezeichnetenProgrammdankdemeinenhöchst einfachenMittel geleitetwordenist, daßGeneration aufGeneration der Schüler Alles,was derMeisteranFormwissenerrungen hatte, sichals festen,unverlierbaren Besitzaneigneteundvon daaus weitervordrangWir Wissen nicht mehr, daßdiebildendeKunstebensoüberallgemeine,zu- sammenfassendeErkenntnißformelnverfügtwie das diskursiveDenken,daß derenBesitzundfreieVerwendungdasanschaulicheDenkenebensoverein- fachtunddadurch erstzuseinenumfassendstenOperationen befähigtwiedie abstrakte Zusammenfassungkonkreter DingezuBegriffendasWortdenken, ja-daß diese»abstrahirenden«FormenanschaulichenDenkens nichretwa aus derSpracheabgeleitetsind-,sondernumgekehrtdieFähigkeitderSprache, Begriffezubilden,von derFähigkeitdesAuges,dasTypischezu erkennen, abhätlgtunddarumdie

Entjwickelungwissenschaftlichenoder—- allgemeiner

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sprachlichenDenkensvon derEntwickelungsichtbarer»Begriffe«inderKunst- Wir verstehendenErkenntnißwerthdes aufs AeußerstevereinfachtenAus- druckesältesterKunst nicht mehr (sehendarinwomöglichnur noch »dekora- tiven«Werth)und kennendielogischeEntwickelungdesZusammengesetzten aus demEinfachen nicht:darum sinduns dieprimitiven Anfängeunddie Höhen klassischerKunstinihrerEntstehung gleich räthsclhaft.Derganze, reiche,lange gehüteteSchatzvonAusdrucksformenistuns verlorenundwir habennachträglichaus derNotheineTugend gemacht:esistzurDoktrin geworden,daßderKünstler nichtsvon derNatur »vorwissen«dürfe,wenn eransieherantritt.WiestellenMalereientwederaufdieNachahmungdes Eindruckes,dendasvöllig »unbewußte«Auge empfangenwürde,wenn es wirklich gelingen könnte,denGesichtssinnganzaus demZusammenhangder geistigenGesammtfunktionenzulösen,oderebenso einseitigauf angenehmen ReizdesverfeinertenGeschmackes,Schmuckkunst,zuder dieNatur nur

gleichsamzufälligundvon ungefährAnregungen gebenkönne, oderaufdie Gestaltung beliebigerEinfälle (die oftgenugdem reinenSprachdenkenan-

gehören),die wirJdeennennen. Deshalb setzenwir denSchülervomersten AugenblickanvoreinunendlichschwierigesProblem,denmenschlichenKörper, mitdereinzigenWeisung,denAugeneindruckirgendwie nachzuahmen,ohne denVersuch, ihn allmählichdazu anzuleiten, setzen ihn auf Jahrevor dies Eineund AllevordasSelbe,alsseiderGegenstandderDarstellung nicht derganze Reichthum sichtbarenLebens,die Form derArbeit nichteine mannichfache,alsSkizze,um dasFlüchtigederErscheinung,alsStudie,

um dasDauernde desWesens,alsfreier Entwurf,um dasvon Beiden in derVorstellungLebendefestzuhalten. Die Ausdrucksformeln,diever- gangeneKunst fürdasProblem gefunden hat, liegendemSchülerzwar vor,inunerhörtreichemMaße sogar,aberalswirrer HaufeallesDessen, wasjemalseineKunst irgendwoundirgendwiehervorgebrachthat, hochent- wickelteohne ihreAbleitungmöglichkeitaus derWahrnehmung, einfachemit dervöllig unverständlichenSpitzmarke »Stilisirung«undallealsEtwas, dasmannur ja nichteinmal direktbenutzen dürfe,um nichtin »Nach- ahmung«zuverfallen, sichaber trotzdemals unerreichbaresVorbild vor Augen halten müsse.Andauernd vordieselbe großeUnmöglichkeitund niemalsvoreineeinzige,wenn auch noch sokleine undeinfacheMöglichkeit gestellt,mußderLernbegierigeje nach seiner Charakteranlagean sich selbst oderan seinem Lehrer verzweifeln:imersten Fallbleibterviel zulange Schülersimzweiten versuchter,Meisterzusein, eheerEtwas gelernt hat.

AlsRettungaus diesem planlosen, sichselbstwidersprechendenTreiben fordertKunowski diesystematischeErlernung Dessen,was inden Werken vergangenerKunstalsfest formulirterAusdruckanschaulicherNaturkenntniß

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Durch KunstzumLeben. 173 überliefertist (won1itetwas sehrAnderes gemeint istalsbehaglicheNach- ahmung), zeigtdieMethode, nachdersie folgerichtigweiterentwickelt werden kann,unddieZiele,denendieEntwickelungzuschreitenmuß,damitdieKunst dieihrzukommendeBedeutungin unseremGeistesleben einnehmenkann, fordertdieOrganisationderlebendenKünstlerzugemeinsamerArbeitmit einerdenKräften entsprechendenArbeitstheilungderArt,daßZehn nicht zehnmaldasSelbe, sondern zwanzigmal mehr leistenalsEinerunddoch nicht JedereinBeliebiges, sondernAlleaneinemGesammtwerkdenihnen zukommendenTheil,andemGefammtwerkderuns nothwendigenVorstellung- typen undIdeen· Ermahntund drängt schließlichdenEinzelnen,seine eigenen Kräfte,diedurch verfehltesStudium abgestumpftundeingeschläfert find,zu wecken, zusammeln,zu ordnenunddannwiederaufdieAufgaben, dieeralsdiefür ihn passendenerkannt hat,zuvertheileu,Mannichfaltig:

keit mitKonzentration, NaturstudiummitfreierSchöpfung,Aneignungdes TypischenmitErforschungdesJndividuellen, BenutzungderglücklichenStunde mitpflichtgemäßemArbeitzwaugzuvereinen, Leib undSeele ineinemzum SchaffentüchtigenStande zuhalten, äußeresLebenund inneres Erleben aufdieseineZiel hinzusteigern.Dasist sein »Gesetzdeskünstlerischen Schaffens«.Die,,Freiheit«liegt gleichdaneben:wenn sichdieKunst nach ihren eigenenGesetzendieAusdrucksmittel geschaffenhat,wirdsie freiersein alsje, erstdannwirklichfrei,zusagen,waseines JedenHerz bewegt.Was wirjetztFreiheitnennen, istWillkür, die dieRegel verspottet,weilsie ihre Bedeutungnicht mehr versteht.Manglaubte,diebildnerischeSprachevon einemZwangzubefreien, alsman ihrdiegesetzmäßigenFormennahm,und hat siezumStammeln einesKindes gemacht.

Undendlich:dieSittlichkeit giebtdemSchaffenseinenhöchstenSinn.

WenndasGesetzdesSchaffensdasLebendes Judividuums inallenseinen ErscheinungenindenDienstdesWerkesstellt,soverlangt die Sittlichkeit desSchaffens, daßdasProduziren selbst nichtum desProduzirenswillen gkfchehesondernum Dessenwillen,was amEinzelnenderMenschheitund derZukunftgehört.Weib undKind bedeuten fürdenMann die Ver- knüpfungdesJudividuums mit derEwigkeitderMenschheitentwickelung.

Dessenmußsichbesonders derKünstler bewußt sein.UnddiesBewußtsein Mußseine Stellungzum Weibe beherrschen.Esgehörteiniger moralischer Muth dazu, geradeKünstlern dieseSittlichkeitzupredigen.Es istzu selbstverständlichunter ihnen geworden, daß SinnengenußalsAnregungzum Schaffendiene: diegerechteStrafe dafürwar, daßderLaieKunstals An- regllngzumSinneugenußnahm. Aus der Lust,derenBefriedigung ihr Todist,kannnur eintotgeborenes Schafer entspringen.Lebendig istes, wenn esdiehöchsteZukunfthoffnnngderLiebedarstellt,die über dasJn- dividuumhinausgeht.

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174 DieZukunft.

Das Buchwirkt alsunbeschreiblicheErlösungfürJeden, derden schwerenDruckderGesetzlosigkeitunserer·Kunstam eigerenLeibeerfahren hat,derunter Freiheit nichtWillkür, unter Lebennicht ZuschnittdesLebens auf Lust undLüste versteht.Esistselbstverständlich,daß bei demVersuch, einenInhalt,an demkeinWort zuvielist, aufein paarZeilen zufammen- zudrängen,nichtvielmehralsSchlagwörterübrigbleiben, die,schonun- endlichzwischenallenParteien hin-undhergezerrt,diein demBuchlebende Ueberzeugungskrastnicht wiedergebenkönnen. Sieberuht darauf,daß die allgemeinenBegriffe,mitdenenesarbeitet,sobestimmt undklarfestgelegt sind, daßsie,aus derAnschauung entsprungen, Anschauungschaffen,ohne

anabstraktem Umfangzuverlieren,daß dieWeisungen fürdenKünstler, obwohlandieAllgemeinheitimweitestenSinne gerichtet,dieeinzelneArbeit- verrichtungso präzis bezeichnen,daß Jeder gerade seinen Stiftundseinen Pinfelgeführtglaubenmuß, dieRathschlägefürdenMenschenebeninihrer Allgemeingiltigkeitdie konkretenLebensbeziehungendesEinzelnenzutreffen scheinen.Esistnöthig,einemVorurtheilzubegegnen.Man findetunter Malern undBildhauern häufigeineheftige»prinzipielle«Abneigungdagegen, sich durchWort oderSchriftüberdeneigenen Beruf belehrenzulassen- DieUrsacheist nichtimmer geistigeTrägheitoderUnfähigkeit,zudenken;

esistmanchmaldieUeberniüdungund derUeberdrußDessen,dersichauf emsigerSuche nachdemBaum derErkenntnißimWald derLehrsysteme dieFüßewund gelaufen hat.Da wirder zuletztgern denWerthaller

»Theorien«leugnenund dieunmittelbare »Anschauung«andieStelle zu setzensuchen. DochdersprachlicheWidersinndeckthiereinesachlicheUnklar- heitauf:mitdemgriechischenWort für Anschauung bezeichnenwirkeinen GegensatzzurAnschauung, sondernnur ihre mittheilbare Form. Obes nochmöglichist, sichimGedrängederMeinungen ohneeinesolcheWaffe einenfestenStandpunktzusichern, ist sehrdieFrage. Es magMenschen geben,die· dasGesetz ihres Schaffens so- deutlichinsichtbarenBildern im Jnneru tragen, daß sienieschwankenkönnen. Für sieistdasBuch nicht geschrieben,sondernausihremWirken istesabgeleitet.DenMeistenaber dröhnendieOhrenvon demGetöse-derDiskussionenum die»Kunstrichtung«

undschwindelndieAugenvon demrasendenGalopp Dessen,wasuns an

fremden KunstproduktenabwechselndalsVorbild hingestelltwird,so daßsie sichschließlich,siemögenwollenodernicht,anirgendeinSystemoderVorbild anklammernmüssen,dasdannnurzuhäufigeinzufälligangetroffenesoder beson- ders lautangepriesenesist,stattdesmit allerGeisteskraftgesuchtenundgefundenen.

AnThatsachenkannman beweisen, daß gerade jene Großen,dieihr eigenes Schaffensgesetzinsich tragen, sichamWenigsten scheuen, sichdarüberauch mitihrem logischenVerstand bewußt auseinanderzufetzen,unddaß für sie

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