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Hamburgifche, » ,
Dramaiurgia
FünfundsiebzigstesStück»
Den 19ten Januar,1768.
s«ief·zö’G-dankeusindgfqrichkiOsoklar, so, einleuchtend,daßuns-dünkt,s ein jeder hatte siehabenkönnennnd-haben-müssen.«
Gleichwohl will ichdiescharfsisnnigenBemer- -
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Lungendesneuen Philosophendemalten nicht nnterschiebenzichkennejenesVerdiensteumdie LehrevondenvermischtenEmpfindungenzu wohlzsdie wahreTheoriederselben habenwir
nur ihm-zudanken. Aberwas ersovortrefflich« auseinandergesetzthat,daskanndochAristotei, lesimGanzen ungefehr empfunden haben:we- nigstens istesnnleugbar,-daß Aristotelesent,-"
wedermußgeglaubthabemdieTragödiekönne nnd solle nichtsals das eigentlicheMitleid, nichtsals dieUnlnstüberdas gegenwärtige
Uebel eines andern, erwecken,welchesihm schwerlichzuzutrauen; odererhatalle Leiden-- schaftenuberhaupt,die unsvon einem andern
Mit-
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mitgetheiletwerden«unter demWorteMitleid begriffen.
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-Denn er, Aristoteles, ist»es gewiß nicht, derdie mitRecht getadelteEintheilungdertra- gischenLeidenschafteninMitleid undSchrecken gemacht hat."Man hatihn falschverstanden, falschüberselznErspricht Von Mitleid und Furcht,nichtoon Mitleid undSchrecken;und seines Furcht ist«durchausnicht die Furcht, welcheuns das bevorstehendeUebel eines an-
dern,für diesen andern, erweckt, sondernes istdieFurcht,welcheaus Unserer Aehnlich- keit mit der leidendenPerson füruns selbstent- springt;esistdieFurcht, daßdieUnglücks- fälle, die wir über diese Verhängetsehen- uns selbst treffen können;es istdieFurcht;
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daßwir derbemitleidete Gegenstandselbstwer- den können. Mit einemWorte: dieseFurcht istdasaufuns selbstbezogeneMitleid;
Arisstoteleswillüberallans sich selbsterklärt
werden. -Wer uns einen neuen Eommentar
über seineDichtknnst liefern will, welcherden Dacierschenweithinter sichläßt,demrathe ich, vor allen DingendieWerkedes Philosophen
vom AnfangebisZumEnde zulesen. Er wird
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AusschlüssefürdieDichtkunst sinden,woersich-
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deren am wenigstenVermnthet; besonders muß
.»erdieBücherderRhetorikundMoral studie-» ren. Man sollte-zwardenken, diese
Aufschläges
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SM- 179 müßtendieScholastiker,welchedies-Schriften
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des. AristotelesandenFingern wußten-·längst gefunden haben. DochdieDichtkunstwar ge- rade diejenigeVonseinen Schriften-»Um»diesie sich amwenigsten bekümmerten. Dabey·sehl- ten ihnenandere Kenntnisse, ohne welchejene Ausschlüssewenigstens nicht fruchtbarwerden konnten: siekanntendasTheaterUnd dieMei- sterstückedesselbennicht. - ·.
Die authentischeErklärung dieser Furcht- welcheAristoteles-dem.»tragischenMitleid ben-« fügen findetsichindemfünftenundachten Ka-
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piteldeszweytenBachs seinerseht-»Ah«E- war garnicht schwer- sich diesergKapitelzuer- innern; gleichwohlhatsiehVielleicht-keiner-sei-
ner Ausleger ihrererinnert , wenigstens hat keinerdenGebrauchdavon gemacht,-jdersich davon machenläßt.Denn auchdie-,welche ohne sie einsahenzdaßdieseFurcht nichtdas
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mitteidige Schrecken sey, hättennocheinwich;-.
tigesStückausihnenzu lernengehabt:dier sachenehmlich,warum derStagirit dem Mit-
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leidhierdieFurcht-»undfwarumnur dieFurcht,
. warumkeine andere Leidenschaft,und warum nicht- mehrereLeidenschaften,beygesellet’habe.
Von dieser Ursache wissen«sie nichts, undich möchtewohl hören,·was sieaus ihrem Kopfe antworten würden,wenn man siefrngkezwar- um z.E.dieTragödienichtebenso wohlMit-
Z 2 leid
leidnindVewnnderung,alsMitleidundFurcht-,
erregen kdnsneund.dürfe?» — "
«Esberuhetaber allesaufdemBegrisse,den
.- sichAristotelesvon demMitleiden gemachthat«
.-Erglaubte nehmlichz daßdasUebel, welches derGegenstandunsersMitleidens werden solle, nothwendigvonder Beschaffenheitseynmüsse-
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daß-wires-nuch.ssüx»«W-oder«sü3r;xiny
VoMrjgxm üWem Wo
dieses-Furcht nicht-«nksknne auchkeinMitlei- den-Statt sinden. Denn wederder,den das Unglücksotiefherabgedrückthabe, daßerwei- ter nichts für siehzufürchtensähe, nochder,
«welcher sichsovollkotnmenglücklichglaube, daß
ergarsniche begreife, woher ihmeinUnglück zustossenkdniie,weder derVerzweifelndenoch derUebermüthige,pflegemit andern-Mitleid zuhaben. Er erkläretdaher auchdas Fürch- rerlichennd das-Mirleidswürdige,einesdurch dasandere. TAlles das, sagt-eli-istUnsfürch- terlich,was, wenn-es einemandern begegnet wäre-·oder·begegnen sollte, unserMitleid er- weckenwürde: (’·«)»und alles das findenwir
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»mit- 'q; ö« »Terz«- c-t·7t·e«,Pack-e-EcthIrr-DIEFicke-H
sytsynkrtvsi, ifFehden-, Die-tmBist-. weiß
nicht,was demAemilins Portus (in seiner
»"·AusgabederRhetorik, sper 1598.)einge-
kommen ist,dieseszuübersetzen:Demquc urHmplicjter loquar, fokmjdabilta funk,
. — , quæ·
O 1181
-Mkspkdswükdkg,waswirfürchtenwürden,wenn eeuns-selbstbevorstünde.«Nichtgenug also, daßderUnglückliche-,mitdem wir-Mitleiden haben sollen, seinUnglücknicht'Vevdiene-,. ob er essich schon durch irgendeine Schwachheit»
zngezogem seinegequälteUnschiild,«oderviel- mehr seinezuhartheimgesuchteSchuld, sey für uns Vesielohremvsey nicht Vermögend,unserMir- leidzuerregen, wen-n wir keineMöglichkeit sähen- daßunsseinLeiden auch treffenkönne.
DieseMögtichkeikaber-sinds sichalsdenu, und könne«zueiner gießenWahrscheinlichkeitek- wachsen,wenn ihn der-Dichter nicht-schlimmer mache,als»..txjr..Æ.eit-Iilich»»zu"seynest-gen- wenn er-ihn"vollkomnfenvsetikenundhandeln lasse,alswirin seinen Umständenwürdenge- dachtundgehandelthaben, oder wenigstens glauben,daßwir hättendenken undhandeln müssen:kurz,wennerihnmitims vongleichem SchrotundKerneschildere.AusdieserGleich--« heit entstehedieFurcht, daßunser«Schicksal gar leichtdem seinigenebenso ähnlichnzerden
könne,als wir ihm,zu seynxmssdbst fahlen:
und diese Furchtsey es- welche-dasMitleid gleichsamzurReise’ bringe.
Z3 So
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«quæ"cunquesimulac inaliorum potekcarsem
venerunt, vel ventura funk, miferanda
sum-.Esgmußschlechtwegheissen,qnæcuw quealusevenerunt-, veleventura Tant.
«
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So dachte Aristoteles··Vondem "Mitleidett-,v undnur hierauswirddiewahre Ursachebegreif- lich,warum erin derErklärungderTragödie-»
nächstdemMitleiden- nur dieeinzigeFurcht nannte. -"NichtalsobdieseFurcht hiereinebe- sondere,von demMitleiden unabhängigeLeiden- schaftsey; welchebald-mit baldohnesdemMit- leid-fo nisiedas Minud baldmirbaldWeihe-, --erreger--werdenkönne;welchesdieMißdeutnng
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des-Torneille warrsksbndernweil, nach seiner ErklärungdesMitleids,diesesdieFurcht noth- wendigeinschließt;weilnichts unserMitleid erregt,—alswaszugleichunsere Furchterwecken
kann. - - « s- :
Corneille hatte seineStückeschonallege- schrieben,alsersich hinsetzte,überdieDicht- kunstdesAristoieles zuseommentirem (""·)Er hatte funfzig Jahre fürdasTheater gearbeitet-:
ndnach dieserErfahrungwürdeeruns anstrei- tig Vortreffliche Dinge über denaltendramati-
,schen Eoder haben sagen können,wenn erihn UUk CI) Jehazarderai qiielquechokefurcinquanxe ansderravail pour lafeiern-, sagterinfei- ner Abhandlungüber das Drama. Seinev- stes Stück, Melite, warvon1625,undsein letztes,ISurena, Hon1675; welches gerade
; diefunfzig Jahr ausmacht, sodaßesgewiß ist, daßer, beydenAuslegungendesAnsto-
.«teles, aufallekeineStückeeinAuge Wien konnte,nnd hatte.
nur anchwährendderZeit seinerArbeit fleißi- geriURachegezogenhätte. Alleindieses schei- Uek ek-höchstensnur inAbsichtausdiemechani- schenRegelnderKunst, gethanzuhaben. Jn denwesentlichern ließersichum ihnunbeküm-
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mert, und alseramEndesand, daßerwider ihn verstoßen,gleichwoMnichtwiderihnver- stoßenhabenwollte: sosuchteersichdurchAus- legungenzuhelfen,undließseinen-vorgeblichen LehrmeisterDinge sagen,andie ersoffenbarnie
gedacht hatte. . ·- . » ·
Corneille hatteMärtyreraufdieBühnege-
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bracht, undsie-alsdieVpllzkommenstenuntadele haftestenPersonen geschildert;ser hartedieabe - scheulichstenUngeheuerindemPrusias, indem Phokas,in der«Kleopatra ausgeführt:undvon
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beidenGattungen behauptetAristoteles,daßsie zur Tragödieunschirklichwären,weil beide weder Mitleid noch Furchterweckenkonnten.
Was antwortetCorneille hieraus? Wiefange
eresan, damitbendiesemWidersprucheweder seinAnsehen,nochdasAnsehendesArisiotelesv
leidenmöge?«O,-sagter, mitdenAristoteles ,,könnenwir uns hier leicht dergleichen.(-’-)
»Wir dürfennur annehmen,erhabeebennicht
. ,,behauptenwollen, daßbeide Mittel zugleich,
»sowothurchtalsMitleid, nöthigwären,um«
»die HIjeölkte,c.aifö denous accommoder avec Arjlkosk
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»dieReinigung der Leidenschaftenznbewirken, ,-,dieer zudein letztenEndzweckederTragödie
»macht: sondern nach »seinerMeinungseyauch
»eines zureichend.—- WirkönnendieseErklä-
»rung,fährterfort,aus ihm selbst bekrästi-
»gen, wenn wirdieGründerechterwägen-
»welche-er ponder Ausschliessungderjenigen
«Be ehenheiten,«die er» inden Tranerspieleer
,,m;ß?iilligerz,giebt-«Eis-sagtniemals: dieses Moden-jenes schickt sichM- dikTragödienicht,
«»weiles«blosMitleiden und keineFurcht-re
sp«,weckt;oder dieses istdaselbstunerträglich,
»weilesblos dieFurcht erweckt, ohnedasMit-
«leidzu erregen. Nein; sondernerperwirft
»sie·deswegen, weil«sie,.wie ersagt,weder ,,MitleidnochFurchtzuwegebringemundgiebt, ,«,nnsdadurchzu erkennen, daß sie ihmdeswe- ,,gennicht gefallen,weilihnen sowohldaseine
»alsdasandere fehlet,,unddaßfer,ihnen seinen zOeyfall nichtversagenwürde,wenn siennr
»einesvonbeiden wirkten.« . »
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