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Hamburgifche
Dran»1atur.gie«.f
Neun und neunzigstes Stück.
«Den 12ten April, 17687
Sonach hatte Terenz auch nicht nöthig, ims»
seinen Ktesipho
amEnde-, des Stückes sk- schåmt, und durch die Beschckxiigzjg Mk dem Wege
»derBesserung, zu zeigen. Wohk ahsx mußtedieses unser Verfasser thun. Nur fürchtz ich-»daß der Zuschauer die kriechende Reueit und die furchtsameUnterwerfung eines so leicht- sinnigen Buben nicht für sehr aufrichtig halten kann. Eben so wenig, als die Gemüthscindee rung seines Vaters. Beider Umkehrung ist so wenig in ihrem Charakter gegründet«daßman
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das Bedürfnißdes Dichters-»Ein Stück schlies- sen zu müssen, und die Verlegenheit, es, auf
eine bessereArt zu schließen,ein wenig zu schtz darinn empfindet.
—-Ich weis überhauptnicht, woher so viele komischeDichter die Regelgenom;
s«
men haben, daß der Bbse nothwendig
amdes Stücke entweder bestraft werden, oder4sich
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»«bessern
370
bessern müsse. Jn der Tragödie möchtediese Regel nocheher gelten; sie kann uns da mit dem Schicksale Versdhnen, und Murren in Mitleid kehren. Aber in der Komödie, denke ich, hilft sie nicht allein nichts, sondern sie Verdirbt viel- mehr vieles. Wenigstens macht sie immer den
Ausgang schielend, nnd« kalt, und einförmig.
Wenn die VerschiednenCharaktere, welche ich
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in eine Handlung Verbinde, nur diese Handlung zu Ende bringen, fwarum sollen sie nicht bleiben, wie sie waren? Aber freylichmnß die Handlung sodann-in etwas mehr, als in einer bloßen Com- sion der Charaktere, bestehen. Diese kann aller- dings nicht anders, als durch Rachgebung und Veränderung des einen Theiles dieser Charak- tere, geendet werden; und einStück, das wenig oder nichts mehr hat als sie, nähertsich nicht so-
«
wohl seinemZiele, sondern-schläft Vielmehrnach und nach ein. Wenn hingegen jene Collisionz die Handlung mag sichihrem Ende nähern, so viel-als sie will-, dennochgleich stark sortdauertt sobegreift
manleicht, daß das Ende eben so leb- haft und unterhaltend seynkann, als die Mitte
nurimmer
war.Und das ist gerade der Unter- schieds der sichzwischen dem letzten Akte des Te- rean und dem letzten unsers Verfassers besin- det. Sobald wir in diesem hören, daß der strenge Vater hinter die Wahrheit gekommen:
sd können wir uns das Uebrige alles an den Fin-
-- - «-
gern
g, 371 gern abzehlen; denn es ist der fünfte Akt. Er wird Anfangs poltern und toben; bald darauf wieder sichbesänftigen lassen, wird sein Unrecht erkennen und so werden wollen, daß
ernie wie- der zu einer solchen Komödie den Stoss geben kann: desgleichen wird der ungeratheneSohn -««kommen, wird abbitten, wird sich zuvbessern versprechen; kurz, alles wird ein Herz und eine Seele werden. Den hingegen will ich sehen,
«
der in dem fünften Akte des Terenz die Wen- dungen des Dichters errathen kann! Die Jn- trigue ist längst zu Ende, aber das fortwährende
sSpiel der Eharaltere läßt es
unskaum bemer- ken, daßsie zu Ende ist. Keiner verändert sich;
sondernjeder schleift
nurdem andern ehen so Viel ab, als nöthigist, ihn gegen den Rachtheil des- Excesses zu Verwahren. Der freygebige Micio wird durch das Manöuvre des geitzigen Demea dahin gebracht, daß
erselbst das Uebermaaß in seinemBezeigen erkennet, und fragt-
Quocl proluvium? quæ istæc fubira etk
I
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largitas?
So wie umgekehrt der strenge Demea durch das Manöuvre des nachsichtsvollen Micio endlich erkennet, daß es nicht genug ist,
nurimmer zu tadeln und zu bestrafen, sondern es auch gut sey, obfecundare in loco.
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fNoch
««372«
Nocheine einzige Kleinigkeit will ich erin- nern, in welcher unser Verfasser sich, gleichfalls zu seinem eigenemNachtheile, Von feinemMuster
«
entfernt hat.
- -Terenz sagt es selbst, daß er in die Brüder des Menanders eine Episode ans einem Stücke des iDiphilus überg-etragen, und so feine
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Brüder zusammen gesetzt habe. iDiese Epi- fode ist die gewaltsame·Entführung der Psal-·
trin«««dnrch den Aeschinnsx
»und dasStück des
Diphilus hieß, die mit einander Ster-
-
bendem
hsynapothnefconres Diphili comcedia
,e —
In Græca adolefcens eit, qui lenoni eripit Meretricem in prima fabula
eum hic Iocum fumpüt
übi
—
ln Adejsphos
»Nach diesen beiden Umständen zu urtheilen, mochte Diphilus ein Paar Verliebte aufgefüh- ret haben, die fest entschlossen
waren «lieber mit einander zu sterben, als sich trennen zu lassen:
und
werweis was geschehen wäre, wenn sich gleichfalls nicht ein Freund ins Mittel geschla- gen, und das Mädchen für den Liebhaber mit Gewait entführt hätte? Den Entschluß- Mit
«
einan-·
- " —
378 einander zu sterben, hat Terenz-in den bloßen EULschIUß des Liebhasbers, dem Måschen nachx zusiiehen und Vater und Vaterland umsiespsza Verlassen,gemildert. Donatus sagt-dieses aus-,- drücklich: Menkander mori illum voluilkc lingit, Terentius fugere.
.Aber sollte es in dieser Note des Donatuts nichtDiphilys anstatt Menander heissen? Ganz gewiß; wie Peter Nannius dieses schon angemerkt hat. NO Denn der Dichter, wie wir gesehen, sagt essja selbst, daß
er»diese ggnsze-Epi;sode von djer Ents- führung nicht aus, dem Menander, sondern em- dem Diphilus entlehnet habe; sund das Stück des Diphilus hatte
vondem Sterben sogar sei-
nen Titel.
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»
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.Indes
COE)syllosge V."Mifc,ell. cap.10. Videar quæfo
accuratus leäor, numpro Mem-an- dro legendum Er Diphilus. Certe vel
, tota
comoedia, vel pars
iüiusargumen-
-«-
ti, quoä Mc träåaruh ad verbum
e--«Di—phle translata eli.
«-Itst
cumDj hjli
comædia acommorjendo
nomenha
est öc ibiidicarur adolefcerrs mori voluisse’
quod Terentius in fugcre muntij omz
-njno adducor,
eamjmjrationem
aDiphi- lo,
non aMenandro
mutuatamesse
öc ex eocommorjendi
cumpuella titsche cwatwasvywthsg
nomenfabula-I indi-;
dttum esse.
p--
Indeß muß sreylich, anstatt dieser Von dem Diphilus entlehnten Entführung, indem Stücke des-Menanders eine andere Jntrigue gewesen seyn,
sander Aeschinus gleichervWeisefür den KtesiphoAntheil nahm, und wodurch
ersichbey
«·sein·er Geliebte in eben den Verdacht brachte- der
amEnde ihre Verbindung so glücklich be--
"schleuuigte.
:Worin-i diese eigentlich bestanden, dürfte schwer zu erratlyen seyn. Sie mag aber hesianden haben, worinn sie will: so wird sie doch gewiß eben sowohl gleich
vordem Stücke vorhergegangenseyn, als die
vomTerenz das«ktr gebrauchte Entführung. Denn auch sie muß
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es gewesen seyn,
wovon mannoch überall sprach, als Demea in die Stadt kam; auch siemuß die Gelegenheitund der Stoff gewesen seyn, wor- über Demea gleichAnfangs mit seinem Bruder den Streit beginnet, in welchem sich beider Ge-
«
müthsarten so vortrefflichentwickeln.
«--
.-.--" —
Nam illa,
quæantehac facka
funr Omittm modo quid delignavit?
Fores eEregit, atque in ædes irruit
Alienas
A 4—-
clamant omnes,-indigniilime
-Fascskum. elfe. Hoc advenienti quot
.
mihi, Micio
.Dixere? in ore elk omni populo
-—-——«Nun
375 Nun habe-ich schongesagt, daßunser Verfasser diese gewaltsame Entführung in eine kleine Schlagerey verwandelt hat. Er mag auch seine
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guten Ursachen dazu gehabt haben; wenn
ernur- diese Schragekey sechst, nicht so spat hatte ge-«
scheheu lassen. Auch sie sollte und müßte das seyn, was den strengen-Vater aufbringt. So aber ist er schon aufgebracht, ehe sie geschieht, und
manweis gar nicht worüber? Er tritt auf und zankt, ohne den geringsten Anlaß. Er sagt
»zwar:»Alle Leute reden
vonder schlechtere
«Aussührung deines Sohnes; ich darf
nurein-
«mal den Fuß in die Stadt setzen-,so höre ich
«
,,mein blaues Wunder.» Aber was denn die Leute ebenitzt reden; worinn das blaue Wun- der bestanden, das
ereben itzt gehört," und worüber
erausdröcklich mit seinem Bruder zu zanken kömmt, das hören wir-nicht, und können esauch aus dem Stücke nicht errathen. Kurz, unser Verfasser hatte den Umstand, der dem -Demea in Harnisch bringt, zwar Verändern können
,aber
erhatte ihn nicht versetzenmüssen!
Wenigstens,
wenn erihn Versetzenwollemhatte
er
den Demea -im ersten Akte seine Unznfriedem heit mit der Erziehungsart seines Bruders nur nach und nach müssenäußern, nicht aber auf einmal damit herausplatzenlassen.
—Möchten wenigstens
nurdiejenigen Stücke
,.des Menanders auf uns gekommenseyn, weiche
Terenz
.376s( A
Terenzgenutzethat! Jch kann mir nichts Unter-
"
richtenders denken, als eine-Vergleichung- dieser griechischen Originale mit denlateinischen Ko--
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pieen seyn würde.
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Denn gewiß ist es, daß Terenz kein bloßer fklavischer Uebersetzer gewesen. Auch da,
wo, erden-Faden des Menatidrischen Stückes völlig sbeybehalten, hat
ersich noch manchen kleinen Zusatz, manche Verstärkung oder Schwächnng eines nnd des andern Zuges erlaubt; wie uns deren verschiedne Donatus in seinen Scholien angezeigt.» Nur Schade, daß sich Donatus immer so kurz, und öfters so dunkel darüber kausdrückh (weil-zu seiner Zeit die Stücke des.
Menanders noch selbst in jedermanns Händen
«
waren,) daß
es«schwer wird, über den Werth
-
oder Unwerth solcher TerenzischenKünsteleyen
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