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Die Zukunft, 17. Mai, Bd. 39.

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Berlin, den 17. Mai 1902.

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Waldeck-Rousseau.

Warishateinegute,anSensationen reicheWochegehabtunddieputzigen Tageblattbofsuets,dievorJahrzehnten schonBarbey d’Aurevillydas Lebenoerleideten, brauchenvonderFurchtvorpfingftlicherFestruhe sich diesmal nicht schreckenzulassen;denn deraufgehäufteStoff reichtfürMo- nateaus. Zuerstrüttelte derFallHumbert-CrawforddieNerven. Frau ThereseHumbert,einerespektirteDamederbestenGesellschaft,hat sichun- gefährzwanzigJahre lang fürdieErbin einesVermögensvon hundert Millionen Francs ausgegeben,daseinAmerikaner,HerrCrawford,ihrver- macht habe.JneinereisernenTruhe bewahrte siedenSchatz, zeigteZweif- lernmanchmaldickeRentenbriefbündel,durftedasGeld abernochnichtalsihr Eigenthum betrachten,weil dasTestamentvonzweiNeffendesErblasfers angefochtenwurde,derenBesitzrechtedergewissenhaftenDameheiligwaren.

Mit genialerVerbrechertaktikschleppte siedieSache seit1883 immer wiederinstiefsteDickichtdesCivilprozesseszund dadieAermfte mit-ihrem Mann,demSohneinesfrüherenJustizminifters, inzwischendochstandes- gemäßlebenmußte,pumpte sie,pumptemunter beiGroßundKlein. Vierzig Millionen hat sie auf diesem selbst heute noch ungewöhnlichenWegezu- sammengebrachtNunistMadamemitMann undSippe verschwunden,die eiserneTruhe istleer undüber denThatbestandkeinZweifel möglich:die dreiCrawfords habenniegelebt,FrauHumberthat nichts geerbt und,um dieGläubigerhinzuhalten,in allenJnstanzeudieKomoedie einesErbschaft-

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streitesaufgeführt,demjederGegenstandfehlte.EinStoff für Aristophanes, LeSageoderOffenbach;obihn nicht irgendeinflinkerPhilippibis zum nächstenHerbstdeutschenKunden zuschneidenwird? Noch lachtendienicht unmittelbar Geschädigtenüber dieausbündige,alleSchelmenromaneüber- trumpfendeGaunerphantasie,dersolcherErfolg beschiedenwar: dakam die Hiobspost,dieKraterdes MontPelåeaufMartinique hätteneineLavafluth ausgespienundSaint-Pierre,dieHauptstadtderalten, oftumstrittenen fran- zösischenKolonie, verschüttet.VierzigtausendMenschensollenin dem Kata- klysmus umgekommensein; dieseZahlerreichtnicht »fas«,wie derDeutsche Kaiserin einerDepescheanHerrnLoubetirrend sagte,die der inPompeji vonvulkanischemWüthenHingerafften,sondernistzwanzigmalgrößenUnd kaumwar diesesSchreckensjäherPrall verwunden,kaumfingendievon unklarer Grausenskunde Verstörtenzusinnenan,wie denUeberlebenden Hilfezubringen,dievoneinemdurchdie Antillenwelt tobendenElementar- aufruhr bedrohteKolonie zu retten sei,alsschonneue,nähereSensationdie ruhelosenGemütherpackte.DieletzteSchlachtimWahlkampfwar geschla- gen undjeder Franzose griff nachdemStreckenrapport,umzuerfahren,wem aufderJagd nachderVolksgunstdiesmalFortuna gelächelthabe.Undmitten in all dem Lärm wurdendie Anker desSchiffes gelichtet,das denPräsiden- tenLoubetnach Rußland trägt,zumGossudardernation allisåe et amje.

FüreineWochewars genug;undkeinWunder, daßauchunserer Zeitungen größterTheilmit derSchilderung französischerZuständezuthun hatte.

Frau.Humbert,derzwischenTurcaret undMercadeteinPranger- platz gebührt,wurdein die Kellerräume gewiesenund,wie des Landes der Brauch ist,vondenfürs Feuilleton gemiethetenjungenLeutenzurVerherr- lichung deutscherRechtspflegebenutzt.DenKrater desMont Pelåeum- kreistenallerleiseltsameEintagsgeologen,dievonBimssteinsand wundervoll zuerzählen,dieLapilli anschaulichzubeschreibenwußten.Ueber dieFahrt insHeiligeRusslandwurdenWitzegemacht,als wären beiuns solcheReisen nie zu denwichtigenStaatsaktionen gezähltworden. DiePolitikeraber stimmteneinenTriumphgesangan:HerrWaldeck-Rousseauhatgesiegtund dieHordederPrätorianerundJesuitenschützlingeaufsHauptgeschlagen!

DieschwarzenAnschlägeder DunkelmännerundTyrannenknechtesindzu Schanden gewordenunddasMinisteriumderFreiheit,desLichtes,der Gerechtigkeitbleibtunserhalten.Uns:ungefährsowirdwirklichgeschrieben undgedruckt;alsmüssedemgutenDeutschendieFortdauerderFirmaWaldeck 8rMillerand einHerzensbediirfnißsein.Obsiedauern oderschonimJunige-

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Waldeck-Ronsseau. 261 löschtwerden wird, ist heute nochzweifelhaft.DieBerechnungdesin der neuen Kammer zu erwartenden Stimmenverhältnissesistkeinenrothen Hellerwerth. Fastnachjeder-WahlsiehtmaninFrankreich dasselbeSchau- spiel: alleParteienerklärensichvondemSpruchdessouverainenVolkes be- friedigtundpreisendieWeisheit desWählers,dersichdurchdesbösenFeindes HöllenkunstnichtvomrechtenWeglockenließ.AndersklingtdasLied ge- wöhnlicherst,wenn dieneue Saisonin denHohes-Bomben eröffnetist.

Auch jetztmußman sichgedulden,sollteman,stattdemFreudengekreischder JauråsundRochefortzulauschen,dieZeitbis zurEntscheidungbenutzen, umdieBedeutungdesStreites erkennenzulernen,dernun Jahre lang schonFrankreichsBodenzerwühltundvondemaltenExperimentirlande derWeltgeschichtebald in andereGegenden fortwuchernwird. Seit der Dreyfuslärm verhalltunddieErregung,die demBetrachterdiewildesten KampstagederLigen insGedächtnißruft,dennoch nichtausdenGemüthern gewichenist, mußtejeder Wachemerken, daßderin beidenLagernmit allen Mitteln brutaler Gewalt undlistigerTückegeführteBürgerkriegeinem größerenGegenstandegaltalsderRettungoderVernichtungeinesvom Standesgericht schuldiggesprochenenMenschen.DieFranzosen fühlensich inihrem Lebensrechtbedroht;sie möchtensichalseinstarkesHerrenvolkin Europabehauptenundkämpfendeshalbgegen diekapitalistischeKorruption, gegen dieträge Gleichgiltigkeitderdist«acinås,·diefürallesittlichenFragen nur einmüdes, skeptischesLächelnhat,gegen denBaudevillegeist,denselbst derernsteste,traurigsteVorgangnur zufrechenWitzen stimmt,und gegen dieTyrannisderschnellvon jedem pfiffigenSchwindler gefesseltenMasse.

DasHeilsoll, sohoffendiePatrioien,vom Heerkommen,dasnicht,wie dasregirende ParlamentzumgroßenTheil,auskäuflichenStrebern, son- dernaus redlichen,ineinenstarrenEhrbegriff gewöhntenMännern be- steht, dessen leuchtendesKleidder Panamaschlamm nicht bespritzt hat unddemman ruhigenMuthesdie nationale Zukunftanvertrauen dars.

DerjedeandereErwägung niederzwingendeWunsch,in dem allerbür- gerlichenAutorität beraubten LandewenigstensdasAnsehenderArmeeun- getrübtzuwahren, hatin demvonJulesLemaitre geleitetenBunde La Patrie Francaiseviele derfeinstenVorhutgeisterzusammengeführt.Ihnen hatsichin denmeisten ProvinzendieFortschrittsparteiderHerrenMåline und Ribotverbündet.In dieserKoalition sindwenigePfaffenknechte,noch wenigerMonarchisten,abersehrvieleaufgeklärteund liberale Leute zufinden- dieoffen sagen: Unser katholischesVolkhat gefährlichereFeinde,als der

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262 DieZukunft

Kleruseinerist; esbrauchteinstarkes,in derDisziplinundimGlauben anseineFührer nicht erschüttertesHeerundwillliebervonsranzösischem- pfindenden BischöfenundGeneralen beherrschtwerdenals,wiebisher,von denHerz,Arton,Reinachund derenDienstmannen. DaßdieSchaar,die mitdiesem Rufin denKampfzog undderdie Bauern- undKleinbürger- angstvor demErstarlendesSozialismuszuHilfekam, nichtbeimersten AnsturmdenSieg«erstritt, istdaspersönlicheVerdienstdesMinisterpräsi- dentenWaldeck-Rousseau.AlsBerryer, aucheinpolitischerAdvokat,von seinerPressezu denHalbgötternerhöhtwurde, schriebBarbeyinhellerWuth:

Diese läppischeoderheuchlerischeUeberwerthungeinesMenschenist aufdie Dauer ekelhaft. Solches Gefühl regt sichin demUnbefangenen auchbeim LesenderWaldeckhymnenDochderHelddieserSänge istderBeachtungwerth.

JneinemBüchleinvonErnest-Charles hat klugeBosheit neulichsein Charakterbild gezeichnet.EinMann,dernielacht,nie inhitzigeWallung geräth,der unterblicklosen,halb verschleiertenAugenvonZeitzuZeitnur melancholisch,verächtlichlächelt.Erläßt sichnichthinreißen,nichtvonEn- thusiasmus nochZornweiterführen,alsergehenwollte,undkeinEreigniß scheintihmdasPhlegmavertreibenzu können. Dabeistolz,oft hochfahrend imTon,mit dersteifenWürde desvomAthemdesprofanum vulgusan- gewidertenAristokratenzeinsehrkultivirter Mensch,Sammler seltenerob- jets d’art,Dilettant imfranzösischenSinndesWortes. DieKlosterschule hatihn,wiesoviele inmönchischerZucht Erwachsene,allemKirchenwesen entfremdet.AlsjungerAnwalt folgterderFahne Gambettas, dessenge- flügeltesWort:Leclårjcalisme,voilä l’ennemj ihmauskühlemHerzen gesprochenist,wird neben demstetsTrunkenen einnüchternerMinister, geht, alsGambetta fällt,zuJules Ferry über,derihmdaswichtigeMinisterium deannerenanvertraut, undziehtsich,dadieBretonenihn nichtwiederwählen, mitdeutlichenZeichenderGeringschätzungausderPolitikin dieCivilrechts- praxis zurück.Er wird inParisderAnwalt dergroßenGeschäftsleuteund der großenSpitzbuben, häufteinstattlichesVermögenundscheint,als dieHexe Politik ihn nachJahrenabermals lockt,vondemeinenWunschnurerfüllt:

denSozialismusmitStumpfundStielauszurodenzundsozialistischnennt erschonden-bürgerlichenRadikalismus desHerrnBourgeois,demervor- wirft,denUmsturzparteiendieThürzurHerrschaftgeöffnetzuhaben. Jn allenRedenwarnt ervorderdestructi0n, empfiehlterdieconserva- tionsocia1e. Ohne straffe Ordnung sei Freiheit nicht möglichundeine internationale Partei,die das Vaterlandgesühlnegirt, ohne Rücksichtund

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Waldrit-s)iotissea11. 263

Schonungzubekämpfen.WerdemArbeiter helfen wolle, dürfedasKapital nichtbeunruhigen,demArbeitgebernichtdieMöglichkeitnehmen,imeigenen HausederHerrzusein.DasBesitzrechtistihmdasersteallerMenschenrechte.

JmOktober1897 rufter,ganz wieunser Stumm,inReims,keinGerede, keinfeigesAusweichen nütze,dieEntscheidungmüsseklippund klarfüroder widerdenSozialismus fallen. Alser 1898 denGrand Cercle der konservativenRepublikaner eröffnet,denerzumHauptquartierderSo- zialistenfeindemachen will, riihmterHerrn Mtåline,den äminenthomme

d’Etat,denMinister,der dasLandvomUnrathgereinigtunddessenAutori- tätsichvonTagzuTag verstärkthabe.DreiMonate danachscheidetMtåline aus derMachtundWaldeckruftdem»energischenRepublikaner«nach:

Nousne luidisonspas adieu,mais aurevoir! DaswarimJuni1898.

EinJahr späterwar Waldeck-RousseauMinisterpräsident.Erwähltezwei Sozialisten,dieGenossenBaudin undMillerand,denFührerdersozial- demokratischenKammerfraktion,zuKollegenundhatseitdemkeinen anderen Politikermitso zähemIngrimm verfolgtwieHerrnMiåline, dessenpoli- tischesWesen dochinkeinemZugegewandelt ist.Staunend sahenWaldecks frühereFreundedemSpektakelzu undfragten,wasdiesenMann,dernie nachBolksgunst lüstern schienundderschon oftGelegenheithatte, ohne OpferzurMachtzugelangen, bestimmt haben könne,seineganzeVergangen- heitalseinZweiundfünfzigjährigersozuverleugnen.Einpshchologisches Räthsel. AuchderHerr,dersichErnest-Charlesnennt,hatesnicht gelöst.

Unddoch istamEndedieLösung selbstdann nichtgarsozschwerzu finden,wennmansichvorherentschlossenhat,Waldecknichteinfachfüreinen feilen WichtundStreber zuhalten.Erist klug, ungewöhnlichgeschicktund soweitsichtig,wiemans demgesuchtestenpariserCivilanwalt zutrauen durfte- Ersprichtnicht mehrvondestruction undconservation sociale, sondern hat längstein anderesSchlagwort gewähltundheißtsichselbstdenOrgani- fatorderdåfenseråpubljcainaDieRepublik, sagterseitdreiJahren, istbedroht;vorjedem ThorlauerteinPrätendentenwunsch,einesDiktators Ehrgier,undwenn wirnicht wachsamsind,wirdmit derHilfeder immer denstarken Bändigernverbündeten Pfaffenschaftuns morgen irgendein Gassencaesarknechten.Das glaubtderSchlauenatürlichselbstnicht,der genauweiß,daßvonallenStaatsformendesvorigenJahrhundertskeine in Frankreich so ungefährdetwar wie die1870 geschaffeneunddaß fürab- sehbare ZeitandieAuferstehungeinerMonarchievon Gottes odervon PöbelsGnaden nichtzudenkenist.Erzweifeltauch nichtanderZuver-

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lässigkeitdesKlerus, der, aufLeos undRampollas Befehl,mit derRepublik Frieden geschlossenundnichtdengeringstenGrundhat,innutzlosenAben- teuern kostbareKraftzuverzetteln.Aberein AnwaltundeinPolitiker hat nichtimmer, hat sehrseltensogardiePflicht,die reineWahrheitüberdieForde- rungderAugenblickstaktikzustellen.Wersichgewöhnthat,dieMenschennach ihremHandeln,nichtnachihremReden zubeurtheilen,wirdleichtmerken,daß Waldeck-Rousseauseinemalten,Ziel,dieNeigungzumSozialismusausden Hirnenzuscheuchen,umeinetüchtigeStreckenähergekommenist.Derfeine Skeptiker,deranderBarreundinWahlversammlungendieMassenpsyche schätzengelernt hat,maggeschmunzelthaben,alseraufdengroßenBoule- vardsTausende rufen hörte:NiedermitMillerand! Conspuezle baronl KeinZetern,keinSozialistengesetz, ,,kein Kampfmitgeistigen Waffen«

konntesowirken wie diewehe Enttäuschung,zu der einsozialdemokratischer Minister seiner Genossenschaftverhalf.DieMillerand, Jaurås, Viviani, die ministrables sein wollten, habeninheißenSchlachtendieGuesdisten, MarxensstrenggläubigeJünger, geschwächtundzugleichsichselbstum den Nimbus desBolksbeglückersgebracht. DieserErfolgwar nur durcheine VerbrüderungvonBourgeoisieundProletariatzuerreichen; undsolches Bündnißwurdeerst möglich,wenn derMengedieUeberzeugung einge- hämmertwar,dieRepublik sei,dieFreiheit,dasMenschenrechtinGefahr.

SoofteineBourgeoisiesichinihremBesitz-rechtbedroht fühlt,schreitsie,die heiligstenMenschheitgüterseien gefährdet,zeigt sieder gegen dieschranken- loseGeldherrschafterregtenMassedenPfaffenalsErzfeindundsuchtsich dasGewimmel zubefreunden,dasihrmorgensonstin diePutzstuben brechen könnte. Undjedesmal—ebensahenwirswiederinBelgien,woliberale FabrikantendieArbeiter umdenKampfpreisprelltenund derSozialdemo- kratie eine Wundeschlugen,von dersiesichschwererholenwird—jedesmal istdasProletariatdann soarglos,soblind, daßessichvondenungemein menschenfreundlichenKapitalistenkirren und alsHelotenheerin einenKrieg derPrivilegirtentreibenläßt,in demesnichtszugewinnen hat«

HerrWaldeck-Rousseauhat diesesNothmittel nicht erfunden,aberso klug angewandt, daßderErfolg nichtausbleibenkonnte·Frankreich,daseine sozialeRevolutionfürchtenmußte,hat heutenurSalonsozialistenundmacht- loseSekten.Waldeckhatgesiegt,nichtübermonarchistischeoderpfäffischeFeinde derRepublik, sondernüber dieFördererderdestructionsociale. Unserer PresseisterderlichteHeldlautersterRedlichkeitBielleichtstammtdieDankbar- keitausdemJnstinkt,derinWaldeckdenHortbourgeoisenBesitzsriedenswittert

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IQII I( DieWeltalsZeit.

Die Welt alS Zeit.

Man lernt mehrWeisheitmitdem HörenalsmitdemSehen.DasHören bringt mehr herein,aberdasSehen weist mehrhinaus. Meister Eckhardt.

EsgiebtkeinenUnterschied zwischen demSubjekt,daserkennt, unddemObjekt, daserkanntwird·

Pariser Universität anno 1276.

VielleichthabeichinmeinenBerichtenüberMauthners Sprachkrititss

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denGrundgedankendesWerkes verständlichgenug wiedergegeben;

wasmiraberzufehlen scheint, istdieAusdeckungdesGrundgefühles,aus demherausMauthneransWerk gegangen ist;undwasschließlichdasSelbe sagt:esmuß noch gezeigtwerden,zuwelchemEndeuns Mauthner diese WaffeindieHandgegeben hat. Kurzgesagt:zumEnde Gottes. Jch glaube, nicht falschzuvermuthen,wenn ich sage:WasMauthnerbeidieser Arbeitlanger Jahre gestähltundbegleitet hat,wardasGefühl,daßesweder Kant nocheinemAnderenbisher gelungenwar, mitderfalschenHypothese

»Gott« fertigzuwerden. Man mußtedieSprache angreifen, noch mehr, man mußteerkennen,daßallunsere Erkenntnißnur Sprache sei,um diese Thatzuthun,»- eseinmalfür allehinzustellen:obJhresGottnennt oder moralischeWeltordnungoderZweckmäßigkeitderWelt odertiefere Bedeutung derWeltoderErforschungderWahrheitoderErkennbarkeit der Welt, esistimmer dasSelbe: derGlaube,die Weltaussprechenzukönnen,ist derGlaube anGott. Was immerJhrvonderWeltsagt:essindWorte.

Dasheißt:esist nicht wahr.Wahrheit hießbisherimmer: so istes;wenn dasWort noch fernerhin angewandtwerden soll, mußesbedeuten: esist anders. DasWortWirklichkeitmögenwirruhig behalten für unsereEr- scheinungwelt,fürDas,wasaufuns wirktundwiederum von uns bewirkt wird;Wahrheitaberisteindurchaus negatives Wort,dieNegationansich, unddarumin derThat ThemaundZielallerWissenschaft,derenbleibende Ergebnisseimmernur negativerNatursind.Darum auch isteskeinWider- spruch, daß Mauthners KampfgegendieSprache sprachlichgeführt-wird:

dennDasistebendieAufgabederBegriffssprache, sichmitDem zube- schäftigen,was nicht ist,bisher Geglaubteszunegiren.Allesistanders:

Dasistdie FormelallunsererWahrheit.Auf diese Ahnung isteswohl zurückzuführen,daßman hinterdemToddieLösungdesgroßenRäthsels gesuchthat; ich möchtesagen,man hatdenTrugschlußgemacht,aus der

S. »Zukunft«vom 253.November 1901.

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266 DieZukunft

Empfindung,daßWahrheit= Anderssein ist,zuschließen:esbrauche also nur einegründlicheVeränderungmituns vorzugehen,damitwirAlleser- kennen. AbersolcheVeränderungistja auchwiedernur etwas Positives, nur einZustand; jenes Andersseinaber drücktlediglichdieNegationausund könntedurch»niemals« ersetztwerden. Jndieser Auffassung fällt »Wahr- heit«natürlichauchmitdem,,Dingansich«zusammen.Wassteckthinter unserer Wirklichkeit?Etwas Anderes! WieistdieWeltansich?Anders!

Diese Wahrheit, daßman dieWelteben darum nichterkennenkann, weilman sieerkennenmuß,räumlich,zeitlich,dinghaft wahrnehmenundmit Wortenbelegen,ist schonfrühund immer wieder,manchmalmitwunderbarer SchärfeundDeutlichkeit, ausgesprochenworden;undgeradeindenKreisen, wo man mittiefster Sehnsucht nachderRuhedesPositiven lechzteund darumunerschrockenundehrlichwar. DenndieGeschichtederWeltanschauungen, derPhilosophienwie derReligionen,könnte inzwei Lager getheiltwerden:

aufdereinenSeiteSolche,diesich schnellbeietwas Positivem beruhigten:

diePriesterund die Gründer philosophischerSystemealsBessereunddie PfaffenundPhilosophieprofessorenalsweniger Gute; aufderanderenSeite Solche,dieleidenschaftlichnach Ruhe begehrten,aberdurch nichts beruhigt werdenkonnten: dieKetzer,Sektirer undMystiker.EsgehteineLinie, die bei denNeuplatonikern sicher nicht anfängt,aberdochzumerstenMal mit Sicherheit festzustellenist,die danninDionysius Areopagita wohlimfünften Jahrhundert ihren ersten Höhepunktfindet,inScotus Erigenaimneunten ihren zweiten,diedannnachhaltigdieScholastiker, Realistenundpanpsy- chistischenSekten desMittelalters berührt,bissieinMeister Eckhardt ihren drittenund höchstenGipfel erreicht.Vonda gehtdie Linie langsamund verborgen,aberunverloren weiter überPicusde Mirandola, Molinos und Jakob BoehmezuAngelus Silesius,der, wie dertrefflicheGottfriedArnold so wunderhübschsagt,»aus denen vornehmstenmystischenTheologis die

summam dergeheimen Gottesgelahrtheitinnervosenund nachdrücklichen

epigrammatibus vorträgt«,der sichaber zuEckhardt verhältwieder JesuitenstilzurGothik;eindeutlicherkennbarerZweiggehtdannnachEngland hinüberzu demgroßenVerkeley,derfreilichalsecht englischerKopf genialste Negation mit kraftlosestemPositivismuszuvereinigen wußte; die Liniescheint mirbisindieGegenwartzureichenundinJohannesWeddeundvorAllem AlfredMombert indieErscheinunggetretenzusein.SieAllesindinder Einsichtvereint,daß sie mitVerkeleyzusprechen Sinne undWorte

alserroneous principles bezeichnen;sie machen demnach,wieJohannes

Weddeesausdrückt,»Frontgegenjede bestehendeReligiongemeinfchaft(und jedes wissenschaftlicheSystem),denn sieAlleforderndieAnerkennungge- wisser BegriffeundBegriffsverbindungenalsintellektuellrichtiger.Esist

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DieWeltalsZeit. 267

aberunmöglich,daßeinMenschEtwasrichtig begreife.«Siesindferner auchdarin einig, unsereSinnenwelt alsetwas Bildmäßigeszubetrachten, und mühen sich leidenschaftlich,eineWelt »ohneBilder undZeichen« wieMombert sagt zu-schaffen.Unddrittens sind siedarineinig, daß sie—- imGegensatzmehrzudemlandläufigenmaterialistischen Pantheisnius alszuSpinoza-—spiritualistischePantheisten sind;dadieWelt (oder Gott) nichtvon außen hererkanntwerdenkann,muß sievon innen her geschaffen werden: durch AbkehrvonRaumundZeit, durch mystische,nichtoderkaum auszusprechendeVersenkungsollen außendieDingeundinnendasJchgefühl aufhören,zusein,WeltundIchinEinszerfließen.

DerGrößteunter alldiesenketzerischmystischenSkeptikernwarunser MeisterEckhardt,der mitgewaltigenMitteln unternahm,wovon beiSpinoza

nur Spurenzufindensind undwasfünf Jahrhunderte späterdemKant- schülcrundBoehmesproßSchelling nichtgelingenwollte: Pantheismusund kritischeErkenntnißtheorieinHarmoniezubringen.Erwußteundhates oftausgesprochen,daßman Gott,denSinn der Welt,nichterkennenkönne, daß wir aberwissen,wasernicht ist. Auchwar esseinetiefeundbleibende Erkenntniß, dieses Nichts,mitdem er ebensowieschonDionysiusund Scotus Gottidentifizirte,fürein unbekanntes Positiveszuerklären,dessen Attribute nur alleunsereErscheinungensammt unserem Jchsind. Dieses Unbekannteglaubteraus sich heraus schaffen,mystischdareinversinken und dannbildmäßigundinGleichnissendavonsprechenzu können. Eswar ihm sicher, daß,waswirinuns selbstalsseelischesErlebenfinden,demwahren WesenderWeltnäher stündealsdieaußen wahrgenommeneWelt. Aber auch diesesinnereErleben,wenn esschondenRaum abgethan hatte, geschah doch nochin der Form derZeit;unddarumbetrachteteerdieZeitalsden ärgstenFeind Gottes. Zeitle mußteman werden, damit Außenweltund«

JchzuEinem würden. DieStellen,woervon dieseninneren Erlebnissen tiefsterArterzählt,gehörenzumErgreifendsten,was esanWortkunstüber- haupt giebt.SelstenhatEinerlsoschönund wahrhaftum dasUnaus- sprechlicheherumgesprochenwieMeisterEckhardt.Aberhier handeltessich nichtdarum,sondernum dieFrage:obesmöglichist,einensolchenüber- natürlichenZustand, woWelt und Persönlichkeitzugleich aufgehobenNund vereinigt sei,insichzuverspüren.Dawir selbstganz sichernichtnur äußereundinnere Erscheinungsind, sondern auchzurWeltals Wahrheit, zurWelt,wie sie anders ist, gehören,läßtsich,wieich zögerndsagen muß, diese Möglichkeitnicht ohneWeiteres abweisen. DaßDas, wovon uns dieMystiker Bericht erstatten,nurWortbild undNegation falscherAnnahmen ist, beweist nichtsdagegen, daß sieEtwasirlebthaben,dassichandersnicht sagen läßt. AuchdieErkenntniß,daßzumBeispiel Meister Eckhardts·Ent-

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268 DieZukunft.

zückenüberseine tiefenStunden undVerzückungendempsychologischprüfen- denLesersichalsseinStaunen über dieeigeneGenialität herausstellt,derer innüchternenStunden selbstnichtgewachsenwar,ist nochnichtdurchschlagend.

UndauchderEinwand,wir könntennichts fühlenoderimBewußtseinhaben, was nichtZeit erfordere,beweistnichts,denneshandelt sicheben beidiesen Erlebnissenum Gefühltesund Seelisches so wenigwieum Materielles:

auchErlebnißist natürlicheingräßlichfalschesWortfüretwas Zeitloses und darum auch Lebloses.Dabei istniemals einErlebniß so starknnd wahrhaftalsUngeheuerliches,Blendendes,FortreißendesundBefeligendes geschildertworden wievondenMystikern dieserbenommeneTraumzustand.

Jch lassediesGeheimnißvollealsodahingestellt;nur muß hinzugefügtwerden, daßdieErklärungdesZustandesalsirrigeDeutung genialerEntrücktheit——

Anderewürdensagen:einerkrankhaftenVerfassung ebenso wohl möglich ist. Undvor Allem: dadieserVerkehr zwischenWelt undIndividuum völlig unmittheilbar sein muß,kann er alssolcherwederdemGedächtniß desJndividuumsnochirgendeinerErkenntnißangehören.Wäreich dazu genugMystiker, sowürdeich sagen,ergehörewohldemWeltbewußtseinan;

abersolcheBilder darfsicheinarmer Normaler nichterlauben. Wenn es alsoEtwas dieserArtgiebt,dannhatesseine eigeneSphäreundgehtuns nichtdasGeringstean,so langewiresnicht mitgemachthaben.Esistdann dieselbeSachewiemitdemTod,von demschonEpikur gesagt hat, daß

erunsnichtangeht,undunseremZustandvorderGeburt odereigentlichder Zeugung.Nurgehtesuns freilichmitunserer ersten Kindheitgenau so;

unddochwirdkaumEiner leugnen wollen, daß siezuseinemErlebengehört.

Wirsindebendoch«noch mehralsG·edächtnißundBewußtsein;oder,das Selbe nichtnegativ, sondern metaphorischausgedrückt:unsere Bewußtseine hinterlassennichtalle bleibendeSpurenindemBewußtseinstheil,denman Gedächtnißnennt. Körperlich freilich istkaummehrEtwas von Deman uns,was wirdamals alsKindwaren; nichteinmal dieZähne.

Jch habe gesagt,dieWissenschaftseidasWissenvonDem,was nicht ist. Dasließe sichanBeispielen Mauthnersweitererläutern; icherinnere andasGesetzvon derTrägheitoderderErhaltungderEnergie,deren Aus- sagen janur landläufigeJrrthümer zurückweisen.Jch habedannzweitens von demNichtwissenindemabgründlichpositivenSinn derMystikge- sprochen; fürDen, der daran glaubt, mußDasdieeinzigeArtvonReligion sein,dieihm noch möglichist. NebendieseWissenschaftunddieseReligion tritt eindrittes Element unsererWeltanschauung:dieKunst. Darunter versteheich hierdiesymbolischeodermetaphorischeAusdeutungderMetaphern unsererSinneund derMetaphern unseresinnerenBewußtseinsSiehatan dieStelle Dessenzu treten,wasbisherdieWissenschaftPositiveszuleisten

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