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Die Zukunft, 14. Mai, Bd. 47.

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Academic year: 2022

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Berlim den H. Mai s904(.

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Alfons Röhll.

chtzehnhundertundsiebenzig.BerlinhatachthunderttausendEinwohner.

DerZoologischeGarten liegtweitdraußenvorder Stadt undnach demHalenseemachtman Landpartien. JmLeben derpreußischenHaupt- stadt herrschtnochschlichterPreußenstiLDieLinkstraßeisteinefeineGegend.An derTheaterkassekostetderParq uetplatzhöchstenseinenThaler. Jn gutenBür- gerhäusernkommt,roennGästegeladensind,mittagsKalbsbraten mitGurkeni salat,abendsRühreimitSchinken aufdenTisch.WerechtegBayernbier trinkt,mußschonwohihabeudsein.DeraaufmaundcsseuFrühjahkogeschäft einträglichwar,schicktFrauundKindernebstKüchengeräthundBettsackim Julinach Misdroyundgeht selbst spätervielleichtaus vierzehnTage nach NorderneyoderHarzburg.Madamestrahlt,wennderWeihnachtmannihrein Seidenkleid bringt; und dieKinderzählenSonnabendingierigerErregungan denKnoper ab,ob dernächsteMittag ihnen Apfelcharlotteoder garBaiser- tortebescherenwird.DerDamenschneider—erheißtnochnichtKonsektionär—, dermitPapamanchmalbeiJosty,anderSchloßfrei«heit,Dominospielt,war währendderWeltausstellunginParisund wirddeshalbvonder ganzenFa- milieangestaunt.Da drübengehts zu!SodomistdanebeneinNest,dieMotten- bngstrengsterSittsarnkeit.WennderWeltenwanderer nachdem Abendbrot zUerzählenanfängt,erröthetMamaunter dem grauenScheitelundmerkt Plötzlich-daß sie vergessenhat,denSchlüsselausderSpeiselammerthürzu ziehen.Was.leuscheHerzen nicht entbehren können,ist natürlichauchan·

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derSpreezuhaben;bleibtmeistaber imDunkel. Schon sindTingeltangel entstanden,halbnackteHuldinnen,die dergebildeteBerlinerChansonnetten nennt,ahmeninTarlatansähnchengallischerFrechheitnachundinBen- tesOrpheum,demHaupiquartierhöllischerVerruchtheit,sind fette Schen- kel im Debardeurtricot zusehen.NobleMädchenl Freilich nichts fürden Mittelstand.UmEinevonderSortefür sichzuhaben, mußman wohl acht- zigbishundert ThalerimMonatspendirenzundist auchdannnoch nicht sicher,daß sieauskommt undman nichteinesschönenNachmittags einen CompagnonimSchlafzimmerentdeckt.KleineBerkäuferinnen,Näherinnen, Plätterinnensind billigerundzuverlässiger;und dasBischenSchminkeund Flitter thuts schließlichnicht.DerBürger,derebenerstBourgeoiszuwer- denbeginnt,hausteinfachundgiebtauchfürGalanteriewaare nicht mehraus, alsdieEinkommensziffererlaubt.BerlinlebtnochnichtüberseineVerhältnifse.

In diesemBerlinwar HerrRöhlleine bekanntePersönlichkeit.Die FirmaC.H.Röhll,die damals schonungefährsiebenzigJahre bestand, hatte fürKnöpfeundBortenbeinaheeinMonopolund derInhaberdenRuf einestüchtigenKaufmannes,dersichdenHeckmannundSimon,Heeseund Israel vergleichendurfte.Solidunddochnicht schwerfällig;reell und dabei behendgenug,umsichderwechselndenKonjunktur stetszurechter Zeitan- zupassen.KeinKostverächterundTugenbold; nochals Greisäugteernach jeder.sauberen Schürze.Aber imGeschäftstanderseinenMann;unermüd- lichaufdemPosten, streng, dochnach bestemWissengerechtundvonkeinem Pfisfikuszunarren. AlszuerstdieRamschbazareundspäterdie Waaren- häuseraufkamen, schloßersein Deiailgeschäftundbeschränktesichaufdie Fabrikation. Trotzdem dieKonkurrenzwuchs,dieSchleuderpreiswirthschaft zunahmund dieHerrenmodedieBorten verbannte,erwarbereingroßes Vermögen;undtrotzdemderGeschlechtsneidlieberNachbarschaftihm jeden vomschmalenWegderEhepflichtseitabführendenSchritt sorgsam nachge- rechnet hatte,war eralsKaufmannundMenschso geachtet,daßerseine TöchterOffizierenverheirathenkonnte. DashöchsteZielpreußischenBürger- strebenswaralso erreicht.Ausdequngen sollte freilichnichtsRechtesge- wordensein.Einerlei;dieMädchensaßenim Glanzund deralteRöhll,der auf zehnbiszwölsMillionenMarkgeschätztwurde,konntesichimschlimmsten Fall auchdenunbequemenLuxuseines verdorbenen Früchtchensbezahlen.

AusdemJungen,dempechschwarzenAlfons,war wirklich nichts Rechtesgeworden.EinflinkerKopf, fürdieKniffeundPfiffe modernsten Handelsgutausgestattet,aber einleichtesTuch,dasimmernachobenhin-

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Alfons Röhll. 245 ausflatterte.Er magverzärteltwordenseinundfrüh gemerkthaben, daß derHerrPapainpuncto ehrbarenWandels nichtallzulautauftrumpfen durfte. Steinnußknöpfemachenund mitSchneidern dieWegebesinnen,auf denen dieBorten wiederin dieModezubringenwären?DamitjederJobber inKarlshorstundbeiSchaurtåmit demFingerausdenKnopfmacherweist?

PfuiDeibellDasging früher,geht jetztnichtmehr.DerAlteläuft hoffent- lichnocheinehübscheStrecke; also mußman Geld verdienen.Erstensaber auf eigeneFaust, nichtunterPapas Fuchtel;undzweitens folls dochein Bischenapartersein. Machenwir. WollendemAltenschonimponiren.Der sah selbstbaldein,daßAlfons nichtindasKnopfgeschäftpasse,und übergab, alsermüdeward,dieFabrik seinemSchwager,HerrnEugenLißner,dersich einenFreund assoziirte.DieneuenHerrenverstandenihre Sache, derUmsatz stiegund derAltewarzufriedenWeniger wohlmitderLeistungdesSohnes,der eineChemischeFabrik gegründetund,unterTamtamgedröhn,Alldeutschland mit dem Kosmin undmit einer Wunder wirkendenSeife beglückthatte.

NichtsfüreinenKaufmannalten Stiles. Aber wassollteman machen?

ImmerhinnochbesseralsMüßiggang;und derJunge sagt ja, daßeinan-

ständigerPostenGelddabeiherauskommt.WennerdieMundwasserlieferung fürvornehmerhältals dieBortenfabrikationundsichlieberSeifenfritzen alsKnopfmachernennen läßt,magernach seinerFassonseligwerden.Und seligschiener. SeineigenerHerr.FürdieNaiven einStückchenErfinder undHexenmeister.WennerLust bekam,Globetrotter. Undstetsirgendein feinesMädchennebensich.KanneinHerzmehrbegehren,dasaufdemDreh- bock einesLehrlingsin derKronenstraßedieerstenTriebegefühlthat?

Ja.Ein Swell sein, istschön;dochdenGipfelder Wonne erklettert der Geschniegelteerst,wennereinberühmtesMädchenhat. Eine,dieJederkennt.

EinevomTheater,dierichtigeRollenspielt, »einHauszumachen«versteht,"

alsModemustergenanntundin denZeitungengelobtwird. Dasgehörtzur Lebemännlichkeit.Auchimneuen BerlinsindabersolcheWeibernochselten;

wasüberzehnMarkkostet undnicht getrageneStrümpfeinsKorset steckt, umeineBusenliniezuheucheln,heißthierCocotte.SelbstbeimTheaterbrin- genvonAllen,denen dieSpielereinurMittelzumZweckdesMännerfanges ist,nurWenigeeszurMeisterschaft.DasgrößteVorbild, Fräulein Jennh Groß,istunterlautem WehlklagendesPreßgesindeseben ins Grabgebettet worden.DieklugeungarischeJüdinverstanddas Metier.NichteinFünkchen schauspkelerischenTalentes· Jn ihren bestenRollen wieeineWachspuppe, dieeingelernteRedenherplappertund,wenndierechteSchnurgezogenwird,

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weint oderlächelt.Ein Genie aber in derKunst,denFrauenreizzur Möb- lirungdesLebensauszunutzenNie einesinnlicheLeidenschaft,die dasBudget schmälernkönnte;keinSeitensprung,keinböguimimmerkorrekt undkühl.

Siehattesichfrühgesagt:DumußtdiekostbarstenBrillantenhabenund mit DeinemKleiderluxusAllesüberstrahlen;undhateserreicht.Man kannte die häßlichenGreise,dieanfangsalldiesePracht bezahlten,undließsichdennoch blenden. Das verkünstelteZierpüppchen,daskeinengesundenTon in der Kehle hatte, durfte urwüchfigeDerbheit spielenundwurdevongefälligen Kritikerndann heißergelobtalsdieunersetzteMeisterinHedwigNiemannAuch dietalentlosesteSpielerin mußschließlichBretterroutine erwerben,wenn sie Jahrzehntelangnurin dendankbarstenRollenauftritt.UndsolcheRollen wußtesichdieGroßzusichern:siekaufte,alsGroßkapitalistinimBühnenreich, einfachdieStücke,dieihrErfolgverhießen,undgewährtedasAusführung- rechtnurdemTheater,dasbereitwar,JennyalsSternamLeinwandhimmel glänzenzulassenDann gingsienach ParisoderWien, gucktederRåjane, derSchrattdieEffekteab, bestelltebeiPaquinoderDrecoll dietheuerstenKlei- der,putztesichmitdenglitzerndenMärchenschätzenausTausendundeineNacht:

und wurdewie einerichtigeSchauspielerin behandelt. GagewarihrNeben- sache.SiespielteauchohneEntgelt, trugdieKostenderAusstattungundhätte, umstar bleibenzukönnen,demDirektornochzugezahlt.DieHauptsachewar, daßsienicht vergessenwurde,nicht eineWochelang.Dasist nichtganzleicht.

Manmußmit derPressegut stehen;mancheJournalistenwollen zumEssen eingeladenund zurWeihnachtbeschenktsein,andere wollennurKomplimente hörenundwieder andereschmelzeninEntzückungdahin,wenn einehübsche, gut riechendeFrausichvorihnen niedlichmachtundgirrt: »Ach,Heerok- tor,vorIhnen habeichimmersofurchtbareAngst!«Mandarfauchunterdem CoulissenvolkkeinenhalbwegsmächtigenFeindhaben,mußfreigiebig,wohl- thätigseinundsichjedeneuauftauchendeSchönheitverbunden. Undmuß dafürsorgen,daß,wenn man aufdieBühneoderindieLogetritt,im ganzen Saalnirgends reichererSchmuckundPutzzu erblickenist.DieGroßwußte, wiesgemachtwird.Als siejungwar,hattesieGreise,alssiealtwurde,junge MännermnddieTributsummewuchs·vonJahrquahr.Längstzwarschonwar diegeschnürteModepuppesokrank,daßsienichteinmaldürstendeSinneberau- schenkonnte. AbersiehattediegroßeRoutine, verstand sichaus dieKunst,Hohl- löpfendieZeitzukürzen,undzögertenie, ihren Freunden jüngereundhüb- schereMädchenandieTafelzu laden. Siebrauchte nichtzuzittern.Millio- näresuchennicht Taumel, sondernAmusement,undbezahltennicht ihren

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Leib,sondernden Nimbus ihresNamens. Die?Schön ist sieja nichtmehr;

hatabereinen-Herzoggehabt,einVermögengemachtundistnochimmerdas Theuerste,wasesinBerlin giebt.Dabei eineGastspielerinvonRuf.Hast Dunicht gelesen,waserst gesternwieder übersiein derZeitungstand?Wird inRennberichten,BallglossenundModeplaudereienstetsals dieeleganteste Frauerwähnt.Werauf sichhält,mußsichmitsolcherErinnerung weihen.

So kam dieGroßzu Gewinnundwardgesegnet.ZwanzigJahre langwar sieeine»Sehenswiirdigkeit«,wardie Damemit demwerthvollstenBrillant- schmuck.Undanihrer Bahre gabseinGeschwätzundGeschluchz,alsseider hohen,derhimmlischenGöttin einherrlichesKind,eineHoffnunggestorben.

Das war ekelhaft. Nicht,weil diealso Bejammertevom Pfade frommer Sexualsitte gewichenwar, die denFrauendenVerkaufdes Leibesnurunter legitimen Formen erlaubt, sondern,weilsolchesabscheulicheMusterNach- eifeklmgWtckenmuß.Jsts nichtSchandegenug,daßdieseinEisengepreßte,be- bänderte und mit Demant aufgeschirrteUnsähigkeit,dienurderBarbarenge- fchmackohne heftigesMißgesühlin einemleidlichenStücksehenkonnte, so lange,unterfreundwilligerMitwirkungfeileroderdummerSchreiber, begabte MädchenvondenBretternzudrangen vermochte? Mußmanauchnach ihrem Todenoch,der das berlinerTheater endlichvoneinemErzfeind befreit,vonihr reden,alsseisieeineKünstlerin gewesen,habe je auchnurin demdunkelsten Winkel irgendeinerKunstprovinzgcwirkt?Danndürfenwir unsnichtwun- dern,wenn derNachwuchssichdasunprofitlicheGefühl,dieSeelefriih abge- wöhntunddafürdieKünstezulernensucht,die der LebendenHunderttausende einbringenund derTotennochmitrühmlichenNekrologenvergoltenwerden.

VondieserJenny hatderKosminmann vielleichtgeträumt; dochsie warseit manchemJahrinfestenHänden,aus mindestenseinMilliönchen taxirtund dem kleinenHerrnAlsons Röhll unerreichbar.AbererfandErsatz.

AusunscheinbarerenVerhältnissenkamerin dieGunstder Schwanksoubrette Rita Leon. VonderRasfe,vomSchlag derGroß.MehrFleischJauchetwas MehrTemperament;wenigerFleiß,vielgeringereStrebsamkeit.Ein orien- talischdickesMädchenohne Grazie, ohneHumor;keineSchauspielerin,nur

eineLuxusdame;vonvielen Kritikernaber alseinSprudcltalent gehudelt.Erst iUihtenArmenwurdeAlfonszumrechtenLebemann.WelcheWonne, ringsum flüstemzu hören:Die wirdvonRöhll junior ausgehalten!AlsseineRita, der dieGlanzrollederDame dechezMaxim zugefallenwar,anderBörse denSpitznamender,,DamevonKosmin«erhielt,magsein Wähnendie höchsteSprossederSeligkeiterklommenhaben.Ueberallzusehen. Jmmer

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vornan. Liebe? EingroßesWort.Zunächstwohlnur geschmeichelteEitelkeit;

dasHochgefühl:Jchkann mirsleisten!DaskitzeltdenNervenstrang solcher blasirten Alfonse. Jn jeder Fabrik,anjederStraßeneckefast sind hübschere, frischereMädchenzufinden.Diekennt aberKeinen Mit Denen kannmannicht Staatmachen.DiegebendemBesitzerkeinenerhöhtenRang,klassirenihnnicht alsMann vonvielenGraden.Stärker alsJugend,Anmuth,Gliederpracht wirktaqueute diesesKalibersdieGewißheit,daßhinter ihremRückengetuschelt wird:Derhatdie Leonl DiebeiLautenburgdieMädchenmit dendreiThüren spielt.Billigwar dieGeschichteja nicht. DochderAltehateinenmächtigen HaufenGeldzusammengeschlagen,dasKosminunddieGötterseifebringen aucheineerklecklicheRente, und dasguteKind willseinLebengenießen.

DasguteKindgenoßseinLeben.Jm ,,Weltspiegel«,einer der»Woche«

nachgepfuschtenillustrirtenBeilagezumBerlinerTageblatt,diesolchenDamen einezumSpeien widrigeReklamemacht, hat FräuleinLeon indiesenMai- tagen,derenSkandalheldin siewar,dasBildihres Wesens gezeigt.So ungefährdieletzteJdealistindesErdkreises.»IchbinSchauspielerinmit LeibundSeele;dahermeineLieblingbeschäftigungerstenGradesdasStudium einerneuenRolle«.PrachtvollDashatinfünfodersechspariserSexual- passenparfumirteHurengemimtund redetnun wie eineRacheloderWolten

»Ausehrlichsteyinnigster BegeisterungsingeichWagner;sämmtlicheOpern undsämmtlichePartien.ThierdressurundBillardspielsind meinestärksten Schwächen.EinenjapanischenHund,einenSky-Terrier,und einenmexikani- schenAffenhabeichmitgroßerMühezunützlichenMitgliedernderthierischen Gesellschaftherangezogenundbelustigemichgernüber die Beiden.Kamm- bolhingegenbetreibeich auf seriöseWeise.(Sollleidernochnicht heißen,daß Serie gespielt wird.) Auch seh’ichBekannte undFreundegernbei mir auf gemüthlicheWeise,vergnüglicheDamenundlustigeHerrn:ichliebenicht eckigeKreise.«Undsoweiter imneckischenStileinerKellnerin,die mitWein- reisendenzuthun gehabthatzderRedakteurFritz Engel,denHerrMasseüber Goethe,Hebbel,Jbsen schreibenläßt,nennts den»rechten,feschenSoubretten- stil.«LeiderverschwiegdievordenblindenWeltspiegel geladeneHoldeihre HauptbeschästigungRollen,,studiren«,Hundedresfiren, Wagner singen, Billardspielen:dabei, dafürkannmannicht-Hunderttausendeausgeben.Und Ritachen gab Hunderttausendeaus,imLaus wenigerJahreMillionen;und sosichtbarwar ihre Verschwendung,daßdieLeutesagten, solchenunsinnigen Luxuskönne keinEinzelnenkönnenureinKonsortium bezahlen.Die Leute irrten: Ritawartreu wieGold undAlfons trugdieKostenallein. Das

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guteKindwarja so weltfremd, hatte, trotzdeninMonte Carlodurchschma- rutztenKursen, sogar keinen Sinn fürdenWerthdesGeldes!Daßsieauf ihrem süßenLeib undindemNest zärtlicherLiebenur dasTheuersteduldete, warganz in derOrdnung;abersiebeschenkteauchJedenundschütteltesich vorLachen,wennsieeinenTaxameterkutschermiteinemHundertmarkschein abgelohnt hatte.AlfonserbtmindestensdreiMillionen;und wennsmalan

Bargeldfehlt,wirddasDienstmädchenangepumpt. EineechteKünstler- natur. Geniessindeben keinePfennigfuchser.UndwermitJennhs Groß- machtkonkurriren will, darfdie braunenLappennichtwieReliquienschonen.

AllmählichgingdemPechschwarzenaberderAthemaus. Der alte Röhll hatte seufzendschonRiesensummenbezahltundwareinstweilennicht mehr anzubohren.SollteAlfonsdemLiebchenetwadenVerzichtandasBis- chenharmloser Lebensfreudezumuthenk Unmöglich.NochhatBerlin wür- digeMänner,die einemErben Kreditgeben,wenn ereinenWechselüber das Zwei-bisVierfachedesBetrages ausstellt,derihm eingehändigtwird,und obendreinvielleichtnoch faule Lose,schlechtenWeinoder anderenTrödel in denKaufnimmt. Diemüssen,Parisers MajestätanderSpitze,nun dran;

werdenaberauchbaldmißtrauisch.SchließlichhatdemweißenVokativus RöhllNiemand in denArnheim geguckt;wenn Gott»denSchaden besicht, bleibtamEnde garnichtsoviel.DieFirma ist fürjedenBetrag gut; ja,wenn derjunge HerrdieFirma zeichnenkönnte...EinesTageskommtAlfons in dieKronenstraße.Er könne den GramdesAltennicht längermitansehen undwolle,umihmdenHerzenswunschzuerfüllen,wieder indieKnopssabrik eintreten; alsTheilhabernatürlich.HerrLißner,der denLeichtsinndesNeffen kennt,hat sehrernste Bedenken;aber derWunschdesAlten,dem er, alssei- nemPflegevater,Dank undEhrfurcht schuldet,ist ihm Befehl. Alfons Röhll wird alsMitinhaberinsHandelsregistereingetragen.Umsicherzugehen, VerpflichtendieälterendenjungenHerrnin einemPrivatvertrag,sichkeine ge- schäftlicheEntscheidunganzumaßenund nie im NamenderFirmazuzeichnen.

Daskannnur insgeheim abgemachtwerden;denn einöffentlichdemSohn ausgesprochenesMißtrauenwürde den Vater kränken. Allesindmitder neuen

OrdnungderDinge zufrieden.DerAltefreut sich,daßseinFrüchtchen dochnichtganz verdarbundseinName imGeschäftbleibt. DieFabeikbesitzek lDabendenleichtsinnigenLebemann unschädlichgemachtund können mit der Möglichkeitrechnen, daß ihmeinesTagesetwas Nützlicheseinfallenwird.

Alsons kanndenGläubigernmitgutem Gewissensagen, daßerMitinhaber derFirmaC.H.Röhll ist,und mitdieserBetheuerung seinenKreditstärken.

UndRitachenkann inungestörtemBehagendas Lebengenießen.

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250 DieZukunft.

Dastirbt derAlte;undderTag derTestamentseröfsnungbringtzwei

«Ueberraschungen.ErstensistdashinterlasseneVermögenbeimheutigenWerth- papierstandnur aus sechsMillionen zubeziffern;undzweitensund des- halbhat AlsonsausderMassenichts mehrzufordern.DieSchwesternund Schwägertröstenihn:ersollnichtganzunbedachtbleiben.EinesürBürger- begriffesehr stattlicheSumme, aufdieernichtdengeringstenAnspruchhat, wirdihm ausgezahlt. Für Bürgerbegrifse,nicht fürRitas ,,feschenSou- brettenstil«.EinTropfen,derauseinemheißenSteininSekundenverdampst.

DieSchuldenlast ist nicht weiterzuschleppen.Schon istdasGerüchtdurch- gesickert,daßderalteRöhll nicht so viel,wie erwartet war,hinterlassenhat.

DieGläubigerwerdenungeduldig.NochlächeltderPechschwarzestolz,markirt nochdenviveur großenStiles undwirftmitGeschenkenumsich.Fräulein Leonist verreist.Von derKunstcampagnedesWinters furchtbar angegriffen.

Zur Erholungin Monte,dasarmeKind. Wennsienurerstzurückwäret Man ist sogräßlichverwöhntundweißgarnicht,wasmanmitseinen-Abendenan- -fangen soll; weißesbis zumdrittletztenApriltag nicht.Dann verschwindet

HerrAlsons;baldenteiltauch seineRitaderschonallzuheißenRiviera undvonBeiden wardseitdemnichts mehrgesehen.Undnun kommt esher- aus: Röhllhat für WechselimMindestbetrageinerMilliondieFirmaenga- girt.Keiner konnte esahnen.Keiner kannhelfen. AuchdieSchwesternund.

Schwägernicht,die zujedemmöglichenOpfer bereit,abernichtberechtigtsind, dasVermögenihrerKinderhinzugeben.DerPrivatvertrag löstdieFirma nichtvonderBerbindlichleit.Dashundert Jahrealth solide,geachtete,gut geleiteteHausstehtvorderSchmachdesKonkurses,weil einlüderlichesHerr- chenim Arm einesgierigen TheatermädchenszumBervrecher geworden ist.

DasistderneusteSkandal;undeinealteGeschichte,diefürjedeKalenderi moralpredigtzubrauchen wäreJObHerrAlsons sichnun ineinen Monsieur Ajphonsewandeln wird,istnichtderRedewerth;nur,wasbis zum Mai1904 geschah.Dasist lustigundlehrreich.JaderKronenstraße,derThaerstraße schwitzendieKnopfarbeiter,plagensichdieJndustrieherren,damitFräulein Leon das Lebengenießenkann. Und weilsies genießenkann,wirdsie,die im grobenWollkleidchenvonjeder Bühnenpsortegewiesenwürde,vonden zum Spruchberufenen«Richternraschin denRangderKünstlerinnenerhöht.Wenn siewiederkehrt,wirdsieJennhsErbinwerden;undwennsie,reichanSchätzen undRuhm,dannstirbt, folgendieZierden deutscherLiteratur ihremSarg.

W

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Liliencron. 25 l

Liliencron.

Heinrich

Heine,derblondeJude,der in AltonainseinerSünden Maien- J blütheseine erstenLieder schriebundimParkder TanteLenesehr gefühlvollundsehrplatonischdieüblicheEousineliebte,hat spätervonAltona mitbösemLächelngesagt,essei »aucheineschöneGegend«.DieStadt magvor hundertJahren noch mehrdenCharaktereinesgroßenVorortes vonHamburg gehabt habenalsheute.Einstrebsamer, ehrgeizigerGeist ist ihr nicht abzusprechen.VonKunstundKunstsinn istheute in Altona eben so wenigzuverspürenwieeinst:ein Merkmal,umdassämmtlichepreußische Provinzstädtezurivalisiren scheinen. Wohl tänzeltevor hundertundmehr Jahren durchdieGassenAltonas mitJabot,SpitzenmanchettenundKava- lierdegenderFreiherrvon Hagedorn zwei Zeilenaus seinen Gedichten lebennoch: ,,GenießtderJünglingeinVergnügen,soseierdankbarund verschwiegen«—·; wohllebtenhier langediebeidenBrüder GrafenStol- bergundihrNamesteht heute noch in Ehren; wohl wohnte hier Jahrzehnte lang,verkanntundsehrgering,der gute,treuherzigeMathiasElaudius, und sO langeamRheinRebenwachsen,werden wirihnlieben. Auch Gersten- berg,denUgolinodichter,wollenwirnichtganzvergessen. AufdemKirch- hofinOttensen,unter denLinden, dieDichterundDichterlingevergessener Tageheiliggesprochenhaben, ruht Klopstock,derRuhmeineshalben Jahr- hunderts.AufdemGrabmal istzulesen: ,,Deutsche, nahetinEhrfurcht dem GrabeEures größtenDichters«... UnsereZeit ist sehr vergeßlich.

Dieregsame preußischeJndustriestadt weißvon ihrem größtenDichtereben so wenigzuerzählenwieandere Städte. DieDampfpfeifen·undSirenen derPacketfahrtdampferhaben längstdieseraphischenTönederLeier des Bar- diten zumSchweigen gebracht.

In Altona verlebtediestärkstenJahre seines KünstlerlebensderDichter Detlevvon Liliencron. Auch ihmbliebdieStadt fremd,wieerihr fremd blieb. DieWenigstenwußtenvon derExistenzdesDichters,ganzWenige kannten ihn. AbenteuerlicheGeschichtenüberihn,diein den Salons der Gkvßkaufleuteumliefen,verbreiteten um ihneinennicht gerade erfreulichen Nimbus. Undunter denzweihunderttausendEinwohnernderStadt mögen noch heute nicht sechszuzählensein,diewissen, daßdieStadt langeüber EinJahrzehntdengrößtendeutschenLyriker unserer Zeit beherbergthat.

Vorjetzt siebenzigJahren besuchtedasGymnasiumzuAltona ein Schüler,derTheodor Mommsen hieß.ErhattealsPrimanereinenAuf- satzzUschreiben,,UeberdasWesendesGenies.« DieserAufsatz isterhalten.

DieArbeitwipseltinderErkenntniß: »DasGenieisteinnothwendiges Uebel« Nichtin Altona alleinhabe ichvieleLeutegekannt,dieLiliencron

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252 DieZukunft.

gegenüberunbewußtdiesePrimanerweisheit beherzigten.Nurschade, daßdie meisten dieserLeutevon derNothwendigkeitdiesesUebelsdochnicht soganz überzeugtsind.

Jchwillversuchen,einBildvonLiliencron zugeben,wieichihnkenne.

VoreinemHausderPalmailleinAltona hälteinSchimmelvierer- zug. JnganzSchleswig-HolsteingiebteskeinschöneresGefährt.Voran einSpitzenreiter, auch aufeinemSchimmel. DerSattel hat rothe Scha- bracken, derSpitzenreiter isteinNegerund heißtBimbo. Bimbo istder FreundderStraßenjugend,dieinderPalmailleSpalier steht.Ausdem bescheidenenHaus,vordemderWagen hält,tritt rascheineuntersetzte, stät-t- migeFigur,ein Landedelmann imbestenMannesalter mitwehendemSchnurr- bartundgetöthetenWangen,inJagdjoppe, hohen Stiefelnund demLoben- hutmitderSperberfeder. Rasch streifterdieHandschuheauf,rasch springt

eraufdenKutschbochrasch sitztderDienerhinten auf.Einleises Schnalzen.

Die edlenPferde tänzeln durchdiePalmaillederFlottbeckerChausseezu, vorüberandem—- wie überall nichtsehr schönenKriegerdenkmahvor- überandembeschattetenGrabeKlopstocks,vorüberandenreichenStamm- sitzenderhamburger Großkaufleute.DieFlottbeckerChausseeistdieschönste Straße Deutschlands.BeimParkSalomons Heineverbreitert sichderWeg.

DieSchimmelgreifenaus. Drüben glitzernimSonnenbrand dieweißen VillenOthmarschens.EinenAugenblickrolltdasGefährt langsamer. »Und sie hießFite, kleinessüßes Thier.« BewachtvonzweihohenCypressen,grüßt dieBöcklinvilla,woJemandmitdemlinkenEllbogen kämpfenlernte. Linker HanddasParkhotel Mit Dichtern ißtman dortgut zuMittag. Bor- über. DasLandwirdfrei,dieSchimmel sausen.Dasgraue, schöne,vom Meerumschlungene,vonMöwenumflatterteSchleswig:Holsteinöffnet stumm diePforten seiner Einsamkeit. DieRohrdommeltönt, dieHaide blüht,auf denGeestwiesengrasen buntscheckigeHeerden. Tieferins Landjagendie Schimmel. NiedersüchsischeBauernhäusermitStrohdächern,fchinkenrothen Ziegelwändenundgrünen Querbalken stehenunter demWipfeldom hundert- jährigerLinden. DassepiabrauneAckerlandistvonbreiten Gräbendurch- zogen,indenensichdieWolkensammtdemblauen Himmel spiegeln.Die Marsch hat begonnen.Undnun: miteinerraschen, geschicktenKurvebiegt derWagenineinelanggestreckteBuchenalleeein undeinkleinesJagdschloß wirdsichtbar.DieSchimmel stehenwieausErz gegossenvor derFreitreppe.

Bertouche,der«Kammerdiener,reißtdieFlügelthürenauf.DerFreiherrtrittein,

"

dieFlügelthürenschließensich. Poggfred liegt ernstundeinsammitverschlosse-

nenThürenundversperrten Fenstern:Jchwillalleinsein.Lat mitofreeden.

NurwenigeMenschen habendasGlückgehabt,inPoggfredzuGast

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