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Die Zukunft, 21. Mai, Bd. 47.

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Berlin, den 2t. Mai 1904(.

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Politik und Kultur.

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langenach derThronbesteigungFriedrich WilhelmsdesVier-ten erschienderSchlußbandvonGervinus’GeschichtederdeutschenDich- tung. DieVorrede ist Heidelberg,Juli1841, datirt,stammt alsoaus der

schwangborlstenZeitdesliberalenJoeakismns. Es wnk dieZeit,wo die edelstenundkräftigstenKöpfeanderWiedergeburtdesEinheitstaatesarbei- teten undaus demSumpfdesvonromantischerSchwarmgeistereiverklärten, vonPolizeispitzelngeschütztenStändestaatesherausstrebten, währenddiewirth- schaftlichenKräftederNation auseinengenderfeudaler Gebundenheit sichzu befreien trachteten, sichtbarundinraschem Tempo kapitalistischeFormenan- nahmen (Zolloerein; starkeUeberschußbevölkerung)unddiegoldenenTageder BourgeoisiejenseitsdesRheineszurNachahmunglockten. Dawars kein Wunder,daßGervinus,nach langer Wanderung«durchdasLabyrinthdeut- scherDichtungundmitten imDrang nach politischerMündigkeitundper- sönlicherFreiheit,mitten inderGährungwiderstreitenderMeinungen,in der auchderHellsteimDunklen tappte, derUeberdrußpackteamUebermaßpoc- tischerKultur. Thörichtseies,nachdieser ,,Profu·sion«allerKräftefür poetischeKultur im achtzehntenJahrhundert aufeine neue Blüthezettzu hoffen; geschmacklos,mit»derRomantik. demSurrogat lebenerhöhenderKunst, vorliebzunehmen;verkehrt,dieAuflehnungderTugendgegendenQuie- tigknns nndNihiligknns dieser falschen Kunstzubekämpfen;csmuthkgsnd dagegen-zusehen, welchen Klang GesinnungundThatbei denDichternder Gegenwart erhalten habe. »Man habedenMuth,dasFeldeineWeile bkachliegenzulassenundden«Grundunserer öffentlichenVerhältnisse,auf

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mAlles wurzelt,was einVolk hervorbringen soll,neu zubestellenund, wenn esseinmuß, umzuroden;undeineneue Dichtungwirddann möglich werden, dieaucheinemreifen Geist Genüssebietenwird. Wirmüssendem Vaterland großeGeschickewünschen,ja,wirmüssen,so vielanunsist,diese herbeiführen,indemwirdasruhesüchtigeVolk, demdasLebendesBuches undderSchriftdaseinzigegeistigeLeben unddasgeistigeLebendaseinzige werthvolleLebenist, aufdasGebiet derGeschichtehinausführen,ihmThaten undHandlungeningrößeremWerth zeigenunddieAusführungdesWillens zuso heiliger Pflicht machen,alsihmdieAusbildungdesGefühlesund Verstandes geworden is JnsolchenWorten unddenAnschauungen,die sie aussprechen, findenwir dieglänzendsteRechtfertigungderBestrebungen (nichtderLeistungen!)derjungdeutschenSchule gegenüberdenblinden und geschichtwidrigenAngriffenvonLiteraturhistorikermdie denKindernundEnkeln

einer poetisch erschöpfter politischerregtenZeitdieParteinahmefür die

KämpfederGegenwartzumVerbrechen anrechnen;dienicht sehenwollen, daß lebhafte politischeInteressen ursprünglichespoetischesGenie,woes, wie beiHeinrich Heinr, wirklich vorhanden ist,nietötenkönnen, undmanchmal zuvergessenscheinen, daßdieFluchtvor derGegenwart,dasarchaistische SpielmitüberlebtenFormen,dieVerklärungderVergangenheitalssolcher nieundnimmer den naivenpoetischenSinn befriedigenund kaummehrals denSchein fchöpferischerLeistungenerwecken. JmachtzehntenJahrhundert, sagtGervinus,stießderfreiereGeistbeijedem SchrittanTracht,Brauch undSitte an; erhatteeinRecht, sich dagegen aufzulehnen,bisdieGewalt derKonvenienzundderUnnatur desPrivatlebens sogebrochenwar, daßes denMann von GenieundEnergie nicht mehrunterdrücken konnte. Nun war, bei demElend deröffentlichenZuständeundderästhetischenVerweich- lichungderdeutschenIntelligenz,zufürchten,daßgenialeNaturen ihreEnergie indieverstecktenkleinenKanäle dessozialenundPrivatlebensablenlten und denhöherenInteressendes Staatslebens verloren gingen. Daßesdas mangelndeStaatsleben, dieEngederVerhältnisse,dieZwerghastigkeitdes ganzen öffentlichenLebenswar, wasunsereLiteratur darniederhielt,hatteder junge Goethe-schonvor Shakespeares Dichtung empfunden;undinspätem Altervertrat derDichterdieselbeMeinung. Nur wollteerderNation »die Umwälzungennicht wünschen,dieinDeutschland klassischeWerkehervor- bringenkönnten.« Gervinus aberwünschteleidenschaftlichenHerzens diese Veränderungen,selbst auf Kosten erschütternderUmwälzungen,denn»nur wo dieDichtung sich aufdengroßenMarkt des Lebenswagt, dasGefahr- vollsteundHärtestezuihremGegenstandezunehmennicht scheut,mitden öffentlichenZuständenBund machtundmitdem Lebenselberrivalistrt,nur dasondertsichechterWeizenaus derSpreu;undwährendbeiunsdasdürf-

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PolitikundKultur. 28 5 tigeTalent mitdemechtenGenius ineinerleiJoch geht, istunter freieren OrdnungendemLaufefreie Bahn gegeben..

Der»LutherderPolitik«, aufdenGervinus hoffte, ließzwarnoch lange auf sichwarten;abermit demEkelandenunethifchenundunästhetischen öffentlichenZuständen wuchsderEkelansiecherRomantik, kehrte,was gesundundgestaltungfrohwar an deutscherIntelligenz,demEpigonenthum der Literatur denRücken,dasausdenLendenderVäterihreWerkeschuf, trat eineschnellsichsteigerndeBelebungdesWirklichkeitsinnesein, derWirth- vschaft,GesinnungundGesittungdurchdrangundneue WertheundWerke zeugte. Zugleichnimmt derspekulative GeistinDeutschlandreißendab.

DieNachblüthein Literatur undPhilosophieübtnicht mehrdenaltenZauber.

DerernstetheoretischeSinn undgesunderSpekulationtriebwidmen sichden Naturwissenschaftemdieumdiese Zeit,mitderTechnikimBunde, ihren Siegesng antraten. Undin denGeisteswissenschaftengreifteinheißer Sammeleifer fastwie eineEpidemieum sichunddienertdemniestillbaren Hunger nach Thatsachen.VorAllemaberwirddasjunge Geschlecht,das Gewinns aus demBann desSpiritualismus lösenunddemStaatsleben gewinnenwill,zunächstvoneinemwahrenGold- undErwerbsfieber ergriffen, das in denfünfzigerJahrenzu demheutigen kapitalistischorganisirtenDeutsch- landdennGrundlegt. Zudieserungeheuren Leistung hatesum so mehr KraftundMuße,alsdieneue politischeOrdnung,wiesichsehrbaldzeigte, ehervonobenalsvon unten hervorbereitet undSchrittvorSchritt erkämpft wurde. Politisch unmündigundohne Kraft,denGangderöffentlichenAn- gelegenheitenentscheidendzubestimmen, wirft sichdieBourgeoisie aufden Erwerb,dasPrositmachen, gründetBanken dieerste große,nachdem Musterdes Creådit Mobilier, 1853: dieDarm-städterBankfür Handelund Industrie—, über-ziehtdas LandmiteinemNetzspekulativerAktienunter- Uehmungen,von EisenbahnenundTelegraphen,rationalisirtdieLandwirth- schaftundlenkt,durchGründungvon technischen,Fach-undRealschulen, das BildungstrebenderzumGenußlebenerwachenden,vom Verlangen nach LuxusundKomfort befallenenMasseinutilitaristische Bahnen.

TendenzendieserArtmußtenzunächstGervinus’Hoffnungen starkbe- leben. Er hatte für Kunst, Poesieund Religion stetseinwarmes Herz besessen;undwenn auch sein ästhetischesUrtheil oft rationaliftifch beengtwar, sO bekundet dochjedeSeitefeinesnoch heute lesenswerthenWerkes,welchen SchatzedlerEmpfindungen diese hochgestimmteSeele barg.Aberfreilich:

Assthetwarernichtgenug,umeinensichallgemeinausbreitenden, dieWurzeln dernationalen Kraft benagendenKunst- undLiteratur-Dilettantismus etwa als Wohllhatzuempfinden Mit Genugthuungberiefer sich daher auf GoethesbitterenSpottüber»denseichtenDilettantismus derZeit,der in

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Alterthümeleiund Vaterländerei einenfalschen Grund, inFrömmeleiein schwächendesElement sucht, eine Atmosphäre,worin sich vornehmeWeiber, halbkennendeGönnerundunvermögendeVersuchler sogernbegegnen«,und- aus vollemHerzen drangdievon derNothderZeit eingegkbeneMahnung, dieDeutschenmöchtendieenthusiastischeEnergie,dieihremBeginnen eigensei, einmal nachderSeitederPolitik undderpraktischenThätigkeithinlenken.

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ZwanzigJahre später.DierealenMächte haben sichmächtiggerührt.

WährendüberEuropaStürme,Kriege,Revolutionen brausen undindas alteGesichtneue Runzeln graben, errichtet sichderunverdrossen schaffende Kapitalismusüberall Altäre,modelt diealteSitte um, monetarisirt alle Werthungen, auchdiegeistigen. SelbstdieJdeologiederführendenKultur- völkerreicht,wenn man allesie bestimmendenFaktorenberücksichtigt,nicht mehrindieWolken,istderber,sinnlicher geworden.Alsdaher Wilheln vonHumboldts »JdeenzueinemVersuch,dieGrenzenderWirksamkeitdes Staates zubestimmen«1851 ausdemNachlaßzumerstenMalvollständig veröffentlichtwurden,spürtenzwardiefeineren GeistermitEntzückenden belebendenHauchdesGoldenen »ZeitaltersderHumanität«;aber nichtnur diePolitiker, sondern sogareinbeträchtlicherKreisvom Interesse für Politik starkergriffenerJntellektuellenbliebenvon dem JdealbildschönerMenschlich- keitunberührt. DieseauffälligeThatsachewirdvonTreitschke1861 inseinem Aufsatzüber dieFreiheit erwähnt,dervonJohnStuart Mills ,,0nLiberty«

(1859) angeregt istundnatürlich auchdieFrage nachdemVerhältnißvon BildungundPolitikberührt.Esist zugleichdieFrage nachdemVerhältniß von derpersönlichenzurpolitischenFreiheit.DieSätze Treitschkessind noch heute beachtenswerth;derLeserfindetinihnennebendemPathosundder PosedesgroßenPublizisten,nebendemhinreißendenSchwungderpatrioti- schenBegeisterungunddemerwärmendenGefühl für historischeNothwendig- leitenEtwas wieeingeschlossenes,logischesRaisonnement, dessenWendungen

ermitUeberraschungfolgenwird. FürMill lagdasProblem psychologisch wesentlichanders. ErgehörteeinempolitischenVolkean; erwarmitPolitik undVerwandtem,mit politischerOekonomie, von Kindheitanüberfüttert worden; nacheinemreinen uninteressirtenWohlgefallenanderKultur und ihrenGütern,nach Schönheitunddersozusagen religiösenWeiheeinerdie Zeitenweit überstiegendenErkenntnißsehnte sich dieser »Utilitarist«sein Lebenlang.Undringsum sahernur einglühendesJnteresseandenöffent- lichen Angelegenheiten,anStaat undGemeinde,einso starkes, daßesalle

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PolitiknndKultur. 287 anderen, namentlichdieintellektuellenundästhetischen,in den oberenSchichten seinesVolkeszuerstickendrohte.SoschienihmpolitischeZuchtundpoliti- scherSinn,in derArt,wiesie seinVolkdurchdrangen,denWegzurwahren Kultur desGeistesund desGemüthes eherzuversperrenalszuöffnen.

Er, deran denpolitischenKämpfen seiner Zeit so lebhaft theilgenommen unddasbesteStückseiner reichenLebensarbeit unverdrossendemGemein- wesen geweihthatte, sehnte sichinmüderStimmung nachHumboldts kampf- losemHumanitätidealwienachderInselderSeligen.DiepolitischeFreiheit war seinemVolknachlangen, heroischenKämpfen,nachdemStrömeedelsten Bürgerblutesvergossenwaren, nicht auf Kündigungvonobenhergeschenkt- fondern durchdiethatsächlicheGestaltungdesössentlichenLebensfürimmer gesichert;undwar es, weilsievoneinemtiefin denJnstinktenderVolks- seeleverankerten persönlichenFreiheitdrangeungestümgefordertundunver- drossen erstrebtwordenwar. Vonfern gesehen,schiendasrechteBerhältniß zwischenpolitischerundbürgerlicherFreiheitnun fast erreicht,derStaat in dieihm scheinbar dochalleinzukommendeRolleeinesDieneis individueller Bedürfnissezurückgewiesen.Dasheißtdoch wohl:indieRolleeinesseelen- lOer Instrumentes ohne Initiative, ohne sittlichesEigenleben,ohne bewußten Willenund eigenes Verantwortungsgefühl.Jm Blute lebtediesen nicht zUM RedenundVernünfteln, sondernzumHandelnundGestalten geborenen JnsulanernderBegriffdesStaates alsHemmungundSchranke;undnun

hielt ihrVordenker gar denZeitpunkt für gekommen,nachSchutzwehrengegen den Staat zurufen. Erfühlte ihn allmächtigwerden. VomKontinent l)erüber saher das rothe GespenstdesSozialismusundKommunismus drohendnahen, sahdenMachtbereichsich schmälern,in demdasIndividuum frei nachLauneundWillkürschaltenundschaffendürfe,wittertedieZwangs- jackedesuniformirten Beimtenthumes, schaudertevor dem Chinesenthum der inTausenden leiblichund räumlich unterschiedenerEinzelwesen gleich- gkwichtigenöffentlichenMeinungundschloß,überdiesemZerrbild wünschens- werther Kulturentwickelung,dieAugenvor derverkehrten Auffassungvon Staat undGesellschaft,zuderviele seiner Meinungen hinlenkenmußten, Wenn sie, unangemessenundwider seine eigentlicheAbsicht, verallgemeinert wurden. Denn aus dergesammtenRichtungseines Denkens wieausseiner

bewahrten Haltung folgt sonnenklarderSatz« daß, so wenigdasJn- dwidUUMsichseines Gattungcharakterszuentledigenvermag, esauch auf-

thellkönne,politischzusein. Jedes IndividuumpartizipirtamUniversal- WIllM- spgutwiean derGattungvernunft.Darum ist Gewissen, dieses ProduktunseresGattungcharakters,undsoziales GewissendasSelbe;darum IstdasaufdieGemeinschaftundihreVerrichtungen, ihr »Leka«-aus- gedehnteVerantwortungsgefühletwasjedemNormalmenschenNaturgemäßesund

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politischesInteresseeins derwesentlichstenKennzeichenhöherenMenschenthumes, Mills Betrachtungenüber dieRepräsentativverfassungunddienachgelassenen Kapitelüber denSozialismus verweisenihnausderReiheder Denker, die,von HobbesbisSpencer,diebarbarischeVorstellungdesStaates alseinesNothbe- helfesbekennen,daherin demKampfumpolitischeundbürgerlicheFreiheiteine mehr nochmitsittlichenalsintellektuellenKräftenzulösende,stets gegenwärtige Kulturausgabeerkennen:deshalb ruftderEine gegen dasschrankenloseEigen- interessedenStaat alsThierbändigerherbei,reiztderAndere dasIndividuum gegen den Staat (The Manversus thestate)aufundwundertsichdann,wenn diesesfeindlicheUngeheuersichinunsittlicheAufgaben(den südafrikanischenKrieg) verstrickt.Treitschkeließsich,durchdenMangelanBündigkeitinMills Stilver- leitet,auchimUnklaren über dievorübergehendeStimmung,ausdervieleäußer- lich-mechanischklingendeSätzedesTraktates über dieFreiheit geborenwurden,—- Treitschkeließ sichverleiten, zuglauben, sein großer Zeitgenossespinneein- fachdiemechanischenGedankendesHobbesüber einekünstlich,ausnegativem Interesse,ausVerlangen nach ruhigemundbequememLebensgenuß,ja,aus Todesfurchtins Lebengerufene soziale Willensmachtweiter. Aberinder Sache hat Treitschkeschon Recht:wenn wir, älaHobbes,vom isolirten, ganzundgaregoistischen,also jedem Mitmenschenvirtuell seindlichenIndi- viduum ausgehen,denStaat alseinProduktderAngstundTodesfurcht unddieGesetzenur alsSchlingenundStachelzäunezurAbwehrvonDieben, MördernundwildenBestien betrachten, so istderheißeWunschwohl zu.

verstehen, dieserNothinstitution nicht mehr Befugnissebeizulegen,alsunbe- dingt nöthig ist; istzubegreifen,daßkein warmes, lebensvolles,söndernein kühles,erzwungenes,negatives Interesse sichdemStaat zuwendeunddie höchsteLeistungdesPolitikers aufeine ArtUeberwachung-oderPolizeidienst hinausliefe,Kultur alsooderBildungstrebenmitPolitik nichtszuschaffen habe. Jcherinnere imVorbeigehen,daß die Alten,nichtalleindie»staats- klugen«Römer, sondern auchdie»kulturschöpferisch«veranlagten Griechen, solcheAnschauungmitVerachtungzurückgewiesenhätten:weilEthikundPolitik ihnen Einswar. Auch hättensiedasAufheben nicht begriffen,dasAesthe- tikerjüngstwiedermitdemtautologischen»Kulturpo»litiker«gemacht haben unddasnur zuverstehenistausderkapitalistischenEntartungdesLiberalis- mus,dienochimmerweiteKreisegefangenhältundden KerndesStaates in denFinanzen,inseiner privatrechtlichenPersönlichkeitalsFiskus sieht.

Wennman einekrastsparendeMaschine geringsterQualität alsKulturwerk anstaunt,jedes dümmstePatent,daseinemgeschickten,abersonstinjedem Betracht subalternen Gehirn entsprossen ist,von Staates undGesellschaft wegenaufdieMöglichkeitseiner Kulturmission sorgsam prüft, so sollteman

doch nicht zweifeln, daßdasungeheureRäderwerk staatlicherund gemeind-

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licher Verwaltungen,von ihren posttiveren,in dasEigenlebenjedes Einzel- wesensmächtigeingreifendenAufgaben nicht erstzu reden(Hygiene,Schulk- AHUUstpflegyWehrverfassung,Versicherung-undBauwesen-,Forstkultur),ein Kulturwerk höchstenRanges darstellt,andessen Blütheundnachbessernder Pflegemehroderminder auchdasGedeihenjedesStaatsbürgershängt.Der Versuchwürdezu weitführen,nachzuweisen,wiedieseorganischeAuffassung vom Staate durch Zeitumstände,beimAuskommendesKapitalismus,ver- dunkeltwerdenkonnte;diesobestechendvorgetragenehumboldtischeAnsicht, daß Humanitätnur jenseitsvom Politischengedeihenkönne,jedenfallszu dieseminkeinerimmanenten Beziehung stehe, istaberzweifellosgleichsehr auferzwungenepolitischeResignationwieaufdieverführerischenEinflüsse einesvondenLebensfluthennichtebenstark berührtenphilosophischenIdea- lismus zurückzuführenAuchKant istvondemVorwurfnicht freizusprechetl-

an dersittlichenNatur von RechtundStaat achtlos vorübergegangenzu seinunddadurchindirektdiePolitikindieschmutzigeNiederungdesmensch- lichenEigennutzesverstoßenundalsGeschäftminderer Geistergebrandmarkt zuhaben. Ergeht,wieHobbesundRousseau,vonderWillkür desEin- zelnenaus,die mitder desNächsteneinenAusgleich sucht:denInbegriff derAusgleichsbedingungennennt erRecht.ErfaßtdieEinzelnen atomistisch, alsKräfte,dieaus sich sind,insichbestehenund, im Streben nachabsoluter GeltungvonEwigkeit hergegen einander gerichtet,sichzubeschränkensuchen;

nichtorganisch,als Kräfte,derenFunktionundDaseinszweckdurch ihrnatür- lichesBeisammenseinvonEwigkeit herbestimmtsind.Nicht erstvon außen her brauchtInteresse fürStaat undGesellschaft,also politischerSinn, künst- lichdemEinzelwillen eingeimpftzu werden,wohlaberkannesdurch falsche Theorienund verdunkelte EinsichtenindenZusammenhangdesEinzelnen mitdemAllgemeinen abgestumpftund verkrüppeltwerden; wohlkannin schwachen,von ästhetischenStimmungenallzu stark beherrschtenZeitendas Verlangen nach politischerFreiheitindasnihilistischeBegehren nachFreiheit vom Staat ausarten, kannderMenschan seiner eignenNatur undseiner eignenBestimmungirrwerden. Dann aberbleibtihmverborgen,daß per- sönlichemitpolitischerFreiheit ewig verknüpftistundwirimErnstdie eine ohnedie anderegarnichtwollenkönnen. Sie stammenaus einerWurzel:

dergesellschaftlichenNatur desMenschen,undimphilosophisch,nichtein- seitig literarischgefaßtenBegriffderHumanitätragt BeiderWipfel himmelan.

Daß Treitschke1861 dieGefahrerkannte, die dieAuseinanderreißung vonpolitischerundpersönlicherFreiheit mitsich«bringt, zeugtvon großem SchatfblichErhatteesja nichtnur mitderHypertrophiedessoleichtsich indieTiefeund insGestaltloseverlierenden deutschen Bildungstrebens, sondern vornehmlichmitderBequemlichkeitdesdeutschenBildungphilisters

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zuthun,der, imBollgesühlpersönlicherWürde, sichleichtmitdenpraktischen FolgenderTheorievombeschränktenUnterthanenverstandabsindet. Jhnaber zuschonen: dazubotenihm so wenigwievorherGervinus diebedrohlichen politischenZeitverhältnisseVeranlassung Jndemwirihre leidenschaftlichen WeckrufeandendeutschenMichel lesen wersonst muß immerfort geweckt werden? —, schweifenunsere Gedanken,über diestarken begrifflichenLücken ihrerMahnungenhinweg,zum göttlichenPlato zurück,von dem Adolf Trendelenburgtreffend sagt: ,,Platobildetenichtdas WesenunddasHeil desMenschenaus einem·Stoff,auseinerGrundgestaltzerbegreiftdenStaat alsdieObjektivirung,alsdieVerwirklichungdesMenschen« Daher habe Platoden«sittlichenGeistvon·RechtundVerfassungzuerst begriffen; begriffen, daß fVerfassungennicht entstehen»ausEichenoderFelsen, sondernaus den Sitten imStaate,die, wieein Uebergewicht,allesAnderenach sichziehen.«

Daher ist auchzuallenZeiten-vonDenkern, derenBegriffs-lebendenwirk- lichenLebensinstinktenparallel verläuft,das politischeJnteresseansich, ohne diestreberhastenZuthatendersichaufdenMarkt drängendenGerngroßen, als eindasIndividuum überseinen beschränktenLebenszweckerweiterndes, adelndes,nichtals ihn herabziehendesbetrachtetworden: ebenweilesden höchstenSchöpfungenmenschlicherZweckthätigkeit,demStaat und derGe- sellschaft,zugewendetist;weilesauf jenem durchkeineJrrlehrenzuerstickenden Gefühl beruht, daß,mit Laband zu reden, die Summe vonSonderexistenzen eineneue Grundeinheit ausmacht, innerhalbdereneskeineVielheit giebt.

Kant,derRousseausoontrat socjal oontrat insoojal taufteihnVoltaire um —— dochso starkeAnregungendankte,hatdengeistvollen Begriffeiner ungeselligenGeselligkeitgeprägtundwill damitsagen: selbstwoinderGe- sellschaftAbstoßungskrästesich geltendmachen, wirkensie in einerdiegesell- schaftlichenZweckeförderndenWeise. Anders ausgedrückt:selbstwenn der Mensch unpolitisch seinwollte, könnteers nicht. Diesen Thatbestandins Bewußtseinaufnehmen, heißt: gebildet sein.

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1903. Welche hohen Ziele inzwischen erreicht, welche tief greifende, dasWitthschaft:und Rechtslebcn völlig umgestaltendeVeränderungenin Deutschlandeingetreten sind,wie stark diesesozialenundpolitischenStruktur- veränderungenauchdasdeutscheGemüthslebenbeeinflußtunddieFassadedes Kulturlebens umgewandelt haben:Das wirddemLeserindenHauptzügen ungefähr gegenwärtigsein. ZumGlückbesitzenwir jetzt Hilfsmittel,die dievergleichendenDaten allgemein leicht zugänglichmachen: ichmeine »Die

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PolitiknndKultur. 291 deutscheVolkswirthschaftimneunzehntenJahrhundert«vomProfessorDr.Werner Sombart. Inder»Zukunft«istvondieserschönen«aufschlußreichen,von’greif- barenEinheitfädendurchzogenenSchrift schongesprochenworden. Manfolgt demGelehrtenwilligundgern. Er kennt dieThatsachenundweißsiezu prä- zisiren.Erdurchtränktdiedummen Thatsachenhaufen,dieerbeherrscht, mitseinem scharf eindringenden.Berstand;stellt sie, ohne jeinPhantastereien undbilligeSchwarmgeistereizuverfallen, nach AehnlichkeitenundKontrasten zufammen; ist sich stetsaber ihresSinnes undihrerBedeutung bewußt;

konstruirtnieimluftleerenRaum nutzlosenweilunkontrolirbarerer Hypo- thesenund verliert keinenAugenblickden OrganismusdesBuches,den Zweck,dersovielMüheundAufwandnöthigmachte,ausdemAuge. Läßt sichvielmehrdesLobesüber einen ökonomischenSchriftsteller sagen, dessen Stoffgebiet nichtnur von einfältigenLeuten,,trocken«gescholtenwirdund der,weiler vonDingen handelt,die demgröbstenund materiellstenlTheil dermenschlichenWillenssphäreangehören,aufeinenHagelvon Protesten nndWidersprüchengefaßtsein muß?EineanErfolgen reicheSchriftsteller- undLehrerthätigkeitliegt hinter ihm, reich, obwohldiewissenschaftlichen BeratherderBehörden diesen außerordentlichenMann einer Ordentlichen Professurder Oekonomik bisher für unwürdigbefundenhaben.Diesteigende öffentlicheAnerkennungseinerArbeiten,besonders desgroßen,zweibändigen

»ModernenKapitalismus«,dermitbohrendemScharfsinndemökonomischen Bildungsgesetzder modernenGesellschaftnachspürtundauchüberihre mehrdeko- rativen(kulturellen)FormenLicht verbreitet, mußihm daströstliche Gefühl geben,indieSeele seinesVolkeszudringen, wohin bekanntlichTitel und WürdenihreStrahlen nichtzusendenpflegen.Nurnoch einzelneverärgerte Berufsgenossenverhalten sich ablehnendgegendieGabendesGelehrten,der, ohne feuilletonistischemLorbernachzujagen, feine SprachemiteigenenReizen zuschmückenweiß unddurchsinnreicheBilder undGleichnisse,durch geist- reicheBosheitenundironischeAusfälledenVortragzu belebenversteht.Gern nun denkenwiruns so begabteundgerüsteteMännerimBordergrundeder öffentlichenMeinung, aufklärend,diedicken NebelvonderStirn despoli- tischenKannegießersverscheuchend,ausderFülleihrerKenntnisse, brühwarmer LebenserfahrungundmühevollgereiftenpolitischenAnschauungenBelehrungen austheilend,auchohnedaß-sie.ihnenvon BerlegernoderRedakteuren abge- rungen werden. Wirstellenuns vor, daß sovielWissenumsozialeund politische DingezurThat drängenund denTriebzurGestaltungbiszur Leidenschaftanfachen, daß politischerDilettantismus aufMinister- und Redaktionsesselnihn,beiseiner Regsamkeitund durchalles Schreibwerk fchimmerdenSinnlichkeit,mitEkelerfüllenundin diepolitischeArenatreiben muß,um zuversuchen,dieTagesfragenan großenJdeen zu orientiren.

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292 DieZukunft.

Philosophie als-ErkenntnißüberflußundLuxus lassenwiruns fast sogut gefallenwieMusikund bildendeKünste,’aberWirthschastgeschichteundWirth- schafttheorie,dieAnalysedergegenwärtigenWirthschaftstruktur,dieDiskussion wirthschaftpolitischerStandpunkte,die das VolkinParteienzerklüftetund dieGesetzgebunginAthem hält,dieDeutungderUnmengestatistischerDaten, mitdenendieMechanikerderSozialwissenschaftuns überhäusen,existiren dochnichtetwa auch»umihrer selbstwillen«,sondernsind da,um dem Leben zu dienen,um,mitGoethezureden, zurThatverwendet zuwerden.

,,Uebrigensistmir Allesverhaßt,wasmichblosbelehrt, ohnemeineThätig- keit zuvermehrenoderunmittelbar zubeleben«,rief unmuthigderDichter, demkleinlichenNörgler vorwerfen,dasLebenin sicherer Entfernungvon seinenNiederungenvertändeltzuhaben,unddem»vergönntwar, esvonder Kroneherzu erklären.Darfaber Der,dessenAufgabeesist, seine Wurzeln zudurchforschenunddasBewußtseinüber dieaugenblicklicheRichtungder stärkstenLebenstriebezuerhellen,vonPolitik,alsangewandterSozialwissen- schast, sich fern halten,dieBerührungmitihr sorgsammeiden, alsob sie dieGefahreinerVerseuchungvonLeib undSeele mitsich brächte,unddie Gebildetenausfordern, mehrimSchönenzu leben, alsinPolitikzu,,machen«? Der Leser ahnt,daß Sombart diesesWortspricht. JnderSchluß- betrachtung erhebterbeweglicheKlage,daß die materiellen Interessenalles politischeLebenaufgesogen,dieJdealeaus ihm verscheucht,diedurchdas BleigewichtgleichgerichteterökonomischerBestrebungenverkittetesozialeKlasse

an dieStelle derfrüherenidealenGemeinschastengeschobenhätten,daß die relativ idealste Partei(die sozialdemokratische)nur nochdenSchein höheren Lebenshabe, ohnedemschärferBlickendenihreinnere Hohlheitverbergen, ohnemit dem vomvormärzlichenLiberalismus entlehnten Freiheit-undGleich- heitevangeliumdieSeele einesmodernen MenscheninSchwung versetzen zu können. Undauch dieschöpferischepolitischeGluth sei verraucht,dieeinst dieEinheitkämpseerfüllte; statt Dessenbeivielennational Gesinntenund StaatErhaltendendiepatriotischePhrase,dasmechanischeNachplappernlängst entseelter SchlagwörterzbeinochAnderen, die dasentgeistetepolitischeTreiben mitmachen,einprinzipienloser,öderOpportunismus. »Wieanders,alsdie Stein, Hardenberg, Schönund Thaer Gesetze machten,alsMänner wie Nebenius,Humboldt,ListdenTonangaben,Männer von seinster Geistes- kultur,diegeistigeAuslesederNation, derenGeschickeinderPaulskitche leiteten, alsTreitschkeundLassalleampolitischenHorizonte wetterleuchteten, als,nochvor wenigen Jahrzehnten,Männer wieBennigsen,Laster, Bam- berger, Windhorst, ReichensbergermitBismarck dieKlingen kreuzten... EineFolge dieser Verödungunserer Politik,diealso,wieman esauchaus- drücken kann, in eineKlassenguerillaausartet, istes,daß sichdieGebildeten

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