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Die Verfassung : Wochenblatt für das Volk, Sonnabend, 16. September, Nr 37, 1865

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M BI. Sonnabend, 16. September. »1865.

Die Verfassung.

Wechenblatt stät das Wolke

Erscheint jeden vierteljährlich

beiallen

Pkcußs Hvstsustalten IV- ngrJ

beiden

außerpreubldrk

73X4Sgkis

inBerlin bei

allen ZeimngssSpediteuren

incl.

Botenlohii

6

Sgr.,

e»

.

ei-"-Z;esse-Laien

in der

Expedltion, Mohrenstraß

34, LydsSgL

Jnserate

die

Zeile

8

Sgr.

Die Bedrohnn der freien che in der Bd ksvertretung.

Wir haben unsern Lesern schonmitgetheilt, daß

ein

Mann, gleich ausgezeichnet als Volksvertreter

wie

als Richter, daß der Abgeordnete Twesten auf Antrag»des

Staatsanwalts durch einen Untersuchungsrichter uber eine Rede

vernommen

ist, die

er

im Abgeordnetenhause uber die Mängel und Schäden unseres Gerichtswesens

ehalten hat. Wir hegen die Erwartung, daß auf Grund

des Artikels 84 der Verfassungjeder preußische Gerichts-

hof andesvertretung es für unerlaubt erichtlich erklären wegen wird, Aeußerungen ein Mitglied

uver-

der

folgen, die derselge in einem der beiden Häuser des Landtages gethan hat. Nach Artikel 8·4 darf namlich ein Mitglied des Herrenhauses sur Meinungen, die

er

in diesemHause ausgesprochenhat,

nur

innerhalb des- selben, und eben so darf ein Abgeordneter sur seine

im

Ab eordnetenhause

aus

esprochenenMeinungen

nur inner-

höilb ie dieses Hauses selbst zur Rechenschaft gezogen werden Verfassung verbietet also ganz ausdi·uck·l»ich,· die Mit- glieder der beiden Häuser des Landtages ,»,fur ihre darin ausgesprochenen Meinungen« zur gerichtlichen oder auch zur Disziplinar-Untersuchung zu ziehen.

,

Dessenungeachtet haben Feinde der Verfassung den klaren Wortsinn des Artikels 84 hinweg zu leugnen

ver-

sucht Sie haben nämlich die unerhörteBehauptung aufgestellt, daß Aeußeriingen, für welche Jemand nach diesem oder jenem Satze des Strafgesetzbuches zur »ge- richtlichen Untersuchung gezogen werden könnte, keine

»ausgefproitsenen Meinungen«sind. Wir haben schon in unserem Blatte

vom

10. Juni den vollkommenen Wider- sinn einer solchenBehauptung nachgewiesen. Wir wollen aber unseredamaligen Worte nicht wiederholen; denn sür denkende Männer waren sie schon das erste Mal nicht nöt ia, und diejenigen, die dem gesundenMenschen-

Vetüande einmal in’s Gesicht schlagen wollen, bekehrt

Matt

nicht, auch

wenn man

mit Engelszungen zu ihnen

spregen agegen könnte müssen

wir·

mit

»einem«

kurzen Worte darauf hinweisen,daß es gegen alle gefunden Begriffe

von

R·kcht Und Staat verstoßen würde,

wenn

irgend eine Verfassung in der Welt den Gerichten des Landes

er-

lauben wollte, einen Vertreter des Volkes wegen Muße- kungen zu verurtheilen, die

er

in seinem Amte als Volks- vertreter gethan» hat. Wir beruseii uns dabei nicht auf die Ansichten eines Fortschrittsmannes, sondern auf die Meinung eines Mannes, der durch »Allerhöchstes Ver- trauen« zum Mitgliede des Herrenhauses ernannt ist nämlich des Wirklichen Geheimen Legationsrathesund Unter-Staatssekretairs z. D. Herrn

von

Gruner. Der- selbe sprach in der Sitzung des Herrenhauses

vom

14.

Juni d. J. im Wesentlichen so: »DerHauptgrund gegen die Zulassung eines strasgerichtlichen Verfahrens wegen Aeußeruiigeninnerhalb der Landesvertretung liegt in der Stellung, die die Verfassung den beiden Häufern des

Landtages gegeben hat. Nach der Verfassungnämlich steht Jedes der beiden Häuser in der Mitwirkung bei der

Gesetzgebung beinahe der Krone gleich. Dieser Stel- lung wurde es nicht entsprechen,

wenn

der einzelne Richter uber den· einzelnen Abgeordneten und die richterliche Gewalt über die beiden Häuser des Landestages gestellt wurde.« Natürlichsprach Herr

von

Gruner

nur

im Sinne

von

sehr wenigen seiner Kollegen; aber daß

er

Rechthat, kann« niemand bestreiten, der Sinn und Ver- standniß sur ·dieStellung und die Würde der Volks- vertretung besitzt.

»

Wer sich dennoch darüber wundern sollte, daß ÜI einem Rechtsstaate irgend Jemand überhaupt oder auch

nur in

gewissen Fällen der richterlichen Gewalt nicht elsenso uiiterworsen sein sollte, wie die übrigenStaats- angehöisigen, dem antworten wir Folgendes-

»Jn jedem Staate muß

es

eine höchste Gewalt geben, und die höchste Gewalt kann natürlich keine noch höhere über sich haben.

.

Darum ist es der festste ende Grundsatz aller monarchischen Staaten, daß der König keinen Richter über sich hat, obgleich Jedermann weiß daß die Fürsten, ebenso wie andere Sterbliche, irren, sündigen und die

Gesetze übertreten können. Auch in

der versassungsma igen Monarchie ist

nur

die

Vorsorgegetroffen,daß (bei uns Art. 44 der Verfassun

die Regierungs-alte des Königs

nur

dann Gültigkeit

(2)

haben,

wenn

ein Minister durch seine Gegenzeichnung die Verantwortlichkeit für dieselben übernimmt. Ferner ist in der verfassungsmäßigen Monarchie die höchste Ge- walt in der Gesetzgebung in der Besteuerung in der Verausgabung der öffentlichen Gelder nnd in noch

an-

deren Punkten nicht dem König allein, sondern dem König in Gemeinschaft mit den Vertretern des

ges

ainniten

Volkes übertragen. Die Mitglieder der

Volksvcrtretiing sind für die Beschlüsse derselben daher ebensowenigverantwortlich, wie der König für seine Re- gierungshandlungen, und natürlich sind sie es ebensowenig für diejenigen Worte, welchesie bei ihren Verhandlungen gesprochenhaben. Freilich hat die Unverantwortlichkeit der höchsten Staatsgewalten unter Umständenihre gro- ßen Unbeqiieinlichkeiten, nnd sicherlich hat sie

es

für solche Leute-, die sich zu Herren über Verfassung nnd Volls- vertretung oder auch zu Herren über die Krone machen möchten. Aber ebenso begreift jeder verständige "Mann, daß diese Unbequemlichkeiten ein wahres Kinderspiel gegen den unfäglichen Schaden sind, den die Verantwortlichkeit der höchsten Staatsgewalten für das ganze Volk haben würde. WelcheTollheit

es

wäre, in einem

monar

ischen Staate die Krone unter die richterliche Gewalt zu tellen, begreift jedes Kind, und ebenso könnte fast schon ein Kind

es

begreifen, daß

man

die Volksvertretung nicht unter die richterliche Gewalt stellen kann, ohne die Ge- richtshöfe entweder zn Herren über

daå ganze Land oder

zu gehorsainen Dienern der jedesmal

o

enauf schwimmen-- den Partei zu machen.

Wir haben

am 10.

Juni d. J. unsere Verfassung mit einem Schiffe verglichen, das gewisse Leute

nur

gar zu gern in den Grund bohrenmöchten. Wir sagten, eine der festesten Planken dieses Schiffes, dicht neben dem Kiele, wäre der Artikel 84, der mit den bündigsten Wor- tes-i unserer Volksvertretung die freie Rede gewähr- leistet. Wer diese Planke zerstört, der wird das Schiff dieser Verfassung zum Sinken bringen. Aber wir hoffen, daß sich niemand finden wird,

um

mit der Axt der Gewalt den verhängnißvollen Hieb zu thun. Denn wir wollen lieber in diesem, leider nicht überall wohl- gefugten Schiffe bleiben, als die schwerenMühen und Gefahren eines andern,

wenn

freilich dann auch festeren Schiffbaues auf unsere und unsererNachkommenSchul-

tern laden.

«

Politische Wochen-schau- Ptcuszcn. Der

15.

September ist

nun

herangekrückh

an

welchem Tage bekanntlich das

neue

Provisorium in

den

Gib-- Herzogthiimern

laut der

UtPeTCiUkUUft

VVU

Gastein

in

Kraft tritt. Ja Schleswig-Holstein sah,

man

dem Tage mit Ban- gen

und

Trauer entgegen, wird Ia

von

jetzt ab das Land wieder getheilt, nachdem die Zusammengehörigkeit

eben

erst wieder errungen

war

Da die Stände

von

den jetzigen Machthabrsrn nicht

uin

ihre Ansicht über die gegenwär- tige nnd zukünftigeGestaltung des Landes befragt worden,

traten

die Mitglieder der holsteinischenStändeversainmlung (nur die Vertreter der »Ritterschaft« hatten sich nigt einge-

funden)

in

Kiel zusammen- UnidewWünschen und efühlen

der

BevölkerungAusdruck· zu geben; ihnen schlossensich die Vertreter der. schleswig

-

holsteimschen Vereine

an.

Zu be-

dauern bleibt dabei nur, daß die Ständemitglieder rnit ihrem Protest anstatt

an

die Großmächte,sich

an

den Bundestag gewandt haben, dessenOhnmacht-nun doch auch dem Blin- desteii klar seinmüßte; gut wäre

es

auchgewesen,

wenn

die Hek-

ren

sich über die Zugeständnisse, die sie

dem

preußischen Staate zu machen bereit sind,

etwas

klarer

nnd

eingehender ausge- sprochenhätten.

Vom

15.

September ab wird

nun der

Generallieutenant

von

Manteuffel

in

Schlesivig als preußi- scheriGonverneur und der Feldinarfchall-Lieutenant

von

Gablenz

in

Holstein als österreichischer Statthalter residi-

ren.

Die Verschiedenheit in der Titulatur mag unbeden-

tend

sein; sie läßt aber doch schon im Voraus

dieunaus-

bleiblichen ferneren Konflikte zwischen den beiden Mitbesitzem ahnen. Zunächst muß hervorgehoben werden, daß in

der

Besetzung der oberen Beamtenstellen sofort ein großer Un- terschiedzwischen den beiden Verbiindeten hervortritt Preu- ßen entfernt die jetzt sungirendenBeamten, weil sie iin Ver- dacht augustenburgischerGesinnung stehet-,

und

ersetztsie durch solche, welche früher der dänischen Regierung

als

getreue Werkzeuge gedient. Daß

die

Mißstimmnng

in der

Bevöl- kerung hierüber groß ist, kann

man

sichdenken; nicht

amwe-

nigsten werden solche Maßregeln

von

denen getadelt,

die ganz

auf preußischer Seite stehen; sie sagen: daß die ehemaligen Dänenfreunde mit einem Male sich als Preußen- freunde geberden, ist nicht zu verwundern, sie werdens-ach im gegebenen Momente wieder die däniscbe Seite herauskeh-

ren.

Für den preußischen Gouvernenr sollte

es

ein deutliches Zeichensein, daßplötzlich die dänischgesinntenNordschleswiger

das

Haupt emporheben; sie haben eine deinoustrative Massen- ,,Vergnügungsreise« nachKopenhagengemacht, dort wacker mit

den

Hauptstädtern gezecht

nnd

sich in

dem

Gedanken berauscht- daß Nordschleswi doch

wieder mitDänemark verbunden wer- denwird. Die

Hülfe

der

Westmächte, trotzdem sich diesesetzt sehr ruhig verhalten, scheint den Dänen gewiß;sie wissen, daß der Kaiser Napoleon stets

nnd

stets eine »nationale«

Lösungbefürwortet und sie finden ja gar Bundesgenossen

in

deutschen Zeitungen. Zu

der

preußischenRegierung aber haben wir

das

Zutrauen, daß sie (was auch in letzter Zeit

von

früherenVerhandlungen

des

Herrn

v.Bismarck mit

einem dänischenAgenien geredet worden ist) nie und nimmer in eine Preisgabe Nordschleswigswilligen werde.

Von dem österreichischen Statthalter vernimmt

man,

daß-

er

die bis- herigen Beamten

in

ihren Stellen belassen und in

einer

Pro- klamation das Provisorische des gegenwärtigen Zustandes

be--

sonders betonen werde.-

Leider dauert auch der provisorischeZustand des vonoden Preußen

gefangen gehaltenen Redakteurs May noch fort.

Daß derse be

vor

das Kreisgericht in Perleberg gestellt werden soll, ist bekannt;

am10.

Septembar

war

er«aber noch immer aus der Hauptwache in Rendsburg

Flehen Wochen»ist May

nun

also schon in Haft, ohne verhort oder

vor

seine

»ordentlichen Richter« gestellt worden zu sein; dlefe bewqu werthen Thatsachen werden

von den

FchCU Pkellszens

im

Auslande sehr stark ausgebeutet.

» ·

Aehnlichverhält

es

sich mit

demm

voriger Nummer

er-

wähntenVorfall, der sich

am

August

in

Bonn ereignet hat. Wenn die iniändischePresse den Fall benutzt,

Um Von

Neuem dahin zu wirken, daß

den

Soldaten das Waffentragen außer Dienst untersagt, oder mindestens nicht anbefvhlen Werde- so ist das be reiflich· Die ausländische Pktsjse(und leider stimmen auch suddeutsche Zeitungen

inden

Larm ein) reden sich

von

Tag zu Tag in größereHitze UND thun so, als ob Preußen ein

von

Hottentotten bewohnteö Landwäre.

Sie fabeln

von

»Mord«,swährend doch nur

eine

schwere-

Nachts im Streit und insder Angeiriinkenheit verübte Körper-

(3)

s

verle

Un - n

Tod

k

Folge hatte, vorliegt-» Daß

man

den tzjunsendlsxetheelthäter 31iiicht

in

strenger Untersuchiingshaft ,ält, finden

wirin

der rdnung, da

erder

Flucht nicht

im

mindeste-nverdächtigist; ihn deshalb zu verhaften, weil die englis

en

Blätter

es

verlangen, wäre doch gar

zu

seltsam.

Diese Blätter sollten sich

nur

erinnern,

was

sie sagten,

als die

gesammtedeutschePresse eine Vertagung der Hinrichtung Franz Müller befürwortete,

um

den zweifelhaftenRechtsfall nochmals zn untersuchen;sie erwiderten uns, Müller sei nach euglischeiiiRecht abgeurtheilt

und

dabei müsse

es

sein Be- wendenhaben. Nun, wir rufen ihnen jetzt zu-

den

MERMI- spruch der preußischen Richter abzuwarten.

—-

Unsere Regie- rung kann

ausdem

vorliegenden Thema lernen, daß die liberale Presse keineswegs datan VeksEssM Ist- Iht Opposition

uin

jeden Preis

zu

machen-

Die Besitzergreifung

von

Lauenburg wird

im

Auftrage

des

Königs durch

den

Grafen Arniin-Boytzenburgerfolgen- Die

an

Oesterreich zu zahlendeKausiunime erfolgt

aus den

Privatmitteln

des

Königs.

Die wegen Verbreitung eines Wahlaufrufs

unter

Anklage gestellten siebzehnAbgeordneten der Provinz Preußen sind·

am

11.

September

vom

Kreisgericht in Mohrungen freige- sprochen worden. Die Anklage lautete auf Verleumdung

und

Beleidigung des Staatsministeriums Der Abgeordnete Nechtsanwalt

von

Forckenbeck

aus

Elbing fuhrte

die

Ver- theidi

ung.

Erschienen

waren

die Angeklagten Bender, FEuch- holz, EVonaliesH Geruch,

von

Hennig,

von

Hoverbeck,Moller, Papendieck, Plehn, Schmiedicke.

Der Abgeordnete Kreisrichter Bass enge in Lauban

war

im Diszipliiiarwege zur Strafversetzung ohne Erstattung der Umzugskostenverurtheilt worden. Der Justizminister hat ihm jetzt seinen Aufenthalt in Trzemesznoangewiesen, einein Orte

Dervon3000

wahrscheinlich meist polnischen)Einwohnern.

Abgeordnete

v.

Kirchmann, Vizepräsident

des

Ap- pellationsgerichts in Ratibor,

wurde

vielfach für

den

Verfasser derjeni

en

Artikel

der

,,Breslauer Zeitung« gehalten, welche

die

Ue serschrift:»Aus dem Abgeordnetenhause« trugen. Das Obertribunal hielt (wahrscheinlich auf Veranlassung des Justiz- miiiisters) diese Artikel für geei net, gegen Kirchmann

eine

DisziplinarsUnsersuchung

zu

erhe

en, und

der Redakteur der

»Bresl. Ztg.«

wurdevor

Gericht geladen,

um zu

bekunden,

ob

Kirchmann der Verfasser sei. Der Redakteur, Herr

Dr.

Stein, (bekannt als ehemaligesMitglied der preußischen Nationalversammlung) erklärte, daß Kirchmann nicht

der

Verfassersei.

Jn Berlin sind die zuletzt gewähltensechs unbesoldeten Stadträthe säinmtlichnicht bestätigt worden. Auch

ansan- deren

Orten werden wieder Nichtbestätigungen gemeldet-

SämmtlicheKonfiskationen und Preßpwzesse aufiuzählen, fehlt

uns

der Raum. Wir erwähnen

nur,

daß der Abgeord-

nete

Hoppe, Redakteur der wackeren ,,Magdeburger Pfeile« wegen eines Berichts über das Abgeordnetenfest in KIND

den

er·als persönlicher Theilnehmer geschriebenhatte, öU

20

Thalern verurtheilt worden ist. Jn Berlin haben Nach dem Ende der Gerichtsferien die Preßverhandlungen all,demFrflkqg in jeder Woche begonnen. Eröffnet

wurden

dieselben

mitle

zUZei Anklagen gegen die »Berliner Reform«

end gegen das Witzblati »Heimekding.s Beide Butter

waren Itl

je einem Falle WegeuMajestätsbeleidigung

an

eklagt und wurden freigesprochen; in den

anderen

Fällen ( inisterbelei-

ngUO wurde auf Geldbuße erkannt. Der Redakteur der

»,,

erl. Reorm«, Dr- Guldv Weiß, gegen den die Ma-

lestaksbeleidigungsklage auf Grund einer ufälligeiiZusammen- stellung zweier Nachrichten

m einer

unscheinbaren Notiz

er-

l)oben war, sprach zu seiner Vertheidigung die beherzigenss

werthen Worte: »Ich bestreitenicht, daß ein beherzterSchrift- steller in heutigen Zeitläuften auch die Gefahr einer Majestäts- beleidigung über sich nehmen kann, aber

es

muß ihn dann Aetkieben haben, ein sehr ernstes Wort

an

den König

oder das

Volk damit gesagt

zu

haben,

er

wird sich dieser Gefahr mit Bewußtsein nicht unterziehen bei einer gewöhnlichen, klei-

nen

Zeitungsnachiicht. Die politischen Anklagen in Preußen beginnen ietzt eipe charakteristische Neigung zu der so sehr bis-

quemeii

Kategorie

der

Majestätsbeleidigung

zu

haben.

Tacitus hat darüber ein sehr deutliches, sehr treffendes Wort gesagt;

es

ist Suche»der preußischen Richter, dafür zii orgen, daß

esmit

diesen modernen Studien des Jmperialis-

mus

nicht zu weit gedeihe!«

Jn Glogau

war

der schlesifche Städtetag wieder zahlreich veriammelL Derselbe faßte

unter

Anderem folgende Beschlüsse; Die Handwerks r-Fortsbildungsschulen erklärte er als eine dringende Kommunaljache, die ohne Beanspruchung

von

Staatsmitteln zu fördern lei. Die Städtechroniken

wur- den

als ivirksames Mittel ziir Hebung des Genieinsiniis

em-

pfohlen. In Betresf der Stadteordnung

wurde

der Wunsch ausgesprochen. daß dle Veräußerung der Grundstücke wie Anstellung

derunteren

Beamten lediglich nach den Grund- sätzen

der

Selbstverwaltung zu bestimmen seien. Auch wurde für

die

Stadtverordnetenwahlen das geheime Verfahren als wunichenswerth bezeichnet. Jn Betreff des Festungsrahonregulativs schlii

der

Städtetagmehrere Aenderun-

gen

vor, die durch die Gerechtigkeit geboten seien. Er erklärt ferner-H Es sei dringend wünschenswerth, daß die Städte ihre polizeklichen Angelegenheitenselbstständig verwalteten und der landrathlichen Beaufsichtigungenthoben der würden. Das Prinzip Selbstverwaltung wie

das

Interesse der Kommunen erheische

«

eine gesetzliche Re ulirung nnd Beschränkung des Bestäti- giingerechts der El agistiatsivahlen Seitens des Staates, worüber weitere Anträge dem nächsten Städtetage,welcher

1866 in

Oppelnzusammentrith vorbehalten bleiben.

Jn Trier ist gegenwärtig die Generalversammlung der katholischen Vereine versammelt. Einer

der

gestellten An-v trage geht dahin, die ultiamontane Presse besser zu organi- siren. »Der Ein Herr Kuhn aus Berlin stellte folgendenAntrag:

Schulzwang ist

ein

Eingriff in die geheiligtenRechte derFamilieund der persönlichen Freiheit

und

beschränkt

und

hindert» die freiheitliche und selbstständige Entwicklung

der

Volksbildung Bei dein gegenwärtigen Bestreben, die Schule

von

der Kirche zu trennen

und

dieselbe konfessionslos zu machen, ist die Aufrechterhaltung des Schulzwanges

und

des Staatsschul-»Mono»pols gleichbedeutend mit der Aus- rottung der Kirche

in

Deutschland.«

Derselbe Herr klagt bitterlich uber schwere Verletzung der durch die deutsche Bundesakteund die baierischeVerfassung gewähr- leistetenGleichberechtigung der Konfessionen dadurch, daß d»ie bairische Regierung die beiden katholischen Universi- taten des Landes, München und Würzburg, ihres katholischen Charakters gänzlich beraubt hat, während sie

den

Protestam tischen Charakter derjenigen

zu

Erlangeu,, den Vekbükgken Rechten entsprechend, aufrecht erhält. Flut die schreiende Ver- letzung der Gleichberechtigung

der

Konfesfionen in Oester- reich haben dieseHerren keine Augen, weil sie ihnen zu

Guge kommt. Am Konkordat darf bei Leibe nicht gerüttelt

weren.

Der Handelsvertrag zwischen dem deutschen Zollverein und Italien.

Der Zollverein hat in den letzten Jahren eine schwere

Krisis durchgemacht Durch politische Motive gedrängt, hatte

ein Theil der Mitglieder des Vereins den ganzen Bestand

(4)

desselben in Frage gestellt, und

nur

die absolute Unmöglichkeit bei dem ungeheuren Fortschritt, welchen der Verkehr in den letzten dreißigJahren genommen, demselben die Schranken

von

Neuem aufzuerlegen, welche ihn

vor

einem Menschenalter einengten, und die Unmöglichkeit heut zu Ta

e, wo

das Dampf- roß in wenigen Minuten mehrere deutsche fijscitkiklsmszek durch- fliegt, die

alten

Schranken wieder aufzurichten,

und an

jeder Grenze Zoll und Gebühren zu erheben,

nur

diese Unmöglich- keiten haben

es

verhindert, d·aß jene Regierungen in ihrem Eifer soweit gegangen sind, ihren Entschluß, die wirthschaft- lichen Jnteressen des Volkes Ihren politischen

Interessen nach- zusetzem auszuführen. So gaben denn endlich die wider trebenden Regierungen nach. Nachdem drei Jahre hindurch der französische Markt durch solche Haltung jener Kabinette dem deutschen Handel verschlossen war, und demselben dadurch ein unendlicher bedeutender Schaden zugefügt wurde, indem andere Nationen den Löwenantheil des Handels vorweg nahmen, trat der Handels- vertrag zwischen Frankreich und dem Zollverein und der diesem Vertra

e

entsprechende allgemeine Tarif endlich in Kraft. Daß

dies

geschehen, war, wie jeder,

der

die Verhand- lungen aufmerksam verfolgt, erkannt haben wird, weniger die Folge der besserenErkenntniß der betreffendenRegierungen, als vielmehr eine Folge des festen und entschiedenenAuftretens der preußischenRegiirung, welchebestimmt erklärte,

nur

nach Annahme des französischen Handelsvertrages den Zollverein

erneuern

zu wollen. Dieses Mittel mußte helfen,

und

so ge- lang

esdenn

in letzter Stunde noch

das

Werk zu vollenden.

Jst aber die Festigkeit,welche Preußen damals zeigte, weit genug gegangen, und

at

Preußen damals genug erreicht, so daß

es

sich für zwölf Jahre die Hände mit

dem

Gefühl binden konnte,

eswerde

nicht nöthig haben, sie

zu

gebrauchen?

Man glaubte

das

wohl,

indem man

annahm, daß

mitdein

ersten Schritt aiif

der

Bahn zum Freil andelssystem das Vor- wärtsschreiten so nothwendig bedingt ei, daß

an

ein Inne-

Zthen nicht mehr zu denken sei. Man hielt deshalb eine

·iederholung der Vorgänge beim Abschluß des Handels-

vertrags mit Frankreich für unmöglich. Jn dieser Ueberzeu- ung orderung zu sielt

man

dringen,

es

für welche unnöthig

die

rganisation auf die Erfüllung des Zollvereins einer betraf, nnd deren Erfüllung einezwirthschaftliche

und

eine politische Bedeutung hatte. Die Erfüllung dieser Forderung sollte

es

einerseits zur Unmöglichkeit machen, daß einer

oder

mehrere kleine Staaten das Zustandekommen eines nüylichen und nothwendigen Handelsvisrtrags oder

das

Jnslebentreten einer sonstigen Neuerung hinderten, und andererseits hätte sie den deutschen Fürsten

das

erste Beispiel

vonder

Nothwendig- keit gegeben, durch Unterordnung

unter

den Gesammt- willen einen Theil ihrer« Souveraiiietät opfern zu müssen.

Diese fürstliche Souverainetät ist jetzt in

der

ZollvereinssVerwaltung vollständiggewahrt, jede noch so nützliche und nothwendige Maßregelmuß scheitern,

wenn

ein Fürst, und sei

es

denRegent

des

kleinsten Staates, sagt:

»Ich will nicht« Daß dies ein« Uebel ist.

giit sich oft gezeigt,

dennochhat

man

immer noch nicht

an

eine· enderung gedacht, vielleicht, weil diejenigen, welche im entscheidenden Augenblicke das entscheidendeWort zu sprechenhaben, gerade eine Schonung der vollen Souverainetät für nothwendig halten.

Man hat also die Gelegenheit,welche sich bei der Er- neuerung des Zvllvereins im vori

sn

Jahre bot, nicht benutzt,

Um

die inneke VEIsCssUng des ollvereins zu ändern,

und

schon jetzt stehen wir vor-einem Falle, welcher diese Ver- säumniß bitter empfindenlaßt.

»

Preußen ist im Interesse des Zollvereins

mit

dem

«·

reich Italien wegen

des

Abschlusses eines Handelsveikizrtälggs

in

Unterhandlungengetreten. Der gesaminteJndustries und Handel-stand Deutschlands erkennt

den

schnellen Abschluß eiiies«sol«che«n Vertrages als dringend nothwendig

an,

damit der italienische Markt nicht für die deuischeIndustrie

ver-

loren gehe, und dennoch kann dieser Vertrag nicht ab- geschlossen werden, weil einige ZollvereinssRe- gierungen kein Königreich Jtalien kennen-, sondern

nur

ein Königreich Sardinien

,

ein Königreich Neapel, ein Großherzogthuni Toskana

u.

s. f., und

immer

noch annehmen, daß die Fürsten der letzt-

genannten Länder

nur

zufällig abwesend sind. Es ind das legiiimistischeGrillen, über welche

man

lachenkönnte,

wenn

nicht

der

Schaden, welcher unsrer Industrie dadurch

er-

wächst, gar ernsthaft und recht bedeutend wäre.

Das haben auch die Industriellen der verschiedenen deut- schen Staaten schon eingesehen, und sie sind bestrebt, das ihrige zu»thun,

um

den schnellen Abschluß des Handi-lsver- trages

mit

Jsalien

zu

befördern. Es sind die Handelt-kam-

mein und

Gewerbekammern, theils freiwillig, theils

vonden

Regierungen aufgefordert, zusammengetreten,

um es aus-

zusprechen,daß

das

materielle Interesse des Landes den Abschluß dieses Handelsvertrages verlangt, und daß

esan

der Zeit wäre, endlich einmal gründlich mit der Hintenansetzung der materiellen Inter- essen hinter dynastischen Rücksichten zu brechen.

Ob diese Erklärungen die g-.wünschte Wirkung haben werden, das müssen wir abwarten. Man darf aber nicht vergessen, daß,

wenn

auch alle größeren Staat-n, ja selbst auch die Mehr ahl

derkleineren

Staaten, welche jetzt, sei

esaus

legi- timistischer Neiguna,"

seiesaus Liebe zu

Oisterreich

oderaus

Gegnerschaft gegen Preußen, den Abschluß des Handelsvers trages niit Jtilien durch Verweigerung der Anerkennung des KönigreichsJtalien verzögern,diesem

von dem

Volke

aus-

geübten Drucke nachgeben

und

sich zur Anerkennung des Königreichs Italien

bereit

erklären, dennoch

der

Vertrag nicht abgeschlossen

werden

kann ohne Zustimmung

aller

Fürsten.

Es

kann

ein einziger kl--iner Staat, und

wenn

derselbe auch gar kein nennenswerthes

Interesse

an

dem Vertrage selbst und seinen Folg-n hätte, durch ein souveränes »Nein«

den

Abschluß

des

Vertrages für die nächstenzwölfJahre unmög- lich machen.

Diese hier bei Gelegenheit des Vertrages mit Jtalien hervortretenden Zuständekönnen, das wird Niemand leugnen, auf die Dauir

der

Entwicklung des Zollvereins nicht heilsam sein« Es scheintdaher Pflicht der Presse und der betreffen- den industrielln Kö·verschast

n

zu sein, immer wieder und wieder auf

eine

möglichstbaldige Assndisrung

der

inn

ren

Ver- fassung des Zollvereins, welche solche Vorkommnisse gestattet- hinzuwirken. Möge

man

sich

von

der Thätikikeit

IU

Mist Richtung nicht durch

den

G-dank--n abhalten lassen, daß fur die nächstenzwölf Jahre doch nichts i»ndiesik Beziehung zU thun wäre. Möge

man

im GegeUkHEEl

Von

dem Gedan·

ken tragen lassen, daß eine WitFlsUUkelt

M

dieser Veölthssll zugleich ein Arbeiten für die» Losung der deutschen» FFCAÄ Ist-

dadas

Aufgeben

der

vollen sursilichen Souverainetat in« dieser Beziehung

den

Fürsten selbst die Möglichkeit zel

M

Wikpi

es

auch auf qudekm Gebiete zu thun. Viellel FAMIng

es

in dieser Sache der öffentlichen Meinung

Zu

beweisen, daß sie wirklich die sechste Gev

-

macht ist.

Druck

nnd Verlag

von

Franz Duniker

in

Berlin

—-

Verautwortltcher Redakteur und herausgeben

Dr.

G. Levinsiein

in Bei-Mk

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cFaktoren der Gesetz ebung, auch nur wieder aufgehoben wer- den können durch diefelbe Uebereinstimmung dieser drei Fakto- ren. Diese Meinung vertraten die Abgeordneten Stavenha-

Es ist ein schweres Geschick, daß die besten Kräfte des Landes noch immer lahm gelegt sind durch den un- seligen Zwiespalt mit der Regierung Aber es wäre ein noch viel

genug, um doch nicht gänzlich welJrlos gegen Dänemark ein.« Dies wurde allerdings ein bedeutende Gesammtsumme zu ergeben, und man will sie wohl den Vertretern des