Korresponder siir die ; » deutschmsirmeezeitungm
Herausgegeben im Auftrage des Deutschen Menxendienstes
»Fern-sprechen Berlin Zentrumödi 5 E9597-Drahmnschrifr: Suchentendrenjkserim
Wir können nicht verarmenl Jn den letzten zehn Jahren
vordem Kriege hat Deutschland rund drei- zehnMilliarden Mark für seinseer und seineFlotte ausgegeben. Rechnen wir die Rüstungsausgaben Oesterreich-Ungarns dazu, so erreichen wir fast neunzehn Milliarden. Unsere drei größtenGegner, England, Ruß- land und Frankreich, haben zusammen in derselben Zeit mehr als 37 Milliarden Mark für ihre Landesverteidigung ausgegeben, mit Italien sogar mehr als 42 Milliarden Mark. Unwillkürlich drängtsich der Ver-
leich zwischen Kraftanwendung und Lrsolg auf. Wir verstehen die alte geschäftlicheRechnung
desenglischen Händlergeistes, der mitleidig aus unsere geringe Kapitalanlage herabsah. Aber wir ermessen zugleich, daß sich die Lebenskraft eines Volkes nicht in Zahlen erschöpfen läßt.
Der äußere Besitzstand eines Volkes ist kein Maß für sein Können.
Nicht silberne Kugeln, nicht großmächtigePanzer, nicht politische Herr- schaft über ungezählteMassen entscheiden den Krieg. Jn dem großen Ringen der Völker gibt
esander sront immer wieder Augenblicke, ,wo aller Massenaufwand
antechnischenHilsskräften
anBedeutung versinkt und der einzelneMenschfür den Lnderfolg verantwortlich wird. Deutsch- land hat seine unerhörten Lrsolge nicht durch eine besonders heim- tückische Zähigkeitseiner Rüstungen erzielt. Das deutsche Volk hat sich den Sieg errungen. Schließlich sind auch alle Maschinen, alle Flug- zeuge, alle Geschüye, Wegebauten, Güter und Lebensmittelvorrate
nurtote Dinge. Durch Vergleich ihrer Zahl gewinnt m»an keinen Ueberblick über die Leistung, die sich
ausihnen herausholen laßt. Lrst der Mensch haucht ihnen Leben ein. Der Eifer, die Geschicklichkeit, die Anpassungs- fähigkeit können
sausdem Unscheinbaren eine unerwartete Kuywirkung erzielen. Der einfacheWllde kann unter Umständen mit Pfeil und Bogen einen unbeholfenen Schützenüberwinden, dem die vollkommensteWasse
zur Verfügung steht. Der größteReichtum eines Volkes liegt
inseinen Söhnen und in seinen Töchtern. Wenn ein gewaltiger, sichübersturzen- der technischer Aufstieg
unsdiese alte Weisheit in der Vorkriegszeit manchmal vergessen ließ, heute steht sie wieder klar
voraller Augen.
Darum brauchen wir auch nicht zu fürchten,daß die verzweifelten An- strengungenunserer Feinde, die ihre Schwäche und ihr Unvermögen,
unszu berauben, nicht zugeben wollen, daß ihr erbittertes Anrennen gegen unsere Front und gegen unsere Wirtschaftunseren Volksreichtum vernichten könnte. Ls ist ausgeschlossen,daß wir
verarmen.Nicht weil unser Wohlstand unerschöpflich ist, aber weil
unsniemand hindern kann, daß wir
neuenReichtum schaffen. Auch das gewaltigste Voller- bündnis kann
unsden Wirkungsgradunserer Arbeit nicht nach seinem Belieben aufzwingen, den bestimmen wir selber. Sicher ist, daß die schwerenBlutopfer einen unerseylichen Verlust bedeuten. Ohne Zweifel
werden die Verzinsung und Tilgung der Kriegskosten und die Sorge für die Kriegsbeschädigten schwereAnforderungen
andie Leistungssahigkelt
der deutschenWirtschaft stellen. Wie stark wir aber unsere Arbeits- leistung steigern werden, wieviel wir durch Heranziehung aller Hande
zu wirtschaftlicherTätigkeitausgleichen können, wie weit Erfindungs-
.
deifu erUnR.W7B..
geist und angewandte Wissenschaften die Technik vervollkommnen und die Maschinenkraft vermehren, daß ist unabhängig
vonallenVergleichen zwischen den Völkern. Wir haben durch harte Arbeit und schaffensfrohe Regsamkeit in wenigen Jahrzehnten nach Deutschlands Linigung den- selbenAusstieg durchgemacht, zu dem die Westmächte ein Jahrhundert gebraucht haben. Unsere Arbeit
wareinfach ertragreicher als die
an-derer Völker. Dasselbe Volk, das weit hinter der kapitalistischen Ent- wicklung anderer Großmächte zurückblieb, solange
eszerspllttert war, schickte sich an, den meerbeherrschendenReichtum Lnglands und denwelt- umspannenden Kapitaleinsluß Frankreichs in den Schatten zu stellen.
Diese Wirtschaftskraft läßt sich durch keinen Rückschlaghemmen. Wer in einer stillen Stunde daran denkt,
wasdie Zukunft bringen wird, der soll sichnicht
anZahlengrößenhalten und äußere Vergleiche anstellen, obgleich wir auch hier keine Gegenüberstellung zu scheuenhaben. Wir schneiden selbst darin vielfach besser ab als unsere Feinde, weil die
un-gewöhnliche Festigkeit und die zusammengedrängte Kraft unseres Wirt- schaftsgefüges in ihrer überlegenenLeistungsfähigkeit
vonkeinem
an-deren Volke erreicht wird. Den richtigen Ausblick bekommt erst der, der den großen geschichtlichenZusammenhang wahrt. Unserem wirt- schaftlichenAufstieggalt der Stoß unserer Feinde. Aber aller Schaden, den
erunszufügt, kann
nurunseren äußeren Reichtum treffen.
Die innere Kraft unserer Wirtschaft ist unerschütterlich, solange noch Deutsche einen Hammer schwingen können oder einen Pflug durch die ere treiben. Das hat der Sehergeist unseres ersten großendeutschen Volkswirts, Friedrich List, im Jahre 1842 in seinerHauptschrift niederz gelegt: »Die Kraft, Reichtümer zu schaffen, ist unendlich wichtiger, als der Reichtum selber. Sie verbürgt nicht
nurden Besiy und die Ver- mehrung des Lrworbenen, sondern auch den Lrsay des Verlorenen."
Friy Johannes Vogt-Schlachtensee.
Linige statistische Zahlen über die Kriegsanleihen
l. ll. lll. IV. V. Vl. ists- Stcigeruna des
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an. Dr.Michel-Berlin
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2
Soziale Arbeitsgemeinschaft
—ein einig Volk.
Die Menschen fahren in vier verschiedenenKlassen durch die Welt.
Leute, die viel Geld haben, fahren erster Klasse. Sie sitzendafür be- quem und werden nicht belästigt. Aber sie fahren einsam durchs Leben und kennen nicht recht gemütlichesZusammensein. Auch folgt ihnen der unfreundliche Blick derer, die durch die Wagenfenster zu ihnen hineinsehen. Ich möchtenicht-mit ihnen tauschen.
In der zweiten Klasse fuhren früher einmal
nurAdelige und höhere Beamte. Jetzt aber mischt sich dort ein unklares Durcheinander
vonallerlei Berufen und Ständen. In der zweiten Klasse eines D-Zuges traut
manniemandem über den Weg. Obwohl sich die Reisenden meist langweilen, lassen sie sich gegenseitig nichts davon merken, wie gern sie
vondem Nachbar etwas wissen möchten. Man ist neugierig, aber
mankümmert sichnicht
umden anderen.
Für einen Menschenzweiter Klasse gibt
eskeine größereSchande, als dritter Klasse zu fahren. Der gemütlicheTon, der zuweilen in der dritten Klasse herrscht, gefällt den vornehmen Leuten nicht. Aber die dritte Klasse selbst ist auch nicht für Gleichheit und Brüderlichkeit, son- dern im Gegenteil, die Reisenden, die Gespräche anknüpfen,suchen ein- ander zu übertreffen und zu übertrumpfen. Auch zwischen ihnen ist kein rechtes Vertrauen.
.
Nur in der vierten Klasse darf
mandas sein,
was manwirklich ist.
Man lebt in der vierten Klasse der Welt zwar nicht so weich und so be- quem wie in der zweiten und dritten. Man hat sogar manchmal keinen Raum zum Sitzen,
manführt seine Last mit sich und hat fortwährend seine Mühe. Aber die Nachbarn sind
vonvornherein miteinander be- kannt und helfen sich gegenseitig,
wenn esfür den einen oder anderen zu schwer ist«
Die vierte Klasse hat ein bestimmtes Klassenbewußtsein, durch das sie sich
vonden drei anderen unterscheidet Sie nennt die drei oberen Klassen, in denen
manauf einen bestimmten Sitz Anspruch hat, die besitzenden oder auch wohl die herrschendenKlassen, während
manden eigenen Stand als den entrechteten, den vierten, den Arbeiterstand be- zeichnet.
«Ein seltsames Geschrei erhebt sich,
wennein Insasse der einen Wagen- klasse in die andere hineinschneit. Kommt eine Frau mitihrem Korbe, die in der vierten Klasse nicht mehr Platz gefunden, in die erste, zweite oder dritte hinein, so erhebt sich in der ersten Staunen, in der zweiten Entrüstung, in der drittenein allgemeines Geschrei. Kommt ein Mensch
ausder ersten oder zweiten Klasse in die vierte Wagenklasse, so wird
er
mißtrauischangesehen und,
wenn ersich nicht sehr freundlich stellt, womöglich belästigt. Die Insassen der verschiedenen Klassen verstehen
sich nicht mehr.
»Der Beginn des Krieges hat plötzlich eine Anderung gebracht. In allen Eisenbahnen fuhren Hohe-und Niedrige durcheinander. Sie suchten den Verkehr mit der anderen Volksklasse,sie freuten sich daran, daß Serr- schende und Arbeitende zusammengehörten und für dieselbe Sache kämpften. Auch die Zeitungen, die sonst für jede Klasse besondere Wahrzeichen sind, wurden ausgetauscht: Man verstand sich plötzlich wieder.
Dies gegenseitige Verstehen
warbereits Jahre
vordem Kriege das Ziel seiner kleinen Gruppe
vonAngehörigen der sogenannten oberen Klassen, die in einem Abteil vierter Klasse, nämlich im Osten Berlins, Wohnung genommen hatte,
umendlich dem Zustand der Entfremdung zwischen den verschiedenen Volksschichten ein Ende zu machen. Wir
warenin ein Arbeiterviertel gezogen, weil wir den Eindruck hatten, daß wir
vomvierten Stande viel lernen konnten, daß wir ihm viel Dank schuldeten und daß wir ihm auch manches zu geben hätten. UnsereHoffnung wurde auch durch die Erfahrung bestätigt. Es stellte sich heraus, daß die Angehörigen der zweiten Klasse
vonden meisten Insassen der vier- sten Wagenklasse weder belästigtnoch angefeindet wurden. Sie selbst
waren
vielleicht zuerst etwas verlegen, wurden aber bald immer
ver-trauter und
warenschließlich gute Freunde mit Frauen und Männern ihrer Umgebung.
So entstand die Soziale Arbeitsgemeinschaft Berlin-Ost, Berlin O »- Fruchtstraße 63X64 ist die Geschäftsstelle, die allmählichwuchs und sich auch nach anderen Stadtvierteln und Städten in kleinen Anfängen
ver-pflanzte. Zwar ging
esnurlangsam vorwärts, aber ihre Mitarbeiter hatten das sichere Gefühl, daß sie durch langsames Vordringen all- mählich das ganze Volk erobern müßten. Da kam ihnen der Krieg zu Hilfe: Mit einem Schlage empfand das ganze Volk die Pflicht, einig zu werden. Durch alle zuckte das Gefühl, daß
nurso das deutsche Volk seines Namens wert sei. Wenn wir inzwischen mit-Trauer gesehen haben, daß die alten Sünden der Klassen wieder aufgewacht sind, so haben
»5eer und Heimat" 1917 Nr.
zo Wwir doch durch das große Erlebnis der einmal geschautenEinigkeit ein
"
Bild davon gewonnen, wie schön dieser Zustand sein müßte,
wenn etdauernd unserem Volk geschenktwerden könnte. Und so rufen wir alle- die zur Zusammenarbeit bereit sind, alle im Heer und in der Heimat- dazu auf, sich mit
unszusammenzuschließen, damit wir die bösenFeinde- die jetzt in unserem Volke herumgehen, gemeinsam bekämpfen und end- lich werden
,,ein einig Volk
vonBrüdern".
Lic.Siegmund Schanze-Berlin
Mehrheits- und Verhältniswahl.
Zu den politischen Forderungen, die»gegenwärtig im Mittelpunkt der Erörterung stehen, gehört auch die Anderung der Wahlkreiseinteilung oder die Ersetzung der gegenwärtiggeltenden Mehrheitswahl durch die Verhältniswahl. Worin liegt ihre Bedeutung? Die Wahl der Abgeord- neten erfolgt in Deutschland wie in allen Großstaaten derart, daß das Land in Wahlkreise eingeteilt ist,
vondenen jeder einen oder auch wohl mehrere Abgeordnete in der Weisewählt, daß derjenige gewählt ist, der die absolute oder auch
nurdie relative Mehrheit der abgegebenen Stim-
menerhält. In Deutschlandsollte auf je
1oo oooEinwohner ein Ab- geordneter entfallen. Das Land mußte also in Bezirke
von 1oo oooEinwohnern geteilt werden. Nun müssensich natürlich
auspraktischen Gründen diese Wahlkreise
andie Gestaltung der menschlichen Siede- lungen und
andie politischen Verwaltungsbezirke anlehnen. Ganz gleich können sie daher nie sein. Durch das Wachstum der Städte und Industriebezirke und denBevölkerungsrückgang der ländlichenGegenden ist aber in Deutschland die Ungleichheit eine ganz unverhältnismäßige geworden. Kreisen
vonmehr als einer Million stehensolche
vonkaum mehr als 5o
oooEinwohnern gegenüber,so daß der Wähler der kleinen Kreise den zwanzigfachen Einfluß hat. Eine Neueinteilung ist aber sehr schwierig, sie müßte öfter wiederholt werden und würde mit der Be- stimmung in Widerstreit geraten, daß auch der kleinste Bundesstaat wenigstens einen Abgeordneten wählen soll. Da
mandie Zahl der Ab- geordneten kaum wesentlich wird erhöhen wollen, müßte
manKreise
von150»ooo bis
2oooooEinwohnern bilden. Das würde zu einem starken Ubergewicht der Städte und dahin führen, daß ein räumlich kleiner Teil des Staatsgebietes den allein entscheidenden Einfluß hätte.
Auch das ist nicht unbedenklich Nun hat die Mehrheitswahl aber noch manchen anderen Nachteil. Da überall die Mehrheit den Abgeordneten wählt und die Minderheit
vonjeder Vertretung ausschließt, können über das ganze Staatsgebiet verteilte erhebliche Minderheiten ohne jede Vertretung bleiben. Auch die Einrichtung der Stichwahlen mit ihrem Kuhhandel und ihrem Streit über angeblich oder wirklich gebrochene Zusagen bringt viel Unerfreuliches Alle diese Ubelstände vermeidet die Verhältniswahl. Bei ihr wählt der möglichstgroß gestaltete Wahl- bezirk mehrere Abgeordnete. Jeder Wähler gibt so viele Stimmen ab, wie Abgeordnete zu wählen sind. Dabei kann
erentweder wählen,
wen erwill, oder
erist durch das Wahlgesetz mehr oder weniger streng
andie angemeldeten Parteilisten gebunden. Für die Verteilung der Man- date gibt
eseine ganze Reihe
vonWegen. Es wird z. B. die Zahl der abgegebenen Stimmen durch die Zahl der zu wählenden Abgeordneten geteilt. Das Ergebnis stellt die Stimmenzahl dar, die eine Partei
we-nigstens haben muß,
umeinen Abgeordneten zu erhalten. Jede Partei erhält so viele Abgeordnete wie die Teilung derihr zugefallenen Stimmen- zahl durch die soeben erwähnte Mindestzahl ergibt. Bei großerPartei- zersplitterung macht die Verteilung Schwierigkeiten, die zu Anderungen des Verteilungsverfahrens geführt haben, Je größer die Wahlkreise sind, desto mehr entfallen alle Schwierigkeiten und Willkürlichkeiten der Kreiseinteilung, desto eher haben Minderheiten die Aussicht, ein Mandat zu gewinnen. Am reinsten würde der Gedanke durchgeführt sein,
wenndas ganze Land einen Wahlkreis bildete. Daraus würden sich aber in Großstaaten kaum zu überwindende technische Schwierig-
keiten ergeben, so daß
manbei ihnen wird mehrere Kreise bilden mussen.
In Deutschland ist dabei wieder die Kleinheit vieler Gliedstaaten ein
Hindernis In großenWahlkreisen durchgeführt, sichert die Verhältnis-
wahl stetige Mehrheiten und gibt auch Bestrebungen, die auf kleine
Bevölkerungsteile beschränkt sind, die Möglichkeit, sich im Parlament
Gehör zu verschaffen. Unter Umständen wird freilich die Verhältnis-
wahl den Einfluß der Massen stark fördern. Es ist auch, wie z» B. in
Württemberg, eine Mischung beider Wahlsvsteme
inder Weise möglich,
daß die kleinen Kreise einen Abgeordneten nach Mehrheitswahl, die
großenmehrere Abgeordnete nach Verhältniswahl wählen. Dieser Aus-
weg wird gegenwärtig vorgeschlagem
umdie große Benachteiligung
unserer Riesenwahlkreise zu beseitigen, ohne die schwierigenStreitfragen
der Neueinteilung aller Wahlkreise oder der allgemeinen Einführung
der Verhältniswahl mitten im Kriege zum Austrag bringen zu müssen.
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»Heerund Heimat" 1917 Nr.
20M
Man könnte so auch Erfahrungen über die Wirkungen der Verhältnis- Wabl sammeln, ohne daß die große Gefahr einer unberechenbaren tim- ke
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erteilun be ände.
h g der Politijchm Kraftev g st
Gefängnisdirektor GöbelsBerliIL
Das Deutsche Ausland-Museum
Die Einbußen, die wir durch die Verluste
antätigen Menschen und
anSachgiitern im Kriege erlitten haben, erfordern für die kommenden Friedensjahre die nützlichste und zweckmäßigste Verwertung aller noch vorhandenen Arbeitskräfte im Interesse des Reiches. Im Inlande
Werden alle
amWiederaufbau in wirtschaftlicher und kultureller Hm- sicht
amWerk fein müssen, und auch im Auslande müssenBestrebungen einsetzen,
umden Haß, den ein Teil der feindlichen Presse gegen alles Deutschtum erregt hat, nach Möglichkeit zu entkräften. Zur Durch- führung dieser leyten Aufgabe bedarf
esvornehmlich der Mitarbeit aller Deutschen im Auslande, die, mehr als in den Iahren
vordem Kriege, sich ihrer Zugehörigkeit zum Mutterlande bewußt fein müssen.
Die Auslandsdeutschen hatten ja leider in den verflossenen Friedens- iahren ganz vorherrschend das Bestreben, sich möglichstschnell in ihrem
neuen Wohnsitz einzuleben, sich den dortigen Gewohnheiten anzupassen
—
und darüber haben sie
nurzu häufig die äußerenBeziehungen zu ihrer alten Heimat und ihren dortigen Interessen einschlafen lassen, bis die Kriegsverhältnisse sie zur Selbstbesinnung brachten, die sich im mutigen Bekenntnis zur deutschen Sache und opferwilligerilnterstiitzung der zahlreichen Liebeswerke allüberall äußerte.
Die somit wieder
neuund fester geknüpften Beziehungen zwischen dem Mutterland und den Deutschen im Auslande sollen aber auch in Zu- kunft rege bleiben; zu ihrer Pflege ist im dritten Kriegsjahre mit der Begründung des DeutschenAusland-Museums in Stuttgart ein Werk geschaffen worden, das dem Studium des Auslandsdeutschtums nach jeder Richtung hin dienen soll. Das Museum wird zum ersten Male die Zahl der Auslandsdeutschen, die Erfolge ihrer Tätigkeit, das Ent- gegenkommen und die Verfolgungen, die fie in der Fremde erfahren haben, vollständig zu erfassensuchen und damit ein wertvolles Material für dieKenntnis der Wertung des Deutschtums im Auslande zusammen-
«
tragen. Daneben wird
essich den einzelnen Deutschen im Auslande zur Verfügung-stellen,"
wirdihnen Ratundjilsein wirtschaftlichen und sonstigen Dingen gewähren und wird ihre Erfahrungen allen denen, die künftig noch ins Ausland zu gehen wünschen, zu Nutze machen.
Zur Erfüllung aller dieser Aufgaben soll erstmals das eigentliche Mu- seum in geschichtlicher und geographischer Hinsicht ein Bild des Auslands- deutschtums und seiner geistigen und materiellen Beschaffenheit zu über- mitteln und ständig zu ergänzensuchen. Daneben wird eine groß
an-gelegte Bücherei die Kenntnis der einzelnen Länder und der in Frage kommenden wichtigen Wissensgebiete vermitteln, und Vorträge und-Ver-
äösdentlichungen werden nach Möglichkeitdiese Kenntnis noch zu erganzen
u en.So ist mit dem Stuttgarter Museum mitten im Kriege eine Organi- sation geschaffen worden, die in kommenden Friedenstagen zum Wohle des Reichs und zum Wohle der Deutschen im Auslande die regsten Be- Ziehungenzwischen beiden vermitteln wird: zum Wohle des Reiches, das sich die Erfahrungen seiner Söhne im Auslande nutzbar machen kann, zum Wohle der Auslandsdeutschen, die in verflossenen Zeiten schon genugsam erfahren haben,
was esheißt, als Angehörige einer machtigen Gemeinschaft geachtet zu werden. Sie werden fortab wissen, daß das Geschick jedes einzelnen
vonihnen in der Heimat verfolgt wird, und daß sie jederzeit dort Rat und Unterstützungfinden können. Dann werden sie sich mehr, als in den früherenIahren als Teile eines mäch- tigen Ganzen fühlen und die Macht dieses Ganzen wiederum durch eigene Arbeit zu wahren und zu vermehren suchen.
Dr.
Egon Singer-Berlin.
LandwirtschaftlicheKriegsinvalidenfürsorge in Oberbavern.
Allenthalben im Deutschen Reiche werden die Mannschaften, die durch den Krieg für jeden Militärdienst unbrauchbar geworden sind, noch
vorihrer Genesung in sogenannten Fürsorgelazaretten gesammelt. Dort nimmt die in engster (meist auch räumlicher)Verbindung stehende bürgerliche Invalidenschule sich mit Berufsbildung, Berufsfchulung und Stellenvermittlung so rechtzeitig
umden Mann an, daß mit Beendi- gung der militärärztlichen Behandlung in den meisten Fallen auch die bürgerlicheKriegsinvalidenfürsorge vorläu
-ig abgeschlossenist« Die letztereerfaßt den Mann also noch
vordem bertritt ins Zivilleben und
f
J
versucht im Interesse des Staates wie des Mannes selbstdiesen wieder zu einem nicht
nurarbeitsfreudigen, sondern auch arbeitstüchtigen Bür- ger zu machen. Es liegt auf der Hand, daß die Zentralifierung bei der- artigen Fürsorgelazaretten
—etwa zwei im Bereich eines Armeekorps- bezirkes
—-die Vorteile der größeren Erfahrung und besseren Aus- stattungsmöglichkeit auf ärztlichem wie beruflichem Gebiet bietet. Zur Unterbringung sind wieder größere Städte mitkihren zahlreicheren und größeren Gebäuden, Kranken- und gewerblichenEinrichtungen beson- ders geeignet und auch überall gewählt worden.
Einzig für die kriegsinvaliden Landwirte empfiehlt sich die Ausfüh- rung der Berufsfürsorge fern
vonder Großstadt. Mehr noch als bei den anderen Berufen ist
esin der Landwirtschaftnötig, die Invaliden ihrem Beruf zu erhalten. Der Lazarettaufenthalt in der Großstadt aber befördert bei den meist jungen Leuten die Landfluchtideen durch die ilberzahl der gebotenen Genüsse und den AnscheinleichterenGelderwerbs.
Aber auch die vielgestaltigenBeschäftigungen des landwirtschastlichen Betriebes lassen sich zum Zweck der Schulung, Anpassung und Liber- sichtsgewinnung über die Leistungsfähigkeit des Mannes nicht in so- genannten Versuchsgärten, sondern
nurin wirklichen landwirtschaftlichen Betrieben durchführen
Diese beruflichen Gründe sprechen so sehr für eine Dezentralisierung der landwirtschaftlichenFürsorgeabteilungen und ihre Verlegung in kleinere Landstädte, womöglich in die Räume der Landwirtschaftlichen Schule, daß demgegenüber der ärztliche Wunsch zurücktreten muß.- Ist die Bettenzahl nicht zu klein (1
oo—-zoo), so ist auch eine weitgehenden Be- dürfnissengenügendeLazarettausstattung möglich. Der Arzt wird
amzweckmäßigsten ein Orthopäde sein, da 900X0 der Invaliden orthopädi- fcheFälle darstellen.
Aus diesen Erwägungen heraus wurde im Sommer 1915 ohne Vor- bild
vomk. Sanitätsamt I. B. A. K. und der k. Regierung
vonOber- bavern Kammer des Innern die landwirtschaftlicheFürsorgeabteilung Landsberg
a.L. in den Räumen der dortigen Kreisackerbauschule
er-richtet und durch sanitätsamtlicheVerfügungsowohl wie durch Einzel- ansorderungen durch die k. Regierung dafür gesorgt, daßfast alle ober- bavrischen Landwirte, die voraussichtlich kriegsunbrauchbar werden, noch
vorAbschluß der (Wund-) Behandlung
—selbstBettlägerigkeitist kein Hindernis
— ausden verschiedenen Reservelazaretten dorthin verlegt werden. Es hat sich gezeigt, daß die Leute den ärztlichen und beruflichen Maßnahmen
umsozugänglichersind, je kürzereZeitseitihrer Verwundung verflossen ist. Die Lazarettabteilung ist eine vollständige orthopädische Klinik mit Operations-, Verband- und Gipsraum, Mediko- mechanik, orthopädischerWerkstätte und Schuhmacherei, mit Einrich- tungen zur Wasserbehandlung und felbstbereiteten Kräuterbädern. Die oberbavrische Invalidenschule ll für Landwirte stellt sofort nach der Aufnahme in der Vorberatung fest, ob der Mann in der Landwirtschaft verbleiben kann,
wasfür selbständige Landwirte stets, für Dienstknechte in etwa 920Xozutrifft. Die· Beschäftigung und Ausbildungsmöglichkeit umfaßt neben allen Zweigen der praktischenLandwirtschaft auf den zur Verfügung stehenden zoo Hektar Grundbesitz auch die einschlägigen Handwerke, wie Hausschreinerei, Holzschuhmacherei, Rechenmacherei, Korbflechterei,sowie Unterricht in den Elementarfächern und einzelnen theoretischenFragen des täglichen Lebens. Dazu werden
vonZeit zu Zeit Bienenzucht-, Molkerei- und andere Kurse veranstaltet Eine ge- hobene Fachausbildung durch vier monatliche Kurse
aneiner
anderen staatlichen Winterschule wird jedoch
nurBesiyern oder solchenDiienst- knechten gewährt, die geeignet für einen Verwalter- oder Baume ster- posten erscheinen. Zum Ansporn bei der Arbeit werden eine geringe Entlohnung sowiePrämien gegeben. Soweit irgend möglich wird die Berussanpassung, die unter fachmännischer Leitung und ärztlicher Be- obachtung aufGrund militärischen Dienstbefehls erfolgt, und die Arbeits- vermittlung bis zum Abschluß der ärztlichenBehandlung gleichfalls
er-ledigt.
Dr.Zieglwallner-Augsburg.
Die Kriegsleistungen der Heimarbeiterinnen Schwerer noch als andere Schichten des deutschen Volkes wurden die Heimarbeiterinnen
vomAusbruch des Krieges getroffen. Auf eine lange arbeitslose Zeit
wareben die Hochsaisongefolgt, da wurde mit Kriegsanfang nicht
nurkeine
neueArbeit mehr ausgegeben, sondern vielen Heimarbeiterinnen die unfertigen Sachen
vomArbeitgeber ab- geholt. Das Gesetz zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Kranken- kassen
vom4. August 1914 hob die Krankenversicherung der Hausge- werbetreibenden auf, die Lebensmittel stiegen sprunghaft. Ersparnisse
waren
in den meisten Heimarbeiterhaushalten nicht da, sodaß sie
sichsofort großer Not gegenübersahen. Daher beschloß der Hauptvor-
4 »Heer und Heimat" 1917 Nr.
2o F-g
stand des Gewerkvereins der Heimarbeiterinnen Deutschlands in seiner ersten Kriegssitzung
amö. August 1914, neben seiner sonstigen Tätig- keit
vorallem die Beschaffung
vonArbeit und billigeren Lebensmitteln durch gemeinsamen Einkauf zu übernehmen und außerdem überall Vor- stöße zu machen,
umdie hausgewerbliche Krankenversicherung durch Ortsstatut wieder Hinzuführen Verhandlungen mit Gemeinden, Kran-.
kenkassen,Versicherungs- und Oberversicherungsämtern führten größ- tenteils zum Ziel. In Groß-Berlin trat z. B. dank der warmherzigen Unterstützung des Oberversicherungsamtes schon im Februar 1915 das
neueOrtsstatut inKraft, das die Wünsche aller Beteiligten soweit berück- sichtigt, daß
eshoffentlich die Grundlage einer
neuenreichsgefetzlichen Regelung der hausgewerblichen Krankenversicherung nach dem Kriege wird.
—-Auch der gemeinsame Einkauf ha«t sich gut bewährt; viel Zeit- viel Geld ist mancher Heimarbeiterin durch ihn erspart worden. Mit der steigenden Rationierung der Lebensmittel ging die Möglichkeit des gemeinsamen Einkaufs natürlich immer mehr zurück, und die Tätigkeit des Gewerkvereins beschränkte sichmehr darauf, den zuständigen Stellen durch Eingaben und Vorfchläge die Wünsche der erwerbstätigen Haus- frau zu übermitteln und bei den Preisprüfungsstellenmitzuarbeiten.
—Ueberraschend gut hat sich die Hauptaufgabe lösen lassen: Es wurde Arbeit geschafft,
vorallen Dingen
vondem großenArbeitgeber, der Militärbehörde. In 35 seiner Ortsgruppen richtete der Gewerkverein eigene Kriegsnähstuben ein,
umzugleich als Arbeitgeber und Arbeit- nehmer Erfahrungen zu sammeln. Galt
esdoch nicht nur, die Heim- arbeiterinnen
vorder gewissenlosenAusbeutung durch Unternehmer und Zwischenmeister zu schützen, sondern auch
vorder wohlwollenden Verständnislofigkeit weiter Kreise, die helfen wollten, ohne die not- wendigen Vorkenntnisse dazu zu haben. Rund
1ooooHeimarbeite- rinnen wurden
vomGewerkverein beschäftigt und die dabei gemachten Erfahrungen bei Beratungen mit den Behörden über Verträge, Löhne usw. verwandt.
«Was ein ferner Zukunftstraum schien,ist Tatsache ge- worden: Tarife (bis ins Kleinste ausgearbeitete Teilstücklöhne) wurden festgesetzt und ihre Innehaltung durch die Generalkommandos gesetzlich fichergestellt. Wird der Weg, den die Heeresverwaltung im Kriege ein-
eschlagen hat, für das Gefamtgebiet der Hausarbeit weiter gegangen,
so ist die Sorge
umdie Zukunft der Heimarbeit wesentlich erleichtert,
umso mehr,
wenn esauch nach dem Muster des Kriegsministeriums
«
durch besondere Schutzmaßnahmen gelingt, den nach Friedensschluß drohenden Zustrom zur Heimarbeit einzudämmen.
—Die Heimarbeiterinnen
—-wenigstens die über 16
ooochristlich-national organisierten Heimarbeiterinnen
—fühlten dankbar, wieviel zur Er- leichterung ihres Loses geschah, und sie vergalten
esmit einer wahrhaft rührenden Opferwilligkeit. Sie wurden eifrige Goldsucher, sie brachten kleine und kleinsteBeiträge,
umMineralwasser
andie Front zu schicken, Soldatenheime gründen zu helfen, für die Hinterbliebenen der Gefal- lenen zu sorgen usw.; Beiträge
von 1Mk.
anwurden gesammelt,
umKriegsanleihe zeichnen zu können;
vonden organisierten Heimarbeite- rinnen sind auf die Weise
72oooMk.Kriegsanleihe aufgebracht worden.
Willig gingen alle die, deren Gesundheit und häusliche Verhältnisse
eserlaubten, in andere Berufe über,
umdem Vaterlande mehr helfen zu können. Aber das Größte taten die Heimarbeiterinnen dadurch, dccfz
zsie stolz und froh und tapfer den Kampf mit der Not der Zeit aus-«
«nahmen und diesen Geist auch in andere Reihen trugen.
—Eine be- kannte Zeitung schreibt in diefen Tagen, nachdem sie über die Heim- arbeiterinnen-Bewegung berichtethat: »Wer
vonunsdürfte
esnoch ein- mal wagen, über die Rot der Zeit zu stöhnen, solange fchwersteLast in unserer Mitte so stolz und frei getragen wird."
Margarethe Behm-Berlin.
Die Familienunterstützung bei Entlassungen und Beurlaubungen von Kriegsteilnehmern.
Die Familien der
ausdem Heeresdienst entlassenen Mannschaften
er-halten, soweit fie Familienunterstützung bezogen, seit dem
1.Dezember 1916 noch eine Halbmonatsrate der Familienunterstützung nach dem Tage der Entlafsung als außerordentliche Unterstützung
ausder Erwä- gung heraus, daß mit dem Ubertritt in das bürgerliche Leben besondere Aufwendungen gemacht werden müssen Bundesratsverordnung
vomz. Dezember 1916).
Reuerdings bestimmt
nunder Reichskanzlererlafz
vom 21.Juni 1917, dafz diese Halbmonatsraten ebenso wie die Dreimonatsraten, die den Angehörigen der mit Rente entlaffenen Kriegsteilnehmer zustehen- nach § 9 der Bundesratsverordnung
vom 21.Januar 1916, unbe- kümmert
umdie Bedürftigkeit gewährt werden müssen. Und zwar ist die Familienunterstützung ohne Rücksicht auf das Einkommen und den etwaigen Arbeitsverdienst des Entlassenen mit Rücksichtauf die früher bei Gewährung der Unterstützung festgestellteBedürftigkeit zu gewähren.
Kommt ein Heerespflichtiger mehrmals zur Entlasfung, fo hat
erauch bei jeder EntlassungAnspruch auf Auszahlung der Halbmonatsrate Wird ein Kriegsteilnehmer bis zur Entlassung beurlaubt, so wird die Weitergewährung der Unterstützung
vonder Bedürftigkeit abhängig gemacht. Wird die Familienunterstützung wegen nicht vorliegender Bedürftigkeit in solchen Fällen eingestellt und der Kriegsteilnehmer fchließlichnach vorübergehender Beurlaubung entlassen, so hat die Fa- milie trotzdem einen Anspruchauf die Halbmonatsrate Bundesratsver- ordnung
vomz. Dezember 1916) und im Falle
ermit Rente entlassen «
.ist, auf die Dreimonatsrate (§ 9 der Bundesratsverordnung
vom21.
Januar 1916).
Bei zeitweiligen Beurlaubungen bis zu einem Monat ist die Familien- unterstützung weiterzugewähren ohne Rücksichtauf den Grund und Zweck der Beurlaubung
Ubersteigt der Urlaub einen Monat, fo ist die Weiterzahlung der Unter- stützung
vondem Nachweis der Bedürftigkeit abhängig zu machen (Reichskanzlererlafz
vom 21.Juni 1917).
Dr.
Egbert
BaumannsAltona.Herausgeber: Prof.
Dr.GoetzsLeipzig und Dr. Gerhard Kiedermeper-Berlin.
Verantwortlich für
dieSchriftleitung:
Dr. Odav.AlvenslebensBerlim Z Fernfptecher:
Zentrum8555
u.8556.
M der Wifchm Verlag-· und Wwstslts Berti-iSw,