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Philosophie und Leben. Jg. 6, H. 8 (1930)

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Academic year: 2022

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(1)

6.J A H R G A N G + 8. HEFT + AUGUST 1930

„3 m 2>ienfte ber O olitsein^ett erftreb t unfere Je t t f ^ r t f t eine (atb- lidje 2tuöfpra#e ber b e trie b e n e n toeltanftbauütben E it r u n g e n .“

^Rationalismus unfr Orrattonattsmus in frer ^Pfnlojopftfe 5er ©egenroarf

33on O ö f a r ( f t o a l b

®ie ^tjilofop^ie ber ©egentoart 3 eigt auf ben erften 33licf ein roenig einheitliches 53ilb; unb bod) ift es in ber STiefe ein ©runbgegenfafe, ber fte bef>errfcf>t: ber Don N a t i o n a l i s m u s u n b 3 r r a t i o n a l t s = m u s.

®iefer ©egenfat} ift freilid) fo alt tote bie ^pt)itofopf)ie, toie bie 3Jtenfcb=

beit, ja, tt>ir fönnen tr>obl fagen, tt>ie bie 5Be[t fetbft. 2 Iber ganj oi>ne

3 tt>eifel ift er beute in einer befonberen SBeife afut geworben. SBas ftcb toieber baraus erflärt, bafo er feine 6 ad>e bes bloßen ©enfens ift, t>iel=

mebr einen Sonflift ausbrüdt, ber bie gan^e 53reite bes ßebens burd)=

3 iebt, in STf^eorie unb ^rayis aur 2 öfung brängt.

33erfud)en mir, feinen tr>efentlid>en 6 inn 3 U beftimmen! 9tatio beifot Vernunft unb fo ift ber 9tationalift berjenige, ber bas 6 d)tt>ergett>id)t in bie logifd)=t>ernünftige Srfaffung unb 33eberrfd)ung bes ©eins oerlegt.

hiermit ift notrcenbtg eine f)ocb= unb f)od)fttoertung bes ^ r i n 3 1 p s,

bes Stnt)eit5= unb SlUgemeinprinaips oerbunben. ® as ©efefc triumphiert über ben (Einjelfall, bas Allgemeine über bas 33efonbere, bas ilntoer- fale über bas 3nbioibuelle, bas 6 tne über bas 33iele, ber ‘Begriff über bie 2 Infd)auung, ber 3ntelleft über ©efüt>l unb Jriebtmllen, ber % m d über bie Straft, bie ©eftalt über bie Bewegung, bie gorm über ben 3nbalt. 9tur it>as fid> tmeberbolen, regeln, feftfeften läßt, gewinnt Be*

beutung. ®as Srfennen roie bas Sun, bas 3Btffen rr>ie bas |)anbeln toirb aum planmäßigen ‘Sorausbeftimmen. SWan erwäge, tr>ie unfere ganae abenblänbifd)e 3 u>Uifation unb Kultur biefen (£f)arafter angenom=

men bat unb nod) roeiter anaunel)men im begriffe ift. ©as ‘Berechnen unb (Errechnen bes (Enbeffeftes oerbrängt mebr unb mebr ben elemen=

taren 3mpuls. 6 s genügt, Flamen roie gorb unb Jap lo r 31 t nennen.

Slmerifanifierung bebeutet in ber fmuptfacbe Nationalifierung. ®er

„Sftafcbinenmenfcb" wirb 3 um 6 pmbol einer gan 3 en $e\t.

Pbilofopbie unb geben. V I. 15

(2)

212 N a t i o n a l i s m u s unb I r r a t i o n a l i s m u s .

(Es feblt begreiflicberroeife nid)t am ©egenmotio bes Irrationalismus, ber cs nid)t bulben will, bafo bas 2eben Dom 6 d>ema vergewaltigt unb bewältigt werbe. (£r verficht bas 9tecf)t ber Qualität ber Quantität, bes (Einaelncn bcr SRaffe, bcr Slusnabme bcr Siegel, bes ßonbcrfalles bcr großen S^bl gegenüber. 3t)m ift bie 2 BcIt blofe barum intereffant, bas

£eben lebenswert, weil fie nod) Übergebungen bereitbaltcn. ®enn als

roertDoll gilt ibm eben bas Unerwartete, bas firf> bureb feinen Äalfül erfeböpfen Iäfet.

3n ber großen 2inie bes ^büofopbierens finben mir faft alle nam=

baften ©enfer ber Sleuacit bis Slant unter ben Slationaliften; in bem bier augrunbe gelegten weiteren Sinn unb Umfang l>abcn wir aurf) bie meiften Smpiriften (33aco, Code, fntme) su ibnen au rechnen. ®es=

gleichen Siebte, ©cbelling, §egel, tocld> le^terer befanntlicb bas tppifebe

2 Bort geprägt bat:

Silles, was vernünftig ift, ift, alles, was ift, ift vernünftig.

23ci biejen ^l)ilofop^en feblt cs .allcrbings aud) nid)t an bcrr>ufet irrationalen Elementen unb bementfprecbenb fommt cs au einer auj 3 cr=

orbentlicben Vertiefung bes ^rinaips ber Nationalität. 3bni ftef>t bcr moberne Irrationalismus bes fpäteren geuerbad) unb namentlid) Schopenhauers gegenüber. 9 liet 3 fd)c, ‘Scrgfon, 3amcs unb bic anberen

^ragmatiften fetten ibn fort; neuerbings ift insbefonbere 3Rüller=greien=

fels au nennen.

(£rfenntnistbeoretifcbe, pfpd)ologi[cbe, ontologifd)=metapbpfifd)e SDlotivc greifen bicr — wie überall in ber ^Pbilofopbic — ineinanber. ®er 3r=

rationalift vertritt bie SDleinung, bafe nid)t im 'Senfen, fonbern im

‘Jßillen, Srieb unb ©efübl bas 2öuraelbafte bes SWcnfcben liegt, gbenfo erfd)eint it)m bas SBefen ber < 333elt et)er als alogifd) benn als logifcb, eber als ^iufeerung biinber Äraft, benn als Slunbgebung gebanflicber Orbnung unb ©efeßmäfeigfeit: unb bemgemäfo vollaicbt ficb ber (Srfennt=

nisproaefe nicf)t fo fe^r in ben geebneten Babnen bes Begreifens, Urteilens, ©cfrlie&ens, roic er burd) fpontane ®urcbbrücbe bes Un=

betoufeten in (Einfühlung, Intuition unb äbnlicben Vorgängen auftanbe fommt.

SDlit biefem ©runbgegenfaft verbinbet ficb febr beutlid) ein anberer, ber atvifd)en fpftematifeber ^büofopbie unb ßebenspbilofopbie. ®cr Nationalismus bat feinem ganacn ©ebalt nad) begreiflicberwcife bic Xenbcna auni Spftem; er möchte bic ganae ungeheure SRannigfaltigfcit bes €>eienben am liebften in eine univerfale 5ßeltformcI cinfpanncn, bie er wie ein riefiges 9left über bie (Erfcbeinungswclt roirft. Slnbers bcr

£ebenspbilo(opl). 3bm ift cs weniger um bas au tun, was ba ift, als um

(3)

N a t i o n a l i s m u s unb I r r a t i o n a l i s m u s 213

bas, ir>as ba fein {oll, ihm ift es, fagen roir, t>or allem barum ju tun, bafo ettDas getan tüirb. 'Ser §orberung bes 6 t> ft e m s ftebt hier bie bes 3 m p u 1 f c 5 gegenüber. Äant, ber rationale ßpftembenfer, Der=

langt im fategorifcben 3mperatiD, bafe man bas 2Illgcmeingefet3 in feiner bebarrenben SDtajeftät reftlos unb unbebingt erfülle; Schopenhauer, ber 3rrationalift, erwartet Dom ^eiligen unb ßrlöften bas unerbörtefte SBunber: Slufbebung bes ?ßillens unb 53ernid)tigung ber ‘JBelt; un=

geachtet bes biametralen ©egenfaßes in ber 2 Bertung ift 9 liet 3 fd>e mit ihm bod) barin einig, bem 3Üienfd)en bie greibeit böcbfter 6 d)öpferfraft unb <5elbftbeftimmung auautrauen; unb in 23ergfons „elan vital" liegt Dor allem bies, bafe ber ßubftana ber 2Belt neues unb immer neues

6 ein entquillt, bem mit feiner matbematifcben ober logifd)en gormu=

Iterung enbgültig beiaufommen ift. 3cb unb 2111 finb unberechenbar — auch für ben Oberften ber 3ied>enmeifter; fo lautet in furaem bas irrationaIiftifd)e ©laubensbefenntnis.

53on welcher 33ebeutfamfeit biefer Äonflift ift, gebt baraus beroor, bafc, tDte id) fd)on bemerft habe, er nicht allein tbeoretifd>er 9tatur ift, fonbern ficb ber ganzen Breite bes Kulturlebens mitteilt: Don feiner (fntfd)eibung bängt Diel mebr ab als ber 3nbalt einiger B lä tte r ber

^büofopbiegefcbicbte, es bängt baoon ab bas unb ber 2Beg ber inbioibuellen unb ber 33olfseraiebung, ber Slufbau Don ‘JBirtfcbaft unb 2Biffenfcbaft, bie ßöfung ber foaialen unb internationalen "Probleme.

®enn überall ift es bod) icbon für ben Slnfaß ber Aufgabe beftimmenb, toie weit fie ficb überhaupt rationalifteren läfet. Die ©eftaitung ber 3ufunft bes JWenfcbengefcblecbtes xt>irb eine tDefentlicb anbere Don jebem ber beiben ©tanborte aus.

Siegt es nicht nahe au glauben, bafe ihrer feiner bie ganje 3ßabrbeit, jeber aber einen Teil, eine 6 eite berfelben ausbrüdt? Unb bafe es ba=

her unfere <5acbe fein mufe, aunäcbft für ‘philofopbie unb 3BeItanfcbauung, bie Integration berauftellen? 2Benn bie ©egentDart noch, auch im ©ei=

fügen unb ©ebanflicben, allaufebr aur <5onberung unb Parteiung neigt, fo iDirb bie 3 uIunft, lüie wir hoffen, um fo mehr im Sachen ber 6 pn=

thefe, ber Totalität unb Ginbett ftcben. Unfere ^Betrachtungen wollen einen 6 cbritt in biefer Dichtung Derfucben.

3d) meine nämlich, baft hinter bem ©egenfaße ettüas Don böcbfter

‘öebeutung, ettDas Dom Srften unb Seiten ficb Derbirgt, bas biefe eini=

genbe 3Jiacbt befifct. S s ift ber l e b e n b i g e © e i f t , au beffen neuer unb Diel ftdrferer (Srfaffung roir Dorbringen müffen. © e i f t , lebenbiger (Seift, fällt tt>eber unter bas ßchetna bes Nationalismus nocb unter bas bes 3rrationalismus, fonbern er fafet beib-e in ficb; fie finb lebtglid) Teil=

anficbten feiner felbft, ber feinem tiefften Sßefen nach ungeteilt unb un=

teilbar ift. ®iefe Teilanficbten mögen bas 33erbienft unb ben ‘Soraug

15

*

(4)

214 N a t i o n a l i s m u s unb Ö r r a t i o n a l i s m u s . . .

haben, bie 6 eite, auf bie fie gerietet finb, befonbers flar unb beutlicb heraus 3 uheben; aber es hängt ihnen bie nod) größere ©efahr an, bar=

über bie anbere Hälfte 3 U u n terlag en unb bamit bas ©anje 3 U ent=

[teilen unb um feinen ewigen 6 tnn 3 U bringen. 60 £>at ber 9tationa(is=

mus ein fd>arfes 21 uge für alles, was ©efefc, Orbnung, ^rinaip, 2111 =

gem einst in ber 5öelt ift; aber er tt>irb bem 3nbioibuellen, 3nfommen=

furablen, Unoergleichbaren nieht gerecht; er ift gleichfam nur ber tag=

gellen, plan unb flar 3 U fid)tenben |>emifphäre bes ©eins 3 ugewenbet.

Umgefehrt ber Irrationalismus, ber fid) Don bem ©unflen unb §>inter=

grünbltd)en, fc^toer gafeltchen, in gorm unb 2lusbrud faum 3 u 23annen=

ben ftärfer angesogen fühlt. 2lber im 2111 finb Sid>t unb ©unfel, Ja g unb 9iad>t, 6 id)tbares unb Unfid)tbares Dereint. Unb fo auch im ©eifte, ber uns allein befähigt, mit bem 2111 eine lebenbige 23erbinbung 3 U ge=

totnnen. Um es gleich möglirf>ft 3 U fonfretifieren: ein SWenfd), Don bem mit 9ied)t gefagt werben fann, er habe ©eift, er fei ein ©eiftesmenfef), * ift weber ein blofeer 23ernunft= ober gar 23erftanbes=SKenfd) nod) aud)

ein 9Wenfd) ber blinben 3mpulfe, eine Sriebnatur. Vielmehr ift ein fol=

d>er 9Jtenfcf) immer neuartig fchöpferifch, eine Quelle Don Überrafd)un=

gen; feine feiner 2ebensaugenblide ift eine 2Bicberholung ber 23ergan=

genbeit, in Vielem mag er unDerftänblid), abfonberlicf), bem 2Bahnfinn nahe erfebeinen: aber fd)lief 3 ltd) fügen fid> bod) alle biefe fo oft beirrenben

3 üge unb Äunbgebungen 3 U einem einheitlichen, finnr>ollen 'Silbe 3 U=

fammen, bas, wenn es überbtes nod) Don ©enialität belebt ift, burch bie 3a^rl)unberte unb 3ahrtaufenbe wtrfen fann. Unb wenn Don irgenbetnem SKenfd^en, fo gilt Don einem fold>en, baf 3 er ein Sftifrofosmos, ein

6 piegel unb 21 usbrud bes SBeltalls ift. 2 ebenbiger ©eift ift immer 3 U=

gleicf) rational unb irrational; Don größter Beharrung unb 3 ugleid) Don

größter 23eweglid)feit; immer am unb bocf) immer unterwegs;

böd)ft finnDoll unb bocf) rätfelhaft unburchbringbar. S r ift (Sinbeit Don

©ebanfe unb Äraft, Srfenntnis unb Sat, ©efet 3 unb 2Billfür, UntDerfum unb 3nbiDtbuum.

9tun l)at es ficfeerlid) 2 ßeltanfchauungen unb philofophifche 6 pfteme

gegeben, welche eine fold)e 6 pnthefe Derfucf)t fraben; unb gerabe ber beutfrf)e 3bealismus Don Äant bis f)egel ift, wie früher angebeutet, i) k x

3 u nennen. Sßorauf es aber ber ©egenwart anfommt, bas fchetnt mir weniger im Objeft als im 6 ubjeft, weniger im fad)lid)en Jtieberfchlag bes ©ebanfens als in ber probufttDen Jätig feit bes ©enfens, weniger im 6 pftem als im Smpuls 3 U liegen. 6 ie fehnt fiel) nach geiftlebenbiger, geiftfd) 6 pferifd)er 23efunbung. 6 ie arbeitet an einem neuen Jp p u s bes

^bilofophen, ber fid) infofern bem religtöfen wieber nähert, als ber grofee

3mpuls — unb bas heifet: bie P r o p h e t i e eines feiner wefentlichen

(Elemente bilbet. ©aburch bringt freilich ein irrationales, fagen w ir rich=

(5)

3) a s ' ' P r o bl e m b e s m 9 ft if d) en ( S r f e n n e n s 215

tiger, transrationales Clement ein. 21 ber es rationalifiert firf> boch immer roieber, ba es t>om (£haos 311 m Kosmos, t>on ber Ungeftalt 3 ur Qrbnung unb ©eftalt ftrebt, bemgemäfe aud) bie flarfte unb mitteilfamfte logifche Normung fttdf)t. 60 friftallifiert es aur 3Beltanfchauung, ohne fid> ihr gefangen 3 u geben ober in ihr bogmatifd) 3 U erftarren. ®enn es tritt beutlicher unb beutlicf>er 3 utage in einer bas 6 d)tdfal ber ^[)üofopf)ic unb it>r Verhältnis 3 ur 9Renfd)heit beftimmenben ?Beife, bafo es einen enbgültigcn Slusbrud ber Wahrheit nid>t gibt unb nid)t geben !ann. 5öcr ftd) auf einen folgen feftlegen möchte, ber hat es nicht mef)r mit bem lebenbigen 3Befen, fonbern, tr>ic ber 2lrat am 6 e 3 iertifd)e, mit bem 2eid)=

nam ber 3ßaJ>rf)eit 31 t tun. Unb fo benfe id) mir biefen Sppus bes fom=

menben ^f)iIofopt)en: nicht mehr in fpröber unb ftol 3 er 2 lbfeitigfeit oon ber Söelt, in eingebilbeter greiheit t>on if>r; freilich aud) nid)t in it>re geffeln oerftridt unb als il>ren ©flauen; tt>ohl aber allem SDIenfchlichen innig Derbunben, nicht ftarr bem ©eienben oerhaftet, fonbern Don heiliger Unruhe ergriffen, bas ?öerbenbe 3 U geftalten: treu ber Srfenntnis, baft

SBahrheit etir>as ift, bas nid)t blofe gebacf)t, fonbern getan, nicf>t blofe gefchaut, fonbern oerrmrflicht roirb, bas lebt unb nid)t tot ift.

Das ^ProMem bcs myjfijcf)ßn ©rfennens

(9Iacf) SOIafficJcn)

33on 21 u g u ft 2 K c f f c r

I

33on ie^cr glaubten religtöfe 9Jtenfd)en, befonbers SKpftifer in un=

mittelbarer 9?ä'he mit ber ©ottheit 2 lnteil an einer 3Birflid)!cit 3 U be=

ftfeen, beren 2 Bcrt über aller 2 Berte ber allen 3 ugängltd)cn £rfaf)rungs=

roelt, alfo beffen, was xoix gewöhnlich „Sßirtlicfyfeit" nennen, roeit über=

träfe.

©iefe Anteilnahme beruhe auf göttlicher © n a b e , einer ©nabe, bie ben gan 3 en 9ftenfd)en ergreife, unb ihm barum auch ein „höheres" (£r=

fennen unb 5Biffen oerlethe, bas ben 9Zicht=< 23egnabeten oöllig unjugäng»

lieh fei. 60 bei&t es in ber — oon ßuther fo hochgefchä( 3 ten=mpftifd)en

6 d)rift „®eutfche 3Thcologie": „ 2 llles, tt>as biefes göttliche 2 eben angeht im wahren vergotteten SRenfchen, bas ift fogar einfach, grab unb fd)lid)t, bafe es mit funftgered)ten (b. h- tt>iffenfd)aftlid)en b 3 tt>. phüofophifchen) Gegriffen niemals ausgefprochen ober gefchrieben tr>arb, benn allein:

bafe es ba ift. 3Bo es aber nicht ift, ba fann man nicht einmal baran g l a u b e n : wie follt man gar ein SBiffen baoon hoben."1)

!) 'Die 6teüe entnehme icf> bem ausgeaeidjneten SBerfe Don (£. 2 f t a t t i e f e n , $)er jcnfcitic^e 9Ren|d> (Berlin, $)e ©rupter, 1925), bem id) mtef) aud) im golgcitben meift

anldjlie&e.

(6)

216 *1)05 P r o b l e m bes m p ft i f d) e n U r t e n n e n s

‘ähnlich oerficbern uns anbcrc SJtpftifer, bafe jenes böbere ßeben unb Söiffen nur benen erfaßbar fei, bte es im innersten (Erleben „erfahren"

batten.

(Es ergibt fid> bier bas prinzipiell böcbft bebeutfame Problem, wie ficb ber Vertreter bes pbilofopbifcb=wiffenfcbaftlicben(Erfcnnens 3 U bieferBe»

bauptung eines „höheren", religiös=mpftifcben (Erfennens grunbfäfclicb

3U [teilen b^be. 2Birb er fie oon oornberein als „pbantaftifcb", als „un- möglich" ablebnen, ober wirb er fie als „möglich" gelten laffen, um bann 3 U prüfen, was benn ber 3nbalt jener religiöfen (Erfenntnis fei unb wie biefer ficb 3 um 3nbalt ber wiffenfcbaftlicb=pbilofopbifcben ?Belt=

erfenntnis oerbalte.

3nsbefonbere wirb ficb bas Problem 3 unäcbft 3 U ber grage aufpiften, ob cs aufeer ber gewöhnlichen allen 3 ugänglicben E r f a h r u n g , auf bie ficb 5Biffenfcbaft unb ^bilofopbie ftüften, noeb eine anbere, nur „33e=

gnabeten" 3 ugänglid>e (Erfahrung gebe, (3Bir wollen ber Slür 3 e halber

im folgenben oon „gewöhnlicher" unb „religiöfcr" (Erfahrung reben.) Unfere „gewöhnliche" (Erfahrung ift bie benfenbe Verarbeitung unb Deutung unferer SBabmebmungen (unb Beobachtungen, b. i. abficbtlicher

‘Wahrnehmungen). 'Dtcfe 5ßabrnebmungen aber fönnen fein: „äufoere"

(oermittelft ber 6 inne) ober „innere" (burd) bie wir unfere feelifeben (Erlebniffe felbft unmittelbar erfaffen).

9tacb ber oon uns oertretenen „realiftifeben" Sluffaffung ber (Erfennt=

nis1) wirb uns in ber (Erfahrung eine oon unferem erfennenben ©eiftc unabhängig beftebenbe ‘JBirflicbfeit (b. h- eine „reale" ?Belt) zugänglich.

6 ie t> o 1 1 ft ä n b i g 3 u ergrünben, bleibt aber — wie uns bie (Erfab=

rung oon ber (Entwidlung unferer (Erfenntnis 3 eigt — eine nie oolfenb=

bare Aufgabe. ®urd) blof 3 es ©enfen fönnen wir nicht a priori (b. h-

„oon oornberein", obne bie (Erfahrung 311 befragen) feftftellen, baft es nur e i n e 2lrt ber (Erfahrung oon ber 3öirflicbfett, eben unfere „ge=

wohnliche" (Erfahrung geben fönne, ebenfowenig, bajj jebe (Erfahrung

Don ihr a l l e n 3 ugänglicb fein muffe. Vielmehr ift es fehr tr>of>l benf=

bar (alfo „logifcb unb real möglich"), baft es noch eine anbere 2Irt (Er=

fabrung oon ber Realität gibt — insbefonbere oielleicht oon folcben ©e=

bieten ber 2 Birf[icbfett, bie ficb ber gewöhnlichen Erfahrung nicht er=

fcblief 3 en; ferner bafe biefe („höhere") Erfahrung nur ein 3 elnen befonbers Begabten (in ber religiöfen 6 pracbe: „Begnabeten") 3 ugänglicb ift.

freilich werben wir gemäfe ben oberften ©efefeen unferes ©enfens, bafe einanber wiberftreitenbe ©äße nicht beibe wahr fein fönnen, forbern, bafe Inhalte jener beiben (Erfahrungen nicht miteinanber im ‘ffiiberfprucb

’) 33gl. meine „Gnnfübrung in bie (£rfenntnistbeorie"r 3. 3lufl. ßeip^ig, S- deiner,

1926.

(7)

D a s ' P r o b l e m bes m p ft i f cb e n (f r f e n n e n s 217

ftei>en. 2 Bo aber ein folcber oorliegen follte, ba wirb man bie „gewöbn=

lid>en" (Erfahrungen als wahr anerfennen, befonbers bann, wenn man felbft eine „höhere" (Erfahrung nid)t erlebt bat. 35afe aber eine fold>e nid)t blofe „möglich" fei, fonbern bafe fie t a t f ä cb l i cb oorfomme, ift felbft nur burrf) (Erfahrung au entfebeiben.

2 Kan tr>irb fragen bureb w e l cb e (Erfahrung? S ie Antwort barauf wirb fo lauten muffen: bie „gewöhnliche" (Erfahrung werben mir bei a l l e n SÖienfcben als tatfäcblid) oorausfeften bürfen. SKacbt nun ein SDtenfcb Erfahrungen, bie ihm „gana anbers" oorfommen als feine bis=

berigen, erlebt er 3 . 53. etwas, was er als „(Erleuchtung" ober unmittel=

bare ©egenwart ©ottes au befebreiben firf> gebrungen fühlt, fo tr>irb er bas als „höhere" (Erfahrung be 3 eicbnen (unb nur auf ©runb bes s33er=

gleicbs mit ber gewöhnlichen (Erfahrung wirb er au folcber B e 3 eicbnung

greifen). $ a (3 er aber eine folrf>e „höhere" (Erfahrung erlebt hat, ift für ihn 3 ugleich eine Jatfache feiner gewöhnlichen (Erfahrung, unb 3 War eine

folcbe bie er bureb feine „innere" ‘Jßabrnebmung unb Beobachtung feft=

ftellt.

B e i folcber geftftellung bleibt er freilich 3 unäcbft im Bereich bloß p f p c h o l o g i f c b e r Äonftatierung. ©eren Sin n ift: icb habe eine (Er=

fahrung erlebt, bie fich mir als eine „höhere", als eine unmittelbare Berührung mit ber ©ottheit barfteüte unb bie ich beshalb als folcbe auf=

fafete. (Ein anberer fann nun bie pfpcbologifcbe Tatfacbe, baf 3 ein folcbes (Erlebnis ftattgefunben bat, ohne weiteres 3 ugeben, aber babei boch in 3wcifel aiehen, ob bie genannte Sluffaffung bes (Erlebniffes als eine unmittelbare Berührung mit bem ©öttlicben „richtig" (ober „gültig") fei. $ a 5 ift nun aber für bie philofophifebe Betrachtung bie entfchet=

benbe grage. 6 inb bie religiös=mpftifcben (Erlebniffe wirtliche (objeftit>=

gültige) (Erfahrungen t>on ©öttlicbcn ober finb fic n u r fubjeftioe (Erleb- niffe religiöfer SOcenfcben, beren 3 nf)alt als ^bantafie, als Ollufion (ohne (Erfenntniswert) au beaeiebnen wäre?

® a wir bie SRöglicbfeit folcber „höheren" (Erfahrungen augegeben haben unb wir uns nunmehr barüber flar geworben finb, bafe ihre (pfp=

d)ologifcbe) Tatfäcblicbfeit nur bureb (Erfahrung (unb awar auch bureb bie gewöhnliche (Erfahrung) feftgeftellt werben tann, fo werben wir, u m b ie e r t e n n t n i s t b c o r e t i f e b e g r a g e nach tforet © e 11 u n g

fruchtbar behanbeln au tönnen, aunäcbft auf bie 2 Irten unb ben Onhalt jener angeblich „höheren" (Erfahrung cingeben müffen.

(Eine e r ft e 2lrt oollaiebt fich bureb a u t 0 m a t i f cb e unb e f ft a = t i f cb = i n } p i r a t e r i f c b e Vorgänge, „willen Religionen gemeinfam ift ber ©laube, baß r e l i g i ö f e s 2 B i f f e n entftebt, ?Borte aus=

gefproeben werben nicht bureb bewußte ©ebanfenbilbung unb über=

legenbe 2 lbfid)t, fonbern bureb bie Singebungen einer Kraft, bie über

(8)

218 $) a s P r o b l e m b e 5 mp f t i f d j e n ^ r t c n n c n s

unb jenfeits bes (Einzelnen Propheten unb 6 d)amanen, (Eoangeliften unb inbianifche 9Kebiainmänner, fie alle behaupten, unb alle mit ehr=

lieber Überaeugung, baft fie oon ©ott im 3nnern, bem Deus in nobis, bewegt werben."1) Unter ben älteften (£f)riften hören wir fd>on vielfach

Don automatifchen Säuberungen; ein großer Seil ber 6 uren bes Koran wirb auf efftatifd)=automatifche f)erfunft ausbrücflicf> aurüdgeführt. Unter ben „Siebten" (b. h- Sftenfchen mit „offulten" gä'higfciten) begegnen uns oielfad) folche, bie burd) automatifches Neben ober 6 d)reiben maffen=

haften 2ehrftoff über bas „3enfeits" geliefert höben, (Ein folrf>es

„ 6 chreibmebium" war 3 . B . 3afob 2orber aus ©raa, beffen „Offen=

barungen" eine ftattliche 9ieihe t>on Bänben füllen unb ber noch heute eine gläubige ©emeinbe befifct.2) B e i 2ohfe war ber Vorgang bes (Schreibens fo, bafe er fich gleichaeitig mit ben ihn angeblich beherrfd)en=

ben „Kontrollgeiftern" unterhalten fonnte, fie 3 . 55. fragte, ob er gewtffe 2lbfd)nitte nicht lieber auslaffen folle. S r fchrieb im 3ahre 1872 au Slltona eine 6d)rift „3efus (Ehriftus unb feine Offenbarungen über %e\t=

liches unb (Ewiges, ober bas neue (Ehriftentum". 3n ihr fucht feiner Über 3 eugung nach 3efus felbft 3 U berichtigen, was oon feiner 2ehre falfch oerftanben worben fei. 6 ein Buch enthält u. a. eine Kosmologie, nach

3 . B . unfere 6 onne 100 Planeten, anbere ©onnen 50— 280 haben, fer=

ner eine Biologie, worin SBteber&erförpcrung unb 2Iufwärtsentwidlung ber 2ßefen gelehrt wirb. (Ein SImerifaner 2. 2. f)arris foll (Enbe 1853 in 30lA 6 tunben währenb 14 aufeinanberfolgenben Sagen ein „(Epos bes geftirnten fnmmels" im £rance= 3 uftanb (b. h- ohne bas normale

■Bewufetfein) biftiert höben, beffen 33erfe (3 bis 4000) „genau unb reich in B au unb 9tcim, augleich t>on fchönem bichterifchem 6 chwung unb phantaftifchem Reichtum ber Bilber fein follen" (SWattiefen, 282).

(Eine 3 w e i t e 2Irt mpftifchen (Erfennens Dolfeieht fich in „©efichten",

„oifionären 2 lnfcf)auungen". gaft ftets wirb babei t>on „2id)t"=3öahr=

nehmungen berichtet. SBenn es babei nicht bleibt, fo wachfen oft beftimm=

tere Inhalte (Bilber, ©eftalten) gleichfam aus bem 2id)t, bem ©lan 3

heroor. ®ie ganse geglaubte 3Belt ber unfichtbaren SKächte, 3 uweilen

in fpmbolifcher ©eftalt, meift aber burchaus menfchenä'hnlid) wirb babei oon Begnabcten gefd)aut. ©0 erfcheint ©ottoater in ber Siegel als alter 2Rann, ber §>ctlige ©eift als Saubc. (Ehrift als Ktnb, ober am Ärcu 3

ober als §errfcher im f)immel. 9tuffifche Bauern höben ihn auch im

©chafspels unb mit Baftfchuben gefehen. Katholifche SMfionäre fchauen aufcer ben göttlichen ^erfonen oft ben ganaen h^nimlifchen |)offtaat t>on (Engeln unb heiligen; insbefonbere bie (Erfcbeinungen ber SKaria finb

‘) 33rinton, Religion of prim itive Peoples. 2. 3IufI. 52, nacf) SDtattiefen 279.

2) 5Bg(. über Sorber unferen im 6eptember-f>eft 1929.

(9)

3) a s ‘' P r o b l e m bes mpfti[d>en ( £ r f e n n e n s 219

überaus 3 al>Iretcf> unb mannigfaltig. 6 ol<t>e beftimmt umriffenen 33tfionen geben ben Begnabeten vor allem bie ©ewiftbeit ber SBirflichfeit bes

©efebenen: er ift nid>t mehr nur auf „©tauben" angewiefen, auf ©runb feines eigenen 6 d)auens „weift" er nunmehr um bie göttlichen Singe.

9Kanche haben auch einen ganzen Slblauf oon ©efcf>et>niffen gefehen, fo etwa bie Slinbheit 3efu ober fein ganzes ßeben ober bas ber SKaria.

3 u bem 6 ef)en tritt oielfach bas f>ören, neben bie „3Mfion" bie „ 2 lubi=

tion" (htmmlifcher ©timmen).

S ie ©efid)te erftreden fich in bie gernen bes Weltraums, aber auch ins „3enfeifs" nad) f)ölle, gegefeuer ober f>immel.

6 d)on bei primitiven 53ölfern gehört bas Reifen ins 3enfeits wäh=

renb fünftlirf> erzeugter Ohnmacht au ben beruflichen Obliegenheiten ber

6 chamanen unb Sauberer. ® an3 verbreitet war bei ben „f>eyen" ber

©Iaube, baft fie — befonbers nach ©ebrauch gewiffer „f>ejenfalben"

(wohl ben „Tranceauftanb" förbernbes SKittel) — ben eigenen 2eib ver=

lieften, um an fernen Orten (mit aahlrcichen ©enoffen) ben Jeufel au verehren unb mit ihm fleifchlid)en Umgang au pflegen.

Berichte über vifionäre Reifen in himmlifche ober höllifd)e Regionen, auch nad) anberen Planeten haben wir, Dom griechifchen Altertum an=

gefangen, bis in bie ©egenwart. S ie heilige grancisca Romana 3 . B .

hatte währenb einer 9Jlebitation über bie 6 ünben ber SOtenfchheit eine (Erfcheinung bes (Eraengels Raphael, mit bem fie nach weiter Reife buref) ben Raum an ben Ranb eines furchtbaren Slbgrunbs gelangte, über beffen Schlunb fie bie 2ßorte las: f)ier ift bie f>ölle, barin nicht Ruhe noch (Erbarmen, noch hoffen ift. ©er Engel erflärte ihr, baft ©ott ihr einen neuen 6 inn gebe, „um bas Unfichtbare au fet>en, um bas Un=

begreiflid)e au begreifen". Sann überbaute fie bie vergebenen 2lb=

teilungen ber f)ölle, in beren britter unb fchredlichfter bas ewige geuer brannte, bas altes oerfchlingt, ohne es au veraehren, unb worin bie Sämonen ihre quälerifd)en fünfte üben. „S a s ©ebächtnis ber 33er=

bammten", fagt bie ^eilige, „ift ewig gemartert t>on ©ewiffensbiffen."

(Es würbe ihr auch offenbart, baft am Tage bes 3üngftcn ©erichts, wenn bie (Seelen ihre Seiber aurüdcrlangen, ihre Qualen fid) noch vermehren würben. Sanad) fah fie bie befonbers gearteten Qualen fraffeftcr 2lrt, mit benen jebes einaelne 2 after h^imgefucht wirb, unb im Sfnnern ber f)ölle 6 atan felbft auf feurigem Sh^on. 2 ßas fie fchaute, (onnte fpä'ter nach ih^^n Eingaben auf ben Stlofterwä'nbcn oon Tor be €>pecd)t ab=

gemalt werben. 6 ie felbft oermochte ftets nur mit 3 itfern unb Sagen au reben. (21. a. O., €>. 287 f.)

ähnliche Berichte haben wir von ben 53ifionen fatholifcher ^eiligen,

aber gelegentlich auch von evangelifchen grommen unb oon neueren

(10)

220 3) a 5 ' ' P r o b l e m bes m 9 ft t f d) e n ( £ r t e n n e n s

ßpiritiften. greilich entfpricht ber 3nhalt in ber Flegel ben ©laubens=

oorftellungen ber Vifionärc.

(Es ift übrigens nicht zu überfein, baß fd)on bie getDÖ^nlirf>en Sräume ober 3 uftänbc narfotifchen 9taufd)s (befonbers infolge £>afd)ifd)genuffes) ober bes giebers unb ber ©eiftesftörung gelegentlid) analoge ©efid)tc oon Steifen in bimmlifdje ober jenfeitige (Sphären bieten. (Eine §)pfterifd)c in ber ßalpctricre 3 . B . hatte in fatalcptifchcr (mit (Starrframpf oer=

bunbener) CSfftafe folgenbes ©efid)t: 6 ie fei im f)immcl gewefen, in=

mitten eines blcnbenben 2id)ts. Überall fat) fic SDioos unb fleine 3o=

banneffe unb „frifierte" <5d)afe, ftrahlenbc Diamanten u. bgl. S e r §>ci=

lanb, ben fie ebenfalls gefeben, trägt langes, gelodtes £>aar unb einen großen, roten B a rt; er ift fcf)ön, groß, fräftig, ganz r>on ©olb. Die ^eilige 3ungfrau ift ocrgolbct. Der §eilanb hat fie angefproeben, fie fann fich aber feiner ?ßorte nicht erinnern. 6 ie hat ihm oor (Erregung nicht zu antworten oermocht. „3Rir war fo wo'bl ba oben. . . es war fo febön" (294).

(Eine b r i 11 e 2lrt mpftifeben (Ertennens ift babureb cbaraftcrificrt, baß fie o h n e SSRitwirfung oon anfcbaulicbcn Vorftcllungcn eine un=

mittelbare, gleichfam begriffliche (aber ü b e r oernünftige) ©ewißbeit über „jenfeitige" 3Birflid)fciten ergibt. Von jeher haben SKpftifcr neben bem, was fie oon wörtlichen 3nfpirationcn unb Vifionen (alfo ben bei=

ben erften (Erfcnntnisartcn) zu berichten wußten, eine gäbigfeit bes Begreifens jenfeits oon Verftanb unb Vernunft für fich in s2Infprud) genommen, bic fie als ©abe ber „Kontemplation" ober „3llumination"

bezeichneten.

Der „©laube" ift nach ber SOlpftifcrin Bourignon „ein eigenes Sicht, bas ber Vernunft nicht benötigt. (Er ift bas hellftc Sicht, ob er gleich nicht burch bic Vernunft fcblicßt". 3gnatius oon Sopola gibt in feinem Seftamcnt an, baß ihm auf einem 3Begc (zu einer Kirche nahe SKanrefa) bie Slugen feines ©eiftes geöffnet würben, fo bafe er bic gciftlichcn Dinge oerftanb unb begriff..., mit folcher Klarheit, baf 3 für ihn alle biefc Dinge (bie er boch oorher zum größten Seil begriffsmäßig gewußt haben muß) neu gemacht, b. h- in oöllig neuer ‘JBcifc flar würben, fo baß er betannte, „alle (Erleuchtung, bic er oon ©ott im Verlauf feines ganzen gebens empfangen, zufammengefaßt in einen Raufen, würbe ihm wc=

niger erfchcinen, als bas, was ihm in biefem einen Slugenblid gegeben warb" (313).

(Eine Vorftufe zu fold>en mpftifd>en „Erleuchtungen" bilben innerhalb bes gewöhnlichen Bewußtfeins (Erlebniffe, in benen wir bereits befannte, ja geläufige (Säfte bei befonberem 2Inlaß in ihrem <5inn unb 9tccbt plöftlicb fo tief unb gefühlsmäßig erfaffen, baß fie uns ganz „neu" oor=

fommen ober wir fie jeftt erft oerftanben zu haben meinen. 3nnerhalb

(11)

«Das ' ' P r o bl e m bes m p ft t f d) e n ( £ r t e n n e n s 221

jold) gefühlsftarfem 33erftehen fpielt bei Neligiöfen häufig bas Erleben ron „Sicht" eine jo beträchtliche Nolle, bafe ihnen baburch eine „über­

natürliche" Erleuchtung gcroä'hrleiftet 311 fein fcheint. ® ie £>l. f>ilbegarb

3 . 33. befafe ein folches Sicht — „weit heller als bie 3ßolfe, welche bie

<3onnc trägt" — oon ihrer Kinbbeit bis ins böchfte Filter bcftänbig; ein Sicht „nicht örtlicher 2 lrt", ohne äufeere ©eftalt, mit äufeeren ©innen nicht wahraunehmen; aus welchem Sicht ihr „©chriften, Neben, Tugen=

ben unb etliche 3ßerfe ber SDienfchen entgegenleuchteten. 3Bas ich in einer folchen 33ifion fchaue ober lerne, bas bleibt mir lange im ©e=

bächtnis. 3d) fehe, -höre unb weife zugleich unb lerne1), was ich weife, gleichfam im Nu. 3ßas ich nicht fchaue, bas weife ich auch nicht, weil ich gewiffermafeen gana unwiffenb unb ungelehrt bin".

3n ähnlicher 3Beife eraählt 3afob 33öbme t>on einer ^cit inneren Kampfes um bie 33efiegung feiner fleifchlichen Natur unb um bie Säu=

tcrung burch ben ©eift ©ottes, bafe ihm „ein wunberbares Sid)t in feiner

©eele aufgegangen fei. ®ies Sicht war meiner unbänbigen Natur gana fremb, aber in ihm erfannte ich bas wahre 3Befen ©ottes unb ber 3Men=

fchen unb ihr Verhältnis aueinanber, was ich nie aut>or oerftanben hätte unb wonach ich nie gefucht haben würbe" (316).

Oft wirb oon ben SKpftifern behauptet, bafe a l l e s („offenbarte") theologifche Sehrgut auch unabhängig oon jeber Überlieferung 00 m C£in=

aelnen unfinnlich=überfinnlich erfchaut, gleichfam völlig urfprünglich unb felbftänbig erfahren unb „begriffen" werben fönne. Vielfach erflären Neligiöfe, bafe fie in ber ©eburtsftunbe ihres inneren Sebens, in ben sJßochen ber 33efebrung beftimmte ‘Jßabrheiten über bas Safein ©ottes, feine Eigenfchaften, feine Tätigfeit, feine gefchichtlichen f)eilsabfichten, ben Urfprung ber ©ünbe unb über bas Sßeltenbe erfahren unb erfannt hätten.

S ie bisher bcbanbelte (britte) 21 rt mpftifcher ßrfenntnis läfet fich 3 U=

meift bahtn charafterifieren, bafe ein Erlebnis bie „3Babrbeit" gewiffer (begrifflich formulierbarer) bogmatifdjer Sehren „erfahren" wirb. (Sine oierte 3Irt wirb nun ron folchen fallen gebilbet, bei benen ber angebliche (frfenntnisinhalt fich faft gana ober auch t>ollftänbig ber begrifflichen gormulierbarfeit entaieht unb eben barum auch gerabeau als „u n a u s * f p r e ch 1 i ch" erfcheint.

60 wirb 3 . 33. oon bem hl. Thomas oon 2lquin berichtet, bafe er au einer $e\\, ba er mit bem britten Teil feines §>auptwerfes beschäftigt war, währenb ber SOIeffe in Neapel „t>on einer wunberbaren Veraücfung ergriffen warb, bie feinen ganaen Seib erfchütterte". Nach 33eenbigung ber SReffe fehrte er nicht, wie cs feine ©ewohnheit war, an bas ©d)reib=

*) (£5 ift bas gleicfjfäm eine 33crbinbung ber 2. unb ber 3. 2Irt mpftifeben (Erfennens.

(12)

222 3) a 5 ‘•Problem bes mp f t i f d j e n ^ r t e n n e n s

pult au feiner SIrbeit aurüd, fonbern überlieb fid) ber Betrachtung unb erwiberte einem greunbe, ber ihn aum Schreiben ermahnte: ,,3d) fann nicht, Negtnalb; benn alles, was ich bisher geschrieben habe, erfchcint mir wie wertlofer ^lunber. .. , verglichen mit bem, was mir offenbart worben ift."

93on bcr hl- Katharina von Siena fchreibt 23ruber Napmunb: „(Eines 2agcs fah ich fie in einer (Entaüdung von Sinnen geraten unb hörte fie halblaut vor fid> hin fprcchcn: ,Vidi arcana Dei‘ (3d) habe bie

©eheimniffe ©ottes gefchaut), SBorte, bie fic unaufhörlich ivicberholte.

, 2 Bolltc ich verfud)en‘, fagte fie, als ich in fic brang, bcutlicher au reben, ,bir au erflären, rvas id) fah, ich tvürbc mich eitler 2 ßorte fchulbig mad)en..., ich würbe ©ott läftern unb entehren burch meine Siebe.

S e r Slbftanb atvifd)en bem, ivas mein ©cift fchautc, ba er in ©ott ver=

aüdt ivar, unb bem, was ich bir betreiben tönnte, ift fo tveit, bafe ich bich au betrügen meinte, rvolltc ich von jenen Singen reben. . . $as Sinaige, rvas ich fagen fann, ift bies: baft ich unausfprechliche Singe fah'" (326).

Verglcichspunfte au berartigen mpftifchen (Erlebniffen rcligiöfen £ha=

raflers bieten profane (Erfahrungen bei veränberter Beivufetfctnslage, befonbers in n a r f o t i f r f >e n 3uftänbcn. S o fehilbert ein Ojforbcr Stubent eine ^hafc feines (Erlebens in bcr 2achgasnarfofe bei einer Sahnoperation folgcnbermafecn: „® a s Näcbftc, was mir aum Bcrvußt=

fein fam — mein ©ott! tvie foll td) cs berid)tcn! 3 ch tvuf 3 te a l l e s ! (Ein gewaltiges f)crcinftrömcn cinlcud)tcnber unb fchlcchthin befrtebigcn=

bcr Söfungen aller benfbaren Probleme überwältigte mein ganacs Sein, unb eine allumfaffcnbc 3ncinswebung bisher wiberftreitenber unb fchein=

bar untcrfd)iebcncr Slnfichten bcr 5ßahrheit ergriff mit ©cwalt Bcfift von meiner Seele. $ as Seltfamfte babei w a r . . bafe ich bie £>egclfd)c

^hüofophic felbft mit ben anberen philofopbtfcben Schulen in einer 2Irt höhere Spnthefc verföhnt au haben fd)icn."

Nach bem (Erwachcn'rief er bem 3ahnarat au, er habe „ein Stüd SKctaphpfif entbedt". „Slaum aber hatte ich biefc 2Bortc gcfprochen, fo fehienen fic mich auch fchvn au höhnen, ©tc gefdjautc Wahrheit hatte fich verflüchtigt, wie ein vergeffener 2 raum, unb mich mit halbgcform=

ten Säften auf ben Sippen unb einem afchgraucn ©efübl ber 5ßonne im f)eraen aurüdgelaffen."

(Ein anberer befchreibt bas (Erleben währenb eines f>anfraufches alfo:

„Unb jct 3 t enthüllen fich mir plötzlich bie ^rinaipien bes S e in s . . . ( E h e r n , benn fic waren unerbittlich; g e r a b e , wie bas 3bcal einer geraben Cinic; benn fie waren unabänbcrlich; wie ungeheure Sd)ienen=

fträngc erftredten fie fich von bem SWittelpunft aus, in welchem ich ftanb.

(13)

5) as P r o b l e m bcs m p ft i [ d) e n ( E r f e n n e n s 223

2 Iber fie waren mir mehr als ihre ftofflicf)en 9tamen, benn fie t>er=

förperten eine Unenblid)feit erhabener 2 Bahrheit. 2 Bas biefe ‘ffiahrheit jei, bemühte ich mich meinem Begleiter auseinanbersufetßen, aber ve r =

g e b I i ch ; benn bie menfd)lid)c Sprache ermangelte noch ber 3 eicf>cn, fie 31 t charaftertfieren. . . Stoch tagelang banach entfann ich mich ber (Enthüllung. 3ch felber wu&te, was fie offenbarte, boch fonnte ich es nicht lagen; unb jefct ift all ihre 'Sebeutung meinem ©eifte entfehwunben unb h^t nur bie leere 6 chale unb fmlfe ber 6 pmbole (nämlich: ber

6 chienenftränge) 3 urüdgelaffen" (327).

ähnliche „(Erfenntniserlebniffe" haben (E p i l e p t i f e r. 3- 33- be=

richtet ein begabter ^ranfer btefer 2 lrt, bafe feine 2 lnfälle immer mit

6 chwinbel unb bem ftets gletd)en „eigenartigen" ©ebanfen einfeftten, ben er für fehr wichtig hielt unb von bem er glaubte, bafe er feinen galten gall erflären würbe, ben er aber niemals näher be 3 etcf)ncn

fonnte. (Er vergaft ihn jebesmal, wenn ber Slnfall vorüber war (330).

Glicht unerwähnt bleibe, bafe auch in gewöhnlichen träumen bas (Erleben aufterorbentlid) bebeutfamer (Erfenntniffe vorfommt, bie aber bann beim (Erwachen vergeffen finb. (Es erinnert bas an bie Slnefbote von bem SDZittagsfchläfer, ber bas Söelträtfel gelöft 311 haben meint unb, um bie Söfung nicht 3 u vergeffen, währenb vorübergehenben (Erwachens etwas von „alles burchbringenben Xerpentingeruch" auf einen 3 ettel

frifeelt. —

2lls höchfter ©ipfel mpftifchen (Erlebens erfcheint von jeher bie u n io m y s t i c a , b. h- bie unmittelbare Vereinigung mit ber ©ottheit, bie

3 ugleich als bas 2lll=(Eine, bas Slbfolute gefaxt wirb, bas aller 3Birfltch=

feit 3 ugrunbe liegt, aud) ber (Erfahrungswelt. 5Bill man biefe 6 tufe,

Joweit auch fie eine angebliche „(Erfenntnis" einfchliefet, noch Don ber vorigen unterfcheiben, fo bat fie mit ihr boch gemein, bafe bie SWpftifer, benen jene Vereinigung mit ©ott 3 uteil geworben, bie Ün 3 ulänglid)feit menfd)licher ?ßorte unb begriffe betonen, um bas ausaubrüden, was fie erlebten unb fchauten. ® a s gilt felbft für ben auch hier ftets begeg=

nenben Slusbrud „Sicht", von bem $ a u l e r wie anbere verfichern, man fönne auch „®unfelheit" unb „ginfternis" bafür fagen. ®erfelbe fügt I)in 3 u: „33emüht fich unfer Verftanb, es 3 U verftchen, fo verrinnt unb entflieht es alsbalb. . . 3e unausfprechltcher, unbegreiflicher. . . unb von allen ‘Silbern entfernter (biefes reine unb erhabene ©ut) ift, befto wahrer unb ficherer, erhabener, reiner, innerlicher unb nützlicher ift es."

Auch 9 i u p s b r o e d rebet von Sicht, ginfternis, ©lan 3 , 2 lbgrunb,

Sneinsfliefeen alles (Etnaelnen, Unfafelichfeit, Unausfprechlichfeit — aber aus allebem fpricht boch augleich bas (Erleben von (Erleuchtung unb (Er=

fenntnis unb zugleich von ber (Erfüllung aller ©e^nfucht ber liebenben

(14)

224 6 e i n unb S e i t

Sftcnfcbennatur. „3n biefer ginfternis"1), jagt er einmal, „febeint unb wirb geboren ein unbegreifliches Sicht, bas ift ©ottes <5obn, in bem man bas ewige Seben fd)aut. . . Unb ber (Seift fclbft wirb unabläffig jur Klarheit, bie er empfängt, in ber lebigen Leerheit, worin ber ©eift fid) bureb ben ©enufe ber SRinne (Siebe) oerloren l)at. . . ® ic Klarbeit ift fo grofe, bafe ber minnenbe 6 cbcr in feinem ©runbe, wo er ruf)t, nichts ficht noeb fühlt als ein unbegreifliches Sicht; unb gemäfe ber einfachen Jlacftheit, bie alle 3)ingc umgibt, weife unb fühlt er fid) als basfelbe Sicht, burch bas er fiebt, unb als nichts anberes. . . €>elig finb bie klugen, bie alfo febenb finb; benn fie befitjen bas ewige Sebcn" (334 f.).

6cm unb 3 ^ (nach SWarfin Jpd&egger)

(Fortsetzung aut Heft l, 2, 5

,

4, 7 und Schluß).

33on ^ l u g u f t K e f f e r

X I I. unb ®efd)id)f(id)feif.

2 Ius ber urjprünglicben 3 eitlichfett bes ©afeins läftt fich auch bk

© e f c h i c h t l i c h f e i t „bebuaieren" (ableiten)2)* (®arin liegt wteber ein beweis bafür, baft 3 ^itlid>feit bas 6 ein bes ©afeins ausmad)t.)

6 ucpt man bie oerfd)iebenen Scbeutungen oon „© e f d) i d) t e" 3 u=

fammenaufaffen, fo fommt man 3 U bem ©afee: „©efchichte ift bas in ber Seit fid) begebenbe fpe^tfifche ©efd)ehen bes eyiftierenben ,3)afeins‘, fo

3 war, baft bas im SOZiteinanberfein ^ergangene* unb 3 ugleid) überlieferte unb fortwirfenbe ©efchehen im betonten 6 inne als ©cfchichte gilt" (379).

?Benn wir „Altertümer", obwohl fie j e ( 31 noch o o r hernben finb, als einer vergangenen ^cit" angebörig unb infofern als „gefchichtlicb"

beaeid)nen, fo tun wir bas, weil fie einer gewefenen 3B e 11 eines ba=

gewefenen ®afeins 3 ugebörten. „® ie s 2 ß c 11 aber hat bie 6 einsart bes

©efchicbtlichen, weil fie eine ontologifcbe 53eftimmtheit bes $ a f e i n 5

ausmacht" (381); benn 3 um T>afcin gehört ja 3n=ber=2Belt=fein. S a s

© a f e i n bl ofe a b e r ift b a s p r i m ä r e ©e f c h i c h t l i c h e ; f e f u n b ä r gefchichtlid) ift bas innerweltlich s3egegnenbe, nicht nur bas „ 3 ubanbene 3cug" im weiteften 6 inne, fonbern auch bie Umwelt=

n a t u r als „gefchichtlicher 53oben".

©er 6 at 3 , bas ©afein fei gefchichtlid), läfet fid) begrünben burd) 2lnalpfe bes eigentlichen ßriftievens, bas wir (§>. IV , 6 . 107 f.) als „oor=

laufenbe Entfchloffenhcit" charafterifierten. 3n ihr oerftebt fich bas

®afetn hinfichtlid) feines 6 einfönnens bergeftalt, bafe cs bem Jo b unter bie klugen geht, um fo bas ßeienbe, bas cs felbft ift, in feiner ©eworfen=

heit gan 3 3 U übernehmen (382). 6 etn „eigentliches" 6 ein=fönnen, feine

*) „Sinfternis burd) Übermaß oon ßic^t" Reifet cs bereits bei ‘Dionpfius 21 reopagita.

*) 33gl. ftierfegaarb V II, 3. (§ . II. 6 .5 0 ).

(15)

6 e t n unb S e i t 225

Sfiftenamöglid)fetten entnimmt bas „entfcbloffene" Sa)ein aus bem Erbe, bas cs als „geworfenes" übernimmt. „3nbem bas Safein fich aus ber enblofen SRannigfaltigfeit ber fich anbietenben näcbften 2 Rög=

lichfeiten bes Behagens, 2eid)tnebmens, Siebbrüdens berausreifst, bringt es fich in bie Einfachheit feines „Scbidfals". „ 6 ch i d f a l " 1) nennt

£). „bas in ber eigentlichen Entfcbloffenbeit liegenbe urfprüngliche ©e=

fchehen bes Safeins, inbem es fich, frei für ben Tob, ihm felbft in einer ererbten, aber gleichwohl gewählten SKöglicbfeit überliefert" (384).

Sofern aber bas fchidfalhafte Safein als 3n=ber=?Belt=fcin wefenhaft im SOI it f e i n mi t 21 n b e r e n ejiftiert, ift fein ©efchehen ein SOI i t = gefchehen; es ift eingebettet in bas ©efchehen ber ©emeinfehaft bes Golfes. Siefes 5EJtit=©efcbebcn nennt f>. „© e f ch i d". „S a s fd)idfal=

hafte ©efchid bes Safeins in unb mit feiner ©eneration macht bas Dolle, eigentliche ©efchehen bes Safeins aus" (384 f.). 2luf ©runb biefes ihm wefenhaft 3 ugehörigen „©efchehens" mufe bas Safein als „g e = f cb i d) 1 1 i cb" be 3 eichnet werben. S i e f e © e f c h i c h t l i c h f e i t i ft a b e r n u r buref) b i e 3 e i 11 i d) f e i t m ö g l i d ) .

S e r Saft, bafe Safein gefd)id)tlid) fei, befagt aber nicht, bas welt=

l o f e Subjett fei gefcbicbtlid), fonbern bas Seienbe, bas als 3n=ber=

2öelt=fein eriftiert. „©efchehen ber ©efchichte ift ©efchehen bes 3n=ber=

< 3ßelt=feins" (388). Sam it ift „3 u banbenes" unb „33 o r banbenes" in bie ©efchichte einbeaogen. „3cug unb 2Berf, 3 . B . Bücher, haben ihre

„Schidfale"; Bauwerfe unb 3nftitutionen haben ihre „©efchichte". 2lber auch f>ie 9tatur ift gefd)id)tlich. %xoax gerabe n t ch t , fofern wir Don

„Raturgefchichte" fprechen, wohl bagegen als ßanbfcbaft, 2 lnfieblungs=, 2lusbeutungsgebiet, als Scblacbtfelb unb Sultftätte (388f.).

3n ber ©efcbichtlichfeit bes Safeins wuselt auch bie 3bee ber ,,S) i ft 0 r i e" im Sinne oon ©efebiebts w i f f e n f e h a f t . 3bre Aufgabe ift bie Erfcbliefeung bes gefcbicbtlid) Seienben. Saft unb wie biefe Er=

fchliefeung möglid) fei, ift nicht febon bureb ben Hinweis auf t>orbanbenc biftorifebe Quellen (Berichte, Scnfmäler, Überrefte) ausreicbenb geflärt.

Vielmehr ift jene ßrfcbliefeung nur infofern möglich, als bas Sein bes Safeins „gefcbicbtlid)", b. h- „auf bem ©runbe ber efftatifcb-boriaontalen 3eitlid)feit in feiner ©ewefenbeit o f f e n ift" (393). Unb weil n u r

„Safein " u r f p r ü n g l i d ) gefcbicbtlicb ift, mufe ber ©egenftanb bifto=

rifeber gorfebung bie Seinsart oon bagewefenem Safein haben. 9Kif bem faftijcben Safein als 3n=ber=?Belt=fein ift aber auch je febon ‘333 e 1 1 =

gefebiebte. 3 U „biftorifebem" SOZaterial fann all jenes Überlieferte unb Erhaltene nur werben, fofern es feiner eignen Seinsart nach welt=

gerichtlichen Ebarafter bat (394). —

*) (Jine anbere (Erläuterung oom „Gdjicffal" lautet: „bas in ber (EntId)(ofIent)eit

liegenbe, oorlaufenbe 6 id)überliefern an bas 3)a bes ^lugenblicfs" (386).

(16)

226 6 e i n unb S e i t

X I I I . Urjprüngttcf)e 25klfgeiff unb Dulgärcr 3stttagriff

2 Bie ocrbält ficb nun 3 u ber (bisher rf>ara?terificrten) „u r f p r ü n g = >

1 1 i) e n " Seitlicbfeit ber v u l g ä r e" (alltägliche) Seitbegriff?

„gaftifcb eyiftierenb ,bat‘ bas jeweilige ©afein , 3 eit‘, ober es ,bat feine*. 6 s nimmt ficb Seit ,obcr‘ fann fid) feine Seit laffen. 2 Barum

nimmt ficb kas ©afein , 3 eit‘, unb warum fann es fie ,t>erlieren‘? 2 Bober

nimmt es bic 3 * it?" (404)

©as umficbtig Dcrftänbige23cforgcn, bas ja ben£borafter bcs®afeins ausmacbt, grünbet in ber Seitlicbfeit, unb 3 War im „gewärtigenb=bebal=

tenbem ©egenwärtigen" (406). 2Bas beißt bas? 211 s beforgenbes 23er=

rechnen, planen, 23orforgen unb Verhüten fagt bas Safein immer fd>on (ob lautlich oernehmbar ober nicht): „ ® a n n" — foll bas gefebeben,

„3 u d o r" — jenes feine Srlcbigung finben, „j e { 31 — bas nad)=

geholt werben, was „b a m a 1 s" mißlang. „3m ,bann‘ fpriebt ficb bas 23eforgen , g c w ä r t i g c n b ‘ aus, ,b e b a 11 e n b‘ im ,bamals‘, unb ,g e g e n w ä r t i g e n b‘ im ,jet$t‘. 3cbcs ,bann‘ ift aber als f 0 1 =

d) e s ein ,bann, wann .. jebes ,bamals‘ ein ,bamals, als . . .‘, jebes jefct* ein jeftt, b a . . f). nennt biefe febeinbar felbftncrftänblicbe 23e=

3 iebbarfcit bes »jeftt*, ,bamals‘, ,bann‘ bie ,© a t i e r b a r f e i t‘ (wobei wir noch nicht an ben Kalenber 3 U benfen höben). ©iefe ©atierbarfeit aber ift „ber 2 Biberfcbcin ber efftatifeben Verfaffung ber Seitlicbfeit unb besbcilb für bic ausgefproebene Seit fclbft wefenbaft" (408). „3>as aus=

Iegenbe 2 Iusfprecbcn bes »jeftt*, ,bann‘ unb ,bamals‘ ift bie urfprünglid)fte Seitangabe." 3ebcs, fjefct‘, ,bann‘, (bamals‘ (natürlich noch bcut=

lieber jebes ,wäbrcnb‘) b cit mit feiner ©atierbarfeit auch je eine „©e=

fpanntbeit" t>on wccbfclnbcr ©pannweite: ,jcftt‘: 3 . 25. in ber ^aufe, beim Sffen, am 2 Ibenb, im 6 ommer; ,bann‘: beim grübftüd, im 2 Iltcr

u. bgl. 2)as ©afein fann ficb nur „Seit nehmen" unb „Seit oerlteren", weil ihm als „efftatifcb"erftrcdter Seitlicbfeit (mit ber barin grünbenben

„(£rfd)loffenbeit") „S e it" befd)ieben ift (410), weil es „ 3 eitigenb" ift.

6 ofcrn nun bas alltägliche 23cforgcn ficb im SDZitfcin mit anberen aus ber beforgten „ 2 Belt" her oerftebt, fennt es bie „S e it", bie cs fid) nimmt, nicht als bie f e i n e , fonbern als eine, bie „e s gibt", mit ber

„m a n" rechnet. 3nfofern ift ihm bic Seit etwas „6 f f e n 11 i d) e s".

„SKan richtet ficb n a d> i h r , fo baß fic irgenbwie für jebermann oor=

finblicb fein muß" (411). ®iefc „öffentlid>e Seit" erweift ficb als b ic

3 eit, „in ber" innerweltlid) Subönbcnes unb Vorbanbcnes begegnet. Ss ift barum „ 3 nner 3 eitigcs" 3 U nennen.

®as 25eforgen braucht £>elligfcit 3 um ©eben; es macht barum t>on bem

„ 3 ubanbenfein" ber 6 onnc ©ebraud). ©enn, wenn fie aufgebt, ift cs

3 e i t 3 u . . . ®ie 6 onne batiert fo bie im 23cforgen ausgelcgtc Seit.

(17)

6 e i n unb S e i t 227

„2Ius biefer Datierung errt>äcf>ft bas .natürlicbfte* Seitmafe, ber Tag" (413).

2 lud) bte Einteilung bes Tages Doll 3 iebt fid) mit Nüdficbt auf bie wan=

bernbe ©onne: 2Iufgang, SKittag, Niebergang finb ausgeaeiebnete

„ty l ä'fee". Siefc „öffentliche" Satierung rechnet mit ber ßeit im ©inne einer Seitmeffung, fie bebarf fonach eines Seitmeffers, einer Uhr. Eine

„U h r " ift ein „Subanbenes, bas in feiner regelmäßigen 3Bieberfebr im gewärtigenben ©egenwärtigen zugänglich geworben ift". S ie banb=

lieberen „fünftlichen" Uhren werben auf jene „natürliche" (ben ©onnen=

bereich) „eingeftellt". „S a s mit ber fortfehreitenben Naturentbedung fich ausbilbenbe Verftänbnis ber n a t ü r l i ch e n Uhr gibt bie SInweifung für neue SWöglichfeiten ber Seitmeffung, bie relatit» unabhängig finb Dom Tag unb ber jeweilig ausbrüdlichen £)immelsbeobad)tung" (415). gort=

gefchrittene Kultur Dermag ja auch „bie Nacht 3 um Tag" 3 U machen.

S a s auf bie Uhr fehenbe ©ichricbten nach b e r S e i t ift wefenbaft ein „Ö efcM ag en " (416); 3 . “33. „3e^t ift es Seit 3 U . . . " 3n ber 3eit=

meffung Doll 3 ieht fich eine „Veröffentlichung" (ein 3 U allgemeinem ©e=

brauch Suricbten) ber Seit, bergemäfe biefe jeweils unb jeberseit für jebermann als „jefet unb je^t unb jefet" begegnet. „Siefe »allgemeine* an ben Uhren augängltcbc 3eit wirb fo gleichfam wie eine D o r b a n b e n e 3 e ft t m a n n i g f a l t i g f e i t Dorgefunben, ohne bafe bte Seitmeffung thematifd) auf bie Seit als folcbe gerichtet ift" (417). Sam it haben wir erft bas, was man gemeinhin „ b i e S e i t" nennt, „in ber" bas „inner=

weltlich ©eienbe" begegnet. 2 Btr fönnen fie auch barum „? ö e 1 1 3 e i t"

nennen, ©ie ift nicht als etwas i n n e r weltlich ©eienbes „Dorbanben", fonbern gehört aur „Sßelt" (414). „ S ie Seit, ,in ber‘ Vorhanbenes fid>

bewegt unb ruht, ift n i d) t ,objeftiD‘, wenn bamit bas ,2In=fich‘=Dorhan=

benfein bes innerweltlich begegnenben ©eienben gemeint ift. 2Iber eben»

fowenig ift bie Seit ,f u b j e f t i d‘, wenn wir barunter bas Vorbanben=

fein unb Vorfommen in einem ,©ubjeft‘ Derftehen." Slnbererfeits gilt:

„bie 2Belt3eit ift .objeftiDer* als jebes mögliche Objett, weil fie als 33e=

bingung ber 9Köglid)fett bes innerweltlid) ©eienben mit ber £rfcf)loffen=

heit Don SBelt je fd>on efftatifcb=bori3ontal ,obji>ierf w irb"; fie „ift aber auch JubjeftiDer* als jebes mögliche ©ubjeft, weil fie im wohlDerftan»

benen ©inne ber ,©orge* als bes ©eins bes faftifcb eyiftierenben ©elbft biefes ©ein erft möglich macht. »Sie Seit* ift weber i m ,©ubjeft* noch i m ,Objeft* D o r b a n b e n , weber ,innen* noch ,aufeen‘, unb fie ,ift*

ber SKöglichfeit felbft (b. h- nach Kant: bas a priori) für biefes »früher*

barftellt" (419).

S a s alltägliche, fich Seit gebenbe „ ‘öeforgen" f i n b e t „bie Seit" am innerweltlich ©eienben. Saher mufe bie Aufhellung bes Dulgären Seit=

^bilofopbie unb £eben. V I. 16

(18)

228 6 e i n unb 3 e i t

begriffs von ber 3nneraettigfeit ausgehen, unb aivar Dom Uhrgebraucb, als bem Verhalten, in bem „m an" ficb ausbrücflich nad) ber 3eit richtet.

® e r Sin n bes Uhrgebrauchs ift ein „©egemvärtigen bes tDanbernben 3eigers, bas — als Verfolgen ber 3eigerftellen — 5 ä h 11. ® ie im Uhr=

gebrauch „offenbare" 3ett ift alfo „bas im gegentvärtigenben, aählenben Verfolg bes iDanbernbcn Seigers fich aeigenbe © e a ä h 11 e" (421).

„©egentDärtigenb" aber ftnb ir>ir offen für bas „grüher", als bas „3et3t=

nicht=mehr" unb für bas „S p ä te r" als bas „3ekt=noch=mcbt". S o be=

tüä'hrt fich bie Seitbefinition bes Slriftoteles: „bas nämlich ift bie 3eit, bas ©eaählte an ber im öoriaont bes grüher unb Später begegnenben Bewegung".

® a s ©eaählte ftnb bie „Oeftt", bie fich jetDeils als „fogleich=nicht=me()r"

unb „eben=noch=nicht" aeigen. S . nennt bie fo im Uhrgebrauch „geficb=

tete" ?öeltaeit bie „3eftt=3eit" (422). Nunmehr tDirb verftänblich, warum fich für bas D u l g ä r e 3 e t v e r f t ä n b n i s bie 3 eit als eine golge Don ftänbig „vorhanbenen", augleicb oergehenben unb anfommenben

„3ct}t" barftellt. „ S ie Seit wirb als ein Stacheinanber verftanben, als ,glufe‘ bes 3et$t, als ,2auf ber 3eit" (422).

2 ßie verhält fich bie Seit bes v u l g ä r e n Seitbegriffs au ber (früher aufgerviefenen) „5B e 11 a e i t"? Stefer letzteren ift tvefentlich bie „ ® a =

t i e r b a r f e i t", b. h- ihr „Seftt" ift ivefenhaft „ 3 et 3 t=ba". 3>a ferner bas im Beforgen verftanbene batierbare Seftt je ein geeignetes ober ungeeignetes ift, fo gehört aur 2B e 1 1 a e i t bie „ B e b e u t f o m ! e i t".

3n ber v u l g ä r e n Auslegung ber Seit fehlt „Satierbarfeit" tvie

„Bebeutfamfeit"; richtiger: fie finb barin „verbeeft", „nivelliert". Die Sharafteriftif ber (vulgären) Seit als eines puren 9lacbeinanber läftt beibes n i ch t „aum Vorfchcin fommen" (422). Sugleich tvirb vulgär bie

3 et 3 t=golge als ein irgenbtvie „Vorhanbcnes" aufgefa&t unb felbft „in bie Seit" gerüdt. Unb ba fich in ber golge als folcher grunbfäftlich fein Slnfang unb fein (£nbe finben läßt, ivirb bie 3 eit als „unenblich" gefafet, b. h- als nach beiben Seiten hin enblos. ®iefe Sluffaffung ift nur mög­

lich „auf ©runb ber Orientierung an einem freifebtvebenben 2ln=fich eines ,vorhanbenen* 3 et 5 t= 2 Iblaufs". „Saraus, bafe b i e f e s au Snbe

$ e n f e n ber 3 eit je immer noch 3 eit b e n f e n muf e, folgert man, bie 3eit (an fich) f e i unenblich" (424).

S e r v u l g ä r e 3 eitbegriff entfpringt unb entfpricht bem „alltäglich*

verfallenben Safeins, beffen Safeinsverftänbnis ja von bem „SWan" ge=

leitet ift. ,/Das 3Ran ftirbt nie, tveil es nicht fterben f a n n , fofern ber Jo b je meiner ift unb eigentlich nur in ber vorlaufenben Sntfchloffenheit eyiftenaiell verftanben tvirb. S a s SKan, bas nie ftirbt unb unfer fSein aum Snbe‘ mif 3 verfteht, gibt gleichwohl ber glucht vor bem Jobe eine

charafteriftifche Auslegung: B is aum Snbe ,hat es immer noch 3eit‘.

(19)

6 e t n unb 3 c i t 229

£>\c befunbet fid) ein „geit-faben* im Sinne bes ^Berlierenfcmnens: ,jet}t crft noch bas, bann bas, unb nur nod) bas unb bann . . . £>ier wirb nicht etwa bie (Snblichfeit ber oerftanben, fonbern umgefehrt bas s23efor=

gen gebt barauf aus, Don ber Seit, bie nod) fommt unb ,weitergel)t‘, mög=

iid)ft oiel au erraffen. ®ie ift öffentlich etwas, was fid) jeber nimmt unb nehmen fann. Die nivellierte 3efctfolge bleibt völlig unlenntlid) be=

3 Üglicb ihrer f)erfunft aus ber (urfprünglichen) 3 ^itlid)feit bes einzelnen 3)afeins im alltäglichen SWiteinanber. 3Bas foll bas auch ,bie im minbeften in ihrem ©ang berühren, wenn ein ,in ber $dV oorhanbener SWenfd) nicht mehr eyiftiert? ®te Seit geht weiter, wie fie bod) auch

fchon ,war‘, als ein SSJtenfd) ,ins Seben trat*. SOtan fennt nur bie öffentliche 3 eit, bie, nivelliert, jebermann unb b. b- niemanbem gehört."

greilich, bie „u r f p r ü n g l i d) e" 3 eitlid)feit, in ber fich bie ^öeltjeit

„ 3 eitigt", ift bei aller s23erbedung bod) n i c h t v ö l l i g v e r f c h l o f f e n .

®as oerrät fich 3 . SB . barin, bafe man n u r fagt: „bie 0 e r g e h t.

3m öinblict auf bie reine 3et$tfolge bes vulgären S^^öegriffs fonnte man bod) mit bemfelben Necht fagen: bie e n t f t e h t . Aber man fagt es nicht! Auch bie Nebcwenbung, bafe bie Seit ,fid) nicht halten läßt*, verrät bod> ein verborgenes öaltenwollen. 3n beiben, wie in ber 5Jebe von ber 5tid)tumfehrbarfeit ber 3 eit verrät fich bas 'JBiffen um ben lo b unb bamit um bie E n b l i c b f e i t ber 3 ufunft bes ©afeins."

33ci allebem hat aber bie o u l g ä r e 3eitvorftellung ihr natürliches 9ted)t. „S ie gehört aur alltäglichen ©einsart bes Däferns unb au bem aunächft herrfchenben Seinsverftänbnis. Daher wirb auch 3 unäd>ft unb aumeift bie © e f d) i d) t e öffentlich als i n n e r a e i t i g e s ©efchehen oerftanben" (426). greilich barf biefes oulgäre 3eitverftänbnis nicht be=

anfpruchen, ben „wahren" begriff ber 3eit 3 u vermitteln. Daau mufo man auf bie u r f p r ü n g l i c h e 3^itücbfeit bes Dafeins unb bie au ihr gehörige „ s®eltaeit" aurüdgehen.

© i ef e „ u r f p r ü n g l i c h e " 3 ^ i t l i c h f e i t h a t fich u n s a l s

© r u n b l a g e b e r „ S o r g e " u n b b a m i t b e s „3) a f e i n s " e n t ­ h ü l l t. 9tun follte aber bie §erausarbeitung bes Seins bes Däferns nur ein ?ßeg fein au bem 3iel, ben Sinn bes S e i n s ü b e r h a u p t au erfennen. Das 3iel ift n 0 cb n i d) t erreicht1). S o fd)liefet §>. ben I. 33anb feines ‘ffierfcs mit ben gragen: „gührt ein 'Jßeg von ber ur=

fprünglichen 3 e i t aum Sinn bes S e i n s ? Offenbart fich bie 3 * i * felbft als S>oriaont bes S e i n 5 ? (438).

*) 3d) möchte bezweifeln, ob mir biefem gicl überhaupt näbergefommen finb. Denn ber gan^e ©ebanfengang £>’s. [d>eint mir au betätigen, toas icf) fd)on in ber 3Jnmerfung au

£>. 1, 6 . 19, anbeutete: Die — an fid) [o überaus toerto ollen — Darlegungen über bas Dafein, [eine „(ErfcblofTenbcit", [eine „^efinblicbfeit", [ein „33erfteben", [ein „eigentliches"

unb „uneigentlicbes" 6 ein ufto. finb ^Introorten auf bie grage: 5 ö a s ift D a[ein?

roelcbes ift [ein ‘Jßefen (essentia) im ilnter[cf)ieb oon allem „blofe 33orbanbenem"?

16*

(20)

230 33on ber 3 n f e l ber V e r b o r g e n h e i t

33on ber Onjel ber Verborgenheit

Von ^Paula-SDteffer-^lofc

$ie 3Belt ift grofe. Ober ift bie 2Belt Hein? 3ch weife es nicht benn id) liege abfeits von grob unb Hein, verborgen im Shrenf-elb unter Slaftanienfchatten. Sin fchmal verftedt ‘’Pfäblein führt hierher, mitten burchs hohe Slorn, fo fchwer au ftnben, fo fchmal unb eng, wie alle 2Bege, bie aur Seligfeit führen, gort von allem unb au fich felber.

3Benn ich einbiege in ben fleinen ‘’Pfab, ift’s jebesmal wie ein Sntfchlufe unb 2Bille au mir felber. Sorgfam fefe’ ich gufe vox gufe, um bie frnlme nicht au treten, liebenb ftreif id) bie $h*en im Vorübergehen, wie bas blonbe f)aar meines fleinen, fpielenben, noch unbewufeten ‘Srubers.

®ann plöfelich fteht bas fchmale ^fäblein ftill, breitet bie Arme aus, bafe es au einem runben, grünen SBiefenfled fich weitet unb fagt leife:

bleib hier! 2Xud> ber junge Slaftanienbaum flüftert: bleib hier! Unb bas 33änflein barunter, es tragt mich mit ©efang unb bittet: bleib hier!

S o bleib* ich hier. 2öenn ich auf ber 53anf fi^e, fehen noch blaue, ferne 33erge au mir herein; wenn id) aber im ©rafe liege, umfchlieften mich bie £alme beffer als eine SOiauer. 9tid)ts ift mehr um mich als

©lut unb Schweigen. 21 h, ©lut ift aud) in mir, Schweigen unb blaue gerne! 3d> verfinfe in mich felber unb in bas grofee Staffel: SRenfch fein. 3Ran bedt es täglich au mit Sfr beit unb ©ewohnheit, man tut heimijeh unb au f)aufe; aber ein Nichts fann es aufweden, ein 2 Bort, ein Jo n , eine Stille. Ober eine Sommerftunbe wie biefe; in ber man boch auallererft nichts anberes wollte, als ruhevoll geborgen fein; als wieber einmal aurüdfehren aum Anfang, ba nichts war benn f)immel unb £rbe.

Selbft bie ßrbe fcheint aufgelöft in wogenbe f>alme unb in ber Blumen Atemholen. Aber jenes Sichretten ins ruhevoll Anfängliche, jenes Unter»

tauchen ins id)los gliefeenbe vermag uns SOienfchen von heute fein 3u=

ftanb mehr au fein, höchftens eine Sehnfucht unb ein Augenblid. Unb würbe bies Allfein auch nur weggebrängt von bem ©ebanfen: wie fchön ift bies! ©eniefeenb ber Schönheit, gleiten wir aurüd ins 3ch. greiltcb, immer noch uns fchwebenb haltenb atvifchen A ll unb 3ch, a^ifchen Sein unb Anbersfein. Schönheit fühlen ift Ausruhen vom 3ch, wenn auch fein ßosgelöftfein unb Vergeffen. 3Belt= unb Sd)önhcit=offen lieg’ ich hier unb lebe. 3Belt unb Schönheit liebenb lieg’ id) hier. 2Bie fchön ift bies!

SERit ben Halmen wiegt fich meine Seele vom f>ell ins Sunfle, vom

(Es f>anbelt fid> alfo um bas eigenartige SBefen ber „^erfon" (benn „$>afem" ift perlon-fein!) im Untcrfcf>icb oon ber „ 6 acf)e".

2 Ran fann aber bei allen biefen 5öefensbeftimmungen bie grage nad) bem „ 6 ein"

(im 6 inne bes toirfltd)- ober real= 6 eins ober bes ibeal- ober blofe gebad)t« 6 eins)

„einflammern". Oft bies richtig, fo ergibt ficf> baraus, baß ber 6 inn oon „ 6 ein" bis­

her eine Klärung nicf>t erfahren f>at. [$ . |>g.]

Cytaty

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‘’Pfpchologie, b.. f)icr haben tr&gt;ir vielleicht ben ftärfften © egenfatj milieu=.. ®ie geiftige 2lufgcfd)loffenbeit ift eine erfreuliche Grfcbeinung für jeben

niger ber geifttgen (Einheit aller gorfebung, im Säger ber ©eiftesroiffen- fchaften eine fehr abfällige SJleinung über bie f&gt;etlfunbe ausgebilbet, bie für bie

gablreichc Spfteme ringen heute in ber ^äbagogif um ©eltung unb $(nerfcnnung. 5luch in ihnen fpiegcln fid) ©egenfäfte unb Sclatioicrungcn wiber, fo baß fic ein

Die Verlorenheit ber ©eiftlofigfeit ift bas (fntfefelichfte oon allem; bas ilnglücf ift eben, bafe bie ©eiftlofigfeit ein Verhältnis zum ©efefc hat; unb biefes

fiße ich einen feltfamen finnlichen Realismus feinfter 2 Irt. 3ch empfinbe beim SInblid eines herrlichen Sonnenuntergangs, einer lieblichen ^flanae, einer reiaenben

SBäre bies — auf eine, an unferer (Srlebnisfähigfeit gemeffen, große 3 ahl Don ßreigniffen be3ogen — n i ch t ber galt, fo müßte uns bies erft recht als

fach als naturnottoenbig hinnebmen müffen. Selbftocrftänblid) ift ber ©laube, bafe alle fittlid)cn 3been in ©ott oertoirflicht finb, fittlich äufterft fruchtbar unb

6 tatt nach finnlofen ßeiben werben wir alfo allgemein nach finn- lofen 6 e($ungen negatioer SBcrte fragen. 3lber auch U)tr anberen müffen oerlangen, baß ©ott