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Philosophie und Leben. Jg. 3, H. 8 (1927)

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Academic year: 2022

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(1)

^tlo fo p ^te unö Heben

5. J A H R G A N G + 8. H E F T + A U G U S T 1927

„ 3 m B ü n ß e b e r D o l f e s t t n i j t i t e r ß r c b t u n f e r e 3 c it f d ^ r t f t e in e fach*

H ^ e S lu ö fp r a c ^ e Der ö e rfc & te b e n e n tjo d t a n f c h a u ü ih f n E t d j t u n g c n . “

33efracf)fung<m über ©<f>xcffcrf unfr ©<m&ung

b e s © e n i u s (Fortsetzung des Aufsatzes aus Heft 3 u. 6)

<ßon * * *

3. ßros.

SOtag fein, baß unfere ©egenroart, befangen genug, erotifche Quellen als alleinigen ilrfprung geiftigen 3Berfes anfprid)t. befangen mclleicht ge=

rabe bestoegen, toeil man bie erotifchen Spannungen unb (Entlabungen ohne n>citcres als bas rüefentlid>e unb u>or 3 ÜgIici)c Ereignis überfchäfct, tüäbrenb man in ber geiftigen ßeiftung bie abgeleitete unb notfalls ent=

bebriidjc Siebenfache au fehen geftimmt ift. Safe aber bie glammc bes

©enius nid)t eben über unfragtoürbiger erotifeber Steigung auffprübt, follte man fiel) besroegen nod) ni«J>t üerbeblcn. Unbefangen genug fehen primitive ©tämmc unb frübe Kulturen biefen gefät>rlid)en ©achoerbalt.

SZiemals crfchcinen Süagtcr, SPiebijinmänner, gelbberrn, ©änger unb 33ilbncr — niemals crfchcinen fie ihren ©tämmen, ibren 53ünbcn als 33ätcr bes Golfes. Unter ben Königen finb bie genialen Jprannen unb Ufurpatoren entroeber große fmrcmsbcfifccr unb fo meift gleichgültig gegen bie einzelne grau unb ibr ßiebeslos, meift toabllos in gelegentlicher 5ßallung; ober fie finb gefüblsfalt unb roeibentfrembet, obne bestiegen auf SDtöncbstugenb ju pochen. ‘Selifar unb Sillp berühren aus ocrfcf)ic=

benen ©rünben bas Söeib nicht, ohne baß man »erfudjt märe, fie barum feufcb p nennen. Ohre folbatifchen ??or 3 Üge, bie ©etoobnheit bes unbe=

irrten ‘33licfes, ber unerregten ©chlagfertigfeit oerbanfen fie irgenbroie biefer falten Snthaltfamfeit mit. häufig brä'ngt fich bie ganse Siebesfraft biejer geborenen Krieger unb politifdjen Unternehmer in ein fchier fen=

timentales Ougenbliebeserlebnis; hernach ift biefe Angelegenheit für fie erlebigt. Unbeutlich ift bem fo bei griebrich non Preußen, ausgeprägt bei

<£ecil 9tht>bes unb bem großen Napoleon. 2Ran pergleiche nur bie frühe

^ärtlichfeit ju Oofephine unb bas fpätere „Roustan, une femme!“ Über=

fchmengliche Slusfchweifung ebenfo toie fühle (Enthaltung verbannen not=

roenbig aus bem engen fokalen ©efüge ber ©ippen unb ©tämme. 3 a bet folchen gleichermaßen 33e£>orsugten unb Slusgeftofeenen oergißt fich ?>er=

^bilofopbie unb ßeben. III. 16

(2)

33et r ad) t unge n üb er <Scf)icffa! unb S e n b u n g bcs © e n i u s

funft unb 33lutst>erwanbtfd)aft. 33alb erfdm nen folche geiftigen 33ann=

unb 3 » in g ^ e rre n a ls bämonifchen U rfp ru n g s au s nicbtirbifcben 2lbgrün=

ben, a ls U rheber ih re r felbft, rote fie i^ rcs Sö e rfe s alleinige Urheber fcbcinen. 3 m G reife bcr m agifd)en Sß eltau ffaffu n g braucht bcr au f bämo=

nifchen 9K a d )tg cw in n unb fa sjin icrcn b e U raftau sfp en b u n g gerichtete S M t ftets fow obl afaetifdje tüte lingamifche 9titen. ® e n magi]'d)en 2 ftenfd)cn bünfen alle K r ä ft e biefer E r b e glu tb en , bie fiel) fam m eln unb oerftrömen, bie m an fam m eln unb oerftröm en fann. 2 ßer fid) gefd)led)tlid) enthält, atmet nach biefer M e in u n g bie 3B e lt!r a ft in fid) ein unb fpeid>crt fie. 3 m bionpfifd)en S a itm e l ber 5?pbele!ulte (SDZoloc^=, ‘S a a lf u lt e ) w irb fegnenbe grueb tbarfeit ausgeatm et über bie ß rb e . 2ß ie m an biefe ® in g e aud) beute unb w erte, fooiel ift l)ter helläugig gefeben, bafe ber magtfehe © enius, 2Betfe unb 33efd)W örer, nid)t ber berufene V a t e r ift.

3 n burebaus suocrläffiger SB ü rb ig u n g biefer tragifd>en © d)w icrigfeiten fud)te ber fd)öpferifd)e SÖtenfd) bes 9Ütittelalfers © n fa m fe it im M ofter.

V e rg e b e n s bagegen bie a u flläre rifd je S e fla m a tio n , bafe fo bie führenben

© eifter ber N a tio n i^re 9tad)!om m enfchaft »oren th alten Ratten. S e i t w ann benn w ä re ein © e n iu s bes © e n iu s S o h n , feit w a n n eines © e n iu s S o h n w ieberum © e n iu s ? Slllsufrüf) unb au s 6 d)idfat u n b an fb ar löft fiel) oft genug ber © e n iu s »on feinem (Erzeuger. Sß ie J t a r jif f u s in fein h a » m onifd)es 33ilb o erftarrt, bleibt ber fcböpferifche SSTlcnfd) feiner Sebtage finbbaft. Sßte oermöd)te er fonft aud) fein hohes 6 piel su — fp ielen?

3R an d )cr, bcr t>om intim en Seben bes © e n iu s anberes erfäh rt, als er fid) Don einer fo lg e n „ 2 id )tg eftalt" e rw arte t hatte, w irb geneigt fein, ent=

täufebt fid) ab juw enb en, au oertoerfen, ju richten. S ie fe r ift ber S t u r j , graufam er bie V e rftrid u n g , w ib rig e r bas © e fä n g n is, in bas hohe ©eifter ftürgen; bebrüdenber ift bas alle s, a ls ein Unangefochtener cs oermuten

!a n n . <£s ift aud) nirgenb gefagt, baft über biefen crlcfenen 9Kenfd)en nicht lla r e 9to rm unb 9lid )tfd )W ert fchwebe, aber n iem als oergeffe ber

^Bürger gegenüber ben U nbürgerlichften a lle r, bajj nid)t er hier p m 9iid )te r berufen ift. V e ra n tw o rtlic h ift ber © e n iu s ber 3Beltgefd)id)te, an ber er m itw irft, unb in beren © e w ir f er w ieberum rä tfe lh aft »erftrieft ift.

V e ra n tw o rtlic h ift er ber V o rfe b u n g , tüelc^e alle in ihm feinen Splatj am SBenbepunfte grof 3 en © efd)el)ens am oeift, unb w eld)e alle in weife, w as fie m it ihm w ill, unb w a s er fü r fie bulben foll.

Sille gefd)id)t!id)e E rfa h r u n g jeigt uns im © e n iu s ben afo^ialen 2 Ren=

fchen. Slu fjerh alb ber (Sip pe lebt er in einer V e rb a n n u n g unb hinaus»

gefchleubert au s bcr SDlittc ih rer S ittlid )fe it. Ü b e ra ll fagt cs bie 9tatu r

in ih re r b ru talen , aber im m er aufrid )tigen Sp ra c h e , bafj bies ©efchöpf nicht

gur g a m ilie berufen ift; fie tan n nicht »erh in b ern , bafj ber © e n iu s fich

w ib e r bies ih r ©efet? empört, aber fie fan n es rächen. “'Phbfiologifd) ift

ber © e n iu s ein 6 nbe, ein ©efchöpf, bas bei feinem Überfchufj an ©rofe=

(3)

^B et r a c ht unge n ü b e t © c ^ i d f a ! unb © e n b u n g bes © e n i u s 223 tjirnrinbe gerabe eben noch geboren werben fann unb gerabe eben fid) am Seben erhalten !ann. 2)iefer fei fein Slnfang, btefer fei ntcfjt 23ater, bas ift ber unbejiDetfelbare 3Mle ber 9tatur. 6 te tann bies ©efetß ihrem oollenbetften Slinbe nicht als ethifche gormel mitgeben, fo brüeft fic fid) anbers aus. 6 ie läfet bie ^tnber bes ©enius entarten unb »erfümmern.

2 ßo ber ©enius toiber ben ^eiligen 6 inn bes ©efchebens S^tnber jeugt, ba geben fic benachteiligt jugrunbe. ®ie ©eld)id)te ift Doll oon 5Sei=

fptelen bafür unb äufeerft arm an ©egenbeifpielen. ©oethes inftinftioe Sbefd>eu ift aus biefem fünfte ju üerfteben, ebenfo tr»ie bas 3unggefellen=

tum faft aller großen ‘’Pbilofophen. Niemals finben wir im erotifchen 2 eben bes ©enius bas SJlafs, immer »on Statur ein 3 uötel ober auch ein 3utoenig. S ie übergroße erotifebe (Erregbarteit Dieter bichterifcper ©enien ift fo befannt, bafe man btefe nicht aufgu^Ien braucht. 2 luch in prtmi=

tioen Kulturen finben wir bie 2 tusfd)tt>eifungen ber baecEjifc^en gefte ge=

rabe für bie 2 lfo 3 ialen unb baneben bas entfagenbe 2 eben ober aud) bie grigibität mancher ©enien. Suriptbes hat ihnen in feinem füppolptos*

brama ©eftalt gegeben, ©riliparjer, Sillr», (£ecit 3ihobcs, grtebrid) 91ieöfd)e gehören I)icrl>cr. 5)te Statur oerroirrt bem ©enius bie 3Trieb=

ficherheit unb bies nicht ohne 6 inn. (£r mufe ben guf$ an bie ©renje ber SRenfchlichfeit fet 3 en fönnen, er barf nicht in bie f)erb= unb f)eimintereffen ber ©ippenhaftigteit oerwidelt fein. Sßie ftünbe er bem allen fonft als ber gclaffene ©piegel ber Sßelt ungerührt unb unerfchüttert gegenüber?

®amtt er fd>auen !önne, was SSftenfchenwefen fei, muß er peinooll 3101 = {eben ben ©efchlechtern fchtoeben. 2 lud) bem männlichften ©enius fehlt irgenb etroas jum ganjen 9Jlanne. ©elbft bie ©eratenften leiben barunter fchmerslteh. £s ift tein 3 ufall, bafe ©ophofles nur in grauenrollen auf=

treten fonnte. SBollte bie 9^atur ben ©enius fchaffen, fo mußte fie ben Son toeicher nehmen, als bem Spanne gut ift; benn ber ©enius ift ber empfangenbe unb ber gebärenbe ©eift. ©esmegen roenben fid> bie 3n=

fünfte bes gefunben unb lebenstüchtigen SBeibes melleicht trot} fcheuer 53etr>unberung jebergeit oom ©enius ab. Ss finb nur romantifch oer=

ftimmte, überfpannt inftinftunfichere grauen, bie ben ©enius begehren;

bas gefunbe Sßeib roill ben 33ater ihrer Jlinber. Ober es finb jene 6 piel=

äeuge bes Sehens, jene hüflofen unb harmlofen unb etwas unterbegabten {leinen Stäbchen, bie mir 31 t unferem Srftaunen fo oft in ber intimen

©emetnfehaft mit bem ©enius finben; fiehe bie römtfehen (Elegien unb bas oenetianifdie Jagebuch. Ss ift babei noch ber günftige galt, roenn es bei btefer Jriebunficherheit unb STriebserfplitterung fein ‘Betoenben hot;

es ift bann nur fornel ertoiefen, bajj ber ©enius nicht einem einzelnen

3öeibe, fonbern ber SÖtenfchbeit angehört. (Es ift ihm eben oerboten fict)

3 U oerfchenfen, unb aud) in feiner milbeften 2 eibenfd)aftlid)feit oerfchenft

er fid) nicht, ©eine Siebe ift eben bie fauftifche, ift toas ewig rei 3 t unb nie

(4)

224 ^Betrachtungen übet ©djidiat unb 6enbung bes ©enius

erfüllt, xft was ewig erregt unb nie beruhigt, fo baß er »on ‘33cgterbc 3 um ©enuß taumelt unb im ©enuß nad) ber 33egierbe »erfchmachtet.

®ie noch beutltdjere unb brutalere ©tilifierung ihres ©ebotes, btefer fei fein 33ater, »ollbringt bie Statur, wo fie bte STricbe bes genialen SÖlenfchen »erfehrt. SOtan tann es fid) unmöglich »erbergen, unb es ift aud) gar fein 3 ufall, baß mit bie allergrößten ©enien homofcpclle Stieb- richtung feigen: Stonarbo, SOiichclangelo, ©hafcfpeare. 3Ran tönnte bie Sifte leicht t>crlängern. (£s ift nur beutfchbürgerliche Staioität, wenn man bas, was bie ©onette ©hafefpeares hier enthüllen, für ©pielerci nimmt;

ba^u ift ©hafcfpeare Diel 3 U ernft, 3 U aufrichtig unb 3 U tief, nod) ba, iuo er burd) bie bunfeln STälcr wanbclt. ilrtb gäbe es aud) feine 23riefe 2io=

narbos unb SÖtichelangelos, fo würben bod) bie »telen »on Stonarbo ge­

malten unb fixierten 3 t»ifd)cnftufcn ebenfooicl bewetfen tote bte ©uir=

lanbe leibcnfdiaftlidjer Knaben, wcld)c bte ©iftina bcfortcrcn. Übcrbtes finbet in ben feltenen gälten, too ber gunfe bes ©enius in ein weibliches

©efd)öpf einfd)lägt, genau bas (Entfprcchcnbc ftatt. ©appbo unb bie Ies=

bifchc Siebe, cs ift ein flaffifd)cr 3 ufammcnhang; unb warum ‘■ßhaon bie SDlelitta »orsieht, ift nach allebem aud) fein großes 9tätfel. (Es ift genau berfelbe ©runb, aus bem bte 2 tcbesmün}d)c ber Sroffc unerfüllt bleiben, obgleich fie in größerer ^Befangenheit unb ©chwächc ftd) über ihre eigene 2 lnlage »ielleid)t nicht burd)aus flar geworben ift. ®er ©enius ift eben ein ßnbe, unb bte Statur läßt barüber feinen 3 t»etfel, baß fie t'bn für ihre 3 t»ede nicht brauchen will unb f» 3 ufagen wegtoirft. ©erabe fo wirb er erft in feine ©enbung btneingeswungen, über beren ©tnn man nichts Don ber Statur unb alles »on ber Sultur erfahren fattn. ©elbft biejenigen unter ben ©enien, benen ein (£harisma alles bies 3 um ©egen wenbet, finb barum nid)t entbunben gewefen »on ben Anfechtungen unb 33er=

3 Wetflungen ihrer ©djmersensnächte. ©erabe in ihnen wirb aber bas große unb mitleiboolle 33erftänbnis für Sftenfdjennot unb SIRenfchengrößc geboren, aus bem bas 9Bcrf bes ©enius cmporwäd)ft.

2 lllein in btefen 5ßerfen seigt ftch ber ©tnn ber genialen Stot unb ber

genialen ^Bezweiflung. SOtan muß afostal fein, um in ber Sinfamfeit

aushalten 3 U fönnen, in ber allein ber originale ©ebanfe crwächft. SDtan

muf 3 bem Ontereffe »on 6 tn 3 elmenfd)en entriffen fein, um im 3ntereffe

ber 3Renfd)heit 3 U arbeiten; man muß 3 um äußerften abgefühlt fein,

wenn man 3 ur 3Rad)t btefer (Erbe berufen ift; man barf nicht gan 3 3Rann

ober gan 3 SBeib fein, wenn man burchfchauen will, wo ber SHtenfcf) im

SJtanne unb wo ber SDtcnfd) im ‘Jßcibe anfängt, gemtnin muß ber ©enius

geartet fein; benn er muß feiner Obee ftill halten, bie ihn überwältigt

unb in ihm 3 U wachfen begehrt wie ein (Empfangenes. 2 Inbcrs als ein

SOtann muß ber ©enius hingegeben fein an bie ©tunben feiner Sräumerei,

in benen allerhanb buntes ‘33eiwcrf fich um feinen ©runbeinfall ranft;

(5)

K ö r p e r unb g e e i t 225 gebären muß 5er ©enius fein SBerf unb nidjt fonftruieren; es fommt ja barauf an, baß bas grembe unb 3kue, bie 6 d)önheit unb nicht bic 3öilt=

für, bie Sßafyrjjeit unb ntd)t bie Meinung an bas 2 td)t trete, ©einem

‘JBerfe gegenüber ift jeber ©enius, aud) ber itberfc^äumenbfte unb 2 eid)t=

finnigfte, auf bas äußerfte ernft, forgfam unb aufopferungsbereit; es hilft ihm nichts, er muß bie 3Tugenben einer SRutter, nicht eines 33aters üben,

©ie geiftige ©eburt unb bie p^pfifdje Beugung »ertragen fid) nid>t in einem Organismus miteinanber, fo wenig wie 6 appho, bie ©ebid)te empfängt, Slinber jur 3öelt bringen !ann. Ss ift alfo bas $ßerf, it>elcf)es ben ©enius »erftört unb gerrüttet, bas ?öerf, um beffentwillen ihm »ieles vergeben werben fann. ® a s Sffierf ift feine hohe unb reine Siebe, unb

»er Diel geliebt hat, bem fann aud) mel »ergeben werben.

Körper unb ©cete

35on 2 5 e r n f ) o r b 3 3 ac|

®ie 91aturwiffenfd)aft fetjt ihren ß^rgeta barein, alle äußeren 33or=

gänge in ber SBelt aus äußeren, förperltchen ürfachen ju erflären. ®ie ganje Jlörperwelt foll als ein in fid) gefd)loffener 3 ufammenhang non Urfad)en unb Sßirfungen erwiefen werben, in ben feine frembe, natur=

roiffenfdjaftlicher Srforfcbung unäugänglicbe ürfache Ijereintoirft. ©er ge=

iDötinlid)en, öorwiffenfcbaftlicbcn ^Betrachtung fdjeint es aber felbft»er=

ftänblid), baß ber menfchlid)e 3Bilte, ber als fold)er ber naturwiffenfd)aft=

liehen 33etrad;4ung nicht erreichbar ift, bic menfd)lid)en öanblungen, bas finb ßreigniffe ber ^örperwelt, beftimmt. 6 oll alfo ber 3 ufammenbang ber 9tatururfad)en nicht burchbrodjen werben burd) ben aus einem fd)einbar anberen 3\eicf) bes 6 eins bereinwirfenben menfcf)lid)cn s 2 öillen, jo muß biefer felbft naturwiffenfc^aftlid) als bloße (£rfd)cinungsform in 5Bal>rbeit förperlicher Urfachen begriffen werben, ©er SSRaterialift fagt alfo, nicht ber ‘ 2 ßille beftimme im 6 tnnc ber 9Iaturwiffenfd)aft bic §)anb=

lung, fonbern rein förperlid) feftftellbare unb nach förperltchen ürfachen erflärbare ©ebirnoorgänge feien es, unb ber 'äßille fei lebiglid) unwefent=

liebe 33egleiterfd)einung, ©piegelung ober was immer fonft ber förper=

lid)en Vorgänge, {ebenfalls feine für bie naturwiffenfchaftliche Srflärung in 'Setracbt fommenbe Straft.

T>amit ift bas ©eelifcbe junäcf>ft beifeitcgefd)afft. Slber befriebigt fann fid> ber SERcnfd) bamit unmögltd) fühlen. S r muß fid) in bie ßd'e gebrüdt, feiner Äraft beraubt fdjeinen unb weiß nicht recht mehr, was er mit fid) felbft anfangen foll. ®enn wenn er es recht betrachtet, ift bod) immer fein 3Btlle bas, worin fein 3d> lebt. S ie oon ber S^aturwiffenfchaft feft=

geteilten ©ehirnporgänge finb feinem Och »öllig fremb unb er »erfteht

(6)

226 K ö r p e r u n b S e e l e

feine f>anblungen nicht mehr, wenn er fie als Solge ber 2 ltomoerbin=

bungen ftatt als bie gclge feines Sßillens anfehen muß. S e r britte 33e=

obachter mag pielleicht bie äußeren fmnblungen 5 U »erftehen hoffen, fo=

lange er glaubt, bie lücfenlofe kette bes förperlichen ©efchehens 3 U |in=

ben. S r »erftetjt aber bann bie £atfad)en bes ‘Jßillens, überhaupt bes 23ewußtfeins nicht mehr, weil fie ganj außerhalb feiner kette r>on Ur=

fachen unb 2 ötr!ungen liegen. S r muß bas ©eelifche als 2 atfad)e he­

fteten laffen, !ann aber in feinem 3öettbilb nichts rechtes barmt anfangen.

S a s ©eelifche barf ihm nicht Urfache bes körperlichen fein. 2llfo auch nicht Söirfung. Senn wenn förperlid>e llrfachen außerhalb ber körper=

weit wirfen tonnten, wäre ber naturwiffenfchaftlicbc ©runbfaß, nur in ber körperwelt fclbft bie kette alter ihrer urfächlid)en ^ufammenhänge 3 U fuchen, pon einer ©eite burchbrochen unb es gäbe feinen ©runb mehr, ihn auf ber anbern ©eite 3 U halten. S a ß bas ©eelifche regelmäßige 33e*

gleiterfcheinung gewiffer förperlicher Vorgänge ift, ift aber nicht ju leug=

nen. ©oll biefer 3 ufammenhang fein urfächlid)er fein, fo fteht bas ©ee- lifche unoerbunben, gteid)fam jufällig neben bem körperlichen. Ss hat audh unter fid) feine in fich fclbft oerftänbliche ‘Schiebung.

©er ^arallelismus fucht biefem SKangel wenigstens jurn 3Teil ab 3 U=

helfen. Ohne bie Hauptfrage nad) ber 2lrt bes Sufammcnhangs non körperlidjem unb ©eiftigem ju beantworten, nimmt er ihn einfach als gegeben hin. S r fucht aber glaubhaft au machen, baß bas uns bewußte

©eelifche nur einen STcil eines in ganj gleicher 2 lrt wie bie körperweit gefchloffenen Sufammenhangs pon Urfachen unb Sßirfungen barftelle, bie neben ben förperlichcn hergingen. S r erflärt, baß feelifche Vorgänge nicht nur ben förperlid)en Vorgängen bes ©ehirns entfpredjen, fonbern baß alle förperlichen Vorgänge oon bewußten ober unbewußten feelifdjen Vorgängen begleitet werben. 2 llles förperliche ©ein fdjeint ihm bcjeelt, altes ©eelifche oerförpert. Sen förperlidjen 5Birfungen entfprechen för=

perliche llrfachen, ben feelifd)cn feelifdje. 3öo wir bie feelifdjen Urfachen ober 3ßirfungen feelifcher Vorgänge nicht fehen, finb fie eben unbewußt.

S ie 9ieibe bes förperlichen unb feelifchen ©efchehens läuft in gleich*

geformter kette nebeneinanber her, jebes in fich aus feinen eigenen ©e=

feßen erflärbar. S ie 9taturwiffenfd)aft fann alfo pom ©eiftigen abfehen, bie ©eifteswiffenfehaft braucht fid) um bie ©ehtrntoorgänge nicht 3 U füm=

mern bie bas feelifdje Sehen begleiten. 3ebc ‘ 2 öiffcnfd)aft befd>ränft fich auf ben ihr eigentümlichen 2 Inblid ber Singe.

Siefe Sehre oom gletd)förmigen Stebeneinanberherlaufen geiftiger unb förperlicher Vorgänge, ber fog. ^arallelismus, münbet aber notwenbig in ben 3Konismus, b. h- bie Sehre, baß ©eiftiges unb körperliches im

©runb ein unb basfelbe fei, nur oon oerfchiebenen ©tanbpunften aus

gefehen. Senn eines fonnte bet ber angenommenen Soppelheit ber 33or=

(7)

K ö r p e r u n & S c e l e 227 gänge nic£)t erflärt »erben: 2 öie otjne eine 3öed)felwirfung überhaupt ein Sewufotfein »on 5en förperlicben Vorgängen füllte entfielen fönnen.

S a s 33 ewuf 3 tfein forperlicljer Vorgänge gewinnen mir in ber cJöabrneb=

mung. S ie Smpfinbung, welche 3 ur 5öabrnebmung gehört, ift nacf) bem ^Parallelismus oerurfacbt burd) geiftige Vorgänge ober ©egenftänbe.

6 ie felbft ift ein geiftiger Vorgang. (Sb ift alfo fcbleierbaft, wie aus ibr bie Erfenntnis eines nid)t geiftigen Vorgangs gewonnen werben foll, ber bem geiftigen Vorgang gleicbläuft, tt>eld?er bic Empfinbung t>erurfad)t bat. Es tonnte bod) J>öd)ftens oermöge bes 6 d>Iuffes »on ber ‘Jßirfung auf bie Urfad)e jene geiftige Urfacbe felbft als ber ©egenftanb erfd)loffen werben, ben wir wabrnebmen. Söären Stoff unb ©eift nid)t basfelbe, fonbern liefen fie immer in reinlicher Srennung nebeneinanber ber, fo wäre gar nid>t einjufeben, was uns oeranlaffen fönnte, bas 53orbanben=

fein einer förperlic±>en 5ßelt neben ber geiftigen überhaupt ansunebmen.

3Benn unfere Empftnbungen beroorgerufen finb burd) fcclifcbe Urfacben, fo fann man it>r 2luftaud)en unb 55erfd)toinben fotoie ibren inneren fammenbang »ollfommen aus biefen feelifcben Urfacben erflären, es be=

ftebt fein 33ebürfnis mebr, fie als Söabrnebmung einer oon unferem 53e=

roufetfeinsinbalt wefenbaft oerfd)iebenen förperlicbcn SBelt 3 u betrachten.

3nbcm jeber urfäd>lid?e Sufamenbang bes förpcriicben unb feelifcben Greifes gclöft wirb, fällt ber fog. forperltcbe Sreis ab unb ins Seere.

Ser ‘Bewujjtfeinsinbalt, ber nur oon feelifcben Urfacben beftimmt wirb, ift eben baburd) nichts anberes als bie mittelbare ‘Sßabrnebmung biefer feelifcben Urfacben. S ie feelifcben Urfacben finb bie Singe an ficb, bic tjinter ben förperlicbcn Erlernungen fteben. S ie förperlicbcn ErfcbeN nungen finb nur 23ilber, bie bureb bie aufeerbewuftten Vorgänge in uns erzeugt toerben. Etwas weiteres brauet es 3 U ibrer Erflärung nid)t, unb bie Slnnabme einer befonberen Hörperwelt neben ber geiftigen wirb baburd) gan 3 finnlos. S e r fo oerftanbene Monismus fennt alfo nur eine einige ?lrt wirflicber 3öefenbeit, bie wir im ^ewufetfein felbft in ibrer eigenen Statur als feelifcben Vorgang erfennen, bie uns aber, fofern wir fie nur mittelbar, aus ibren 3Birfungen in unferem ‘Sewujjtfein fennen=

lernen, als förperltcber Vorgang erfd>eint. Söcil alles förpcrlid), b. b- mittelbar 3Babrgenommene uns nid)t in feiner wahren ©eftalt ficb ^eigt, fo fann es bann fein, baß bas, was unmittelbar als ©ebanfe erlebt wirb, mittelbar im 33tlb eines ©ebirnoorganges angefebaut wirb. Sieje 33er=

fd)iebenbeit ber 3Babrnebmung bei unmittelbarer unb mittelbarer 33e=

obaebtung ruft bann nacb ber SDZeinung bes Monismus bie Säufdjung beroor, als ob bie SBirflicbfeit in jwet ibrem SBefen nad) ooneinanber getrennte 3ßelten, bie feelifebe unb bie förperlicbe jerfalle.

53om 6 tanbpunft bes Sölomsmus aus fann alfo bie naturwiffenfd)aft=

liebe gorberung nacb lüdenlofem Sufammenbang ber ßörperweit nur bie

(8)

228 K ß t p e r u n i) S e e l «

gorm haben, bafj bie ganae S?ette geiftiger Urfachen unb 3Birfungen, uns benen ber Sauf ber SBelt befteht, aud) auf bem SBege ber mittelbaren finnlid)cn ‘Betrachtung p entbeden, bafe altes ©cienbe uns auch irgcnb=

wie finnfätlig bemerfbar 3 U machen fein müffe. ©iefe gorm enthüllt aber fd)on burd) fid) felbft ihre ©d)Wäd)e. ©ie legt bie grage nahe, warum benn alles ©cienbc finnltd) wahrnehmbar fein folle unb »errät, baf 3 es auf biefe grage feine Antwort gibt. Aufjerbem weift fie barauf hin, bajj es überall ba, wo bas Sicht bes Bewufötfeins unmittelbare Beobachtung Oes geiftigen ©eins erlaubt, finnlos wäre, »on ber mittelbaren (Erfor=

febung befferes Berftänbnis ber Borgänge ju erwarten, ©oll im übrigen bie naturroiffenfchaftliche gorberung berechtigt fein, fo ift bie erfte Bor=

ausfefeung, bafe bas, was wir aus unmittelbarer (Erfahrung über bas 3Bcfen ber geiftigen 3 ufammenhänge wiffen, fid) finnlid) überhaupt bar=

ftellen läfet, baf 3 wir bas geiftig (Erfchaute in bem finnlichen B ilb ber

©ehirnoorgänge in feinen wefentlichen Bügen, wenn aud) in entfpre=

chenber Umformung, wieberfinben fönnen. 3ft bas nicht ber gall, fo fönnen wir aud) nicht glauben, baß bte ©inne uns bie wefcntlid)cn fammenhänge bes 3öeltgefchehens reftlos aufbeden fönnten. Unb in ber Tat läfet fid) bas Sinnliche nicht als eine auch nur im 3öefentlid)en enf=

fprcchenbe Sarftellung ber geiftigen 3öelt auffaffen. ©d)on bte gcwöhn=

Iid)en Beziehungen ber ©ebanfen untereinanber Iaffen fid) fchlcchtcrbings nicht irgenbwie mit förperlid)en Borgängen unb Begehungen Dergleichen, ftatt allem anbern foll aber nur e i n e STatfachc bes geiftigen Sehens hier ausgeführt werben, bie beutlid) jeigt, bas ©eiftiges burch ©innliches fid) nicht ausbrüden läfet. (Es ift bie STatfache bes ©elbftbewufjtfeins. ®as Bcwufjtfein, baf$ alles, was ich benfe, fühle unb will, 31 t meinem 3d) gehört, ftellt für ben ganzen Onhalt meines ©eelenlebens einen 9Jlittel=

punft her, ber biefen 3nbalt in eigentümlid)er 2ßeife umfafjt unb cr=

greift, ©as 3cf) ift fein blofeer Begriff, cs wirb als ein fraftooll behen>

fehenbes Sßcfcn erlebt, beffer cs erlebt fid) felbft als fold)es. 5Bir fönnen es freilich nicht beobachten als eine neben ben anbern liegcnöe (Erfchei=

nung unferes Bewufjtfeins, wir fönnen feinen ©egenftanb bes Bewufjt*

feins herausgreifen unb fagen: S)as ift bas 3d). 9Bas wir oon ihm er=

leben, ift gleichfam nur bie Tat, burd) bie wir ben 3nt)alt unferes Be=

wufttfeins uns aneignen unb baburch jufammenfaffen. 3n biefer Tat fpüren wir bie Straft, bie fie bewirft, »on einem einigen SDtittelpunft ausgehen. 5Bir wiffen genau, bafj ber SDlittelpunft ba ift, weil wir ihn in feiner SBirffamfeit erleben. (Es ift nichts »on blojjer Annahme ober

©chlufjfolgerung in bem ©ebanfen, bas 3cf) als Urfprung biefer 2Birf=

famfeit 3 U fefeen, fonbern inbem wir bas (Erlebnis unferer Tat in feinem

eigenen 2Befen befchreiben, formt fid) »on felbft bie Borftellung bes 3 d)

als ber Urfprungfraft. ©0 ift bas 3d) etwas anberes als bie biofee be=

(9)

K ö r p e r u n b S e e l e 229 griffltdje Einheit bes (Erlebens, es ift bas ‘ffiefen, welches bie Einheit be=

wirft. — 2>ies ift bie möglichft genaue 33efd)reibung bes tJdjerlebniffes.

SBolten wir beäweifetn, baß bas, was es uns bebeutet, rechte Erfenntnis geiftiger 2 ßirflid)fett ift, wie füllten wir überhaupt an bie SDlögtichfeit einer Erfenntnis ber geiftigen 3öett glauben? 2Benn bas ftärffte, tieffte, unmittelbarfte Erleben nid)t imftanbe fein foll, uns jur 3öahrbeit ju führen? 2öir behaupten unfer ©ein als 3d) auf ©runb unferes (£rleb=

niffes unb Iaffen uns ntcf)t baburef) ftören, baß bas 2Befen bes 3d) unb fein Verhältnis 311 m 3nbalt unferes < 33cwußtfeins naturwiffenfchaftlichcn Gegriffen unzugänglich ift. ® aß cs naturwiffenfd)aftlicf)en Gegriffen un=

faßbar ift, beroeift nicht, bafe es nicht ba wäre, fonbern nur, baß eben bie 9laturforfd)ung nicht ben @d)lüffel 3 um 33erftänbnis alles (Seins bietet unb baß bie ©egenftänbe ber 9taturwiffenfd)aft nicht bie ganje unb wahre 3ßirflid)feit fein fönnen, baß niefjt bie »olle 3öirftid)feit in ber finnlid) faßbaren “öSett erfetjeint.

2)aß bas Verhältnis bes 3ch 3 um ©eeleninhatt mit bem Verhältnis irgenbmeldier förperlicher Vorgänge ober ©egenftänbe 3 U anbern nicht oerglichen merben !ann, bebarf nur furjer Ausführung. Es ift Unjinn, etwa einen Vorgang, ber fich in einem beftimmten Seil bes ©et)irns ab=

fpielt, für bie förpertid)e Erfcheinung bes 3d)erlebniffes unb biefen Seit bes ©ehirns als ©iß bes 6 elbftbewußtfeins 3 U erflären. ®enn jeber Eör=

perliche Seiloorgang fte£>t als gteichgeorbneter neben allen anbern. (Er bat mit il>nen nichts weiter 3 U tun, als baß er fie nach ben ©efeßen Don ilrfarfje unb ‘Jßirfung beeinflußt. S a s SÖcfcn bes 3d> beftcht aber ge=

rabe bann, baß es nicht neben, fonbern über ben ©egenftänben bes 33e=

wußtfeins fteht, baß es mit ihnen feine 9ieibe bilbet, fonbern fie in fich 3 ur (Einheit aufammenateht, eine tebenbige ©emeinfehaft mit ihnen bilbet,

»ermöge ber es alle in fich aufnimmt unb an alten Seit hat. 9öie fotlte einem förpertichen Seiloorgang eine ähnliche ©teltung anbern Vor=

gängen gegenüber 3 ufommen fönnen?

2lud) bie (Einheit gruppenweife aufammengehörtger Vorgänge unb

©egenftänbe ift nicht basfelbe, was geiftig bas 3ch ift. ® ic (Einheit bes förpertichen Vorgangs wirb erft nom erfennenben 3d) biefem Vorgang beigetegt, fie beruht nicht in ihm fetbft. Das 3ch geftattet erft ben wahr=

genommenen Vorgang 3 ur (Einheit, inbem es ihn als fotchen auffaßt, itnfer ©ehirn insbefonbere ift nicht an fich fetbft notwenbtg eine Einheit, fonbern nur je nad) bem 3 ufältigen ©efid)tspunft, unter bem ich fetbft es betrachte. ®ie äußerlich begriffliche Einheit, bie ich allenfalls bem ©ehirn 3 ufd)reiben fönnte, ift atfo etwas ganj anberes als bie fraftoolte 3öefen=

heit, bie alte Einheit erft bewirft.

2Bem bie aus ber 9tatur bes feetifchen Erlebniffes gefchöpften 53eweis=

grünbe für bie Ein^igartigfeit unb SBefenhaftigfeit bes 3d) nicht genügen,

(10)

230 K ö r p e r unb S e e l e

bem möchte id> bie §rage porlegen, wie er fid) bie 2 atfad)e ertlären will, bajj if)tn nur ein fleiner 2 lusfd>nitt aus ber 5öelt geiftiger ‘5Birftid)feit unmittelbar gegeben ift, nämlid) fein eigenes geiftiges 2 eben, nid)t aber bas ber anbern. S a s ©egebenfein bes eigenen unb bas 9Zid)tgegcbenfein fremben 53ett>ufetfeinsin^alts ift eine 2atfad)e, bie id) o£>ne alles »eitere feftftellen !ann. S a s eine ift für mid) ba, bas anbere nic^t. S e r Unter=

}d)ieb bes ©egebenfetns unb bes 9iid)tgegebenfeins läfet fid) nid)t auf einen ilnterfdjieb ber fad)lid;en ‘23efd?affen^eit bes gegebenenen 23eioufet=

feinsintjalts 3 urüdfüf)ren, aud) nicf)t auf ben Unterfd)ieb feiner 33c=

3 iet)ungen.

9tid)t bie Sigenfcbaften ber ‘Sewujjtfeinsinljaltc ober i£)re 3 ufaminen=

f)änge untereinanber »erben burd) ben begriff bes ©egebenfeins be=

febrieben, fonbern bie s23e3tef)ung berfefbert 311 m erfennenben 3d). Sie Seugner ber ©eele leugnen natürlid), bafj es 33 c 3 ief)ungen ober 'SSewuftt*

feinsinf)alte su einem nid)t unter fie 3 äl)lenben 3d) gäbe. 6 ie »erben aber fd)werlid) leugnen fönnen, bafj bas if)nen felbft im unmittelbaren Erleben anfd)au(id) ©egebene nur ein '23rud)teil alles beffen ift, roas irgenbwie ben Onbalt eines Sewufttfeins überhaupt bilbet. 6 ie baben alfo bie 33erpflid)tung, bie pon ibnen erfannte 23efd)ränfung il)res 23e=

tpufjtfeins 3 U erflären. Surd) etwas, was 3ni)alt biefes 'SScwufetfeins ift, lann aber feine ‘33efd)ränfung nid)t erflärt werben. 3k>m 3d) als bem Sräger bes pcrfönlid)en 'äSewufjtfeins aus ift bie 33efd)ränfung allein begreiflid).

S a s Sluseinanberfallen ber ‘Sewufotfeinswelt in bie ‘Bereiche ber ein 3 clnen ^erfönlicbfeiten ift nid)t etwa felbftoerftänblid). Ss fönnte ge=

rabe fo gut fein, baß bie Satfad)en, bie l)ter bem einen, bort bem anbern bewufet finb, alle 3 ufammen ©egenftanb eines umfaffenben ^Bewujjtfeins wären, in bem ber Onljalt jebes ein 3 elnen 'Bewufetfeins neben bem anbern erfdriene: 2 ßie am 6 ternenl)immel ein (Stern neben bem anbern ftefjt, jeher eine Einheit für fid) unb bod) alle gleichermaßen bem einen 'Scwufjtfein bes 33efcf)auers gegeben. 3n einem folgen ©efamtbewufet»

fein fönnte 5taum für alle möglichen 33 c 3 icbungen unb ©egenfätje feiner Seile fein, nur nid)t für ben bes 3d) unb S u . $atfäd)lid) gibt cs biefen

©egenfatj. 2 ln if)n fnüpft fid) bie gragc, was es fei, bas bie 3Tatfad)en bes sSewuf 3 tfeins in jebem 3d) 3 ur Sinl)cit sufammcnfajjt unb eben ba=

burd) pon bem anbern 3d) burd) unüberbrückbare SKauern fcf)eibet, ober wie es fommt, bafe alle Srfenntnis ber Singe oom 6 tanbpun!t ber Sin 3 elperfönlid)feit aus gewonnen werben mufj unb jeber bie Singe nur fo fel)en fann, wie fie fid) in it)r fpiegeln. Siefe fragen finb unlösbar ol)ne bas 0d) als wefenbaften 2räger bes S23cwui3tfcins.

©äbe es fein wefenbaftes 3d), fo wäre aud) ber ‘Begriff bes 3d) über*

flüffig. 2 ßir müfeten bas feelifd)e Seben gerabe fo gut ol)ne ibn befdjrei»

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S t ö r p e r u n b S c e l e 231 ben fönnen. 2 öir würben alfo nicht ju fagen brauchen, „ich benfe", fon=

bern „es bcnft" unb bie üntcrfcbcibung ber ^erfönlichfeiten bcftänbc nur barin, baß man hingufügtc, es bcnft im Sufammcnbang mit ber ©e=

banfengruppe A ober es benft im Sufctmmenbang mit ber ©ebanfen=

gruppe B. 2Benn man aber in ben begriff bes Sufammenbangs nicht wieber ben begriff eines ben 3 ufammenbang ^crftellcnben 3d) herein^

bringen will, fo fann man bicfcn 3 ufa™mcnbang nur als einen urfäch*

liehen, als einen Sufammenbang bes gegenfeitigen (Einfluffes ber ©e=

banfen anfehen. 2 >aß aber bie geftftellung eines unter ftch engeren urfächltchen Sufammenhangs ber 93ewußtfeinsinbalte bes einzelnen SDten=

fchen etwas gana anberes ift als bie gcftftellung ber (Einheit unb ber un=

überfteiglicben ©ebranfen feiner ^erfönlichfeit, unb baß bie ganj eigen*

tümliche 2 trt biefer ©ebranfen baburch nid)t erftärt wirb, bas fann eigentlich faitrn »erfannt werben. ©d>ranfen finb möglich für bas bie feelifchen Vorgänge beobad)tenbe 3cb, aber niefjt für bie wiffenfd>aftliche Betrachtung urfäcblicber Sufammenbänge. Über bie grage ©efamt=

bewußtfein ober (Ein 3 elbewußtfein entfeheibet ber urfäd)liche 3 ufammen=

hang, ber 3 Wifd)en ein 3 elnen feelifchen Borgängen befteht, oollenbs nicht.

STatfachc ift, baß wir ein (Ein 3 elbewußtfein haben unb bie $atfad)e läßt fich nicht erflären, ja, nicht einmal betreiben ohne ben Begriff bes 3d).

gür bas 3d) aber gibt es im finnlichen SInfchauen ber SMnge fein ©egen=

bilb. 3 m S ? ö r p e r l i d ) e n i f t a l l e ( E i n b e i t u nb a l l e © d ) r a n f e n u r » e r b ä l t n i s m ä ß i g u nb b i s 3 U e i n e m g e w i f f e n © r a b w i l l f ü r l i c h » o n u n s ge f e g t . ( E i n h e i t unb © d j r a n f e ber sT 3 e r f ö n l i c h f e i t ift a b e r w e b e r » e r b ä l t n i s m ä ß i g noch w i l l f ü r l i d ) . SBollen wir nicht auf alle (Erflärungen oer=

3 icf)ten unb bas uns im Begriff bes 3d) angebotene Berftänbnis für offenbare Satfachen einfach ablebnen, fo müffen wir alfo ein wefenhaftes 3d) als (Erflärung ber feelifchen ^ufammenbänge an=

nehmen unb bamit bie Ungleicbartigfeit bes ©eelifcben unb Hörperlidjen 3 ugeben. Söir müffen sugeben, baß nicht alles ‘JBirflid)c finnlich er=

fcheinen unb baß nicht alle Sufammenbänge ber SBclt als ©efetje ber ftofflicben Statur bargeftellt werben fönnen. 60 wenig bas Od) als foldjes in ber ©toffmelt erfebeinen fann, fo wenig fann auch fine (Er=

fenntnis als folche, b. b- © * n n eines ©ebanfens anfchaulid) bar=

geftellt werben. ® a s ©efühl, bas nichts anberes ift als bas (Erleben bes Beteiligtfeins unferes 3d) an einem ©egenftanb, ber SBille, ber ein Streben bes 3cf) nach Berwirflid)ung einer Borftellung enthält, wie foll=

ten gerabe fic ihrem wcfcntlichen ©ehalt nach in ben (Erfchcinungen ber

©innenweit gefunben werben? Bielleicbt benft man, beim 2BiIlen fei bas

am eheften möglich. 3Ran muß aber nicht oergeffen, baß altes, was wir

ber ftofflicben Statur an Kräften 3 uf 6 reibcn, eigentlich eine mcnfd)cn=

(12)

232 K ö r p e r u n b S e e l e

ähnliche ®eutung ber Vorgänge, eine binterfinnlicbe (metapt>pfifcf)e) £r=

flärung ber Vorgänge barftellt, bic ju bem naturwiffcnfcbaftlid)cn SBelt*

bilb nur bann paßt, wenn man ben «Stoff als beftebenb benft aus fleinften nad) 2lrt unferes 3d) »orgeftellten teilen. Unfer eigenes 3cb mit feinem Scnten, güblen unb ^Bollen läßt ficb aber Weber als ein einiges, irgenb=

tr>o im ©ebirn verborgenes Sttom gleid) ben ftofflidjen Sltomen bes 2 ßaf=

ferffoffs, Sauerftoffs ober ber Äobicnfäure »orftellen, noch läfet cs fid) als eine Summe »on Sltomen folcbcr 2lrt betraebten. 3)as 3cb ift fein Sttom ober ßleftron, Senten, güblen unb ^Bollen finb feine 33 c 3 iet)ungen

»on Sltomen ober (Sleftronen, fo wie uns biefelben naturwiffenfcbaftlicf)

»orftellbar finb unb fönnen aud) fd)led)tcrbings niebt nad) s 2 lrt berfelben gebaebt werben. 2llfo gehört bas 3d) jamt feinen ^uftänben ber Stoff»

weit nicht an. ®ie ©ef)irn»orgänge mögen in noch fo engen 33e=

3 tef)ungen 3 um feelifd)en Seben ftehen, fie für ein unb basfelbe 3 U er=

flären, enthielte bie ungebeuerlicbfte ©ewaltfamfeit, bie blinb für bas eigentliche 3Befen geiftiger Vorgänge nur ein einiges (Element bes

©eiftigen, bic finnlid)cn (Smpfinbungen jum Slusgangspunft ber 35cr=

gleid)ung machte. ®afe eine Söecbfelwirfung 3 Wifd)en 3ch unb Körper»

weit ftattfinbet, fönen wir nur unter e i n e r ‘SSorausfeftung bezweifeln.

Söenn wir nämlich bas ganje geiftige Seben als ein blofees Scbattenbilb, als eine eigentümlich gestaltete Spiegelung aufeergeiftiger Vorgänge im 3d> betrachten, bie aber ohne jebe eigene Äraft unb SBirffamfeit finb.

3Bir glauben bas nid)t. SBarum follte bas 3cb ber einzige 3Teil ber Schöpfung fein, »on bem feine eigenen Kräfte ausgehen? (£s wäre bod) fonberbar, wenn bas 3d) nichts anberes 3 U tun hätte, als untätig frembe ßinflüffe aufäunebmen, wenn bas retd)e Seben blofjer Schein, bas 33e=

wufetfein unferer Straft 2öahn wäre. Sftein, niemals! ®as 3d) ift ein Ie=

benbiger Seil ber 3Belt, ber (Stnflüffe annimmt unb ausfenbet. Unb biefe (£inflüffe finb anberer 2 lrt als bie med)anifd)=pf)i)fifaltfd)en 2 ßirfungen ber Stoffwelt, wie bas 3d) anberer 2lrt ift als bie im ftnnlid)en 2ln=

febauen erfennbaren ®inge.

®as eigentliche Süßefen bes 3ch enthüllt ficb freilich ber Selbftbeobad)*

tung nicht. ®as 3d) ift uns nicht wie bie einselnen feelifcben (Mebniffe als ©egenftanb gegeben. (£s ift immer nur ber gebeimms»oIlc Urfprung unb StRittelpunft bes geiftigen 2ebens, ber ficb Weber burd) ‘33eobad)tung nod) burd) 9iad)benfen in feiner wahren Söefenbeit erfaffen läfßt. ®as 3d) ftebt über ber gewöbniid)en gorfebung. 2lus ber wiffenfcbaftlicben 53etrad)tung bes 3d) haben wir beshalb aud) nicht bie enbgültige Snt=

fdjetbung ber grof 3 cn 3Renfcbbeitsfrage ju erwarten, ob bie Seele un=

fterblid) ift ober nid)t. ©ies ift Sache bes ©laubens, ber ficb auf bie tfberseugung »om 3öert ber Seele unb »om Sinn bes ®afeins grünbet.

gür folchen ©lauben finb (Erfahrungen unb Srlebniffe mafjgebenb, bie

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® i e © e r i n 9 [ cf) ä 6 u n g b e r ^ b i 1 0 j 0 p b i c 233 nur bem ihre oolle Überjeugungsfraft offenbaren, ber fie bat. 2luch ihm aber bietet bie wiffenfchaftliche Betrachtung eine wertßolle Stü^e feines

©laubens. ©enn fie geigt ihm, baß er nicht genötigt ift, fein 3ch für immer an bie »ergängltd)e gorm unferes ßeibes gefettet ober blinblings bem 3n>ang ber 2ltome unterworfen ju benfen, bie unfer ©ehirn aus=

machen. 31id)t ‘äöafferftoff unb «Sauerftoff unterfd)ciben burd) ihre Ver=

wanbtfcbaft bie fmnblungen bes SOtenfchen, fonbern ber 3öille, ber p=

höchft aus bem gehetmnisoollen Sßefen bes 3d) heroorgeht. ©arum finb es aud) bie leßten 3<ete unferes fittlid?en SBillens, bie uns wenigftens eine Slhnung geben oon bem ilrfprung unb ber Veftimmung unferer

«Seele.

£>te © cringfcf^ung 5er ^fntojopl^k

£>d ben ^3crfrcfcrn 5er ^afurroijjenjc^aff1)

55on f> u g o 5) i n g I e t

„ S e r heutige 3 uftanb ift ber, baß — fprcd)en wir es offen aus — roobi alle gadwertreter ber 5Katf)ematif, ‘’Phpf'f unb (£hemie unb ber biologifchen SBiffenfchaften einfchließlich ber 2 Rebt 3 tn in ihrem innerften f^cr^en mit einer burchaus burd) nid)ts gemilbertcn Verachtung auf alle

“^hilofophie herabfehauen. ®iefe Sntwidlung würbe burd) bie Übergriffe ber öbentitäts^hilofophie ( 6 d>ellings unb Hegels) in ber erften frnlfte bes 19. Dahrhunberts natürlich biftorifd) jum Seil ausgelöft unb r>er=

fd)ärft, würbe aber wohl auch ohne bies automatifd) eingetreten fein.

Über biefe Verachtung im eigentlichften Sinne in biefen Greifen barf man fi<^> feiner 3llufion hingeben, höflichere Naturen werben biefelbe im Sinjelfalle ju Derbergen oerftehen, wenn fie annehmen müffen, baß fie burd) Offenheit frembe ©efühle »erleben, aber -— fie befteht. 5öie oft hört man im »ertrauten ©efpräd) mit Vertretern ber ejaften 2 Biffen=

fchaften, baß boch bie ganje ^hilofophie Unfinn fei, baß fie noch nie ju etwas Nichtigem unb Jlonfretem geführt höbe, unb wie bie 2 lus=

fprüdje alle heißen. «Sicher ift es gut, folche ©inge, welche bie nüd»ternen 3nbifatoren objeftioer Umftänbe finb, in aller 9iuhe beim tarnen ju nennen unb an bas Sicht bes Vewußtfeins ju pichen.

®iefe Verachtung hat »erfchiebene wichtige, hiftorifd)e ©rünbe, bie 3 um großen STeil folgen ber gcfd)ilbertcn Umftänbe finb.

'Der Sufammenbruch ber ‘’Phüofophie in ber Sichtung ber ejaften 2 öif=

fenfehaften um 1840 hatte auch eine bebeutenbe (Einwirfung auf ben

J ) 2Ius beffen 9Berf „ ® e t 3u!ammenbrucf) bet Sßiflenfcbaft" (SRiincben, (E. 9ietn-

barbt) mit ©enebmigung bes 35etfaf!ers unb Verlegers entnommen.

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234 ® i c © c r i n g f cf) ä (? u n g b e r ' P b 1 1 o | o p t> i c

höheren Unterricht nad) unb nach 3 ur golge. Ommer mehr fd>ien eine philofophifche Slusbilbung unb Sraiehung ber jungen 9taturforfd)er (biefes Söort in bem weiten, bie obengenannten gächer umfaffenben Sinn genommen) unnötig, ja fchäblid). Unb heute finb wir glüdlich auf bem fünfte angelangt, baß felbft ein junger Uni»erfitäts=® 03 ent ber 9Zaturwiffenfd)aften überhaupt niemals in feinem Seben irgenb etwas oon ^h'lofophie gehört ju haben braucht, ohne im geringften in feinem Berufe fid) beengt 3 U fühlen. S e r Umftanb, baß philofophifche 33etrad)=

tungen nur awedlos unb »erwirrenb erfcheinen, währenb bie Sßiffenfchaft felbft jebe wünfchenswerte Sicherheit 3 u bieten fchten, wirfte fid> »oll aus.

2 >as höchfte Obeal wiffenfchaftlid)er gachbilbung würbe in ®eutfd)=

lanb eine engumgrenate, auf bas reine §ad) fonjentrierte, fopfagen rein hanbwerfsmäfjige Srjiehung au größtmöglicher Routine in bcr

"23chcrrfd)ung bcr fpcaififd)en gad)mcthoben1). ®iefc päbagogifche SERe=

tl)obe erreichte awar eine ungeheure 231üte bes Speaialiftentums, jcboch auf Soften bcr ^erfönlid^eits^usbilbung. Unb bies letjtcre SKomcnt mußte früher ober fpciter fid) fogar im rein technifdjen gachbetricb geltcnb machen, ba berart Vorgebilbete natürlich im

®urd)fd)nitt jebes inneren Verftänbniffes für bie geiftige 3 ufammen=

arbeit ber »erfchiebenen gächer unb beren lebten tieferen Sinn unb

©runb entbehren mußten. S o Vorgebilbete nüiffen beinahe mit 9toti»en=

bigfeit »erjagen, fo oft fie mit ben allgemeineren ©efid)tspunften, welche jebem Sache augrunbeliegen, in Berührung fommen. fuftorifcf) war es

»ielleicht notwenbig, baß eine folche “^eriobe »ölliger Snthaltfamfeit allem < ’Pbilofopl)ifcbcn gegenüber eintrat, nur fo fonnten »ielleicht bie Orgien gefübnt werben, welche bie Sbentitäts^hilofophie in bcr erften fmlfte bes 19. Oahrhunberts gefeiert hatte. Scheint es hoch eine (Eigenart bes beutfehen ©eifteslebens in befonberem 9ftaße au fein, »on einem (fjtrem in ein anberes fid) au begeben. . . 9tun aber bürfte es an ber 3eit fein, wieber einmal aur Spnthefe 3 U fchreiten unb aus ben 33erwir=

rungen ber beiben charaftcrifierten Epochen au lernen.

®ie golge ber gefchilberten Umftönbe war, baß eine »öllige phi!o=

fophifche Unbilbung in naturwiffenfchaftlichen Greifen bie 9icgel würbe.

5)ies fchien benjenigen wenig »on 25elang, bie ber 21nfid)t waren, baß bie “^htlofophie lebiglid) in allen ben »ielerlei philofophifchen Spftemen beftünbe, wie bas bie übliche oberfläd)lid)e 53efchauung nahelegen möchte.

S s blieb biefen Greifen »erborgen, baf 3 es in ber ^Phüofophie einige burchaus fefte 5tefultate gab, weld)e alten wirtlichen 'Pbüofophen felbft=

»erftänblid) waren, bie aber burd) bie eigentümliche 2 Irt ber hergebrad)=

ten phtlofophifd)en Schreibweife meift nicht erpliait formuliert würben

x) 6 iefcc im ©egenfaö J>ierju bie bemerfenswetfe 9Ufforafsrebe »on 9B. SBten.

„ilnieerjitäf unb Sinjelwiffcnfcfjaft",. 2Uüncf)en 1925.

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e £ f d> e s l i e f ft e r 6 e l b f t n > t b e r j p r u d ) 235 unb baber bei oberflächlichem Stippen an ber Siteratur ohne tieferes 9tad)benfen über bte eigentlichen Probleme nicht erfennbar waren. Diefer Umftanb hat bas ©ute, baß philofopl)ifd)e Dilettanten bem ‘JBiffenben fehr balb als folc^e erfennbar finb. . . Derart bilettantifch ift auch bie in oielen naturwiffenfchaftlichen (Enunsiationen immer wieberfehrenbe (Ermahnung, bte 2ßtrflid)feit ju ftubieren. Dtefe (Ermahnung ift an fich eine oortreffliche, foweit fie an unb für fich genommen wirb unb foweit fie etwa in CEinselgebieten t>on baftslofen ©pefutattonen abhalten foll.

©ie begnügt fid) aber meift nicht mit biefen nüßltdjen, aber leiber wenig fenfationellen ©efichtspunften. ©ie will oielmehr meift eine „ ‘’P h it»

fophte" barftellen, unb mancher Staturforfcher glaubt barin tatfächlich bie letjte unb eingig wahre ^Philofophie ju befifeen, berart, baß er nur mit überlegenem Sächeln auf bie finnlofen unb etwas ftnblichen ©ptele=

reten ber ^hilofaphen herabjubltcfen »ermag, bie ihm nur als eine aus einer Art Trägheit bes ©efchehens noch fortgefeßte . . . Verwirrung hift»

rifch oerftänblich erfcheinen. (Er oergißt bet folchem Ausfprud), fid) flar 5 u machen, baß ja auch bie ibealiftifch »erftiegenfte ^hitofophic nichts anberes will, als gerabe biefe 2ßirflid)feit uns oerftänblich machen, unb baß ber Söedruf, bie 3Birflid)fett gu erforfchen, wohl in ber (Eintel»

tr>tffenfd)aft eine nütjlictjc ©elbftoerftänblichfeit bebeutet, in ber “^hilo- fophie aber oon einer tragifchen 3nhaItslofigfett ift, weil es fich in biefer ja eben gerabe barum hartbeit, w i e bte 3Birflid)feit ftubiert werben fann, wie bie SDlöglichfeit ba^u au oerftehen, unb welches bie ber ©ad)e nach geeigneten Verfahren finb, barin leßte (Sicherheit ?u gewinnen.

D a 5 3ß t e u n b ® a r u m b e i m © t u b i u m b e r 30 i r f l i ch = f e i t ift b e r Ö n h a l t a l l e r ' P h ü o f o p h i e . Der ©ehret nach bem ©tubiurn ber 5Birflid)fett bebeutet alfo in ber ‘’Philofaphie bas=

felbe, was bie (Ermahnung an bte 5Hlenfd)en, ja bas (Effen nicht ju oer=

geffen, etwa für bie Söfung ber fokalen grage bebeuten würbe."

9 X ic ^ fd )c e f k f f l e r 6 e ( 6 f lr o i5 ß r jp r u c f )

95on 2 l u g u f t 9 R c f f e r

Stießfches ©runblehre lautet: ßeben ift SBille p r SÖtacht. On welchem

©inne bas gemeint ift, bas mögen ein paar befonbers charafteriftifche

©teilen oeranfd)aultd)en. 3n ber ©chrift „Qenfeits oon ©ut unb SBöfe"

heißt es einmal: „2eben ift wefentlid) Aneignung, Verlegung, Überwäl=

tigung ber gremben unb Schwächeren, Unterbrüdung, §>ärte. . . unb min=

beftens . . . Ausbeutung". 3m „3ßillen p r SDtacht" (696) wirb bte ©runb=

lehre fogar auf bie ganje Sßirflichfctt ausgebehnt. „Unb wißt ihr aud),

was mir .bie 3BeIt‘ ift? ©oll ich fie euch in meinem ©piegel setgen? Die

(16)

236 3t t e ö [ d) e 5 t i e f ft e t © e l b f t t o i b e r f p r u d )

3ßelt, ein Ungeheuer Dort kraft, ohne 2Infang, ohne Enbe . . . , ein 2Reer in fid) fclbcr ftürmenber unb flutenber kräfte, ewig fid) wanbelnb, einig 3 urücflaufenb mit ungeheuren 3ahren ber Sßieberfchr, mit einer Ebbe unb glut feiner ©eftattungen . . . : biefe meine b i o n p f i f ch e 3Belt bes Ewig=ficb=felber= 6 chaffens, bes Swig«fid)=felber=3erftörens, biefe ©e=

heimniswelt ber hoppelten ‘Jöollüfte. . . wollt ihr einen tarnen für biefe

’SBelt? Eine Söfung für alle Sttätfel? Sin Sicht für euch, it>r Verborgen*

ften . . . Hnerfd)rodenften, SD'litternäcbtlicbften? — Siefe 3BeIt ift ber 2 Bill-e 3 ur 2 Rad)t — unb nid)ts aufeerbem!"

„SDtacbt" ift nun etwas, was in fid) nur ©röfjenunterfdnebe, rein quan=

titatioe Steigerung unb 3Jlinberung aufweifen fann. 2öas ergibt fid) baraus für Scietjfches fittlictje ©runbwertfehäfeungen? ,,©ut" ift SDladjt- fteigerung unb was baju hilft; „fct)lcd)t": Abnahme unb 6 chwäd)ung ber SÖtacbt unb alles, was fie minbert.

Sem [teilt fich entgegen bie uns einleud)tcnbc Über 3 cugung: bafe bas

©ute unb bas Schlechte nicht quantitativ, fonbern qualitativ, nicht lebig=

lieh ihrer ©rofee ober Ontenfität nach, fonbern ihrer 2 lrt unb Befd)affcn=

heit nad) vcrfchieben finb. Uns erfcheint es felbftvcrftänblicb, bafe auch ein aufeerorbentlich fräfttger 3öille unb eine gewaltige 3Rad)t in ben Sienft bes Böfen treten fann unb eben bamit einen fittlidjen Unwert barftellt;

wie anbererfeits auch fchwaches 3öollen unb geringes können boch auf

©utes gerichtet fein fann unb bamit fittlichen ‘ffiert gewinnt.

S a s wirb natürlich aud) ohne weiteres bejaht, bafe fraftvolles fittliches Söollen wertvoller ift als fd)wäd)liches. 2 Jber biefe quantitativen Unter*

fduebe crfchcinen uns bei ber fittlichen Bewertung erft an 3 w e i t e r

©teile 3 U fommen; an erfter, entfeheibenber ftehen uns bie qualitativen.

Safe aber 3liefefd)e gegen bie festeren bie 2Iugen fchlicjjt, bas wurjelt in feiner n a t u r a l i f t i f c h e n Senfweife. Eigenart ber naturwiffen=

fd)aftlid)en Betrachtung ift es ja, alle qualitativen Unterfd)iebe prfidju*

führen auf quantitative. 60 wirb bie qualitative Buntheit unb Sülle ber garben unb Söne rebujiert auf quantitative 33erfcbiebenbeiten von

©chwingungsjahlen, ba nur quantitative Unterfdjiebe fich eyaft, 3 af)len=

mäfoig faffen laffen. Ebenfo befteht in ber 9taturwiffenfcf)aft bas Be=

ftreben, alle 33erfcbiebcnartigfcit ber kraftwirfungen mit einem einheit- liehen Sfflafe, ber „2lrbeits"leiftung 31 t meffen unb in ihnen bamit nur bie quantitative ‘Scrfcbiebenbeit 31 t fehen.

Siefe Einftellung auf bas lebtgltcf) Quantitative ift es auch, bie Sftiefc fches 2 Bertmaf 3 ftab für bas Sittliche begreiflich macht — freilich nicht rechtfertigt.

9 liet 3 fche felbft hat nun ein feines ©efühl für ben tiefen ©egenfat;

feiner fittlichen Schätjungsweife 3 U ber geltenben Sftoral. Saraus aber

ergibt fid) für ihn nicht eine Berichtigung bes eigenen SOiajjftabes, fon=

(17)

9t i e fc f cf) e s t i e f ft e r S e l b f t t D i b e i f p r u d ) 237 bern ein leibenfchaftlicher Slampf gegen biefe SDtoral. 5)a er jebod) in feiner SBertffala nur bie Unterfdnebe oon (Stärfe unb 6 d)wäd)e hat, fo vermag er feinen S?ampf gegen biefe 2 Roral (bie für it>n bie dmftlichc ift) nur mit bem 33orwurf 3 U begrünben, bafj fie aus Schwäche, 2ebensohnmad)t ftamme unb su Sctjwädjung unb SItebergang bes 2 ebens führe.

2atfäd)Iid) aber oerfchiebt ficf) ihm unoermerft ber (Sinn biefcs Vor=

tourfs. ® a s roirb fd>on erfichtlid) aus einem S a ß wie biefem: „3)as (Ehri=

ftentum ift ein Aufftanb alles Am^obcn^riechenbcn gegen bas, was f) ö l) e hat, bas (Evangelium ber .9ticbrigen‘ m a d) t niebrig." („Anti=

chrift".) ®er fitlidje 3ßertuntcrfcf)ieb bes fiebrigen unb bes fwhen, etwa einer „niebrigen", „friechenben" ©efinnung unb eines „hohen" Sinnes ift nicht ein blofc quantitatioer. 2 Benn eine niebrige ©efinnung etwa einen ftarfen Sötllen befeelt, fo toirb fie baburd) nicht 3 U einer hohen;

melmehr liegt hier, oerbedt burch bie Ausbrüde „hod>" unb „niebrig", bie ja auch einen bloft quantitatioen Unterfchieb beaeidpnen fönnen (»gl.

hoher ober niebriger 2Baffer= ober 33arometerftanb), ein q u a l i t a t i v o e r Unterfchieb cor, eben ber oon fittlich „gut" unb „fchlecht".

Stiebergehenbes, erfchöpftes Sehen, fchwacher, ohnmächtiger 3Bille jur SERadjt toirb für Jticftfche unter ber §>anb 3 U einem befabenten, begene=

rierten, entarteten, oergifteten, oerborbenen 2 eben, beffen StRachtwille ein bösartiger, gehäffiger, rachfüditiger ift.

SDtit 9kd)t betont 2ubwig & I a g e s , ber ben hier behanbelten Selbft=

wiberfpruch guerft flar aufgewiefen hat1): „Oft ein fonftitutionell ober oorübergehenb fd>wer erfd)öpfter SERenfth, ein fehr blutarmer SDienfch, ein SSRenfd) im hofften ©reifenalter unb was es fonft für Arten unb ©rabe ber (Ermübung geben möge, beshalb oergiftet, oerborben, oerwachfen, oerfrümmt, oerflammt unb in folcher 33ebeutung .mifjraten1? SERan oer=

gegenwärtige fich umgefehrt eine jener fd)Ieid)enben Onfeftionen, bie unterirbifd) weiterfreffen (etwa 2 ues), unb niemanb wirb behaupten wollen, ihr entfdjeibenbes Spmptom fei SDlübigfeit unb (Erfchöpfung! Unb nun benfe man oollenbs an f e e l i f c h e Armutsformen wie 3ntereffe=

lofigfeit, ©leichgültigfeit, Unanregbarfeit, Stumpfheit, Apathie unb halte baneben ben .böfen' 33lid bes hämifd)cn Kleibers, bie 9ränfefünfte ber fcbeelfüchtigen Ontriganten, bie Triumphe ber Schabenfreube unb jumal bie gewaltigen (Energiebefunbungen bes 9leffentiment. . . unb man fragt fich ftaunenb, wie ein fo burchbrtngenber Hopf bergleichen mit (Ermü=

bung unb (Erfchöpfung oerwechfeln fonnte!"

!) 3n feinem 23ud)e: „ ® ie pf>iIofopf)ifcf)en ®rtungenfcf)affen 9!ie6fcf)es," 2eipjig, ‘iöarft), 1926. 6 . 138. ®em 33ucf)e entnehme icf) aud) bie pon mit perroenbeten STttefefcEjc- 3itate. greiitef) ift bie Stellungnahme Pon Slages ju unferem ^Problem eine grunb- Dcrfdbicbcne. (£r fief)t im „© eift" unb bemnad) aud) ben geiftig-fittlidjen Söerten unb Bbealen febiglid) einen getnb bes Sebens unb nimmt batum gegen fie 'Partei.

cPbilofopf?ic unb Ccben. III. 17

(18)

238 31 i e t ; } d) e s t i e f ft e r S e f b f t r o i b e r f p r u c f )

S e r aufgewiefene Selbftwiberfprud) Stießfches geigt fid) aud) befon=

bers beutlich in ber Scbilberung berjenigen, bie für ü)n bie gührer jenes

„©flaoenaufftanbes" in ber SOloral, bie 6 d)öpfer jener angeblich lebens=

feinbltc^cn chriftlichen Sftoral finb, in ber €>chilberung ber ^ri eft e r. fjätte :?tießfcbe feinen ©runbwertgegenfat 3 : „ftarfer unb fchwacher Sßille jum Seben" wirtlich feftgehalten, fo hätte er bie ‘’Prtefter fchilbern müffen als }d)toäd)ltd)e, unfräftige, ohnmächtige, willenlofe SJtenfchen. 2 atfäd)lid) aber ift .ber “^riefter* nach ber 3 eid)nung Siteßfches ein gang anberer. Sr betunbet „ben ääheften, rüdfichtslofeften, ben auch unter fchwierigften Vebingungen nie »erfagenben SRachtwillen, befchämt mit feinen Verfiel»

lungs= unb Säufd)ungsfünften bic 9tej$epte 3Racchiaoeüis, wirb über Krieger, Könige, über bie gange SDtenfchheit fje rr"1). S e r ^rieftet mußte alfo eigentlich — wenn es nur auf bas Q u a n t u m bes SKachtwtllens anfäme, oon Sftießfche als bie „am höchften ju cer=

ehrenbe (Erfcheinungsform" bes Söillens gur SRacht unb barmt bes 2e=

bens gefd)ä( 3 t unb gepriefen werben.

(Ein ©efühl bafür befunbet fid) auch bei Jtießfche in bem 3aratl)uftra=

Kapitel „Von ben ^Prteffern", gumal in ben ^Borten: „3Rein Vlut ift mit bem ihren »erwanbt; unb ich will mein V lut aud) noch in bem ihren ge=

ehrt wiffen. — Unb als fie »orübergegangen waren, fiel Sarathuftra ber 6 cbmerg an."

Slber warum ficht er in ben „^rieftern" bennod) feine bitterften geinbe, warum fchleubert er feine leibenfchaftlichften glüche gegen bas (Ehriftcntum? SBeil er — ob mit 9tcd)t ober Unrecht, ffeht hier gunädjft nicht gur grage — in ihnen unb ihren chriftlichen 3bealen einen feharfen

©egenfat? feines eigenen Sebensibeals fieht — foweit es eben rein na=

turaliftifcher 2 lrt ift, foweit er in bem hemmungslofen 6 tcbausleben, in ber blof 3 en Steigerung ber 2 ebensintenfität, in ber machtoollen <£nt=

labung ber rein naturhaften, triebhaften ßebensenergie unb ber oitalen 3nftinfte bas höhere 9Renfd>entum barftellt.

Slber tatfächlich ift 9ließfd)es Seele oiel gu fein unb tief, als baß fie auf bie Sauer unb DöIIig oon einem folgen ßebensibeal (aus bem bas fpegiftfd) „SRenfchliche", qualitativ Pom 3Tier Verfchiebene, entfd)Wunben wäre) hätte befriebtgt werben fönnen; tatfächltd) hat er bie geiftig=

fittlid)en 3Berte (bie auch bie ber chriftlichen Sftoral finb) in feiner üinb- heit unb 3ugenb gu flar gefchaut, als baß er ihnen auf bie Sauer hätte untreu werben fönnen. Unb fo fommt ihre Slnerfennung immer wieber gum Surchbrud). S a wirb auch nicht mehr bas ungehemmte SBalfenlaffcn ber Triebe unb ihres ©lüdsoerlangens gepriefen, fonbern bic 6 clbft=

überwinbung im Sienfte eines hohen 3beals geforbert, bas weit, weit

*) Slfages u. a. O. ® . 196.

(19)

9 t i e ft f tft e s t i e f ft e r @ e f b ft to i b e r fp r u cf) 239 über bem naturgegebenen 3uftanb bes SDIenfdjen liegt. S o beißt es fd)on in ben „Unzeitgemäßen Betrachtungen": „S e in wahres 3ßefen liegt nicf)t tief verborgen in bir, fonbern unermeßlich bt>d) über bir." — „ 2 lucb über bem größten S[Renfd)en erhebt fid> fein eigenes 3beal." — „Solange je=

manb nach bem Sehen wie nach einem ©lüde »erlangt, hat er ben 551id noch nicht über ben fjorijont bes Jieres hinausgehoben." Om , 2 ßanberer‘

begegnet uns bie ©teile: „3eber Ja g ift fchlecht benußt unb eine ©efahr für ben Stäcbften, an bem man nicf)t wenigftens e i n m a l fid) etwas im {leinen 0 e r f a g t hat"; in „SRenfcbliches, 2 Ill 3 umenfd)lid)es" ber oer=

wanbte ©ebanfe: „ ® u mußt jeben Ja g aud) beinen gelbjug gegen bich felber führen."

©ans befonbers aber bietet ber „Sarathuftra" in gülle 3 eugntffe einer fittlichen ©efinnung, bic mit bem Stbos eines &ant, Schiller, Sichte, alfo eines auf d>riftlichem 33oben erwadjfenen fittlichen 3bealismus aufs in- nigfte oerwanbt ift1). ©leid) im 2 lnfang ift ja bas Jhenra ber großen Siebe, bic .^aratbuftra t>or bem 23olf hält, ber 6 0 ( 3 : „® e r ÜJtcnfd) ift etwas, b a s ü b e r w u n b e n »erben foll!" Unb in immer neuen ?kria=

tionen fehrt biefer ©ebanfe roieber: „Überwölbet mir bas erbärmliche 33ef)agen"; „ ‘äßenn ihr bas Slngenebme r>erad)tet. . . , ba ift ber Ur=

fprung eurer Jugenb!"; „(Eine Ja fe l ber ©üter hängt über jebem 33olf.

Siehe es ift feiner tfberwinbungen Ja fe l!"; „33tft bu ber Stegreife, ber Selbftbeälüinger, ber ©ebieter ber Sin n e?"; „S?annft b u ___ beinen SBillen über bich aufhängen tote ein ©efeß? ^annft bu bir felber 9iid)fer fein unb Stäcber beines ©efeßes?"

S ie leßte Srage mürbe in &anfs Sprache lauten: 23ift bu fähig p r fittlichen „2lutonomie" (Selbftgefeßgcbung)?! —

©ewiß, mir fd)äßen mit 9tießfd)c bas Sehen; tiefe unb golbene ‘Jöorte hat er jurn ^reis bes Sehens gefagt. 2Iber mir meinen, baß „Sehen"

nicht bas leßte Sßort einer haltbaren ‘’Pbilßfapbw, nidjt ber böchfte Söert eines finnoollen ‘JBollens unb fmnbelns fein fann. „Sebensfteigerung" ift als 3 telfct;ung erft an 3 uerfennen, wenn bamit nicht bloß quantitative SQlehrung ber Vitalität gemeint ift, fonbern eine (Erhebung 3 U ben geiftig=

fittlichen ^Berten, bie als Seitftern im Südenfcbenleben aufleuchten, unb ihm — über aller tierifchen Vitalität — Sinn unb 3öürbc 31 t oerleihen oermögen, wenn ber SRenfch — will.

S e r 2Bille, baß jene geiftig=fittl'd)en Sßerte, — bic feiner „Umwer=

tung" unterliegen — in uns unb um uns mirflich unb mächtig werben, bas ift ber allein finnoolle „3ßtlle 3 ur Stacht"!

') 'Siefe £öer»anbtfcf)aft f>abe id) näber nacf)gett>iefen in meinen „(Erläuterungen ju

S'lieöfcfjes garatf)uftra", Stuttgart, Strecfer unb Sdjröber. 13. bis 15. Saufenb.

(20)

240 S e e l e u n b © c i f t

S u n ü e r 2B(> 0

2 üler Srfenntnis 6 ame Oft ©cf)mer 3 .

2 Ius unenbticfjem ©rame

©djöpfft bu bas wunberfame SBiffen, o SSRenfdjenljerg.

Silles Sebcns Verlangen Oft Sob.

9lod) ift fein Sag »ergangen, Den nid)t bas näd)tige Sangen, Slllcwiglid) bebrot)t.

60 ferliefet fid) Söille unb Sßefen 3 um 9ting.

Äein Sterblicher fann fie lefen,

®ie ewigen Slntithefen 33on ©ott unb ©ing.

3: t) e f I a StR c r ro t n.

3ur @infüf)rung in ^tfojopfne

6cek unb ©cift; Jubjefttoer unb objeffioer ©eift

„S e e le " ift bas 'ßrinäip bes Sehens als blojjc V italität; batum reben w ir aud) »on

„S e e le " bei S ie r unb ‘•pflanjc. Sofern aber ein Seelenleben „ S i n n" crfajjt unb be=

»ufet finnpoll fid) betätigt unb auswirft, nennen w ir es „© eift", unb fofern SBerte an S in n unb Sinnbaltigem ifn'C Sräger haben, nennen wir fie „geiftige". S o finb wahre Säfte, eble fianblungen, Kunftwerfe geiftige SBerte (genauer: SBcrtträger, mögen btefe Sräger aud) felbft materieller Slrt fein). Dagegen ein guter Slpfel, fofern er leinen Sinngehalt tjat, ift ein finnlidjer („materieller") SBert. — S d j e n t e ict) einem anberen einen foldjen Slpfel, um ihm eine greube ju machen, fo ift bas wieberum ein

„geifftger" SBert. Diefer beffeht aber nicht in bem Slpfel, fonbern in ber fmnblung, beren S in n es ift, ben anberen ju erfreuen. —

Sille bie men[d)lid)en 23etätigungen, Schöpfungen unb ©nrtchfungen, burd) bie geiftige SBerte »erroirtlidjt »erben, nennen w ir jufammenfaffenb: „ K u 11 u r". Die einjelnen Kulturgebtefe unterfdjeiben fid) nad) ben SBerten, beren 2$er»ir!lid)ung fie bienen. Näheres barüber wirb ein Sluffaft „bas SBefen ber Ku ltur" bringen.

§>ier foll noch auf bie gormen eingegangen »erben, in benen bie Skrwirtlichung (9lealifierung) ber geiftigen SBerte erfolgt (benn, für fid) genommen, ift S in n unb SBert etwas Unwirtliches, 3rreales, 3beelles). Die fiauptformen finb: 1. Vorgänge unb 2. Dinge. Die SJorgänge (önnen folche an S in 3 elmenfcf)cn fein ober an SDlenfchen- gruppen: Sprachen, ©ebärben, £anblungen aller Slrt, §anbbabung »on ©eräfen uft».

Die Dinge bie Sräger geiftiger SBerte finb, fann man — wenn man »on ben ,,©e- raten" abfieht, beren S in n erft in ber §>anbhabung ftch barftellt, — einteilen in ,,©e»

bilbe", „Silbbilber" unb „ßeicben". „©ebilbe" finb in fid) »ollffänbige Sräger eines

Sinnes wie arcbtteftonifcfee ©eftaltungen, Sütufifftücte; für „Slbbiiber" ift es wejentlid),

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bauptet, au toiberfpreeben. 3n Sßirfltchfeit 3 eigt uns bie Erfahrung fein einiges folches ©ing. ®am it nämlich jener Oberfat$, alles, roas ift, ift entroeber oon fich

(Es muß fid) alfo auf biefer 6 tufe ber Onftinftapparat als ungureicbenb erweifett unb burch einen neuen Apparat ergänzt ober erfe&amp;t werben. 9ltebere Siere

©elöbntffe unb Entfchlüffe, bie er im Angeficht ©ottes für bas fommenbe Seben abgelegt hat. $&gt;a hat er, von höherer Sebensbeurteilung aus unb von jenfeitiger

©efprädjen mit einem greunbe weiter. 3öir grübelten wirflid) übet fd)Wierige gragen nad). 9tod) weife id), wie wir uns einmal bis fpät in bie 9tad)t hinein

(Es ift mit oftmals ootgefommen, als wollten bie ©elehrfen nicht Berftanben werben Bon ber SÜtaffe, unb beswegen fchreiben fie mitunter auch fo

(Dafo bie unenblich fortgefefcte 9teihe ben SBert 2 erreicht, bas hat für bie genonifche “Betrachtung feine Bebeutung; benn bie griechifche äJtathematit arbeitete

gablreichc Spfteme ringen heute in ber ^äbagogif um ©eltung unb $(nerfcnnung. 5luch in ihnen fpiegcln fid) ©egenfäfte unb Sclatioicrungcn wiber, fo baß fic ein

Sriefcf) befiniert „Neligiofität&#34; als „©efühl ergebener freubiger Nuhe im Bewufetfein eines oollfommen abhängigen ©eborgenfeins&#34; (183). ©ie müffen es bann auch