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Philosophie und Leben. Jg. 6, H. 12 (1930)

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Academic year: 2022

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(1)

6. JA H R G A N G + 12. H EFT + D E ZE M B E R 1930

,3m 2)ttnfte btt tOolheetn^eit trftrebt u n ftrt 3ettfc^rtft etne fadj>

Uä)t 2t«ßifpra$e bet öerC^tebetttn toeltanf$anU$tn Eichungen.“

9 lc u c ^ u n ff u n 5 neue 3 ^

33on g r i e b r t cf) ^ H o t t e r

9 teue S?unft unb neue %z\t, ein 2 f)ema, bas fo Diele greunbe ttnb

©egner gefunben hat, fo oft fchon bie ©emüter erbit3t unb freubige |>off=

nung unb flagenbe ‘Seratoetflung unb hämifche Ablehnung ausgelöft hat.

3 ßte oft tt>ar fchon 3U biefem 2I)ema t>on fachmännifcher ©eite gefprod>en unb < 355 ort unb ©ebanfe unb Erfahrung ausgetaufebt: ficf>er ein beut*

liches bafo biefe grage nicht geftellt tourbe unb geftellt tr>irb aus gefünftelter ^roblemluft unb aus jämmerlicher Verachtung beffen, tt>as uns bie Vorfahren in ber S^unft gefcf>enft, fonbern bafe fie tarn aus ber

9 tot, ber geiftigen 9 Zot ber %z\t unb bem ®rang echten, geraben 2ebens.

S arf ficf) hier nicf)t aud) ein 2aie erlauben, ©ebanfen unb Meinungen ba3u 3U äufoern? 5 öofür fd>afft benn ber Zünftler? liefet boef) bloß für fein Atelier, nicht bloft, um ficf) in feiner 6cf)affensfraft unb in feinem

3 öerf au fonnen, fonbern um einem hohen ^rophetenamt 3U bienen, um 2Begebereiter unb SBeifer bes SBeges 3U fein für folche, bie nicht tr>ie er begnabet finb, um burd) feine innere 6pannfraft glimmenbe gunfen in ben |)er3en feiner SERitmenfchen 3um lobernben 33 ranb 3U entfachen. 2 Bie balb hat man bod) unb rote rafch hat man in ber ©efd)id)te bes ©elftes, in ber ©efchichte bes Slunftlebens ben 6a(3: la r t pour la r t übertounben!

6 0 roollen tr>ir im folgenben einen 23 lid werfen in bas roogenbe ßeben bes neuen Slunftgeftaltens unb Äunftempfinbens, unb tt>ir tr>erben in all bem 2ßirrtt>arr unb Chaos barin einen notrr>enbigen 2öerbegang unb lefete 5Bur3eln, bie biefen 5 Berbegang begrünben unb nähren, entbeden.

Sie neuen 33erfuche, bie neue 23eroegung in ber Slunft roirb gemeinhin benannt als (Eypreffionismus, als S l u s b r u d s funft. ©amit ift fprach=

lieh ber ©egenfafe getenn3eid)net 3U bem 3mpreffionismus, ber Äunft- betpegung, bie auf ben unverarbeiteten £ i n b r u d absielt unb ihn bar=

ftellt. ©er ©prache, ber 6 ache unb ©efchichte nach gehören beibe 9tid)’

tungen sufammen. ©er Sypreffionismus ir>ar fachlich burch ben 3mpref=

fionismus bebingt unb folgte ihm auch in ber 3eitlid)en (Entroidlung naturgemäß nach. 2äfet man ein Söerf ber letjteren 2lrt erlebnismäfeig auf fich tDirfen, fo tüirb man entbeden, bafe es fid) hier nur um ein paf=

Dbilofopbie unb ifeben. V I. 23

(2)

332 9J e uc & u n ft unb n e u e S e i t

fioes 2 fufnel>men fjanbelt. SKan fefct fiel) untätig bcm finnfälligen (£in=

bru d bes ©egenftanbes ober bes Vorganges aus. ©ic garbe in intern (£igenleud)ten unb in if)rcr Kontraftroirfung fpiclt l>ier eine ausfcf)lag=

gebenbe 9 iolle. ®er ©egenftanb, bie 2anbfcf>aftr bas ©tilleben fällt nur fotoeit ins 2 luge unb fommt nur fotx>eit 3um < 33 etpufetfein, als leucf)tenbe garbe, brennenbes 9 iot, büfteres ^ lau , glübenbes ^urpur in C£rfcf>ci=

nung tritt. 6aubere Konturen unb beutlicbe Umriffe t>on ©egenftänben fallen l)ier tt>eg, Siefentoirfung unb ‘’JJerfpeftfoe fpielen l)ier feine Stolle,

©ubjeftio erlebt man bas 33 ilb, ben ©egenftanb in einem < 23 erücftfein oon bem ßeben unb 2Birfen, 6tral)len unb 2eud)ten unb glimmern ber garbe. SDtan erlebt t>ier ben ©egenftanb in feiner finnlicf>en (Srfd>ei=

nungstoeife, man oersiebtet auf jebe tr>eitere Überlegung unb Sleflepon, man toill bier gar nid)t aum Söefen burebbringen unb eine über ben SBolfen fcf)it>ebenbe 3 bee flauen, fonbern man ift begeiftert über bie (Sinnfälligfeit; nichts als bie greube über ben Schimmer unb bas 2eud)=

ten unb ©lül)en ber garbe. SRan ift überrounben unb beraufebt oon bem, tt>as in bas 2Iuge fällt unb oergifet in biefer ^Begeifterung unb t>er3id)tet in biefem 9 iaufcb ber 6tnne über bie garbe auf bie ©lieberung unb 2Ibgren3ung unb Kontur bes SBirflicben. (Soll man über biefe 3 Beife bes Grlebniffes ober beffer gejagt, über biefe 6tufe fofort mit ber ©eifeel ber Kritif Verfallen? SKit it>r ift toobl bas (Erlebnis bes ©egenftanbes in fünftlerifd>er SBeife nod) nid)t oollenbet, aber ein lebenbiges 2luffaffen bes ©egenftanbes fann obne fie niebt ausfommen, mufe t>ielmebr auf ibr fußen unb grünben. ©ies bie ©tufe bes (Srlebniffes, bie ftd> mit bem

„Ginbrud", ber Smpreffion abgibt, unb, wenn fie ficb hiermit 3ufrieben=

gibt unb begnügt, bie Kunfttbeorie unb Kunftftrömung bes 3 mpref=

fionismu5 3eitigt. Sod) ift legerer eben nur eine Strömung, mufj eben Derftrömen, um gorberungen ^laft 3U machen, bie bas fünftlerifdje 6rleb=

nis r>on 9 latur aus pfpcbologtfd) unb facbltcb 3toangsmäfeig forbert.

6 0 fe^t btet ein mächtiger unb gewaltiger ^roteft ein, ein ^Proteft, ber aus ben Siefen ber ©eele fommt unb aus ber Kraft ibrer frf>öpfe=

rifeben gäbigfeit. SKan f a n n n i cf) t ftcbenbleiben bei bem 3 ubel über garbenfreube unb 6innenfreube, man fann niefrt bei all ber greube über bie 3 ßirflid)feitsnäbe bes ©egenftanbes, bei all ber ßuft — um einen

2 lusbrucf aus einem anberen ©innesgebiet 31t nehmen — über ben „Srb=

gerucb" bes 3 Birflicben, bie bod) nur ein leerer, perfönlicber 3uftanb ift,

barauf reichten, 311 bem ein3elnen 2Strfltd)en Doraubringen. 9 tid)t bloß

bie pbilofopbi{d)e Srfenntnis, fonbern aueb bie fünftlerifd)e ©ebau bebarf

eines abgegren3ten ©egenftanbes mit Konturen unb 2Ibfd)attung unb

Siefengang. Künftlerifcbe ©d>au ift nid)t bloß ein fubjeftioer 3 uftanb,

ein ©iebbegnügen mit bem finnfälligen (Einbrucf unb ber pfpd)ifd)en

2luslöfung, fonbern ift ein fd)öpferifd)er Vorgang, ift ein ®rfcf)affen bes

(3)

? i c u c Slunft u n b n e u e S e i t 333

©egenftanbes. ©egen obige Verengerung unb 9\ebu3terung bes auf=

faffenben Srlebniffes in ber Slunft proteftiert bas ^erfönlichfte im 3 Ken=

fcf>en, fein 6d>affens- unb 6cf)öpferbrang. f)ter fommt bie £errfcf)aft bes

©eiftes 3ur ©eltung, i)k x im frf>opferifc^en ©eftalten bes ©egenftanbes haben mir einen gewaltigen 2 lufbrud) aus bem 3 nnerften bes SDtenfchen.

®iefer ©ebaffensbrang unb 6d)öpferbrang ift es nun, ber gegenüber bem paffioen s 2 lufnehmen ber 3 mpreffion, bes Sinbrudes jefet in ber folgenben Äunftftrömung befonbers in ßrfcheinung tritt unb 33 eacf)tung erfährt.

3e(3t t>at man feine greube baran, bie felbftänbige, feböpferhafte 3 xeaftion unb Sluslöfung auf bie Ompreffion ()in su verfolgen unb biefen inneren Vorgang im fünftlerifd)en Erlebnis jum „Slusbrutf", 3ur Sypreffion 3U bringen. ©amit war bie neue 9 tid)tung, wenn man es fo nennen barf, gewonnen unb geboren. ©od) lag es in bem 6inn unb innerften Söefen biefer neuen 2 lufmerf|amfeitsrid)tung unb cSetrad)tungsweife, nid)t bloß bei bem 6d)aufpiel biefer Steaftion unb fd)opferifd)en Verarbeitung ber 3 mpreffion, ber „garbe", ftel)cn3ublciben unb bei ber 6d)ilberung biefes fubjeftioen 2 Iufbrud)s bauernb 311 Derweilen, fonbern auf ben

©egenftanb felbft ab3U3telen. 5 öir J>aben alfo bier gegenüber bem 3 m=

preffionismus nid)t nur eine 9 iid)tungsänberung, ftatt einer 9 ticf)tuncj oon außen nad) innen eine Stiftung Don innen nad) außen, fonbern ein bebeutenbes 2Rel)r. 3 Ran w ill nirf>t bloß ben fubjeftioen S^ftonb [)aben, fonbern and) ben ©egenftanb, nicf)t bloß bie garbe am ©egenftanb, fon=

bem aud) bie gefdjaffene ©eftaltform. Sßill man tycx ein Sßcrturteü fällen, fo muß man fagen: ßs liegt t)kx ein großer gortfd)ritt Dor. Slunft=

erleben ift mehr als fähig fein, auf „garbe" lebenbtg unb ftürmifch unb fein empftnbenb 311 reagieren. (Es ift gan3 wefensmäßig ein 6d)affen aus tieffter STiefe bes 9 Kenfd)en heraus, um SBefen unb Öbee an einem ein=

3elnen SBirflichen 311 flauen. — ©as 2ld)thaben auf biefes innere SDtüffen in ber fünftlerifchen ©eftaltung l)at 31t bem 2lusbrud bes

preffionismus geführt unb 3U einem Verweilen bei einer (Stufe bes 2 r=

iebntffes, bas nur 3eitbebingt ift, in SBirflichfeit aber nur eine Etappe in bem ©an3en bes ßrlebniffes überhaupt barftellt. ©as leftte 3 tcl ift

erreicht, toenn in Sufammenfaffung aller Momente, ber aart Dibrierenben

3 teaftion auf bie garbe, bes 6d)aufpiels ber aufbrechenben ©eftaltungs=

fräfte, bas bewußt Dor ficb gef>t, unb ber 6d>au ber 3 bee unb bes

2 Befens am 2 ßirflichen bie äftt>etifrf>e (Schau abgerunbet ift.

Dies eine Rechtfertigung bes 9 teuen aus ber Äunftrichtung ber oer=

gangenen 3ahr3ehnte. ©och bebeutet S?unft nid)t einen ifolierten 2 lbfcbnitt unb losgelöften 53e3irf innerhalb bes gan3en Äulturgefchehens. (£ i n

9 Iero, e i n ©eift, e i n e 2ßelle 3ittcrt burd) bas ©an3e, bas oon bem e i n e n menfchlichen ©eift gefdjaffen wirb. 6 0 werben wir bie Sßurseln einer neuen Kunftbewegung auch in ber gef amten fulturellen Sage 3U fueben

23*

(4)

334 9Zeue Slunft un b n e u e S e i t

haben. 3 Bir leben an einer 3citentt>enbe, gleichgültig, ob jemanb religiös unb fonfeffionell feftgelegt ift ober nicht, gleichgültig auch, ob einer bas SBeltgefcbeben als eine fid) ftets tmeberbolenbe ^enbelbemegung fafet ober an eine frf>öpferifd>e 6nttt>idlung au Steuern glaubt. 3 eber toeife unb fühlt es, bafe wir in einem Übergangsftabium fteben. Kein S^eifel aber bann, bafe in folcf>er Seit, in einer Übergangszeit ber feelifebe fnnter=

grunb, aus bem bas Kunfterleben unb Kunftfcbaffen beroorgebt, ein gan3 anberer ift toie ettoa in einer rubig babinlaufenben 3eitPeriobe, beren 5Intli(3 geflärt unb entfcbleiert ift. 33er3toeiflung, Hoffnung, 6d)toanlen, hurtig 23 oranfd>reiten unb Hinhalten, Sieben unb Raffen, Sag unb 9 Zad)t bilben bie totib 3erfurd)ten Slbgrünbe, burd) bie empfinbenbe SERenfcben jüngft oergangener unb nod) jefet ftürmenber geben unb geben mußten. SBenn fo ber feelifebe fnntergrunb ift, bann tt>irb aueb bas

3 Berf, bas fid> oon ihm abbebt, einen gleichen ober äf>nlid>cn Ebarafter baben, wenigstens infofern, als burd) bie ‘JBeife unb gorm ber ®ar=

ftellung, aud) toenn bas ®ar3uftellenbe auf anberem ©ebiete liegt, jener feelifebe ©runbton binburd)3ittert. Kein SBunber, wenn bann bie 2 inien=

fübrung nicht fo abgerunbet ift unb nid>t mebr „flafftfche" 9 iube oerrät, fonbern hart unb melleicbt febroff ben ©egenftanb jeiebnet. 2ßas follen toir bann ftaunen, toenn über ber gormung bes ©egenftanbes nicf>t mebr pIatonifd)e, aus bem Überirbifd)en, bem topos ouranios, berübergrüfeenbe

©tille liegt, fonbern ber unmittelbare ßebensbaud) bes einzeln Sßirflicben entgegenglübt, wenn barte 3üge ben barten Kampf bes 3cirf)nenben unb bie barte, unmittelbare 2 öirflid)feit bes ©eseiebneten oerraten. Sftufe man in allen Seiten unb ^erioben toilb gaufelnbe ©cbnörfel unb übersättigte Ornamentfunft lieben? 3 lud) wirb man in ftürmifeben f e it e n , wo bie grage nad) bem SBefentlicben unb 3 nnerlid)ften im 9 Jlenfd)en unb ©ing unb in ber SBelt bas ©emüt ooranbefet, feine SKufe baben, in liebenber Kleinmalerei ausfcbliefelid) bas ©etail berausjubeben, in geruhfamer unb ungeftörter Eingabe Kleines unb Kleinftes bem 2 luge unb ©emüt oor3ttfübren. ® ic formenbe Eingabe wirb bann oielmebr gleid) einem 6tur3bacb bas grofoe erreichen wollen.

2lud> bie* fönnte ein oorfiebtiges, t>ielleid)t all3u oorfid)tiges prüfen einen 6tein 3um 2Inftofe finben. ©ürfen benn bie 2aunen einer ^dkn=

wenbe, bie tofenben Sßaffer einer ftürmenb flicftenben in ben

ewigen, ja göttlichen ‘Sereich ber Kunft hcreinebben? 33ebeutet bies nicht

eine ^feubofunft? ©arf man ba nicht gegenüber biefer Sorge bas

ßeffingfehe SBort 3ur 91ettung rufen, bas 2Bort, bafe bie Suche tiefer

ben 99tcnfcben pade als ber ruhige 23efift? SBill man aud) biefem 5Bort

nid)t abfolute 9iid)tigfeit suerfennen, fo betrifft es boch etwas ©erabes

unb (£d)tes unb tiefes im SKenfchen. 2Iud) bie glühenbfte Spnamif hat

nicht blofe einen 9lei3, fonbern aud) einen 'Jßcrt. ©ies will fich 3eigen,

(5)

9t e u e ft u n ft un b n e u e S e i t 335

toenn man bicfc 23 etrad)tungsiDcife, bie auf bas ^fpchologifche ab3ielt, eine Slchfenbrehung machen läßt unb bie farf>Iirf>e (Seite f>erDorfet>rt. ©er mächtige unb jugenbfrtfchc 3 Taftfc^)Iag toerbenber 3 eit ift ber SDtelßel, ber bie Konturen bes 3ufünftigen umreißt unb F>erausl>ebt. ®ie 3ügc ber fommenben §orm= unb Slunftauffaffung muffen am 28 er!, bas jeftt gefchaffen, am 53 erfucf>r ber jeßt fchüchtern in bie 3 Belt tritt, offenbar werben. Sem Haren SetoufettDerben muß ein 2 lf)nen Dorausgehen. —

3 öas ift’s mit bem Gtolgfeitshaucb, ber bie Hunft unb bas Äünftlerifd)e umtoebt? (Es ift boch nirf>t bie bumpfe 2 uft, bie eine ifolierte 3 bpIIe fern ab Dom ßcben fenn3etd)nct, fonbern es ift boch ber Obern unb ber 6turmf)aucf), ber Dom mächtigen 6chreiten bes SERenfcbengeiftes nach etoigen inneren ©efefeen ausgebt.

6o fann einem neuen SBollen ber innere SBert nicf)t abgefprochen toerben.

©er 3 ufammen[)ang biefer fünftlerifcben 6trömung mit bem ©an3en bes menfchlichen ©elftes unb ber geiftesgefrf>irf>tlic^en (Entoitflung ift aber erft bann geflärt unb einigermaßen offenbar, toenn man bie aus ber

©efd)icf)te ber Pbüofophie befannten Analoga I>ier3u berbeisie^t. ©ann totrb firf) bie 61 d)t, freilich mehr ein Slhnen als (Erfennen, ergeben für ben inneren 3ufammenhang, für bie fortlaufenbe Kontinuität bes ©elftes, bes ©elftes = 2 e b e n s überhaupt, ©er ‘S lid auf ben 3 mprefflonismus ergibt als 2 Ina(ogon bie empiriftifd)e 2 luffaffung ber (Erfenntnis, toie fie bciuptfdcf)Iid> bie engllfcf>e ^ 3 t>iIofop^>le aufroeift Im 18 . unb

19 . 3 af)rt)unbert. 9 tur ber 9 tame 3 of)n Codes braucht i)k x genannt 3u tDerben. ©ie Überbetonung ber Slnfchauung, ber 33 er 3 id)t auf rationale Verarbeitung unb gormung, pfpchologifd^reflejiD gefehen, bie entbeder=

bafte greube an ber 6innenhaftlgfeit ber 3 Belt — freilich ergab fid) als paraborer ©egenpol ber Smmanenaftanbpunft — , bies flnb bie gleichen Eluierungen ber neuen (Einteilung, toie roir fie oben auf fünftlerifcbem

©ebiet gefehen haben. Unb fprachen roir oben Don bem ^roteft bes

©eiftlgen, bes 6cf)öpferhaften im SKenfchen ln be3ug auf bas fünftlerlfche Grieben unb ©chaffen, fo brauchen tt>ir hier in be3ug auf bie ^hilofophie nur Slant 311 nennen, um ben geiftigen 3 ufammenhang 31t fehen. ©iefe beiben parallelen betreffen, tr>ie man fiebt, bas fubjeftioe (Erlebnis, bie fubjettfoe 6chau ober (Erfenntnis, betreffen bas aus bem 3 entrum bex perfon herfommenbe Schaffen ober Stonftruleren bes ©egenftanbes.

Sichtet man nun enblich barauf, tote — in fachlicher, objeftioer f)inficht —

fünftlerifch ober erfenntnlsmäfeig=philofophifch, man jefet ben © e g c n =

ft a n b fchauen toill unb tt>as man an 1 h m erleben ober erfennen toill,

fo ergibt fich eine neue parallele. 3 mmer größer feimt bas 2ßollen in

ber phüofophifchen (Erfenntnis, auch ben ©egenftanb ln feiner fonfreten

(£ln3elhelt 3U erfaffen unb nicht blofe ab3U3ielen auf fein ibeaf=allgemeincs

(6)

336 © i b t es e i n e ,/D u p l i 3 i t ä t ber (£ r e i g n i ff e"?

SBefen, fonbern auf feine tnbimbuelle, finguläre, fonfrete Sßirflicbfeit unb SBirffamfeit, ein SBollen, bas neujeitlidjes ®en!en fenn3eid)net gegenüber

bem mittelalterlichen ©enfen. 951 ag nid>t ber parallele 3 ug aud) in ber neuen fiunftftrömung Dorhanben fein, als if>r 3Befens3ug nad) ber objef*

tioen 6eite bin? 2Bill man ba nirf>t etroa in ber ©arftellung eines 6ä=

manns etwa ben fonfret t>or fid> gebenben Verlauf ber Bewegung unb ber Slrbeit überhaupt erfaffen, miterleben? sticht bat man bei ber gigur eines Slsfeten neujeitlicber Sluffaffung unb gormung bie abftrafte 3 bee ber 2lsfefe überhaupt im 3 Iuge, fonbern man meint bas unmittelbar wirtliche Gingen unb 6id)t>ertiefen in Iet3te 2Ibfurbitäten menfd)lid)er 2llbernbeiten 3U erfaffen. gern foll es liegen, um bes 9tei3es eines Schemas willen tünftliche parallelen aufweifen 3U wollen. ®od) finb Äunft unb Pbitofopbie Doneinanber losgelöfte 33e3trfe bes SKenfd)licben unb ©eiftigen? 3 Benn nicf>t, was foll es uns oerwunbern, wenn eine gleiche — formale — Struftur burd) bas ©roj3e=©ewaltige gebt, was man geiftiges 2 e b e n nennt. f)ier fteigt bann ein gewaltiges hohes

2 ümen auf Don einer lefcten großen (Einheit, oon einer bem 9 Keta=

pbpfifeben angebörenben Spntbefe unb t>on ber berrlid)cn Spannweite ber grofeen ©eifter, bie biefes ßefete nid)t blofe begrifflich erfennen, fon=

bem in ber ßebenseinbeit ihrer Perfon miterleben.

© ib f cs eine „ ö u p ftg ifä f 5 er C m igm JJe“ ?

35on 3 B a l t e r R 0 \) l e r

®te teebnifebe 33 ollenbung ber Nachrichtenübermittlung unb 23 erid)t=

erftattung ift Don bem < 23 or= unb 5 Had>teil begleitet, alle an allem teil=

nehmen 311 laffen, was in ber Stulturroelt gefebiebt. ®a bas SKiterleben 3um groften Seil ein SDtiterleiben ift, liegt in bcr 2eiftungsfäbigfeit ber Preffe wegen ber ©efüblsbelaftung breiter Schichten ein ©efebenf t>on einigermaßen bcbenflicbem 5 ßert. ©ie (Erweiterung bes f)ori3onts loft aber bei etn3clnen befinnlicben Naturen nid>t nur ©efüblsreaftionen aus, fonbern la'fet bei ihnen burch innere Verarbeitung all bcr ocrfchiebenen Seitungsmclbungen etwas entftchen, was in bas ©cbict philofophifchcr 2ßeltanfchauung fällt. 3 n btefem geiftigen 23 e 3 irf ift bie gormel oon ber

„®upli3ität ber C£reigniffe" entftanben, bie Don 3 e^un95Icuten

=lefern t>ielfad> angewanbt wirb, wenn 3WC1 bemerfenswerte (Ereigniffe gleicher ober ähnlicher 2lrt innerhalb einer fur3en 3eitfpanne bas 3 nter=

effe ober SWitgefübl ber Öffentlichfeit in 2lnfprud) nehmen.

2Öas ift es mit biefer „Suplisttät ber ßreigniffe"? 2fft fie eine 2aune

bes iUaturgefchehens, ein (Spiel bes 6d)idfals, 3 uW l — ober ift fie burd)

ein geheimnisvolles Staturgefefc bebingt?

(7)

© i b t es e i n e ,/Du p l i j i tä t b e r C t r c i g n i f f e " ? 337

2 )er Slusbrud „SupKaität ber ßreigniffe" bat nur bann einen Sinn, toenn er mit bem Slnfprucb angett>anbt roirb, baft burd) ihn ein 9 tatur=

gefeft gefennaeic^net toerben foll, toelcbes bas 33 efteben eines 3 ^fammen=

banges ber beiben gleichen ober ähnlichen Vorfälle 3um 3 nbalt t)at. 60 febr tr>ir gerr>ot>nt finb, mit ber unbebingten < 23 erläfe(id>feit unb unburrf)=

broefjenen ©ültigfeit ber aus bem 9 taturgefcbeben abftrabierten 9 Zatur=

gefefte 3U rechnen, fo gehört es bod) aum 33 eftanb moberner naturroiffen- frf>aftlid>er ßrfenntnis, bafe bie 3 Zaturgefefte im ©runbe genommen nur

©efefce befebretbenber 21rt finb unb feine „ßrflärung" ber 9 !atur=

erfebeinungen liefern. 3 ebesmal, wenn rr>ir einen 00m 33 oben erhobenen Stein loslaffen, fällt er 3U 33 oben. 3 ßorin bie „Sd)tt>erfraft", bie „ 2 ln=

3tef)ung ber SKaffen" beftebt, fud)t bie eyafte 3 laturforfd>ung nid)t 31t ergrünben, fonbern fie begnügt fid) bamit, bas gallen bes Steines 3U betreiben. 3 )as SÖtaterial für bie 33 efd)reibung bietet bas atüedmäfeig angeorbnete unb beliebig oft tt>ieberf)olte (Experiment. ©er 9 Kenfd) ift babei §>err ber $inge, bie ihm ermöglichen, feine 23 eobad)tungen in ben

^taturgefeften abftraft 3U formulieren, ©ie Vorgänge finb babei abfolut Objett feiner ^Beobachtung unb Slufmerffamfeit. 5 Bie oerbält es ficb

aber mit ber ßrfaffung ber Sreigniffe, bie bas „©efet$ ber Serie'' 3um

3 nbalt bat? ßs liegt in beren SBefen, bafe fid> bei ihrer 6rforfd)ung nur folcbe Vorgänge als ‘Seobacbtungsmaterial bieten, bie — aus fpäter 311 erörternbem ©runbe — feine befonbere 5 lufmerffamfeit erregen unb ferner, bafe für ihn nur eine unDolltommene Slneinanberreibung Don Satfacben oorliegt, niebt eine erfeböpfenbe Statiftif, bie mit ausreicbenber Sicberbeit allgemeine 9 iüdfd)lüffe 3U 3ieben erlauben toürbe. ©er gülle ber tatfäcblicben £reigniffe unb ber großen 3 abI (Erlebniffen, bie erforberlid) wären, um ein allgemeines ©efeft auf biefem ©ebiete 3U formen, ftebt bie befebränfte Slapa3ität ber menfcbltcben Grlebnisfäbig=

feit unb 2 lufmerffamfeit gegenüber, bie ben 33 eobacbtungen jeben ftati=

ftifeben 3 Bert nimmt unb ben beobad)tenben (Ereigniffen 3ufallsd)arafter Derleibt.

3 Benn nun bie grage geftellt tr>irb, ob es Sufall fei, wenn innerhalb einer fur3en 3eitfpanne 3tt>ei §>äufer bureb firplofionen t>ernid)tet toerben, tt>enn roir in bemfelben 3ettungsejemp[ar t>on einem Kinobranb in 3 ta=

lien unb einem folcben in 9 Iorbamerifa lefen, wenn xoix jahrelang aus unferem ©efiebtsfreis entfebrcambenen ^erfonen in tn x ^ n 3 nteroallen begegnen, fo mufe einer befriebigenben 2 lntir>ort eine fur3e ‘Sefinnung über bas ‘JBefen bes 3ufalls t>orausgeben.

Slbgefeben oon getmffen (Erfebeinungen im feinftofflicben 2Iufbau ber SERaterie unb oon getmffen in ber finetifeben ©asiheorie bebanbelten Vorgängen, bie nach neueften gorfebungen eine 33refd)e in bie 2lllgültig=

feit bes ©ogmas ber Äaufalität 3U fchlagen febeinen, tann ber ©runb=

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338 © i b t cs e i n e „$) u p l i 3 i t ä t ber C £ r e i g n i f f e"?

faß, baß feine SBirfung ohne beftimmte Urfache entfteht, unb baß gleiche Urfachen gleiche Sßirfungen ergeben, als unumftößliches SIjiom an=

gefehen roerben. Silles toas gefchieht, gefchicht banach bebingt, b. h- t>or- herbeftimmt. Stile (Ereigniffe finb in eine Sette Don Urfache unb 3Bir«

fung eingegliebert, jebes ift 3ugleicf) Sßirfung bes Dorhergegangenen unb Urfache bes folgenben. gaffen toir nur eine biefer Äaufalreihen ins Sluge, fo fönnen toir ihren Verlauf auf ©runb unferer 9taturerfennt=

niffe auf fur3e ©trede Dorberfagen; von toiffen, baß ber Dom 23oben er=

hobene 6tein 3ur (Erbe fallen roirb, roenn roir ihn loslaffen. 3n ber SBirflichfeit fefet [ich ober bas 6d)idfal eines ©inges Don (Sroigfeit 3U (Etoigfeit fort, fo baß tmr rocitere ©iftansen ber auch nur einen ©egen=

ftanb betreffenben Saufalreihe nicht überbltden fönnen. 3n mannigfacher SBeife fchnetben fich nun ungejählte Sßirfungsreihen, unb jebe beeinflußt bie fie freujenbe. STrifft unfere eigene Schtcffalslinie, eine teitoeife Don pfpchifchen gaftoren bebingte Äaufalrethe, mit ber 6d)idfalslinie eines

©inges außerhalb unferer Perfon jufammen, unb finbet biefes 3u=

fammentreffen unter Umftänben ftatt, bie — toie faft immer im roirf=

liehen ßeben — ein Überbliden ber außerperfönlichen Saufalreihe nicht aulaffen, fo entfteht babei eine — für uns unoorhergefehene — (Ein=

roirfung auf unfer eigenes €>d)idfal, beren nächftliegenbe Urfache toir gemeinhin 3 u\all nennen. Ob nun 3toei ober mehrere (Ereigniffe gleicher 2Irt, bie unfere Slufmerffamfeit burch eigenes (Erleben (fei es auch nur jenes ber 3 eitungsleftüre) feffeln, in chaotifcher Unregelmäßigfeit ober in erfennbarer 9iegelmäßigfeit auftreten, hängt Don ber Dergleichsroeife geometrifchen ©eftalt ab, toelche bie in ^Betracht fommenben (3tr>ei ober mehreren) Äaufalreihen mit unferer eigenen ©chidfalslinie bilben. Saufen bie außerperfönlichen Saufaireiben btDergierenb, fo ift bie 5Bahrfd)ein=

lichfeit, baß unfere 6d)idfalslinie fie freu3t, geringer, als tüenn fie parallel gehen. SBenn bie einmalige Jagesarbeit eines ©achbeders in=

folge Dorhergegangener fchäblicher Sllfohotoirfung minber forgfam aus=

geführt toar, unb bann nach fahren ein ®ad)3tegel einem bieberen 33e=

amten Dor bie güße fällt, fo ift es nicht fo gan3 untoahrfcheinlicb, baß bie aus bcrfelben Urfprungsquelle fommenbe Saufalreihe bem ^Beamten auch an einem ber folgenben Sage einen ©achsiegel Dor bie güßc führt.

Stimmt man bagegen an, baß bem ©achbedcr fd)led)tes SSRaterial ge=

liefert toorben toar, bas er beim ©eden 3tDcier f)äufcr in Derfchiebenen

©tabtgegenben Denoanbt hat, fo ift bie Sßabrfcheinlichfeit, baß ber

33eamte 3 euge bes Slbftur3es je eines 3 iegelfteines Don biefen beiben

Käufern toirb, fehr gering. 3mmer aber ift 33ebingung für bas (Erleben

einer ©upli3ität, baß unfere 6d)idfalslinie, bie Don innen unb außen

beftimmte Slaufalreihe unferer eigenen Perfon, 3tDei Saufaireiben

fchneibet, bie hinfichtlich bes Urfprungs ober bes ©ubftrats eine gleiche

(9)

( S i b t es e i n e „3) u p l i 3 i t ä t b e r ( S r e i g n i f f e " ? 339

Komponente auftoeifen. S ie ilnüberfehbarfeit macht bie 6d)nittpunfte

3U 3 ufällen.

©es alten 5>eraflit 2öort Dom etoigen gluß aller ©inge weift in bas

©ebiet jener 9 Zaturphilofophie ber 2llten, bet ber nüchterne Betrachtung nicht gern eine Anleihe macht. 2Iber toas fid) im engen Beairf bes Sinjel*

bafeins an Beobachtungsmaterial bietet, läßt bie 9 ücf)tigfeit feines 2lus=

fpruches erfennen. ßs befteht im lebenbigen ©etriebe ber 2Belt eine un=

aufhörltche gegenfeitige (Einflußnahme aller uns umgebenben Realitäten, ein ftänbiges Kremen unb einanber SKobifiaieren unzähliger Kaufal=

reihen aus 3^it unb 9 xaum. Vieles ift Derfchieben, Dieles ähnlich unb gleich, tt>as gefd)ieht. Sftit unferer relatio geringen (Erlebnis* unb 2 luf=

nahmefähigfeit nehmen toir — auf fur^e ©iftana — einen Jleinen 2lus=

fchnitt aus bem ©efchehen toahr, worin wieber Vergebenes, ähnliches unb ©letches enthalten ift. ©ie pfpchologifche gähigfeit ber gebanflichen 2lffo3tation hebt nun einen 3 Teil btefer ßrlebniffe, bie gleichen unb ähn=

liehen, aus all ben übrigen heraus unb oerleiht ihnen befonbere 33 ead)=

tung unb Bebeutung, währenb bie ßinaeloorfälle einfach hingenommen, je nach ihrer SBichtigfeit für ben ßrlebenben mehr ober weniger bemerft toerben.

©ie unüberfehbare SDlenge ber ßreigniffe, Don benen in unferem inbioibuellen 2eben ein fleiner STeil ßrlebniffe toerben, gliebert fid) in unferem 23ewußtfein 3u oerfchiebenen Kombinationen. Von biefen ift bas größte Quantum qualitatio Don eigener 2lrt, eines nicht ähnlich bem anbern (ßinjelereigniffe). Sin geringerer Seil toirb einanber ähnlich, ein noch fleinerer einanber gleich fein. SBäre bies — auf eine, an unferer (Srlebnisfähigfeit gemeffen, große 3 ahl Don ßreigniffen be3ogen — n i ch t ber galt, fo müßte uns bies erft recht als ein SBunber erfcheinen, ba alle '2öabrfcbeinlichfeit bafür fpricht, baß unter einer großen 3ahl (für unferen (Sinblid Doneinanber unabhängiger) Vorfälle nicht immer folche anberer Qualität aufeinanber folgen, fonbern hie unb ba auch ähnliche unb gleiche, ©ie Erfahrung lehrt uns, unb bie SBahrfcheinltchfeitsrechnung gibt uns zahlenmäßigen 2luffd)luß barüber, baß ein (Spielwürfel bei oftmaligem SBerfen nicht in ununterbrochener Slufeinanberfolge immer eine anbere 3 ahl oon klugen als bie Dorige nach oben fehrt, fonbern baß bann unb wann 3Weimal, oielleicht breimal biefelbe 3 ahl nach oben 3U liegen fommt, ebenfo baß mehrere Sßürfel hie unb ba eine 6erie Don gleichen 2lugen aufweifen. 3n gleicher SBcife erleben wir in ber 3Belt ber ©inge bes äußeren 2ebens gelegentlich 6erien gleicher Vorfälle.

Könnten wir alle Vorfälle 3äblen, b. h- 3U Srlebniffen machen, fo mürben

wir finben, baß bie wenigen ©erien, bie toir beobachten, burchaus in

ben ©ren3en ber öäufigteit liegen, bie ihnen wahrfcheinlichfeitstheoretifd)

3ufommt.

(10)

340 S e i t

2Bir überfchäfcen bie f>äufigfeit ber Serien, tr>eil wir, burd) bie Sunt=

tion ber $lffo3iationsfähigfeit geleitet, immer bie Ausnahmefälle zählen unb fte mit bem Schimmer bes ©eheimniffes umgeben. S ie unzähligen ßinaelereigniffe aber werben lebiglich als ßrgebniffe bes unerforfd)lid)en Zufalls regiftriert, ohne bafe ihnen eine befonbere Bebeutung innerhalb bes ©efamtgefchehens, ein tieferer Sinn 3ugefd)rieben würbe. ®as menfchliche ©ebäcf)tnis ift aber eine gute Schaftfammer. 33oll3ief)t fich fpäter, aber in furzem 3eitabftanb, in unferem ßeben ein gleiches ober ähnliches Sreignis, fo wirb bas erfte als (Srinnerungsbilb in uns leben=

big, unb unfer „Kaufalbebürfnis" beachtet nicht bie Gjiften3 ber 2öahr=

fcheinlichfeit, fonbern fucht — nicht einen (meift oergeblichen) 9 tüdblid auf einen etwaigen gemeinfamen Ürfprung ber Kaufalreihen, bie unferc Schidfalslinie gefreut haben, auch feine Srflärung ber ntenfd)lid)en 2lffo3iationsfähigfeit, fonbern einen geheimnisoollen Sufammenhang, ein rätfelhaftes „©efeft ber Serie'', ßs unterfcheibet fich t»on ben wahren SZaturgefefcen, wie leicht oerftänblich, burch ben ilmftanb, bafe bie let3=

teren Slbftraftionen aus beobachteten unb ftatiftifd) in abfoluter 2lus=

nahmelofigfeit oorgefunbenen 9 Zaturfacf)t>erbalte, biefe festeren rein O b j e f t ber Beobachtung finb, währenb beim Erleben t>on Duplizitäten

bas ßrleben als f u b j e f t i D e Komponente mitfpielt unb bie ßreignis=

paare als Beobachtungsmaterial wertlos macht, ßs ift babei fein objef=

tioer Satbeftanb, fonbern nur ein für wiffenfchaftliche 2lbftraftion nicht brauchbares ©emenge Don Objeftioem unb Subjeftiocm gegeben. S ic Antwort auf bie grage nach ber ßpftenz einer „Suplijität ber (£retg=

niffe" fann baher einerfeits nur in ber 2lufforberung liegen, ihren etwaigen gemeinfamen ürfprung feftzuftellen unb fte bei negativem 2lus=

fall ber Bemühung als 3 ufälle anzufehen, anbererfeits in ber 2Bar=

nung, aus folchen fufzefftoen Sufällen, um bie bie Erinnerung ein gc=

metnfames Banb fchlingt, nachträglich einen eigengefet$lichen 2 at=

beftanb 31t fonftruieren. 2öo gegen biefe gorberung unb SBarnung t>er=

ftofeen wirb, liegt ein gehlurteil oor, beffen innerfter ©runb in bem ilmftanb gegeben ift, bafe fich pfpchologifches ©enfen nicht notwenbig unb nicht immer mit logifchem bedt.

3<rif

53 on J u l i u s £ a b e n f e l b t

2Bas uns alle Sage begegnet, womit wir in ftänbiger Berührung finb,

bas finft 3U etwas ©ewöhnlichem unb Alltäglichem herab unb wirb

barum wenig ober gar nicht mehr beachtet. Unb wenn es im SBefen noch

fo wunberbar ift, fo bafe bie größten ®enfer es 3um 2lusgangspunft ihrer

Betrachtung machten unb bod) nicht ergrünben fonnten — es wirb burd)

(11)

341

ben täglichen Umgang 311 einer profanen Sache. (Eben bies gilt auch Don bem 3 Bunberbaren, bas wir fo felbftoerftänblich unb einfach als

„3 e i t" besetchnen.

2Btr wollen auch heute nicht in Söorte faffen, was fich im ©runbc boch nicht in 3 öorte faffen läßt, aber wir wollen Don 3 eit 311 3 ett eine paufe machen bei unferer gewohnheitsmäßigen Slrbeit unb bann inne=

halten unb einmal über bie täglichen Singe hinwegbliden. 2ßir wollen Dcrfuchen, nach geierabenb uns in bie forgenfreien (Ebenen empor=

3ufd)Wtngen unb bann fchweigenb unb ftill bem Siden unferer ‘Jßanbuhr laufchen unb fo ben „Strom ber 3 eit" an uns Dorübergehen laffen, bamit unfer f)er3 nicht roftig werbe in ber heutigen 3 Belt, bie feine Phantafic unb 3 Kärd)en fennt. ©ocb lerne in ber Stille unb (Einfamfeit laufchen, bann mag wohl ein (Empfinben in bir auffteigen, baß es auf unferer (Erbe bod) etwas 23 efferes gibt, „als all ihr Schmers unb 2 uft". — 3 öenn bann mit folcher Stimmung eine Sehnfud)t nach höheren ©efilben erwacht, ba wirb unfer f>er3 auch etwas Don ber llnenblichfeit ber 3eit fpüren unb etwas ©eheimnisDolles ahnen, bas bem 2 lusbrucf burch

3 Borte flieht unb fich allein im Schweigen offenbart.---

So geheimnisDoll, Derfchleiert unb Derhüllt ift auch ^ s , roas wir fo einfach mit 3eit benennen. 2ßir erleben nur immer Momente, 2lugen=

blide unb fprechen barum mit N echt Don bcr (Enge unferes 33 cwußtfeins.

SBieDtel, wicDiel! was für ein SDleer unb C>3ean Don 3 eit unb ©efcheh=

niffen in ber 3 eit raufd)t Don Sefunbe 31t Sefunbe Dorüber, ohne Don uns gebacht, gewußt, ja jemals erfannt 3U werben!---

SBas für eine fleine gläche überfd)auen wir boch! 2luch wir emp­

finben bann ähnlich, wie ber große Newton einmal fid) ausbrüdte, wenn er befennt, er fäme fich sor in feinem 2eben, als habe er am Ufer bes SUeeres mit 3 Kufcheln gefpielt unb bort breite fich für ihn ber große unbefannte C>3ean aus. 2 ßir SSRenfchen ftehen auch alle am unenbltchen 03ean ber 3eit unb überfchauen bie 3 ßelt, fo weit unfer §>ori3ont, unfer

‘öewußtfein reicht. S o w e i t w i r b e n f e n u n b e m p f i n b e n , f o D t e l l e b e n w i r ! ©as ©enfen macht ben wahren SKenfchen; benn ber SOtenfch ift nicht mit Speife unb Jran f 3ufriebengeftellt. ©enfen unb (Erfennen finb ihm 2 ebensnotwenbigfeiten. Slusgerüftet mit ben Spann=

fräften feiner ©ebanfen burchftreift er bie 5 Belt, unb Don ihm fann man wie Dom Sd)üt3en fagen: ihm gehört bas 5 Beite, was fein Pfeil, fein

©ebanfe erreicht. Sobalb aber ber Sftenfd) erfannt hat, baß bcr

©ebanfenrcichtum, bas (Erfennen, ben 9 Kenfchen ausmacht, unb nicht ber äußere 'öefife mit allem ©rum unb ©ran, wirb er fich nicht um bes

SSTtammons willen in bie alltäglichen ©efchäfte Derlieren ober barin auf­

gehen, um fo bas Sefte 3U Derlieren. Nein, bie 3 eit wirb ihm 3U einer

foftbaren Sache an fich. Unb fie wirb ihm immer föftlicher, je mehr er

(12)

342

erfennen fann. Unb nun crft befommt bas ganac 2eben mit feinen man»

nigfaltigen 3ntereffen einen neuen Sinn für ibn. ®ie %z\t, bie ibm fonft gar nichtig febien ober beffer ibm gar niebt 3um ‘Sewufetfein fam, erfebeint ibm nun als bas böcbfte unb febönfte ©ut auf ber 2Belt, ja, fie wirb ibm 3U einem ©olbflumpen, wie im SDZärcben r>on „£)ans im ©lücf", ber fo grojj toi* „fmnfens Kopf'' war. 2lber er bat bann aueb begriffen, bafo er bie nict>t oeräufoerlicben barf, unb weife, wer ibm unnüfe feine %eit nimmt, ber beftieblt tbn. SInbererfeits erfennt er ebenfowobl, bafe bie 3eit ein Unterpfanb ift, über beffen ©ebraueb er einmal 9led)enfcbaft geben muß. Unb fo oerbtnbef ftrf> mit ber (Erfenntnis Dom unbe3af)lbaren 2öert ber o^it gleichseitig ein tiefes Verantwortlicbfeitsgefübl binficbtlicb bes beften ©ebrauebs biefer ---

®er große ®enfer Don Königsberg, 3mmanuel Kant, nennt bie

eine „2lnfcbauungsform". — Obne bas 9iätfel ber 3 e\i löfen 31t wollen, fönntc man wobl bie ^c\t mit einem 2lderboben Dergleichen, ben jeber SKenfcb nacb feinen ©aben unb Kräften 31t beftellen bat. (Es ift aueb hier wie im 9taturleben: „2Bas ber SKenfd) fäet, bas wirb er ernten." 2lus ben Säten unb ©ebanfen unferer Vergangenheit erwäcbft unb fpriefet immerfort unfere ©egenwart, unb unfer jefeiges Sun unb 2affen fällt ebenfalls in bie gurebe ber t unb bilbet fomit bie Slusfaat für bie 3ufünftige (Ernte. ®arum fagt auch unfer Sd)iller mit 9ied)t in feinem (Epigramm 00m Sämann: „Siebe, Doll Hoffnung oertrauft bu ber (Erbe ben golbenen Samen unb erwarteft im 2ena fröhlich bie feimenbe (Saat.

9iur in bie gurche ber 3^1 bebenfft bu bicb, Säten 3U ftreuen, bie, Don ber SBeisbeit gefät, ftill für bie (Ewigfett b lüb n ?"--- 3n mancher f)inficht bürfte man wohl auch bie t mit einem gilm Dergleichen, ber

ftetig Dorüberrollt unb unfer 2eben mit unferm ®enfen, Sun unb Sreiben aufnimmt unb wieber barftellt in unenblichen Variationen. 9tur fehlt bei biefem Vergleich ein wichtiger gaftor — bas 3Bacbstum ber fich fort=

wäbrenb in ber 3eit abfpielenben ©ebanfen unb ©efebebniffe fommt bei biefem ©leiebnis nicht fo 3um Slusbrucf. ©ie Scbnelligfeit febeint uns SWenfcbenfinbern oft ein (Ebaraftersug ber %e\t 31t fein, aber bod) erft bann, wenn fie hinter uns liegt unb wir bie Vergangenheit in unferer (Erinnerung einmal betrachten. 3a, bann ift fie bahingeeilt, „als flögen wir baoon". 2Bie gana anbers erfebeint uns bie Seit, wenn wir in bie Sufunft bilden, unb insbefonbere, wenn wir ba etwas erhoffen, ja, bann

fönnen wir — wie es bann immer beifet — nicht erft bie

abwarten; wie langfam gehen ba bie Sage unb 6tunben! — 9tod) lang=

famer gebt bie %tit, wenn Sorge, Kranfbeit unb gieber^uftänbe uns

SERenfcbenfinber b^nifucben. Söollen bann nicht bie fcblaflofcn flächte 3U

(Ewigfeiten werben? — Sehen wir nicht aus allem, wie bas 3 ^itmafe

fich im ©runbe nach bem jeweiligen ©enufouftanbe bes 3Wenfd>en richtet

(13)

a 5 © e f d) to ä fo 343

unb genau bamit Schritt hält. 6 0 wirb bic uns äu&erlid) oöllig gleich oerlaufenbe 3 eit bei tieferer ^Betrachtung mannigfaltig unb oerfebieben, wie bie 9 ftenfcben benfen unb finb. 3 a, man begreift, bafo jeber SERenfcb feine eigene %e\t I^ t. 2 Bas wir SKenfcben barum fo einfach 3 eit nennen, wirb — wenn wir es fo betrachten — für jeben eingelnen etwas 3 nbit>i=

buelles, 23 erfcbiebenes unb Eigenartiges, bas bie gärbung nach bem 3uftanbe, ber ©enfweife unb bem Ebarafter ber betreffenben ^erfon erhält, ©te ift fomit bem 3 )ienfd)en oöllig angepafet, unb jeber erlebt fie auf feine 2 Betfe. 3 eber bat alfo feine %z\t, erlebt feine % i i t , fd>aut feine %c\t auf feine ihm eigentümliche 5 Beife: bie 3 ift — um mit ben

3 ßorten bes großen Slöntgsberger ©enfers 3U fpreeben — bie „21 n = f c h a u u n g s f o r nt" f e i n e s 2 e b e n s u n b e i n S p i e g e l b e s e i g e n e n 3 d)s.

[60 bat Stant [eine 2 cf)ren, bic 3 eit fei eine „gorm " unferer $lnfd)auung, allcrbings n i cb t gemeint. S r tüollte jagen: $ ic 3 cit ift nicht eine oon unterem (Seift unabhängige 3Birflid)feit, fein „£)ing an ficb" — fie roäre ja ein „Unbing" in ibrer (Sren 3 enIofig=

feit — ja, er geht fo rocit, 3 U behaupten: ber 3 eit entfpriebt überhaupt nichts am „$)ing an fief)". 6 ie ift alfo nach Slant „(Sr 3 cugnis" unferes ©eiftes, aber ftreng geiefcmäjjiges (Sr 3 eugnt 5 . (Er benft babei gleid)fam an unfere „offi^ieUe", für alle einzelnen übercin=

ftimmenbe „objeftioe" 3 cit, bie unfere Uhren meffen unb nad) ber roir unfere geit=

red)nung führen. 9tur mit §>ilfe biefer objettioen Seit fönncn roir ja bie 33crfd>ieben=

beiten unfcrcs fubjeftioen geü-Srlebens, bic ber 53crfaffcr treffenb fehübert, überhaupt

bemerfen unb feftftcllcn. 51. SOt.]

£ > a s > (§ > e jd )t r > ä f s 33on 21 u g u ft 2R e f f e r

SDienfchlicber 33or3ug ift bie ©abe ber 9 iebe, menfcbliche Unart bas

©efebwäfe. 3 m ©efcbtüäfe befunbet ficf> recht eigentlich menfeblicber

„f)erbengeift". (£baratteriftifcb ift, bafe es febon ben meiften SDJenfcben faum erträglich ift, fd)weigenb 3ufammen 311 fein; fie empfinben bas als peinlich, als entfrembenb. 6 0 fühlen fie ficb gebrungen, miteinanber 3u fpreeben. Unb ba vielfach ber rechte Stoff 311m 9 teben fehlt, fo fomrnt es allsuleicht 3um „©efebwäfe" — benn bie ©abe, bannlos unb bod) anregenb 3U „plaubern", ift nid)t all3ut>ielen oerlieben.

©er beliebtefte ©egenftanb für bas „©efebwäfe" ift ber — SSHitmenfcb, unb gerabe barin möchte ich bas Unterfcbeibenbe 3wifcben „Klauberei"

unb „©efebwäfe" erbliden, baft jene harmlos unb unfcbäblid) bleibt, biefes aber 3 Jtenfd)en 3U febäbigen geeignet ift.

©a nach allgemeinem pfpchologifchen ©efefe basjenige bie 2lufmerf»

famfeit auf ficb 3ieht, toas neu unb ungewohnt ift, fo wirb bas 9 teue

unb bas Ungewohnte 3um beoor3ugten Objeft ber Unterhaltung, ©iefe

Derböfert ficb aber 3um „©efebwäfe", wenn Neuheit unb Ungewöhnlich'

feit ohne weiteres bas negatioe 53or3eid)en bes Unwertes erhalten. Un»

(14)

344

a s © c } d ) t o ä f t

gähligemal aber Dollsteht man biefe SOtißwertung als etwas felbftr>er=

ftänblid) berechtigtes, ohne jeben ©ewiffensjfrupel; benn „aus ©e=

meinem ift ber 9Wenfd> gemacht-unb bie © e w o h n h e i t n e n n t er f e i n e 21 m m e".

6 0 wirb bem f>erbenmenfd)en bas Reue unb Ungewöhnliche ohne weiteres aum „Unftnntgen" unb „Verrüdten" unb eben baburch 3um <33er=

bammungswürbigen. ©amit aber bie Ablehnung unb Verurteilung um fo über3eugenber erfd)eine, greift man inftinftiD 3U bem beliebten SDtittel ber Übertreibung unb Veqerrung. ©a äußert etwa jemanb in f'onfert>a=

tioer Umgebung, ber 35olfd)ewismus muffe nach feinem geiftigen ©ehalt geprüft werben: fofort fprengt man aus, er fei felbft Bolfchewift unb Umftürgler. 3d) erinnere mich eines galls, baß jemanb in eoangelifchen Greifen, weil er fatholifch getauft war unb gelegentlid) Vorurteile gegen ben Äatholiaismus 3U 3erftreuen fuchte, als „Derfappter 3efuit" galt, währenb berfelbe SJtenfcf), weil er aud) an fatholifchen Sehren unb Sin=

richtungen Stritif übte, Dielen feiner ©laubensbrüber als Ungläubiger unb Ktrd)enfeinb galt, ©a tritt eine Richtung ber Sebensreform für bie große Bebeutung richtigen 2ltmens ein: fofort heißt es Don ihr, fie lehre, ber 9Jtenfch fönne allein Don ber 2uft leben; ober ein 2Ir3t oerorbnet Rohfoft bet einer Rethe Don 6toffwed)feltranfhciten: man Derbreitet, er ernähre bie Patienten in feinem Sanatorium lebiglich mit „2Ipfel=

frÜ3li//. treten 2Ibftinente gegen ben 2ll!oholmißbrauch auf unb weifen

auf beffen DerhängntsDolle 2Birfungen hin, fo heißt es fofort, fie feien Kopfhänger, bie feinen Sinn hätten für ßebensfreube; ober man fud)t fie burch bie Behauptung lächerlid) 3 U machen, fie erwarteten alles f>eil

bes 9Kenfd)enge}d)lechts Don ber 2 lbftinen 3 .

§>ier fommen wir überhaupt auf einen wichtigen ^unft, in bem philifterhaftes ©efchwäfc aud) ©utgefinnte unb Öbealftrebenbe häufig irreführt. 2111c Reformbeftrebungen müffen, wenn fie nicht in wirfungs=

lofem Bereich allgemeiner Kritif unb abftrafter SDtoralprebigt Derharren wollen, bei fonfreten SKißftänben anfet3cn unb 311 beffern fud)en. Ratür=

lieh läßt fid) bann jeweils biefer 2lnfat$punft — Derglid)en mit ber Summe ber überhaupt beftehenben SKißftänbe — als etwas Verein=

geltes unb relatiD Unbebeutenbes hinftellen. Rieht minber läßt fich bie erftrebte Snberung, ber fonfrete ReformDorfd)tag als etwas relatiD äußerliches charafterifieren gegenüber ber 3Banblung ber ©efinnung unb bamtt bes innerften Kerns menfchlicher ^erfönlichfeiten. 2luf biefe 2öeife heit man bann leichte SDIühe, jeben Reformer als einen „Reform=

fimpel" lächerlich 31t machen unb benen, bie fich bamit begnügen, für bie totale innere Erneuerung unb geiftig=fittlid)e SBiebergeburt 3U fchwärmen unb baoon 3U fchwäften, bie ihnen fchmeid)elnbe Überzeugung 311 fug=

gerieren, fie ftänben mit ihrer „3nnerlid)feit" ficher hod) über folchen

(15)

D a s ©efd)n>cit3 345

„3ßeltverbefferern". 3n Söirflichfeit ift es aber boch fo, bafe biefe ver=

ipotteten Reformer rt>irflid> mit ber Seit biefen ober jenen SDlifeftanb be=

fettigen ober hie unb ba beffere (Einrichtungen fchaffen, währenb jene be=

quemen ^Ipoftel ber „totalen inneren Sßiebergeburt" alles beim alten laffen. Somit ftellt fich ihre Rebe in 3ßahrheit oft heraus als ein ,,©e=

fchtDäfe", bas bahin wirft, unbequeme Reuerungen ab3uwehren.

3ft bas Ungewohnte zugleich ein Ungewöhnliches, ein |>ervorragen=

bes, fo regt fich im §erbenmenfchen fofort auch ber Reib, bie SJRifegunft, bas Reffentiment unb entläbt fich in ©efchwäö. (Ein allgemein menfch=

liehet STrieb ift ja ber STrieb nach fo3ialer ©eltung.

3m ©urchfchnittsmenfchen, ber weber in ©ein noch in ßeiftung etwas

£>ervorragenbes aufweifen fann, nivelliert fich frer ©eltungstrieb 3unt Xrieb nad) ©leichheit: es foll wenigftens fein anberer m e h r gelten als man felbft gilt, ©aher bie tiefe Slbneigung, ber verborgene fmfo ber

§>erbenmenfchen gegen grofee 2>ienfd)en unb grofee ßeiftung. „(Es liebt bie 5öelt bas ©trahlenbe 3U fchwärsen unb bas (Erhabene in ben ©taub 3u 3iehen." ©iefe $enben3 verrät fich fchon in Kinbheit unb 3ugenb.

Bereits in ©chule unb Univerfität gilt ber hervorragenb gierige unb Süchtige als — „©treber". 3n biefer Sßetfe reagiert ber ©eltungstrieb ber ©urchfchnitt5menfchen gegen bas, was fie felbft unb ihr Können übertrifft. 9)tan fann ben Vorfprung in ber ßeiftung nid)t leugnen: um fich bemgegenüber im Bewufotfcin bes eignen 2öerts 3u behaupten, tut man entweber fo, als ftrebe man felbft gar nicht nad) jenen ßeiftungen (— vgl. bie gabel vom guchs unb ben fauren Trauben!), ober man tvürbigt fie herab, inbem man ihre Trtebfeber verbäd>tigt: nicht Pflicht*

gefühl ober fachlicb=geiftiges 3ntereffe fei es, fonbern egoiftifd)e ©tre=

berei; bie fachliche Seiftung fei nur SRittel, um bie ßitelfeit 31t befrie=

bigen ober einen perfönlid)en Ru^en 3U erreichen.

§>ier, wo es gilt, bie ©efinnung bes SDlenfchen, feine geheimften tDcotive 3U erörtern, ba wuchert bas verantwortungslofe, ja mifegünftige unb gehäffige ©efchwäft, ber lieblofe unb böswillige Klatfch am üppig=

ften; ba fann fid) verantwortungslofes ©erebe am fedften vorwagen, weil am wenigften ©efahr für ben ©chwäger befteht, wiberlcgt 3U wer=

ben; benn wer fann bem SÖtenfchen ins §er3 fehen? 3Ber fann bie ge=

beimften Triebfebern an anbern mit Sicherheit erfennen?!

Unb man begnügt fich nicht bamit, f>ervorragenbe ober folche, bie irgenbwie ihren eigenen 5Beg gehen unb ben 9ftut 3U eigenen 3Reinun=

gen haben, herab3U3iehen: auch untereinanber fehen fich bie ©urchfchnitts=

menfehen fcharf auf bie ginger, unb fie trauen fich nicht über ben 'ffieg.

©arum ift es ihnen auch ftets ein befonbercr ©enufe, etwas Ungünftiges über ben Rebenmenfchen in Erfahrung 31t bringen unb — mit ent=

fprechenber Vergrößerung — ans 2id)t 3U 3iehen. ©abei fpürt man auch

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346 3 u r ( E i n f ü h r u n g in bi e ‘’P t) i l o f o p h i e

in ferner Vergangenheit nad). 2Bie mancher, her vielleicht Oahre oorher einmal mit ben ©erichten in Sonflift geraten war unb burch ehrbares unb tüchtiges 2eben Icingft jugenbliche Verfehlung gefühnt hatte, ift bann noch for S^cute ber ©chtDäfcer jum Opfer gefallen!

Slllenthalben erweift firf> bas ©efd>tt>ät3 als bie furchtbarfte Sßaffe ber gleichfam bloß animalifch=naturhaft bahinlebenben f>erbenmenfchen gegen ben ©eift unb bie t>om ©eifte erfaßten „höheren" SERenfchen. ©ie

„f>erbe" oermag einfach an ben „©eift" nicht ju glauben; fie tann es nicht begreifen, baß 9 Jlenfd>en oon rein facf)lich=geiftigen Problemen, Aufgaben, Öbealen gepadt unb in ihren ©ienft gelungen werben unb baß fie ebenbamit au unegoiftifchem, unetgennüftigem, ja opferwilligem

£>anbeln fommen. ©arum treibt man an benen, bie nicht fo finb wie ber

®urd)fd)nitt, folange „Pfpchoanalpfe", bis man meint, irgenbwo bie Sitelfeit, bie fmbfucht, bie 6elbftfucf)t als letßtes SKotio h^toorgeaerrt 3U haben, ©as „ 9 tieberträd)tige" — wahrhaftig, es bleibt nad) ©oethes Sßort — „bas SWäd)tige, was man aud) fage". 2 lm aäheften aber lebt bas 9 Zieberträchtige im — ©efchwät3. 3 n ber „ 9 tebe" brüdt fich ber ©eift

aus, im ,,©cfd)wäft" aber ber ilngeift unb SBibergeift.

3 u r C n n fü fjru n g in 5 k

VI. 3 u r @ff)i}d)e 2hcoricn

Obwohl STant feine (£tl)if (bie man als „ibealiftifche" bezeichnen fann) fcharf oon ber „cubämoniftifd;cn" C£rfolgsctt>if au fd)ciben fid) bemüht, f)at er bem Eubämonismus bod) ein weitgehenbes 3ugeftänbnis gemacht bei ber Beantwortung ber grage: 3B a s erftrebt (w ill) benn eigentlich ber „gute 5ßille"? (Sr antwortet nämlich barauf: D as

„h ö d) ft e © u t". Darunter oerfteht er aber bie „©lüdfeligfeit in bem genauen (£bcn=

ma&e mit ber 6ittlicf)fcit ber oernünftigen 3Befen, baburch fie berfelbcn toürbig finb".

gretlid) hält er feft, bafe bie 6ittlid)fctt, bie Sugenb, in jenem höchften SBoUcnsaicl bas „oberfte" ©ut, alfo ber wertoollfte Beftanbteil fei, aber für bas „gan^e" unb

„oollenbete" ©ut w ill er fie bod) nicht ertlären, unb ber Söunfch, bafc bas „höchfte"

©ut toirflid) werbe, bafe es alfo bem ©Uten entfpred)enb feiner fittlidjen 3Bürbigfeit aud) gut ergebe, erfd>eint ihm fo wid)tig unb unaufgebbar, ba& er oon biefer Über­

zeugung aus bie gorberung (bas „^ o ftu lat") aufftellt, es muffe einen ©ott geben, ber bies „höchfte © ut", beffen ^lealifierung ja über bie menfchliche ftraft gehe, in einem 3enfeits toirflic^ mache. 3nbem er aber auf bie oermeintliche „fittliche" — in 2Birf=

lidtfeit r»om ©liidsftreben mitbebingte — gorberung bes „höchften ©Utes" bie ©eltung bes religiöfen ©laubens au grünben beftrebt ift, fommt er gelegentlich ju 2lus=

führungen, bie mit feiner wahrhaft grunblegenben (fntbedung bes höchftcn 6elbftwerts bes 6ittlid)en unb feiner inneren oerpflid)tenben ftraft faum nod) zu oereinbaren finb unb eine Trübung feiner ethifchen ©runbanfid)ten burd) eubämoniftifd)=tf)co(ogifd)c ©e=

banfen barftellen.

Der religiös=tl)eologifd)e (£infd)lag macht fid) nod) ftärfer geltenb bei g i c h t e , be*

fonbers in feinen fpäteren 6cf)riften, unb bet § e g e I. D a biefer insbefonbere im 6taat eine 33erwirflid)ung bes ©öttlichen, ja ben „präfenten ©ott auf (£rben" ficht, fo ftellt er auch bie Dom 6taate gcfchaffenen form en unb Einrichtungen unb feine gorberungen an bie einzelnen als eigentliche unb wahre „6 ittlid )fcit" über bie auf bem ©ewiffen ber einzelnen ruhenbe „Stftoralität". Die religiös=untoerfaliftifd)e $en*

benz feines Denfens brängt alfo bie inbioibualiftifcf>c Schätzung ber ctl)ifd)en 3luto«

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i n n e r e ( S n t w i d l u n g e n 347

nomic bes einaelncn, wie fic bei Stant unb bem jüngeren gid)te oorwaltet, oöllig in ben §)intcrgrunb (w as unfer fittlid>es ©efül)l nicht ansuerfennen vermag).

üttaebbem um bie SKitte bes 19 . 3 abrbunberts bas £egelfd)e 6 pftem [eine gctftige

£>errfd)aft in 'Deutfcblanb eingebüßt ^atte, überwogen wieber naturalifti[d)e unb eubä«

moniftifebe Senbenjen in ber (£tf)if. $ ie fe güge trägt aucf) bie (£tf)if (5 cf) o p e n - b a u e r s. 3 )enn biefer faßt ben S)urd)(cf)nitt 5 mcn|d)cn als ein im Sterne feines (ib arafters unocränberlicbes, egoiftifebes 9 iaturtt>efen. Neffen ©runbftreben [ei ber

„SBtlle 3um £eben", nämlich 3U einem glüdlicben Ceben. i ) a Schopenhauer aber an ber (£rreid)barfcit biefcs ©lürfes oer3weifelt, fommt er 3U [einem ^cfiim ism u s unb [einer Sftitleibsetbif. l) ie lefctere [ud)t er 3u grünben auf bas ©efübl für bie meta»

pbp)'i[cf)e (£inbeit aller ßcbewefen, bas uns beim A nblid ber anberen unb ihrer 2 eiben unmittelbar empfinben läfet: bas bift bu.

©egen (Snbc bes 19 . Öabrbunberts ooll3icbt ficf> in ber wiffcn[d)aftlid)en ‘’Pbilo- opbie eine 9 lüdwenbung 3U Stant, 3unäd)ft au feiner (Srfcnntnistbeoric, bann aud) au einer Gtbif, bie an (loben, Stoppelmann, ßipps Interpreten unb gortbilbner finbet.

Stant batte bie etbifebe ©runbfrage nad) bem 3 Befcn bes ©Uten nur f o r m a l bc=

antwortet, nämlich in feinem „Stategorifcben Smperatio". Neffen 6 inn ift, baß man fo banbeln folle, wie man es als allgemeines ©efeft benfen bjio. wollen tönne. Aber als allgemeines ©efetj „benfen" fann man fd)Ied>tcrbings j c b e öanblungsweife. 3 öas man aber als allgemeines ©efefc w o l l e n fann, bas wirb oon unferen SBert»

fdjäöungen abbängen. 6 o ift es begreiflich, baß bie neuere 2B e r 11 e b r e eine bc- beutfame inhaltliche („m ateriale") (£rgän3ung bes etbi[d)en gorm alism us Stants unb bamit eine rr>irtlid>e gortbilbung feiner (£tl)if gebracht bat. $)iefe 5 Bertetbif ift — unter Verwertung oon Anregungen £ot3cs, 9Zieftfd)e5 unb 9 iid erts — befonbers oon

6 d)eler, §a rtm a n n u. a. ausgebaut toorben.

Ö o b l , griebr., ©efd)icbte ber Gtbif. Stuttgart, (£otta. 2 53 änbe. ((£rfd)eint 3ur

3 eit in 4 . S u fi.)

3 n n m (S n fw icflun g en

@m fd)tr>eres ßeben

III

'Der erfte Abfcbnitt meines Gebens ift oorüber. 3 d) fannte bie (Einfamteit ber fud)en=

ben jungen (Seele; bie (finfamfeit follte mein Sieben ausmacben, beberr[d)cn. S ie bat es unb tut es noeb beute. 5 ßas wäre aus mir geworben, bätte ich fie nicht [d)on [o früb=

zeitig gehabt! S ie bat mir bie Augen geöffnet über bas ßeben, in ibr b^be id) 9 ften=

feben fennengelernt, in ibr bin id) groß geworben unb innerlich reid). 2 Bie Diele Kämpfe habe ich beftehen müffen, wieoiel £eib ertragen, bie (Einfamfeit blieb mir treu, als id) mit (Sott unb ben SDtenfchen verfiel, fic ftärfte mich 3uni neuen Lebensweg. S ie ift mir beute noch bas £icbfte nach aller Arbeit unb manchem neuen Stampf.

(£ine freublofe Stinbbeit, eine oergiftete < 3 ugenb, meines Lebensweges erfte Etappen!

3 Bar febon bie S d )u le in oielem für mich anbers gewefen als ben anberen (Schülern, fo follte auch meine nun beginnenbe Schneit fich Don benen anberer untcrfcheiben. $>a id) nach all ben mißlungenen Verfucbcn meiner ©önner 3U ahnen begann, baß id) wohl balb oon meinem ‘Sater feine Unterftüfoung in irgenbwelcbcn Gingen erhalten bürfte, fo w arf ich mich wit großem (£ifer unb gleiß auf meine Arbeiten. $)a id) mid) [chon immer am woblftcn fühlte, wenn ich allein fein fonnte, fo oerfuchte ich auch bie mir aufgetragenen Arbeiten nad) 9 Köglid)fcit unabhängig oon anberen 3u machen. (Ein DerftänbnisDoller Vorfteber erfannte bann auch meinen (Sifer an unb überließ mir öfters Sachen 3ur felbftänbigen Srlebigung. (£r oerftanb es aud), meine 6 d)üd)tern»

beit, wenigftens ihm gegenüber, 3um 3 Teil 3u befeitigen, unb ba ich in ber Arbeit meine Sufunft [ab, [o gelang es mir, wenn auch unter großer SOZühe, S 3 oben in meiner Arbeitsftelle 3U gewinnen unb oorw ärts3Ufommen.

Daheim ging bas 6 cbidfal feinen unabänberlicben ©ang; freilich merfte ich an­

fangs nicht oicl baoon, w ar ich bocb 3u [ehr mit mir unb meiner Arbeit bc[d)äftigt, bie mitunter fid) in fpäte Abenbftunben binein3og, o baß ich babeim nur wenig freie geit batte. Auch meine oon mir felbft gewählte S in amfeit ließ manches ©efebeben um

W lofopbie unb Ccben. V I. 24

(18)

348 i n n e r e ( E n t w i d l u n g e n

mich herum ohne (Einbrud auf mich Vorbeigehen. 3Bobl fah ich, bafe meine (Eltern oft anetnanber oorbetgingen ohne ©rufe unb ©egengrufe; mufote oft mit anfehen, wie mein Vater bes ©onntags ni^t für uns ba mar, ja er fogar ab unb au tagelang nirf>t nach

|>aufe fam. SEJcir gegenüber gebrauchte bann meine SDZutter rpol>I eine mir ctnleud)=

tenbe Slusrebe, bie bas $Infeben meines Katers mir nicht trübte. 3)od) ba bas 5lus=

bleiben immer öfters gefdjab unb id) manche ^lufeerungen anbercr SRitbewohner im

£>aufe unfreiwillig mit anbören mufete, mürbe es mir plöftlich flar, bafj bas gern»

bleiben meines Katers etwas anberes, mir geheim ©ehaltenes bebeuten müfle. 60

beobachtete id) fdjärfer unb mufjte bann aud) eines Sagcs hinter bie 3Bahrheit fom=

men; oerfuchte bod) aud) mein Vater faum noch einen f>ebl aus feinem fchamlofen Treiben au machen. (Er »erbrachte bie Mächte in ©emeinfehaft mit anberen grauen, unb aroar nicht erft feit furaer Seit, nein, fcf>on jahrelang. Unb nur bcr (Ebelmut meiner SRutter, bie mir nidi)t noch wehr meine fernere Slinbheit halte trüben wollen, war cs au t>erbanfen, bafe ich bis bahin nichts erfahren hatte. SBelch ein ©chlag bas auf mein junges ©emüt war, ich fann es heute nicht befchretben. ©d)am, ja fogar ein ftiller f)afe trampfte mitunter meine 53ruft aufammen unb feinem SERenfchen getraute ich mehr offen ins 3luge au fchauen aus gurd)t, fie fönnten fehen, wefien $inb ich war.

Welche Eeibcnsactt mit bcr (Erfenntnis hereinbrad), bas läfet fich beute nicht mehr in 3öortcn wicbergcben. (Es begann bie Seit, wo ich nur noch &em ©ebanfen au leben begann, bas gutaumachen, was mein Vater leichtfinnigerwcife an anberen oerbrach.

^ßieoiel unglüdlid)C SDZenfchen fuchtcn uns auf, bie er ins Verberben gebracht hatte;

fie famen, um fich for uns reinauwafchen, oft waren es tatfächlich folche, benen er burch ihre 2 eid)tgläubigfeit ein hoffen aerftört hatte unb nun gleich uns fchwer bar=

unter litten, aber fonnten fie uns noch Sroft bringen, bie felber 3Troft brauchten?

(Es fam bcr Stricg; er brauchte nicht einaurüden, feine oorgefc{ 3 te Vehörbe rcfla=

mierte ihn, aum Unglüd anberer. 3eftt warb fein (Eroberungsfelb nur noch Ötö&er, benn fo manche grau, beren Sftann im gelbe fämpfte, erfor er ftch au feinem 3Bilb. 2 Bie

oft fam er bann in 'Demut, wenn eine 5Inaeige an feine 33chörbe gegangen war unb er bas 6 d)limmffe für fich befürchtete, unb nur bcr SQZangcl an 5Irbeitsfräften allein

brachte es mit fich, bafe er ftets mit einer Verwarnung baoonfam.

Unb bann fam bcr $Ibcnb, bcr unauslöslich in meinem ©ebächtnis haften bleiben wirb. Sßtcber war mein Vater fchon mehrere Mächte nicht baheim gewefen. 31m Slbcnb eines Sages fam er wieber oolier ©chreden heim, hatte ihn boch ein Vorgefefcter auf 5Inaeige hin oon einem feiner Abenteuer hinweggeholt unb brohte nun mit fchärferen SSRafenahmen. Steine SOIutter, oolier Veraweiflung, wirft ihm feine §>anblungen oor, unb als id) mich mit einem 5Bort hineinmifche, greift er furaerhanb aum fchuftbereiten 9ieooloer unb legt auf mich an. Steiner felbft nicht mehr mächtig, ergreife id) ein SOleffer unb oerfuche auf ihn cinaubringen. (Er wehrt ab, broht, bafe er uns eines Sages boch noch umbringen würbe unb fd)leid)t ins ©chlafaimmer. öd) würbe irre an ©ott unb ben STCcnfchcn! 3Baren wir auserfehen fooiel Ceib in ©ebulb au ertragen? konnte

©ottes Allmacht hier nicht ein (Enbe machen? Unb beshalb hatte meine SDtutter beim 2obe meiner ©efchwiftcr geäufeert, bafe cs für beibe befier war, oon ber (Erbe au feheiben, ba fie bies nicht hätten überleben fönnen. 3ßar ich benn ein anberer, bafe ich cs erleben unb überftehen muftte? 3Bieoiel gragen tat mein oeraweifeltes §era. Steine Antwort fam, ich befanb mich auf biefer 3öelt oerlaffen — einfam.

Sag für ia g aufammentreffen mit ihm, ben ich nicht mehr beim tarnen nennen fonnte; immer bie ©ewifebeit, bu haft beinen SSRörber in beiner 9Zähe. tötete er mich aud) nicht förperlid) — es wäre firf)er beffer gewefen, aber mein ©chidfal follte fich anbers erfüllen — , fo übte er boch SRorb an meiner geiftigen (Entwicklung. ©chon in frühen fahren baran gebinbert, baft ich meiner Veranlagung gemäfe mich fortentwideln burfte, nun noch biefe SBahrheit erfahren müffen, bas bebeutete Jo b meinem gort=

fommen! 3Bie fchwer trug ich einfam, ohne eine grcunbesfeele, bcr ich mich einmal nur hätte fo gana hingeben bürfen.

3Bobl merfte biefer unb jener bie Veränberung, welche in mir oorgegangen, boch

niemanb erfuhr ben ©runb. L e ite r ab nur rüdte ich oon ben $lrbeitsfameraben. $er

Sxrieg forberte immer neue Kräfte unb SQtann nach 3Rann aus bem ©efchäft ging weg,

neue famen unb ich fonnte ihnen in Siuhe begegnen, wußten fie boch nicht, ob ich

oorher anbers war. 60 blieb ich, obwohl burch ben Slrieg ber Sufammenfcblufe ber

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