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Philosophie und Leben. Jg. 6, H. 10 (1930)

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Academic year: 2022

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(1)

6. JA H RG A N G + 10. H E F T + OKTOBER 1930

... ... ... ... ...

„3 m £)tenfte öcr OoUtfein^ett erftrebt uttfere 5 ei ne fadj*

lidje & u s f p r a $ e Der öerfc^teöenen toeltanfcbaultdjen Etdjtungen.“

£)ie gaufffragofrte

un5 bk grage nad) frcm £ebensjinn

35on Cf I i f a b c t f> £ u cf)

Seaeichnenb für bte 3Banblung, bie bas ©enfen nid)t aller, aber bod) oteler SKenfchen im 2aufe ber letzten 3ahrf)unberte erfahren bat, ift bie 2öanblung, tr>elcf>e ber roaf>rfte unb tiefeft empfunbene SOZenfchentppus, meld)e ber gauft, erlitten i>at. — 3d> oerfuche, an btefem ‘Silbe bte

6

teigerung bes menfd)lid)en ©eiftes au enttmcfeln. —

®as SUtertum fannte feine gauft=

6

age. ©as Slltertum tannte

3

tt>ie=

fpältiges ?Bollcn nid)t. Ss quälte fich nicht mit

3

tt>eifeln unb ©rübeln.

©er finbltche SKenfch lebte fo innig mit ber umgebenben 9tatur, baft feine (Seele in ein

2

ier, ober einen ‘Saum, ober in bie flamme tr>anbern tonnte, ohne Qual ober (Erniebrigung au fpüren. 2Bar ein SUtenfch mit übernatürlichen Kräften begabt, fo vermutete niemanb ben ‘Seiftanb tcuflifcher ©ämonen — tt>etsfagenbe unb

2

Bunber tuenbe SJtänner unb grauen waren im ©egenteil hoch Deref>rt als c

8

erfünber göttlicher Offen=

barungen. SJloralifc^e ober fonftige Überlegungen baran

311

fnüpfen, lag ben finblichen SRenfchen fern. Unb es gab tatfächlich feinen Sauft unter ibnen. ©ie

6

ehnfucf)t, ber

2

erd)e nach höhe* unb immer höher au fliegen, bie f)immelsfehnfucht, ift ein bem Altertum frembes ©efühl, unb eine gauft=

6

age fann bei 33ölfern bes Altertums nur in leifefter SInbeutung entftanben fein — falls überhaupt. — Slnbers bas SKittelalter. ©er mittel=

alterliche SKenfch tt>ar bebrüdt oon unlösbaren Problemen.

6

r itmfete, bafe auch ber höchfte 33erg nicht ‘Jöohnfiß ©ottes ift, bafe ©ott unerreich­

bar hoch oben im fummel thront, bafe alles 3rbtfche vergänglich unb wertlos ift, unb bafe ber Fimmel bte eigentliche £>eimat ber

6

eele ift. (fr tt>ar burchbrungen

00

m ©efühl feiner

6

ünbigfeit unb ilmtmrbigfeit, er Derfehrte nicht unmittelbar, fonbern burch bie Kirche mit ©ott — unb es mußte ihn oöllig unmöglich bünfen, baß ©ott fich in einem SKenfchen offenbaren würbe.

6

ein faufales ©enfen aber oerlangte immer unb überall eine ßrflärung, unb ba fann es nicht überrafchen, baft er glaubte, ein SDlenfch, roelcher ©inge oerrichten fönnte, bie im allgemeinen aufter=

halb menjchlicher gäbigfeiten liegen, fei mit bem Söfen im ‘öunbe. ©as

1>biU>lopfoie unb Ceben. V I. 19

(2)

272 $ ) i e g a u f t t r a g ö b i e

SDZittelalter bachte nod) nicf)t fpmboltfd). ©er mittelalterliche Fimmel war it>Crflid> Thronfaal ©ottes, unb in irgenbeiner Tiefe gab es eine tr>irflid>e Jpölle, beren f>errfcher Sftacht befaft, wenn aud) nicf>t fo Diel 3Rad)t roie ber £>err bes fnmmels. S r war ber Jeufel, ein leibhaftiger Teufel, mit Schw aß unb §)uf unb Römern. 35on biefem Teufel mufete ber mittel­

alterliche gauft bie febwarse Slunft erlernt haben — eine anbere Sr=

flärung war für bas SJlittelalter nicht benfbar. Unb beshalb muftte ber mittelalterliche gauft t>om Teufel in bie f>ölle gefchleppt werben — fo bachte bas SDtittelalter unb anbers war es nicf>t möglich.

©er neuzeitliche SWenfch fühlte fich nicht als unwürbigen

6

ünber. £>atte ber mittelalterliche SRenfch bie Staturoerbunbenheit bes

2

Iltertums über=

wunben unb fich als Seele erfannt, fo tat ber neuzeitliche StRenfd) noch einen Schritt weiter in berfelben Dichtung — er hob fid), er fd^webte aufwärts in ben §)tmmel, in bie SBohnung feines Katers. ©enn er fühlte fich als Äinb ©ottes, bas ohne SDlittler

31

t feinem ^ater fprechen fann.

3n bem Sewufetfein, (Ebenbilb ©ottes

3

U fein, am £>öcbften tei[

3

ubaben,

in biefem Sto l

3

unb in btefer Seligfeit hat ftd) ber neuseitliche SDtenfcb

3

ur ^erfönlidjfeit gefteigert, fühn unb grofe im (Empfinben unb boch ein trrenbes ©efchöpf soll Schwäche unb ‘Begierben. 2eib unb 3ubel bes neu

3

eitlichen 9Jtenfd)en, ber bie ©renzen t>on 9iaum unb % t it fühlt unb babet boch in 3been lebt, welche bie

2

ötrf[icbfeit überfliegen — biefe Tragif, biefe ©röfee unb fchüefelich biefer Sieg ift im ©oethefchen gauft unerreichbar fd)ön bargeftellt. ©oethes SKephiftopheles ift nicht ber mittelalterliche Teufel unb ©oethes Engel finb nicht bie mittelalterlichen (Engel.

2

lber boch fcheint noch ber mittelalterliche f)tmmel in ©oethes

©ebanfenwelt hinein. Sicherlich bachte ©oethe nicht eine §)ölle mit Teu=

fein, ir>elche ben Sünber mit glühenben Sangen awiefen unb in höllifchem geuer röften. Unb ficherlich bachte er nicht einen fjimmelsfaal, in bem

©ott unb bie ^eiligen thronen.

2

lber ©oethe bachte — ober fchreibt, als ob er bachte — ein ßeben nach bem Tobe mit

2

ohn ober Strafe ent=

fprechenb bem trbifchen Verhalten. ©er SKenfch wirb gerichtet, ©ott ift nicht ber mittelalterliche ©ott mit ber Sßagfchale, bie erft burch Spenben unb SJleffen ins ©leicf)gewid)t gebrad)t werben muft. ©ott übt ©nabe.

„3Ber immer ftrebenb fich bemüht, ben fönnen tr>ir erlöfen." ©as ift

©oethes lefete (Erfenntnis — fo fpmbolifch fie fein mag, fo bleibt immer=

hin als lefetes bas ©ericht, es bleibt Seligfeit ober 33erbammnis, f>immel ober f)olle.

(Einen Fimmel, in bem ©ott wohnen fönnte, fieht ber moberne SDlenfcb nicht mehr. (Er fieht unenblichen Zither, ©renslofigfeit. (Er fann für feine unfterbliche Seele nichts hoffen, bas in 9?aum unb 3 eit liegt, ©er arm=

felige SKenfchenoerftanb fann fich ein bewußtes 3öeiterleben bes ein=

3

elnen in feiner gorm Dorfteilen. So, etnfam, auf fich felbft geftellt, lebt

(3)

3) i e g a u ft t r a g ö b i e 273

ber moberne 2ERenfcf> auf einem fleinen

6

tern im ©renaenlofen. S r leiftet mehr, als je 9Renfchen oor ihm geleiftet f)aben.

5Bir beftfoen ben STppus bes mobernen SDlenfchen im Sauft oon 53ufoni.

2

lud) ber moberne gauft befd)tr>ört ©eifter, aber fie finb faum erfcf)ienen, ba ift er ihrer überbrüffig unb fcf)ictt fie fort. SRephiftopheles fommt ungerufen. gauft unterbrüdt eine Regung bes 3Bibent>illens, unb trofc locfenber 33erfpred)ungen ruft er: „3d> bir bienen? © ir? 3d) — fann nicht unb tmll ntcf)t.

2)1

ach bicf) fort.'' SRephiftopheles antwortet: „©rau&cn ftehn beine ©laubiger au f)auf\ Über bein SOtäbchen haft bu Unglücf gebracht, ber 33ruber trachtet bir nad) bem ßeben. ©ie Pfaffen finb hinter bir ber, ber

6

cheiterf)aufen märtet beiner." „©enug, genug, ich tDeife," unterbricht gauft ihn tmeber unb tr>ieber unb ruft aulefet beutlicf):

„Niem als!" ©a flopfen feine Verfolger an bie 2ür. S r fagt: „STöte fie."

©arnit begibt er fict) in SDZep^iftop^eles’ ©ercalt. „

2

öo ift mein SßtUe, tt>o mein

6

tola geblieben? Unfeliger gauft, bas f)öllemt>erf begann/' ruft er, nach Unter

3

eid)nung bes Saftes, oeratueifelt aus. 9tid)t aus

2

Ingft t>or ber £>ölle. S r benft gar nicht an bie f>öHe. S r leibet am 33etoufetfetn,

©emeinfd)aft mit bem f>öllenfürften au haben; bas empfinbet er als unerträgliche

6

chmad), unb roenn er ausruft: „gort, fort, ich fann bid) nicht ertragen," — fo tt>el>rt er bamit etrcas ab, bas ben

2

Renfd>en erniebrigt, bas ihm nicht aufommt. gauft fühlt fich als Söert unb ift

2

ßert, er ift ein SJZenfd), bem alles ©emetne unb fiebrige fernliegt.

60

hat ber ©ichter ihn geaeichnet, fo follen xoix ihn fehen. 33ufonis SBagner fagt: „©er gauft roar mehr Don einem ^hantaften; als ©elehrter nicht eigentlich oolfoichtig unb, gnab’ uns ©ott, fein 3Banbel xoax anftöfeig."

5Bas ‘Jßagner fieht, it>as fich nach außen aeigt, macht nicht ben SEJtenfchen.

©as 33eifeitefd)ieben bes äußern, 3ufälligen gegenüber bem lebten, innerften Stern unb anfchliejjenb bie SBanblung im 333erten eines 2Ren=

fchen ift fennaetd)nenb für bas moberne ©enfen. ©er moberne SERenfd) liebt bie ?öorte Sugenb unb SKoral nicht, fie haben für ihn einen 33ei=

gefchmad Don

6

piefebürgerlid)feit unb Snge. S r tmll nid>t tugenbhaft fein, aber auch nicht untugenbhaft, er benft nicht an Jugenb. ©er moberne SDtenfd) tt>ül anftänbig fein, ©as

2

Inftänbig=fein beruht toeniger auf ber f)anblung, als auf ber ©efinnung. SJlan fann unter llmftänben einen 9Korb begehen unb fann trofcbem ein anftä'nbiger

2

Renfd> fein — aber man fann fich nicht erniebrigen, man fann nicht erbfcblctcf)en unb anbere Srbärmlichfeiten begehen unb babei ein anftänbiger SDlenfcf) fein, gür 55ufonis gauft liegt bie furchtbare

6

trafe barin, baft er fich er=

niebrigt fühlt, bafe er bas, tt>as ihm felbftoerftänblicher ‘Sefiö tt>ar, näm*

lieh fein inneres Hochgefühl, oerloren hat.

6

eine

6

elbftad)tung ift bahin, fein ©tofo, feine Sßürbe! gurchtbar ift ihm, in ber ©erhalt bes

2

Rephifto=

pheles au fein, ben er tief unter fich (teilt, ben er oerachtet. S r erträgt

1 9 *

(4)

274 D a s 93 u d> £>t o b

nid)t leisten ©innes, xok ©oetbes Sauft, bie ©egenrcart feines böllifcben Wieners, ©eine ©träfe ift nicht f)ölle, nicht gegefeuer, fie ift nid)t äufeer=

lieb unb fann ihm bureb niemanben, nid)t bureb (Engel, ja Don (Sott felber nid)t fortgenommen roerben. ©ie ift innere Qual. SOlit 3tottt>enbig=

feit enttt>ad)fen fd)on ben

2

Billensregungen innerer grieben, inneres

©lücf, ober Qual unb ^Pein, unb es gibt feine Srlöfung t>on bem, tr>as man überall mit firf> berumtragen rnujj. ©iefe tiefe Sluffaffung, obne jebe 55eimifd)ung äußeren ©leirf>geir>id>tesr in ibrem Srnft unb ibrer furd>t=

baren

6

trenge, fonnte nur im mobernen ©enfen entfpringen unb ift nur bem mobernen ©enfen tragbar. ©an

3

allein auf ficb felbft ift jeber geftellt. 33ufonis gauft ftirbt in einem fleinen mfebneiten ©täbteben, auf bem ^lafc oor ber Kirche. ©terbenb bat er fein totgeborenes Kinb auf ben Srbboben gelegt unb mit feinem SDZantel bebeeft. 3m 2lugenblicf feines Tobes erbebt ficb ein nadter, balbnntcbfiger 3üngling, ber in ber Rechten einen blübenben

3

tt>etg trägt unb mit erhobenem

2

lrm über ben

©ebnee in bie 9tad)t unb in bie ©tabt bineinfebreitet — bas ift unfere 3Babrbett. ©er (Einzelne lebt unb ftrebt unb ni übt ficb, obne bas

3

^

1

/ an

bem er arbeitet, $u erfennen. ©ein ©enfen, fein 3Tun finb geiftige Kraft, jüngere SDtenfcben fangen fie auf unb mebren fie, unbei^ufet ibrem gei=

ftigen ©efefc geborebenb.

2

ßie 3öellen im Strom t>erfcbtoinben bie ein=

feinen, inbes ber (Strom toeiterfliejjt. 91iemanb ir>eij

3

ben ©inn bes Gebens, ©ibt es überhaupt einen ©inn? Oft alles finnlos?

2

Bir mobernen 9Jlen}cben fragen niebt. 3Ran tut einfach feine W icbt, ^bne

311

grübeln.

©as ift bas ©rofee, bas Unbegreifliche unb bas ßrgreifenbe in bem heutigen SBirrfal. Arbeiten unb ftreben unb nicht finfen roollen, nur loeil man nicht finfen toi

11

, ob auch fein

2

obn lorft, feine

6

trafe brobt — bas ift ber grofee

2

Bille, bie imtnberbare Kraft bes mobernen SWenfcben.

©iefen mobernen SKenfchen bat 33u(oni, melleicbt ohne ficb beffen beutlicb betoufot

3

u fein, in feinem gauft oerförpert. gauft trägt eine

2

ßelt ber

©Chinesen unb bat feinen ©ott, bei bem er ausruht. Unb trofcbem: SKag er leiben, er ift Sftenfcb, er trägt bie (Etoigfeit in ficb, er ift 3Tlenfd>!

D as 23ucf) ipiob un£> 5er 6m n bes £ßb<ms

9tad> ( £ ( > r t f t o p t ) 6 d > r c m p f

Sin 2Jlann, ber mit befonberem firnft bie grage nach bem ©inn bes Sebens unb bes

2

eibens im ßeben burcblitten unb burchbacbt bat unb mit einem erftaunlicben greimut ficb barüber ausgefproeben bat, ift ber etxmgelifcbe Theologe ( £ b t i f t o p h

6

c b r e mp f (geb. 28. 4. 1860)!

3n feinem 33ud) „SOlenfchenlos" (Stuttgart, grommann, 3. Sluflage 1921) bebanbelt er auch &ie Stählung t>on $ t

0

b. f)ier betont er mit Stecht bie ^ B r u t a l i t ä t bes f ö r p e r l i c b e n © c b m e r a e s , bem

(5)

£> a s 93 u d) £)iob 275

ber SJienfch ausgeliefert ift. „3a, wenn ber Störper nur litte, ber (Seift aber, unbeeinträchtigt burcf) bie 9Zot feines ©enoffen, ruhig für ficf) fort=

lebte, aus bicfer gar noch Straft au höherem Sluffchwung fchöpfte!

2

lber

bie Qual bes Körpers oerwirrt, lähmt auch ben ©eift — unb bas ift eine brutale Vergewaltigung!..

3n ber elementaren 2eibenfrf>aft, womit ber — unfchulbig beimgefucbte

— f)iob gegen feine Vergewaltigung aufbegebrt, liegt unvergleichlich mef)r

6

inn unb Sraft als in bem feelforgerifcf>en Sufprud) unb 3Troft feines nicf>t leibenben greunbes (Slipbas). 3a, in biefer STroftrebe ent=

bullt fid> bie natürliche 9iobeit bes ©lücflid)en gegen ben Unglücflicben.

(Slipbas toiII f)iob tröften; tatfä'rf>Iicf) mifebanbelt er ihn feelifcf).

f)iob erfennt auch, bafe bie religiöfe Deutung bes SRenfcbenlofes, xx>o=

mit (£lipl>as ihm aurecbtbelfen will, „barer Unfinn" ift, weil fie bas Ver=

bältnis atüifchen ©ott unb bem SRenfcben völlig oerfennt. ßlipbas fucht nämlich §)iobs ßeiben als

6

trafe für

6

cbulb, mithin als eine

2

lrt 91

0

1=

wehr ©ottes gegen frevelhafte Empörung bes SDlenfcben au beuten. S r empfiehlt barum 9\eue unb bemütige Unterwerfung unter ©ott. s2lber fnob ift fich bewufet, bafe er nichts getan hat, was eine fo graufame ‘33e=

hanblung rechtfertigt; auch bat er fich nie gegen ©ott innerlich empört.

Unb wenn bies ber gall gewefen, was fonnte benn er, auch wenn er wollte, gegen ©ott tun, ber ihn boch jeberjeit au vernichten vermöchte?

„©ott brauchte es gar nicht barauf anfommen au laffen, baft er ihn be=

ftrafen mufete, er fonnte ja jebem grevel f)iobs auvorfommen: woau benn biefe raffinierte Quälerei? ©as Verhältnis aivifcben ©ott unb SKenfch ift gar nicht ber

2

lrt, baft bie begriffe 9ted)t unb Unrecht,

6

cbu(b unb (Strafe, Empörung unb Unterwerfung barin einen

6

inn hätten! f)at es etwa einen

6

inn, baft ber SDlenfch fich £>urd) ben 5öurm ,beleibigt‘ fin=

bet, ben SBurm für feine ,33eleibigung‘ ftraft? Unb bas SKiftverbältnis awifchcn ©ott unb bem SWenfcben ift noch fchreienber als bas atvileben bem SERenfchen unb bem Söurm . . . f)iob hat recht. 21 n einem u n b e = b i n g t übergeorbneten 5Befen tann fich ein u n b e b i n g t untergeorb=

netes SBefen nicht verfcbulben.

6

eine Kreatur* tann ber 3Käcf)ttge höch=

ftens oerachten, nicht ftrafen; unb auch &ie Verachtung hat feinen Sinn, wenn bie Kreatur* (mit ober ohne SBiffen) niemals etwas anberes ift unb wirb als eine ,Kreatur* (b. b. ©efeböpf) bes unbebingt Übermäcb=

tigen."

Es ift gerabeau Selbftüberbebung, ©röfeenwabn bes ©efchöpfs, wenn cs fich t>orftellt, fein eigenes Verhalten fei für ©ott fo wichtig, baft es biefen a« einer 9ieaftion, etwa einer 23eftrafung, atvinge.

©rabe weil f)iob fich bewufet ift, bafe er blofe burch ©ott eyiftiert, bajj er ihm völlig auf ©nabe unb Ungnabe ausgeliefert ift, bafe er gegen

©ott überhaupt nicht fein fann, muß er ©ott fragen, „ob benn bas

6

inn

(6)

276 D a s 33 u cf) f> t o b

habe, bafe ber

6

d)öpfer fein ©efd^öpf fo mifohanble".

6

d)rempf fügt baju bie böd)ft bebeutfame ‘Semerfung: „

6

agen ivix es, aller (Sd>tr>eifroebeIei gegen ©ott aum

3

Trot

3

, fed heraus: fixerer als bas 3ted)t bes Schöpfers an bas ©efchöpf, bas ja nicht leben wollte, bas aum

2

eben einfacf) be=

ftimmt tt>urbe, ftef>t bas 9lecf)t bes ©efd>öpfes an ben (Schöpfer, ber es in freier

2

Btllfür leben bie&- SXlic^t ßr fann bie gürforge für fein ©e=

fchöpf an 33ebingungen fnüpfen, bie biefes au erfüllen hätte; fonbern baß er für fein ©efd)öpf forgt, fo forgt, baf

3

ihm bas aufgebrungene

2

eben

aur greube werben fann, bas ift bie 33orbebingung bafür, bafe er an fein

©efcböpf trgenbtt>eld)e gorberungen ftelle."

2

Ilfo gerabe inbem ber SDZenfd) über feine abfolute Ohnmacht gegen ©ott — als beffen bloßes

©efd)öpf — t>er

3

tt>eifeit, entbedt er, baß nirf>t ©ott gegen it>n, fonbern er gegen ©ott einen ungeheueren 9ied)tsanfprud) l>at. ©er 53erfaffer bes

„§)iob" fommt atuar mehrfach gana nabe an ben für it)n entfeftlid)en ©e=

banfen, baß bie 'Sehanblung bes 3Renfd)en burd) ©ott eines

6

innes

überhaupt entbehre, aber tt>eil biefer ©ebanfe für if>n noch untragbar ift, aiebt er fid) fd)ließlid) barauf aurüd, beirt SKenfchen fei eben bie 2ßeis=

beit oerfagt; er fei unoermögenb au ber Sinficht in ben geheimen

6

inn

bes göttlichen £)anbelns.

©as ift nun freilich feine

2

öfung bes

2

ebens= unb

2

eibensproblems, fonbern ein t>erfd)leierter 33eraid)t auf eine 2öfung. (Eine folche ir>irb auch nicht geboten, als ber 33erfaffer ben „f>errn" felbft fc^liefelich auftreten läßt. 9Jcan emartet, baß ©ott oon ber Sßeisheit, nach ber £)iob lechat, ihm iüenigftens einen 33orgefcf)mad gewähre. 2lber ber „£>err" läfet fid) nicht herbei, eine ßrflcirung feines f)anbelns au geben; ja, genau be=

fehen, fchiebt er bas gefliffentlid) beifeite, tt>as f)tob bas

2

eben au einem Problem macht. „f)iob finbet, baß ber Söeltlauf auf ben 9Kenfd)en als empfinbenbes SBefen nicht bie 9tüdficf)t nehme, beren ber SQtenfd) be=

bürfe. ©er £>err

3

eigt in einer 9teihe hod) einherfchreitenber 9taturfcf)il=

berungen, baß ber ^ffieltlauf eine 3ntelligena in fid) berge, bie ber SOtenfcb nur oon ferne ahnen unb betmtnbern fönne. 2Iber auf ben SDtenfdjen geht er gar nicht ein; unb es rr>trb auch b k 9tatur t>on ihm blofe als

6

d) a u f p i e l behanbelt. ©aß auch in ber 9latur S r n ft liegt, auf=

genötigte

2

uft

3

itm

2

eben, bie mit aufgenötigter

2

ebenseinfchränfung fämpft, aufgenötigte Slngft t>or bem £obe, bie einem bod) immer un=

natürlichen, getoaltfamen $obe nicht entrinnt: bas finbet ber £err nicht ber 23eachtung ir>ert. gaft möd)te id) fagen: fehr bequem! ©aß bie 5öelt ein großartiges

6

chaufpiel ift, ix>irb niemanb beatoeifeln; unb toenn unfer 2eiben unb Kämpfen für uns (SWenfchen unb Siere) nur als fchaufpielerifche

2

eiftung in betracht fäme, fo fönnte bas ©anae bes

2

ebens als höchft ergöfeliche Komöbie gelten.

2

lber ber große §>err, ber fich btefe Slomöbie leiften fann, bat fid) bie 9iatürlid)feit bes

6

piels

(7)

D a s 33 u cf) §>iob 277

burd) ben fatalen Äunftgriff geroäf>rIeiftetr bafe er Jeine Slomöbianten im

6

r n ft fämpfen, im ß r n ft leiben läftt — in einem aufgebrungenen (Srnft, ber au cf) bem ©ebanfen niemals oöllig weicht, bafe bas ©anae bes Sebens wirtlich ein t>i>d>ft intereffantes

6

d)aufpiel ift. © a r i n l i e g t b a

5

y x o b

1

e m b e

5 2

e i b e n s , auf bas f)iob geftojjen ift, bas aber

ber f>err e i n f a c h i g n o r i e r t , gür if>n ejiftiert es ja auch nicht."

6

d)rempf fommt fd)liefelirf> au bem (Ergebnis: ©er ©id)ter bes £iob bat bas Problem, bas er fid) unb uns in bem

6

d)icffal £iobs geftellt hat, nicht bewältigt. „f)iob würbe oon bem §>errn — einem bis aur unbebtng=

ten Söillfür fouoeränen f)errn — ber mutwilligen 53erbäc^tigung bes

©atans geopfert, würbe gefoltert unb gefährbet f ü r n i d) t s. ©er f>err fannte ja f>iob fchon auoor; ber

6

atan wirb burd) ben Slusfall ber ^)rü=

fung feines Unrechts nicht fid)er überführt; auch fuob gewinnt burd) bie

^Probe eigentlid) nichts. Ob §)iob barin, bab ©ott fo mit ben SWenfchen umaugeben beliebt, wohl bie berubigenbe, befeligenbe (Erflärung bes SKenfchenlofes gefeiten hätte, nach ber er verlangt? Ob er barin nicht oielmehr eine 55eftätigung feiner fd)limmften S ^ ife l gefet>en batte: bafo

©ott fein f)era für ben SDtenfchen hat, feine Kreatur, bie ihm ftets wehr=

los überliefert bleibt!?"

„©afe §>tob wieber in ben Dollen, ja oerboppelten ©enufe feines ©lüds eingefübrt wirb, gönnen wir ihm ja oon |)eraen; bod) wiffcn wir aus melfältiger (Erfahrung, bafe wir auf eine fo!cf>e

2

öfung bes Ceibensrätfels im allgemeinen nicht hoffen bürfen. 3ubem ift ?>iobs Qual bamit ntd)t gerechtfertigt, bafe fte einmal roieber t>erget)t. ©er 21bfcf)lufe Don §>iobs

©efchicf)te gibt alfo feine (Erflärung feines

6

d)idfals."

S ie rüdficbtslofe SBahrhaftigfeit unb Offenheit, bie

6

d)rempf in feiner Erörterung über bas 33ud) £iob offenbart, brängt bie grage auf, wie er benn felbft angefid;ts ber Satfache bes

2

eibens fein gefthalten an bem

©lauben an einen perfönlichen ©ott rechtfertigt.

2

öic fcf)tt>er er felbft bas ©afein unb bas Problem, bas cs aufgibt, empfinbet, oerrät fid) in ben folgenben (Sa'öen: ,,3d) habe nicht leben w o l l e n!" „3ch bin ins ßeben hineingeftofeen worben, ungefragt; bin im Seben fortgeftojjen worben, ungefragt; werbe aus bem

2

eben hetaus=

geftofeen werben, ungefragt."

6

agt man ihm: ©u fannft ja freiwillig aus bem Seben hinausgehen, fo antwortet er: „9cein, ich fann nicht gehen; bas ift eben bas (Elenb!

©enn ber S^ang

3

u leben ift augleid> (empörenb!) ber S^ang, leben au w o l l e n ! "

Schrempfs ablehnenbe

6

tellung aum

2

eben r>errät fid> auch in bem, was er über bas menfchliche ©runboerbältnis, bas ber Sinber au ben (Eltern, unb weiterhin über bie 33eaiehung ber (Erwachfenen aueinanber lagt: „ ‘Serftcben fann bas Sinb weber, bafe bie (Eltern boch auch für fid)

(8)

278 D a s 33ud) £> i o b

leben — bas Ätnb ift als folches rüdfid>tslos gegen bie filtern; noch, baß bie filtern it>irflid> für es leben — bas Ktnb ift als folrf)es unbanfbar gegen bie filtern.

60

ift bas Verhältnis

3

tr>ifd>en filtern unb Slinbern ir>efentlid> tragifd). . . Unb biefe STragif weicht niemals ganj. 2Iucf) filtern unb S?tnber verftehen ftd) immer nur momentan . . . ©as gilt überhaupt:

ber SOtenfd) verfteht ben SKenfchen immer nur momentan. . . bas auf=

rid)tigfte, h^iligfte Verfprechen ber greunbfd)aft unb Siebe fann ein 9Jtiß=

Derftänbnis fein: jeber wünfcht von bem anbern f e i n e 2lrt von Siebe, bie er gewähren fann, auch

3

u erhalten, unb ihre Siebe fann eben von verfchiebener 2lrt fein. . „©ana allgemein gilt auch, u^as in bem 33er=

hältnis von SDtann unb Sßeib, von filtern unb Äinbern befonbers flar hervortritt: baß ber SRenfd) feine ©efchichte nicht lebt, fonbern baß er gc=

lebt wirb."

Schtempf befennt fchlteßltd): ,,3d) ftehe

3

U ber (göttlichen) 3Dtad)t, von ber ich gelebt werbe, in einem bewußt gefpannten Verhältnis." „©aau fann fie mich nicht zwingen, baß ich ein Seben, bas ich nicht verftehe, als m e i n Seben anerfenne."

Troß allem Doll^ieht er nun bod) in feinem ©ebanfengang eine über=

rafchenbe 2Benbung

3

um Seben unb bamit

3

um ©ottesglauben hin! 2ßie rechtfertigt er biefe?

3unächft fällt ihm, ba er bas Seben als „eine ihn bod) eigentlich nichts angehenbe Sad)e" betrachtet, ber ungeheure Verftanb auf, ber in feiner (Einrichtung ftedt. „® ie

3

ufammenfet

3

ung bes SKenfchen, bie Organifa=

tion ber SRenfchhcit fann id) nur raffiniert nennen.

2

lllerbings ift fie mir in etn

3

elnen Stücfen höchft wiberwärtig, im großen gan

3

en (was ja wieber unbehaglid) ift) minbeftens unverftänblicf).

2

lber bas fann unb will ich nicht leugnen, baß ich mir ihre Sinnlofigfeit für mich ehrlichem weife nur aus ber Stumpfheit meines Verftanbes erflären fann." Von ba fchreitet er fort

31

t bem ©ebanfen, baß auch bie Unbehaglichfett bes Safeins boch einen Sinn haben möchte.

Schrempf fehrt alfo bod)

3

u ber bem (Stiften aner

3

ogenen ©emut

3

U=

rüd. ©er ©ebanfe ift ihm augenfcheinltd) völlig fremb ober unerträglich, baß jene SDtifchung von „raffiniertem Verftanb" unb „Sinnlofigfeit" für ben objeftiven Seftanb bes ©afeins charafteriftifd) fein fönnte; vielmehr nimmt er bte Sinnlofigfeit auf fich, ate einen nur auf eigener Stumpf­

heit beruhenben fubjeftiven Schein, unb er feftt als objeftiv eyiftierenb einen burchgehenben Sinn voraus.

fir ift auch mit bem 5lefultat feiner eigenen bisherigen fintwicflung

„feltfamerweife eigentlid) nicht gan

3

un

3

ufrteben". ©a fommt ihm nun bie „alte Sage" in (Erinnerung, baß bte SRacht, von ber ber SSRenfch mit ber gansen 5Belt gelebt werbe, S i e b e fei.

(9)

D a s 33 u cf) i o b 279

greüid) auch nod) muß er benfen: „eine f o n b e r b a r e Siebe;

benn fie entfpricht gar nid>t meinem gefüblsmäfeigen 33ebürfnis nad) Siebe".

6

o geliebt au werben, hat er gar nicht geroünfd)t. „

2

Iber wenn bas 9iefultat meines Sebens, bas ich bod) nicht Derwünfchen f a n n , ein

3

icl biefer Siebe gewefen fein follte?

6

o bürfte ich ja erwarten, baft ich Don ihr noch 3u manchen ähnlichen 9lefultaten geführt werbe."

6

o will

er ben ©ebanfen wagen, bafe bie ilnDerftänblichfeit biefer Siebe aus ihrer

©röjje fliefee, in ber f)öhe ihrer

2

lbfid)ten begrünbet fei.

3nbem er nun, Don biefen ©ebanfen geleitet, bie 2ßelt, bas Seben unb fid) felbft betrad)tet, foinmt er au ©ebanfen wie biefen: „3ft bas ein glücflicher 3uftanb? 9cetn — baau bin ich mir au unheimlich. 3ft es ein unglüdlicher Suftanb? STlein — benn fo liebe id) mich bod). 33in ich, in biefem 3uftanbe, gut? 3d) mache feinen Slnfpruch barauf. ‘S in ich kann bofe?

6

s ift mir gleichgültig. Söas gehe ich kenn mich an? S ie SKacht,

Don ber bie 2Belt gelebt wirb, hat auch an Kröten, |>pänen, Älapper=

fchlangen,

2

lasgeiern unb gaultieren ihre greube.

2

Benn fie mich als eines biefer

2

Be}en, in menfchlicher Sinfleibung, gelebt haben will, fo ift bas ihre (Sache."

Ob alfo bas Seben unter biefem ©efichtspunft angenehm ift ober nicht, gut ober böfe, barauf fommt es nicht an. „21ber f cf) ö n ift biefes Seben, bas wage ich

3

u fagen — fchön wie bas ruhelos wogenbe SDleer, fchön wie bie jähen

2

Ibhänge unb ftarrenben ©ipfel unb blenbenben

6

d)nee=

flächen bes Hochgebirges, fchön wie ber lautlofe, fichere ©ang ber näcf)t=

liehen ©eftirne — fchön wie bie grofte, wtlbe, geheimnisDolle 9Zatur!"

6

s ift nun aber leicht au erfennen, bafe

6

d)rempf bei biefer feiner 33e=

hauptung eines Derborgenen grofeen Sebensfinnes unb bei feiner 33er=

teibigung ©ottes genau in jene äfthetifche Haltung gegenüber ber Söelt als einem großen „©chaufpiel" hineingerät, bie er bem Sichter bes f>iob mit Specht aum 33orwurf macht. 2lud) wirb ©ott für ihn tatfäd)licf) au einer gigantifeben 91 a t u r m a d) t , jenfeits Don ©ut unb ‘ööfe. Unb fo Derfinft für ihn bas

2

heobiaeeproblem, weil er in feiner einfeitig äftheti- fchen ßinftellung bas Selben ber SOtenfchen nicht ernfthaft mehr mitfühlt.

Safe ber SDtenfd) gequält wirb, bafe er fchulbig wirb unb ihm

6

d)ulb als böfer 5öille angerechnet wirb: „es gehört au ber 21rt, wie er Don ber liebenben SSHacbt gelebt wirb, Don ber wir alle gelebt werben.

6

oll ich

aber einen SDlenfchen barüber bemitleiben, bajj er Don einer Siebe gelebt wirb, unter ber er, wegen ber ©röfee ihrer

2

lbficf)ten, aunächft nur leiben fann? 9iein, bas fann id) nicht! Unb fo fann id) — ja, ich fann bas! — mit fchweigenber Äälte auf bas qualDolle Selben meiner 9Kitgefd)öpfe hinfehauen. S e r ©laube an bie furchtbare Siebe ©ottes hat mein S9tit=

gefühl einfrieren laffen."

SDlan fönnte freilich auch fo fagen: S e r Theologe ift wieber §>err ge=

(10)

28Ü (£f)rtftentum unb SB i | f e n f $ a f t11

worben über ben natürlichen, mitfühlenben unb Vergewaltigung als Un=

recht empfinbenben SRenfchen!

(Es ift nun aber ehrenb für

6

chrempf unb ein

3

eugnis feines

“ißeiterbenfens, bafe er in bem „Fachwort" zur

2

. Auflage feiner Schrift befennt, in biefem fünfte würbe er fich nunmehr oorfichtiger ausbrücfen.

„2Bie fam ich baau, eine Siebe, bie ich nicht t>erftehe, Ciebe au heifeen?

3ch habe ben ©runb genannt: es beftimmte mich noch b k (Erinnerung an bie ,alte Sage*, ,bafe bie SWacht, t>on ber ber SKenfd) mit ber ganzen s2Belt gelebt werbe, Siebe fei*. 3eö1 ziehe ich b o i) t>or, Siebe nur bas zu nennen, was ich als folche oerftehe. Sßelchen Söert foll es benn haben, bafe ich t>orwegnehme, als was fich &as ilnoerftänbliche einmal enthüllen werbe? SDZir nüfet es nichts; für ,©ott‘ ift es gewife gleichgültig; es bient alfo nur, mir oor ben SKenfchen bas

2

lnfehen zu erwerben, bafe ich bod) an eine .Siebe ©ottes* glaube. ©as ift aber fein zureichenber ©runb, über bie ‘Befchreibung meines gegenwärtigen

3

uftanbes hinauszugehen:

bafe ich nämlich ein Seben gelebt werbe, welches ich wefentlich nicht Der=

ftehe; baf

3

ich abwarten mufe, ob, wann unb wie es fich mir einmal Der=

ftänblich machen wirb, ©a ich biefes Slbwarten jefet etwas gebulbiger unb ruhiger beforgen fann, brauche ich mich and) nicht mehr an bie Hoffnung anzuflammern, ,©ott‘ müffe fich enblid), enblich als ,Siebe* offenbaren."

©afe Schrempf jefet b k Söorte „© ott" unb „Siebe" zur f)inbeutung auf ben lefeten ©runb unb lebten Sinn ber Sßelt nur noch in 2ln=

führungszeichen fefet, oerrät, bafe auch ^ aus einem Dermeintlichen SBiffen um bas metaphpfifch Sefete zu bem befcheibenen: ,,3d) weife, bafe ich nichts weife" gelangt ift.

©amit ift freilich tr>ohI vereinbar, Siebe zu üben, ©er 5Bert ber Siebe leuchtet uns ja unmittelbar ein. S ie behielte ihren 3ßert auch bann, wenn fie — nur unter 3Renfd>en t>orfäme!

©f)riff<mfum unb 2ßi[JenJd)aff

33on 31 u g u ft 2 R e f f e r

1

.

©ie Slusbrüde „(Ehriftentum" unb „2ßiffenfd)aft" finb nicht einbeutig;

ich tt>ill barum furz angeben, in welchem Sinne ich fie faffe. 3d> be=

fchränfe mich gegenüber bem „(Ehriftentum" auf feine fatholifche unb feine eoangelifche gorm; unter „5Biffenfchaft" aber begreife ich nicht nur bie gachwiffenfchaften, fonbern auch bie ^hifofophie, ba biefe m. (E. feine anberen (Erfenntnisfräfte zur Verfügung hat als bie (Einzelwiffenfchaften, melmebr nur burd) ihre grageftellungen fich t>on biefen unterfcheibet.

(11)

Ctfrriftentum unb 5Biffcnfcf>aft 281

©as Verhältnis t»on Shriftentum unb ‘Jöiffenfchaft fann fotDohl Dom

©efid)tspunft bes (£f>riftentums ^ie Don bem ber SBiffenfchaft aus be=

trachtet merben.

Unfere e r ft e grage märe fomit: 3ö i e ft e 11 e n j i d) b ie V e r -

t r e t e r b e s £ h f i f t e n t u m s 3 u r <f f i i f f e n f d ) a f t ( e i n f c f ) l t e j 3 = ( i c h ^ f M t o f o p h i e ) ?

2ßir befchränfen uns babei — ba tmr nicf)t a l l e n

33

e

3

iehungen

3

ur

sffiiffenfd)aft nachgehen fönnen — auf bas aentrale Problem bes

2

öahr=

hettsgehalts ber chriftlichen Religion.

f)ier

3

eigt fich ein beutlicher Unterfchieb

3

tDtfchen Slatboli

3

ismus unb

^roteftantismus. ©ort bie Senben

3

, bas Verhältnis möglichft eng

311

geftalten, hier bas 33eftreben, bie Verfchiebenartigfeit

31

t betonen.

©ie f a t h

0

l i f d) e n ©runbfäfte über bas Verhältnis Don ©lauben unb Söiffen finb folgenbe1): S in ‘Jöiberfpruch atoifchen beiben fann nicht befteben: 3n SBiffenfchaft unb ^hilofophie erfennt ber SDZenfd) bie „natür=

liehe" Offenbarung ©ottes, b. h- bie Don ihm gefefjaffene 5öelt; im ©lau=

ben erfaßt er feine „übernatürliche" Offenbarung. (Steht ein

6

aö als

Don ©ott geoffenbart feft, fo fann ein ihm tDiberftreitenbes (Ergebnis bes miffenfchaftlichen ©enfens nicht richtig fein. 2lnberfeits fann nichts Don

ber Kirche als geoffenbart bingeftellt tDerben, tDas abfolut fieberen iDiffen=

fchaftlichen Srfenntniffen ir>ie ettDa getDtffen mathematifchen

6

äöen mtber=

fpricht. ©er (Schein eines SBiberfpruches ift

3

urüd

3

uführen enttoeber bar=

auf, baß man ©ogmen nicht im

6

inne ber Äird)e faßt unb auslegt ober barauf, baß man bloße Vermutungen ober f)ppothefen als fiebere £r=

gebniffe ber <333iffenfcf>aft ausgibt.

3n bem Verhältnis 3tDtfd)en beiben hot ber ©laube ben Vorrang, jeboch läßt er ber Söiffenfchaft eine geroiffe Selbftänbigfeit: er ift für fie negattDe, aber nicht pofitioe 9Zorm. ©as heißt: er

3

eigt ihr in feinem

©ebiet, tDas un

3

iDeifelhaft falfd) ift. ©agegen braucht bie 2ßiffenfd)aft feinen

6

aft als tüahr Don fich aus aufsuftellen, beffen Sßahrheit fie nicht auf ©runb ihrer eigenen ^rinstpien unb mit ihren eigenen SDlethoben feft

3

uftellen Dermag; ja, fie b a r f bas nicht einmal tun. greilich nimmt ber ©laube bie <

2

Biffenfd)aft in feinen ©ienft: fie foll bie ©runblagen bes

©Iaubens betocifen unb gegen SintDÜrfe Derteibigen.

60

t)at

3

. 33. bas Vatifanifche Slon

3

il bas ©ogma formuliert, „baß ©ott, ber Sine unb

?öabre, unfer ©chöpfer unb f>err, burch bie gefchaffenen ©inge mit bem natürlichen 2icht ber menfd)ltchen Vernunft mit (Sicherheit erfannt rc>er=

ben fönne". ©er (£ib gegen ben SDZobernismus (ber auch heute noch Don

J) meine „(£infüf)rung in bie (Erfenntnistfjeorie". £eipatg, d ein er, 3. 5lufl.

1927. 0.211 ff. unb 261.

(12)

282 ( £&r i f t entum unb 2 B t f f e n f d ) a f t

allen ^rieftern au leiften ift) bat bies nod) Derfcbärft: „erfannt u n b b e =

W i e f e n " ( c o g n o s c i a t q u e d e m o n s t r a r i ) . ©amit finb natürlid) ben pbilofopbifcben 3entralgebieten: Srfenntnistbcorie unb SDtetapbvfif, gana beftimmte ©ireftiDen gegeben. Slnaloges gilt für bie biftorifeben unb

pbilofopbifcben ©tfatplinen, foweit fie fich mit ber Srforjcbung ber Kir=

d>en= unb ©ogmengefebiebte unb ber Interpretation ber f>l. Sd )rift be=

febäftigen. 3m 23eretd> ber 9taturwiffenfcbaftcn bat man nad) hartem

2 Biberftanb awar bie Sntwicflungslebre als bisfutable „§> p p o t b e f e"

augelaffen, jeboeb mit ber Sinfcbränfung, bafe bie SBtenfchen f e e l e baDon ausgenommen unb als unmittelbare göttliche Schöpfung angefehen wirb.

©ie bem ^ r o t e f t a n t i s m u s eigentümliche Jenbena aur reinlichen Scbetbung Don ©lauben unb Söiffen hat ihre hiftorifch wirffamfte pbilo=

fopbifd^e Stusgeftaltung bei Kant, bem „^bilofophen bes ^3roteftantis=

mus", gefunben. S r lehrt: bie ^hilofopbie fann ©ottesbafein unb bie ilnfterblid)feit ber Seele nicht beweifen, aber fie fann fie auch nicht wiberlegen, weil fie überhaupt unauftänbig ift für btefe Probleme. S o wirb fie aus bem ©ienft am ©lauben entlaffen; fie gewinnt aber bamit auch ihre greiheit Don allen ©ireftiDen, bie beftimmte ßeiftungen Don ibr Derlangen ober ihr beftimmte Säfte Derbieten wollen.

©ie Scheibung ber betben ©ebiete ift nun allcrbings bei Kant nicht Döllig burebgefübrt: nur bie reine theoretifche („fpefulatiDe") Vernunft wirb Don Kant als unauftänbig erflärt, bagegen baut er auf bie „praf=

tifebe" Vernunft, b. h- bas fittliche Sewufotfein, bie „^oftulatenlebre"

auf, bie arcar ©ott unb Hnfterblicbfeit nicht tbeoretifd) „beweifen", aber als ©egenftänbe eines „Dernünftigen" ©laubens philofophifch recht=

fertigen foll. S o ift es Derftänblid), bafe nach Kant eine ßntwidlung nach awet Dichtungen eintrat: auf ber einen Seite hat man bie $rennungs=

tenbena abgefcbwäcbt unb bie pofitiDen ‘Seaiebungen a^ifd)en ©lauben unb Söiffen ftärfer betont, auf ber anberen Seite bat man bie Trennung noch rabifaler burd)aufübren gefucht (wie a. 33. neuerbings in ber fog.

„bialeftifchen Sbeologie"2)). 2luf biefe Nuancen fönnen wir in unferer auf bas ^prinaipielle gerichteten ‘Setrachtung nicht eingeben.

3.

3ßir (teilen uns nunmehr auf ben Stanbpunft bes w i f f e n f d) a f t = lich = p h i l o f o p h i f d ) e n © e n f e n s unb fuchen uns barüber flar au werben, wie es fich gegenüber bem Problem: Sbriftentum unb 5öiffen=

fchaft au Derbalten hat, insbefonbere au ben beiben Jenbenaen nach enger Verbinbung ober nach Trennung Don ©lauben unb 3Btffen.

SBcfen unb Tragweite bes wiffenfchaftltch=pbifo}ophifchen Srfennens

2) *33gl. baju meine 6cbri[t über „ f t a r l ‘’Bartb ". 6 tuttgart, 6 trecfcr & 6 d>röbcr.

(13)

<£t>riftcntum unb 20 i f f e n j cf) a f t 283

faffe icf) babei im

6

inne bes fritifchen Skaiismus, rv>ie id) bas in meiner oben genannten „Einführung in bie ßrfenntnistheorie" näher bargelegt unb begrünbet habe. (3d) oertoeife bafür aud) nod) auf meine

6

d>rift

„© er fritifche ^Realismus", Karlsruhe, ‘Braun, 1923).

s33on biefem philofophiieben

6

tanbpunft aus ift bic 3Röglid)fett einer

2

Ketaphpfif, alfo auch einer toiffenfchaftlichen Erörterung bes ©ottes=

unb ilnfterblichfeitsproblems, grunbfät

3

lid)

3

U bejahen. kleiner

2

Inficf)t

nach fann aber friefe — nur hppothetifd) bas ©ebiet bes empirifch „©e=

gebenen" überfchreitenbe — SÖtetaphpfif nicht b a s leiften, toas bas oben zitierte 33atifanifd)e ©ogma oon ihr oerlangt: einen it>trflid)cn „ l33e=

rocis" eines perfönlichen ©ottes (im

6

inne ber Ktrchenlehre) oermag fie ebenfotoentg

3

U erbringen tote einen

3

tt>ingenben 9tad)toeis eines gort=

lebens ber

6

eele. 3nfofern nun bie Kirche folche <23etr>eife oon ber ^ h ü » fophie forbert, liegt ein Konflift

3

toifd)en ©lauben unb

2

Biffen oor. (Sr roirb in ber Flegel baburch umgangen, baß man einerfeits oon fird)lid)=

theologifcher (Seite ben begriff bes „ <23etoeifes// burd) ben ©ebanfen ab=

fd)toäd)t, baft es fich ja nicht um „mathematifche" 33etoeife hanbele, unb bafe man fich tatfädjlich mit ber

2

luftoeifung getoiffer annehmbarer

©rünbe begnügt.

2

lnbererfeits ift es oerftänblich, bafe einem im fatho=

lifchen

6

inne „gläubigen" ^hüofophen unter bem ftillen Gntfchlufe fei=

nes ©laubens bic 33eioeisfraft mancher Argumente für ©ott unb iln=

fterblid)feit beträchtlicher erfcheinen toirb als einem „Ungläubigen".

Übrigens xoixb eine 'Wlofophie, bie überhaupt eine SDletaphpfif für möglich hält unb fich alfo für

3

uftänbig erflärt, über bie genannten sT3ro=

bleme mit

3

ureben, fich auch &te greiheit oorbehalten,

3

U einem über=

toiegenb oernetnenben Ergebnis

3

U gelangen — toas ja insbefonbere an=

gefichts bes $heobi3eeproblems möglich ift. —

2

Bte hat fich nun ber Vertreter tt>tffenfchaftlid)=philofopbifchen ©enfens

3

u ftellen gegenüber fird)lid)=theologifchen 9lid)tungen, bie eine S r e n = n u n g oon Sßiffen unb ©lauben proflamieren?

3

unächft ift hier

3

U beachten, bafe ber

6

inn einer folgen Trennung nicht ift ober toenigftens nicht fein fann, bafe überhaupt feine

93

e

3

tehungen

3

tr>tfchen Ehriftentum unb ,3Biffenfd)aft beftehen follen. ©iejenigen, bie für folche reinliche

6

cf)eibung eintreten, finb ja felbft in ber Siegel $heo=

logen, alfo folche, bie fich als Vertreter einer „SBiffenfchaft" fühlen,

©abei tt>erben fie freilich im ilnterfchieb oon bem Vertreter reiner 5lelt=

gionstt)iffcnfd)aft bie ©ültigfeit einer beftimmten religiöfen, in unferem Salle „chriftlichen", ©laubensform oorausfefeen. ©araus erhebt fich ein weiteres Problem, auf bas u>ir balb eingehen toerben.

©arüber toirb ferner faum 9Reinungsoerfd)iebenheit beftehen, baß, roie bie Steligion überhaupt, fo auch bas (Sfrriftentum in feinen oerfchie=

benen Jppen

3

um ©egenftanb miffenfchaftlicbor Unterfuchung oom ©e=

(14)

284 ( £b r i f t ent um unb ^ B i f f e n f c b a f t

firf>tspunft Derfchiebener ©ifaiplinen aus gemacht werben fann unb im Ontcreffc wiffenfchaftlicher Crfenntnis gemacht werben mufe. <5o ift

3

U=

närf>ft bie für alle weitere Srforfchung grunblegenbe „SBefensfrage"

aufauwerfen. (£s ift Don hohem loiffenfchaftlichem 3ntereffe, bafe burch phänomenologifche gorfchung flargeftcllt werbe, was benn eigentlich

„Religion", was „Khriftentum" ift unb burch welche

2

ße}ensaüge ficb bie t>erfd)iebenen Religionen unb bie oerfchiebenen Wirten bes Shriften=

tums unterfcheiben. gerner bietet fich ©eiegenheit unb 2lnlafe au Unter*

Juchungen

00

m foaiologifchen, inbmibual= unb foaialpfpchologifchen, Dom hiftorifchen unb philologischen ©efichtspunft. (£s fann auch bie grage aufgeworfen werben, wie bas (Shriftentum unb feine ©eftaltungen auf anbere Kulturgebiete, wie ©ittlicbfeit, 91 echt,

6

taat, SBiffenfchaft, Kunft, 3Birtfd)aft, ©efunbheitspflege, ßraiehung gewirft fyabtn ober welche ßinflüffe es Don hier aus ober t>on anberen Religionen empfangen hat ufw. 33on wem berartige Unterfud>ungen Dorgenommen werben, ob Don Vertretern ber Derfchiebenen genannten ©ifeiplinen ober Don ben Theologen, ift fachlich gleichgültig, ßbenfo fann bie pfpchologifche grage hier beifeite bleiben, ob es für ben ©lauben förberlid), abträglich ober inbifferent ift, wenn ber ©läubige felbft folgen gorfchungen fich hingibt.

Schwierigere Probleme unb ernfte Konfliftsmöglichfeiten entftehen baburch, bafe ber Vertreter ber SBiffenfchaft baw. ^hüofophie bean=

fprucht unb aus fachlichen ©rünben beanfpruchen muß, auch bie Don theologifcher ©eite ausgefprod^ene Trennung Don ©lauben unb SBiffen wie auch bie in ber Siegel Dorausgefeftte ©ültigfeit einer beftimmten

©laubensform

3

um ©egenftanb feiner Unterfuchung unb ^Beurteilung au machen.

2

lud) wer anerfennt, bafe Religion unb 3öiffenfchaft, nach ihrer fub=

jeftioen (Seite betrachtet, gana Derfchiebenartige ©eifteshaltungen bar=

ftellen, fann boch bie grage aufwerfen, ob jene Trennung in bem

6

inne

burchgefübrt werben fönne, bafe ber ©laubensinhalt unb bie ©laubens=

gewiöheit jchlechterbings ßinreben unb 23ebenfen Don feiten ber ^hüo=

fophie, insbefonbere 9Ketaphpfif, 3ßertphilofophie unb £rfenntnis=

theorie, entaogen fei. 3Benn

3

. 53. ber ©laube Säfoe enthält wie bie, bafe ein ©ott ejifttere, bafe er „geiftig" unb „perjönlich" fei, bafe er bie 5öelt unb — nach feinem 23ilbe — ben SDtenfchen gefchaffen habe, fo fann auch bie lebhaftefte 33erfid)erung, bafe uns ©ott „unbefannt" fei unb bleibe, nicht barüber hinwegtäufchen, baft hier ßeinsurteile Dorliegen, bie beftimmte Antworten enthalten auf gragen, bie aud) bie

2

EReta=

pbpfif befchäftigen. Unb wenn berartige ©äße Don bem ©läubigen (unb Don bem Sbeologen in Übereinftimmung bamit) als „gewife" hingeftellt werben, fo brängt fich — felbft für ben SÖletaphpfifer, ber aur *33e=

jahung biefer

6

äfte neigt — bie grage auf, wie fich eine © e w i fc b e i t

(15)

( E b r i f t e n t u m unb 2B i ff e n f cfc a f t• I 285

bes ©laubens b a rechtfertigen läßt, wo bas wiffenfchaftlicf)=meta=

phpfifche ©enfen im beften gall mit einer mehr ober minber waf)rfchein=

liehen V e r m u t u n g fich begnügen muß.

©er Vertreter bes ©laubens fann bem entgegenhalten, wenn er ©ott ein „© ein" sufchretbe, fo bebeute bas 5ßort nicht basfelbe wie in ber (Einselwiffenfchaft unb in ber 9Ketaphpftf; er meine vielmehr ein „Über=

fein"3), ©ies führt hinein in bie verwicfelte grage, was benn ber ©inn von „© ein" fei4), ^ebenfalls muß aber für unfer Problem berücffichtigt werben, baß, wenn ©ott als Schöpfer unb (Erhalter eben biefer unferer 3Belt gilt, ihm boch —

3

um minbeften: a u ch — biefelbe ©einsart su=

fommen muß wie biefer Sßelt unb uns felbft.

Seichter wirb fich ber Vertreter bes ©laubens mit ber grage, wiefo benn ber ©laube größere ©ewißheit

3

u bieten vermag als bas meta=

phpfifche (Erfennen, abfinben fönnen. Gr wirb, wie bas ja in ber evan=

gelifchen Theologie längft üblich ift, auf befonbere „(Erlebniffe" unb

„Erfahrungen" hinweifen, bte ihm biefe ©ewißheit vermittelten unb bte er als göttliche ©nabenwtrfungen auffaffen fann.

2

ßir brauchen biefe (Erörterung nicht weitersufpinnen; aus bem

©efagten geht fchon

3

ur ©enüge hervor, baß eine wirfltch rabifale Trennung

3

wifchen ©lauben unb 3ötffen, alfo auch

3

tvtfchen (Ehriftentum unb 3Biffenfchaft (einfchlteßlich ^Philofophie), fich fachlich n i rf> t burch=

führen läßt. (3d) betone: „fachlichbenn bem einseinen Vertreter biefer ober jener ©eite bleibt es natürlich unbenommen, bte anbere

3

U igno=

rieren). ^ebenfalls werben bie Vertreter ber einselnen Söiffensgebiete fich für berechtigt unb verpflichtet halten bürfen, foweit von religiöfer b

3

W. theologifcher ©eite Behauptungen aufgeftellt werben, bie in ihren Bereich etngreifen, biefe einer Prüfung

3

U unterstehen. Unb fo wirb man auch ben Vertretern ber (Erfenntnistheorie unb SDtetaphpfif bie <23e=

fugnis nicht abfprechen fönnen, bte reltgiöfen Sehren, bte Tranfsenbentes betreffen, einer Kritif

3

U unterstehen, gällt biefe negativ aus, fo wirb bie Aufgabe fein, bte Religion als rein menfchltches ^robuft su ver=

ftehen unb su erflären, W03U ja frnme unb geuerbach bte 3Bege ge=

wiefen haben. 3ft bas (Ergebnis pofitiv, fo erfcheint es prinsiptell als

3

uläffig, ben reltgiöfen ©lauben (nach feinem theoretifd>en ©ehalt) als (Ergänsung unb Krönung philofophifchen 3Biffens an

3

uerfennen.

(Eine (Entfcheibung felbft foll hier nicht gefällt werben. 3n bem 9tah=

men biefes Sluffafces muß ich mich begnügen, bie Probleme auf

3

uweifen

unb auf Söfungsmöglichfeiten hinsubeuten.

3) 35gl. meine ftontroDerfe mit ft. SDteifeinger in meiner geitfdjrift „ ‘'pfrilofopfeie unb Ceben" (ßeipaig, Steiner). 3abrg. IV (1928), $>eft 5 unb 6.

4) 33gl. baau meine $Iufjäfoe über £>eibeggers 3Berf „S e in unb geit" in ?>eft 1 ff.

biefes Safcrgangs.

(16)

286 S c f e f r ü d) t c

I. © off — uns unbefannf

Der fatbolifche ^bcologie^rofeffor Dr. grana 6 a to i d i bat in feiner 6 elbft=

biograpbie über bas „©ottesgebeimnis" folgenbermafeen ftd> ausgefprochen1):

„D er bebeutfamfte metapbpfifche begriff, au bem bie ©ollesbetoeife führen, ift ber begriff bes abfoluten SBefens unb ber bamit oertoanbte begriff bes ens a se (6 etenben aus fid)). 3Bas bebeutet bie f e i t ä t (3Ius=fid)=6ein) © o t t e s ? Der 33egriff ir>ill 3lntioort geben auf bie grage, bie Äant einen 3lbgrunb ber Vernunft nennt: 3Illes ift aus ©ott, aber toober ift ©ott felbft? 3Illes finbet feine (Erflärung in ©ott, aber toie begreifen toir ©ott felbft? 6 o toenig toir bier au fagen oermögen, fo ftarf ift bocf) ber 3lnreia, fid) in biefes Problem au oerfenfen. . .

Die 3lfcität ift ein tiefer ©ebanfe, aber fie erfd)cint toie ettoas 3Ibftraftes, Un=

perfönlidjes. 3ßie oiel (ebcnbtgcr unb beglücfenber ber ©ebanfe, in bem bie „ “^bilo*

fopbie ber Siebe" ausflingt: ©ott als bie e to i g e S i e b e ! 3Iber tiefe 9tätfel blei=

ben bier toie bort. 6 d)tocr laftet bas Problem bes Übels, unb fo oiel toir immer oon ber pofitioen 33ebeutung bes Übels erfennen, oieles oon ber f)ärte, (Erbarmungslofig*

feit unb fd)einbaren (Sinnlofigfeit bes ©efd>ids bleibt uns unbegreiflich- ©ott ift bie Siebe, aber biefe Siebe ift nicht fo, toie toir fie benfen, nicht fo toeicb, nicht fo milb, nicht fo febonenb, fie birgt ctioas in fid), bas toir nid)t oerftetjen, oor bem toir er*

fd)auern, loenn toir auch oertrauen, bafo biefes tremendum (6 cbauber=(Erregenbe) irgenbtoie in ber Siebe aufgeboben ift unb ihren 3 ^ c(icn bient. 3lud) t)k x ein tiefes

©ebeimnis!

ilnb fo ift es mir bei ben ftillen SDlebitationen über bas ©ottesgebeimnis ergangen tt)ic allen, bie fid) ettoas tiefer barin oerfenfen. D as (Ergebnis ift bie tiefe Demut bes (Erfennenben. 3d) babc immer getoufot unb befannt, bafe toir ©ott nur unoollfommen erfennen, nun aber ift es mir immer mebr aum perfönlicben (Erlebnis getoorben, toie unfaßbar unb unbegreiflich ©ott ift, aum (Erlebnis getoorben auch bie (Einficht, bafo all unjer irbtfehes (Erfennen gipfelt in ber docta ignorantia (betoufeter gelehrter iln=

toiffenheit), in bem 33efenntnis, bafe ©ott über alle unfere 33egriffe unb gana anbers ift als unfere begriffe, unb toie ein §)öd)ftcs ift mir bas fehtoeigenbe 6 tilleftehen oor bem ©ottesgebeimnis, bas uns crfchauern macht unb bod) fo an fid) au aieben unb au bcfeligcn oermag." |5öenn uns aber fo „© ott", b. h- bas 3lbfolute, ber tieffte 3Belt=

grunb au einem „ilnbefannten" unb augleich 6 chauber=(Errcgenbcn toirb, fo erhebt fich bie grage, ob toir noch mit „intelleftueller S^eblichfeit" bies Seftte mit bem uns oer=

trauten tarnen „© ott" beaeichnen bürfen, ba oon biefem bod) ber 33egriff bes „lic- benben 33aters" fchier untrennbar ift. 31. SER.]

II. 23drad)fungcn über ba$ Ceben

D a jener, ber vernichtet toirb, leibet, unb berjenige, ber oernichtet, baran feinen

©enufe finbet unb balb ebenfo oernichtet toirb, fo fage mir, toas fein ^bifofopb t>u 'beantworten toetfo, toeffen ©efallen ober toefien stuften bient biefes unglüdfelige Seben

bes Söeltalls, bas fidE> aum (Schaben unb burd) ben $ob aller Kreaturen, aus benen

es gcbilbet toirb, einaig erhält? S e o p a r b i .

Slann man toirfltd) burd) feinen 2Btllen einen ©lauben h^rftellen, ben man einmal oerlorcn hat? 3ftan fann fich höchftens felbft belügen, unb bas toeife man in feiner tiefften 6 eele. Unb gerabe btefes uneingeftanbene ‘Betoufetfein tötet ben SDZut unb bie greube. 6 o hebt ben SDZut unb toerft ben ©lauben ab, an ben ihr nicht mehr glaubt!

Dicfc jungen ilnbebingten fehen ihr §>auptaiel barin, eine teiltoeife 33ertoirflid)ung

•ihrer Sräumc innerhalb ber alten Orbnung au oerhinbern. 3llles ober nichts! Die 3Belt au oerbeffern, fcheint ihnen lächerlich. (Enttoeber eine oollcnbcte 3öelt, ober fie

J ) 33gl. bas bochintereffante 3Berf „^leligionstoiffenfchaft in 6 elbftbarffellungen", Seipaig, deiner. 33b. III, 6 . 162 f.

Cytaty

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