• Nie Znaleziono Wyników

Philosophie und Leben. Jg. 5, H. 8 (1929)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Philosophie und Leben. Jg. 5, H. 8 (1929)"

Copied!
38
0
0

Pełen tekst

(1)

H>Pofop^ie und Heben

5 . J A H R G A N G ___+ 8. HEFT + AUGUST 1929

„3m D ien ftt brr O olftsnnljnt rrftrrbt unferc 5citfdjrtft eine fad)*

liebt 2tusfprad)f ber ötrfthtebrnen üjcltanfr^aulidjrn Ktchtungen.“

© dnsarf maff)emaft|cf)er (§>e6Üf>e

Sion g t i e b r i r f ) 9t e u b u t 9

2lls ich mich in früheren 3ahren ettoas intenfioer mit SDlattjematif be=

fchäftigte, tarn ich nad) oielfachem 3 ® eifeI 3U 2Infid)t, bafe ben ma=

tt)emati|'d)en '2ßa^r^)cxten in i^rcr Klarheit unb Sjaftheit ein ©ehalt an 3Birflid)fett beiaumeffen fei, jum Unferfdjiebc au ben Entia rationis, ©e=

bantenbingen. Safe es alfo fein 3öiberfpruch fei, bafe bie Sßahrheiten bet SRathematif, alfo berartige Drvealien unabhängig oon jebem freatür»

liehen iSetoufetiein feien, bafe ihnen bemnad) auch ohne jegliches freatür- liebes 33eroufetfein ein 31 n f i ch f e i n jufomme. 3ch fanb in ben 3iatur- tüiffenfchaften bie Wahrheiten ber 3Kathematif tief begrünbet unb r»er=

luurjelt. 3n ben 'Bcroegungen ber |?immelsförper, in ben ©efefeen bes galies, bem Onfinitefimalen ber 9tatur, ben Slusmeffungen bes Slriftalles ufro. fogar in unferem 3at)fcnfpftem. ®er Ontjalt ber s")3pramibe ift '/, »on bem bes Prismas gleicher 33afis unb |>öhe; es fommt bem V» alfo ein 3Birflichfeitsgehalt ju. 3ch ging fogar fo roeit, ben für uns unoorftell*

baren 3at)[engröfeen roie a°, a a 'I'2, i, o, oo, 3Birflid)feitsgehalt auju»

fdjreiben unb ju behaupten, bafe es nur bie Unaulänglichfeit unferes 23egriffsDermögens ift, bie es ausfchliefet, berartige 3<>hkngröfeen ju erfaffen. 3cf) roufete atnar, bafe ber mofaifartige SJlechanismus ber 2Jta=

tt>ematif unb bas Streben nach Sjaftheit in biefer ‘ffiiffenfchaft es not*

toenbig macht, bafe Süden ausgefüllt »erben burd) aroangsroeife Sr=

gänaungen. Slnbererfeits aber fagte icf) mir, bafe in bem fliefeenben 2öelt=

gefdjetjen feine Sprünge feien, bafe in ber ganaen Äette ber 9Zaturent=

wkflung fein ©lieb fehle, infolgebeffen es unmöglich fei, bafe in ber eyafteften unb oollfommenften aller ^aturroiffenfehaften nicht ebenfo felbft ben unoorftellbaren, baher unbegreiflichen ein SBirflichfeitsgehalt aufomme. ®ie Sitten biefer (Erwägungen unb Srfenntniffe waren immer häufiger unterbrochen oon 3 ® etfeln an ber 2ßirflid)feit ber 9Jtafhematif.

3u biefer 6fepfis mürbe ich fpftematifd) burch bie 9ftafhemattf felbft geführt. So einige 53eifpiele:

Sine geometrifche ^rogreffion bis ins ilnenbliche fallenb 1, 1I„, 7», V ,T . . . S ie Summe aller ©lieber S = qqn~ ,1; qn ift ein echter

1>bilo[opbit unb Ucbeii. V. 15

(2)

212 © e i n s a t t m a t f ) e m a t i i $ e r © e b i l b c

Sörucb unb um Jo fleiner, je gröfoer n ift; ift n = oc, ift q- = 0 , für bicfcn g a ll get)t obige go rm el über in S oo = , n = - 1 = l 1/*

1 P *

13

(Eine unenblicbe 5Hcit>c ift alfo eyaft fafebar, bas Unenblicbe ift Snblid) geworben. 3 d) fefoe allerbings für q u = 0 , alfo mache bie unenblidjc 'Jteibe begrenzt unb nur unter biejer ^orausfeftung ift bie 9leibe enblidj.

2lber biefe 33orausfefeung ift es gerabe, bie biefen s3ßiberfprucb ^ctdot=

ruft. 3 ft n unenblicb, b. b- ohne l£nbe, bann fann ber echte 53rud) qu niemals ü »erben.

C£in jweites 33cifpicl, bas logifdje 'Parabofon non 3 eno, bem grünber ber © toa, 3Id)illeus s3öettlauf mit ber ©dnlbfröte.

Achilleus läuft boppelt fo fdjnell wie bie ©cbilbfröte, welche bafüt einen 53orfprung oon 1 km befommt. ‘Jßenn 2ld)illeus biefen 33orfprung oon 1 km erreicht t)at, ift bie ©cbilbfröte um einen V* km weiter; er=

veidjt ^IcbiUeus biefen 1/2 km , fo ift bie ©d)ilbfröte nur um ein */* km, erreicht 2lcbilleus biefen 7* km , ift bie ©cbilbfröte */« km ooraus unb fo ad infinitum . Slchilleus fan n bie ©cbilbfröte niemals erreichen. Sfnbererfeits jeigt uns bie (Erfahrung ober bie unmittelbare 5öabrnebm ung mit Et>i=

ben 3 , bafe, roenn Sidjüleus 1 km jurüdgelegt ^at, bie ©cbilbfröte 3 tt>ar V2 km gelaufen ift unb ihr 53orfprung nunmehr Vs km geworben ift, aber 2ld)iüeus bei 2 km , bie er jurüdlegt, bie ©cbilbfröte bereits erreicht bat, ba biefe xmeber nur Va k m jurüdlegt. ©eit bcn gried)ifcf)en ©entern befcbaftigen fid) ^tjilofop^en bam it, unb ganje 5Mbliott)efen fönnten ge*

füllt werben mit ben 33üd)ern über berartige ©opbism en, bie gefd>ricben unb gebrudt würben, befonbers im SRittelalter. D r. ilrbacb bot W fpeaiell m it biefen Problem en befdjäftigt unb Diel 2id)t in biefe Probleme bereingebracbt, aber feiner bat bis jefot biefes P ro blem richtig erfannt.

£>enrp 33ergfon wibmet ibm einen weiteren 9ia u m in feinem 2ßerf

„SRaterie unb ©ebäcbtnis" unb erörtert biefes P ro blem auf bas ©e=

wiffenbaftefte, inbem er bie 2ßurael biefes S ile m m a s äurüdfütjrt auj bie 2 befe: ,/2llle Bew egung, foweit fie ein Übergang oon einem Siubcpunft ju m anberen ift, ift abfolut unteilbar!" 3 um Unterfchiebe pon ber bis ins Unenblicbe Je ilb arfe it ber ©trede. 'Ser 3 rrtum fei nad) SBergfon barin begrünbet, bafo m an annebme, baß bie Bew egung bes 2lcbilleus unb ber

©ebilbtröte mit ibren 33abnen pfam m enfallen unb auf biefe Söeife un­

teilbare Bew egung w ülfürlid) jerteile. © o fein biefe Beobachtung unb richtig bie Überlegung, fo genügen fie nid)t, oorftebenbes D ilem m a auf=

jufläre n. 2Bas follte uns binbern, anaunebmen, bajj febon in ber 2luf=

gabenftellung gleichzeitige 9iuhepaufen für 2ld)iüeus unb ber ©d)ilb-

fröte oon gleicher ® auer eingefdbaltet w ären, unb awar jeweils, wenn

2ld)illes ben Slusgangspunft ber ©cfjilbfröte erreicht? 3Benn wir alfo

eine t a t f ä d> l i cf) e T eilung ber Bew egung in Stoppen mit wirtlichen

(3)

S e i n s a r t m a f ^ c m a t i l d j e t © c b i l b c 213

9iuhepaufen oornehmen würben? 3Benn auf bicfe 3Beife bem 33etgfon- fcfjen Sinwanb Rechnung getragen wäre, würbe bas Silcmma unoer=

minbert weiterbeftehen. Ss würben bann nämlich aus einer ‘Bewegung oon A nad) B mehrere 'Belegungen entftehen: A— A u A t—A,, A „—B, unb was fid) für eine biefer ‘Bewegungen als ridjtig erwetft, mufe auch mit ber 6 umme biefer ^Bewegungen oon A—B übereinftimmen unb cs wäre bas Dilemma nid)t aufgeflärt. Ss fann alfo ber Orrtum burd) bie 5Iufflärung unb ßinwänbe Don 33ergfon nicht enthüllt »erben.

3Taffäcf>lid? liegt ber verborgene Orrtum nicht fo einfad), fonbern 3 eno fii^rt uns burd) bas ganje Problem oon Anfang bis jum ®nbe auf fniffige 2 Irt burd) ein < Didid)t oon Ortungen sum ^arabojon. — (Schon in ber Slufgabenftellung, 2lcf)illeus möge bie «Schilbfröte erreichen, liegt 3 um 3TetI ber oerborgene Orrtum. 2 Id)illeus fann bie Scf)ilbfröte nad) ber 3enofd)en SCRetEjobif niemals ü b e r h o l e n , objwar ihm bies in ber 3BirfIid)feit ohne 5Inftrengung gelingt, »eil er fid) aur Slufgabe ftcllt, fie nur ju erreichen. 6 r fann fie aber niemals erreichen, weil au bem=

jenigen 3ettpunft, 3 U bem 2ld)illeus fein 3tel, ben jeweiligen Stanbort ber <Sd)tlbfröte erreicht, bie Scbilbfröte ihren 6 tanbort gleichzeitig nad) oorn oerlegt haf- 5ßenn 2ld)iUeus oon A ausgehenb in A, eintrifft, ift gleichzeitig bie <Sd)ilbfröte oon A, abgebenb in A., eingetroffen unb fo weiter, bis Achilleus in A„ eintrifft, ift bie 6 d)ilbfrötc in B angelangt.

3nbem fid) 2 ld)illeus auf biefe SBeife jum 3 ielc fefet, jeweils einen oon ber (Schilbfröte bereits oerlaffenen (Stanbort ju erreichen, fann er fie niemals einholen. 3 eno oermeibet es fnifftgerweife, in biefes Problem bie 3 ^tt hineinjubringen, benn fonft wäre bas ^araboyon ju burd>=

fid)tig. ?ßürbe er uns nämlich, wie wir es fonft gewohnt finb, burd) gleichmäßige 3 eitobfcbnifte führen, fo würbe 2 ld)illeus nad) bcm ^weiten 3citabfd)nitt bic (Schilbfröte überholen unb baburd) bas ^arabojon un=

möglich machen, würbe er bic 3 citabfd)nittc progreffio, alfo ganj un=

natürlich fürjen, wäre bic Äonftruftion bes ^arabojon gefünftclt unb baburd) ju burd)fid)tig. ®as «Schwergewicht ber Orrtümer liegt aber barin oerborgen, bafj 2 ld)illeus burd) bie nach unb nad) gefteeften 3 iele bic mathcmatifche Teilung einer (Strecfe oornimmt, bie eine fallenbc mathematifchc 5lethe eines echten 33rud)es barftellt, bie gegen ben

©renjwert 9tull tenbiert. ‘Slchilleus fann mit ber 6 cf)ilbfröte ben wirf=

lidjen Treffpunft beiber niemals erreichen, weil er bie Teilung ber (Strecfe im Verhältnis ber fallenben ^rogreffion eines echten ^Bruches oornimmf. 2 luf bicfe 55cifc fann man nur unter Zuhilfenahme ber be=

reits eingangs erwähnten unb behanbelten mathematifchen gormel unb unter 33ernad)Iäffigung ber fleiner als jebe angebbare ©röfec 3 U einem gnbwert fommen, alfo bem Treffpunft beiber gelangen. ®as gortfefcen ber fallenben ^rogreffion eines echten Bruches bis ins Unenbliche ift nur

15«

(4)

214 S e i n s a t t m a t f j e m a t i l d j e t © c b i l b e

ci e banf l t d) möglich, unb inbem 2 Id)illeus bies tut, tann er bie 6 d)ilb=

fröfe in ber 3öirflicbfeit niemals erreichen.

Sldjilleus unb bie 6 d)itbfröte beroeifen uns, bafo bie m a t b e m a ■ t i f c^en 5ß a b r b e i t e n mit ber 3Birflicbfeit nicht übereinftimmen müffen. Die fallenbe geometrifebe ‘’Progrefjion eines ed)ten Bruches unb bie Teilbarfeit einer 6 trede im galle 3Icl)illeus läfot fid) g e b a n I » I i cf) bis ins Unenblicbe fortfefeen. 3n biefem $aüe t)anbett es fid) aber um ©ebanfenbinge (entia rationis); benlen fann man aber an alles iülöglid)c unb Unmögliche. 9Rit meinem ©ebanfen fann id) in einem Bruchteil einer (Sefunbe oon ber Srbc am ‘iütars fein, eben}o roie id) an SKarsbeir>obner benfen fann, ohne bafe es fold)e gibt. Derartige ©e=

banfenbinge fteben im 3Biberfprud)e mit ber ‘ffiirflicbfeit. ®ie matf>e=

matifeben begriffe für 9?ull, Unenblid), fallenbe geometrifebe ^rogreffion ins llnenblicbe bis 9M I, Teilbarfeit einer ©treefe ins Uncnblicbc teic im gälte 2 Id)illcus unb ber 6 d)ilbfröte entfpreeben genau ebenforaenig ber 3Birf(icbfeit, tote bie 2 Rarsbett>obner.

1 >amit märe icb angelangt bei einem »eiteren Beifpiel unb Bemeijc für meine ‘Sluffaffung über ben 2 Birflid)fcitsgcbalt ber matbematifeben iffiabrbeiten, bem Onfinitefimalen in ber Statur unb in ber SRatbematif.

3115 icb ßor Dielen fahren ben SDtecbanismus bes Onfinitefimalen erfaßt unb beberrfd)t batte, begann icb meine Sluffaffung barüber einer fri=

tifdjen Beurteilung 311 unterjieben. SÖteine früheren (Srfcnntniffe waren bamals ungefähr 3 U folgenber 3bee berangereift. 'Sille fosmifeben 35or=

gänge, alles 3Beltgefd)eben ift an getoiffe ©efet$e gebunben, alfo an eine getoiffe ©efefcmäfctgfeit. 2 Ius bem momentanen 3 uftanb eines fosmifd)cn Vorganges läfet ficb bas ©efet? bcs ganaen ^Projcffcs ableiten, fofern man bie cinaelnen Strafte unb beren Ontenfität fennt, bie forbernb ober binbernb eingeroirft baben. £in ganj anberes Problem entftebt, wenn man bas ©efefc unb bie Slräfte fennt. ®enn aus biefem fann man ben ganjen 'Proaefe in jebem 3Iugenblid bes Vorganges erfennen unb be=

fttmmen, wie biefe Kräfte aufeinander eingeioirft baben. ®iefes 3 W ftellt ficb bie ‘Differentialrechnung. ®as Y ftellt bas Beränberlicbe im 9taturgcfcbeben bar, welches ben unenblid) fleinen Sänberungen »on anberen ©röften X gleicbfommt. Y ift alfo eine Sunftion oon X . Das Sntegral ift bie Onoerfion bes 'Differential. Der 'Differentialquotient ift bas Verhältnis ber treibenben unb benimenben Kräfte eines 9tatur=

gefebebniffes in einem beftimmten 3eitpunft. Der ‘Differentialquotient ift bie 9lefultierenbe aller Kräfte, bie ein 9taturgefd)ebnis in einem beftimmten 3 citpunft beftimmenb beeinflußt. 2 s ift bie (£barafteriftif, bie Tenbenü, bie refuttierenbe Dichtung in einem beftimmten Moment. 5)ies waren meine fritifeben Urteile im Seitpunfte meiner intenfioften ©n=

ftetlung 3 ur SKatbematif. 2 s ift baraus flar erficbtlicb, wie id) febon ba=

(5)

6 e i n s a r f m a t f; c m a t i ( <f) e t © c b i i b c 215

mals beftrebt war, eine 33rüde gu finben gwifchen ben $Baf)rf)etten ber SERathematif unb ber fosmifd>en “’Progeffe, alfo ben naturtDtffenf<t>aft=

liehen Realitäten. ©iefe 33rüde führte mtd) aber weiter in bas ©ebiet ber ^^ilofoptjie, non ber td) gurüdblidenb bte mathematifchen 3Baf)r*

beiten Don einem gang anbercn ©efid)tspunfte gu erfaffen unb gu be=

urteilen mich genötigt fab-

3d) will oerfuchen, bte (Entwidlung, b. i>. ben 3Beg gu meiner jeljigen (£rfenntnis gu ffiggieren:

6 d)on Slnajagoras bat bas Onfinitefimalpringip gang flar aus=

gefprocben.

„Om Kleinen gibt es fein Kleinftes, fonbern es gibt immer nod) ein Kleineres. ®enn was ift, tann burd) feine, nod) fo weit getriebene Tei­

lung je aufhören gu fein. 2 Iber aucb im ©roßen gibt es nod) etwas, was gröfeer ift."

Unb 2eibnig: „Öd) behaupte, bafe es feine lebten fleinen Körper gibt, oielmebr faffe ich jebes “^artifelcben ber SDiaterie, fo flein es auch fein mag, als eine gange 2 BeIt auf, bte oon einer Unenblichfeit nod) fleinerer

©efd[)öpfe erfüllt ift."

'Diefe bpnamifche 9Zaturauffaffung ift aud) oon Kant, Schopenhauer übernommen worben. 3)iefe 9Zaturauffaffung ift nicht ejaft unb fet>r fompligiert. 3Mel einfacher unb r>erftänblid)er ift bie atomiftifcbe 9latur=

auffaffung. 6 d)on eine ©eneration nacf) Slnajagoras oertrat ®emofrit biefe atomtftifdje 9?aturauffaffung. ©eine Überlegungen unb fein Kampf gegen bie unenblidje STeilbarfcit finb uns oon Slriftoteles erhalten:

„ ‘Jßenn jemanb bie 3Tf>efc aufftellt, bafe cs einen burcbaus teilbaren Körper bgw. eine folcf)e Raumgröfje gäbe unb fei btes tatfäcblich mög- lief), fo enthält bas eine Schwierigfeit, benn toas foll bann biefer Teilung nod) entgegen? ® a nun alfo ber Körper burchaus ein berartiger (un=

enblid) teilbarer) fein foll, jo foll er hiermit wirflich geteilt fein. 3Bas wirb bann übrig bleiben? Sine Staumgröfje? unmöglich! benn bann gäbe cs ja noch etwas, was nod) nicht geteilt wäre, aber er toar ja burd)aus teilbar. 3Benn inbeffen fein Körper unb fein 9?aum übrigbleibt unb bod) eine Teilung ftattfinben foll, fo mufj ber Körper entweber aus fünften befteben unb bann wäre bas, toas ibn gufammcnfcftt, überhaupt nichts, bann würbe aber ber Körper aus „9lid)ts" entftehenb unb aus „Nichts"

gufammengefefct fein unb bas märe alfo nichts weiter als ein Schein.

<£s wirb alfo nichts übrigbleiben unb ber Körper wirb in ein Körper=

lofes oergangen fein. 2llfo fann, wenn man einen Körper Stüd für Stüd oertetlt, biefes 3etbred)en nicht ins Unenbliche fortgehen unb ber Körper fann nicht gu gleicher Seit fd)on in jebem fünfte tatfäd)lid) geteilt fein — benn bas ift unmöglich — fonbern nur bis gu einer gewiffen ©rengc.

9iotwenbig müjjten alfo in ben Körpern lefete unteilbare ©röfeen

(6)

216 © e i n s a t t m a t ^ e ma t i i d> c i © e b i l b c

(SItome) enthalten fein, wenn man fie aud) nid)t ficljt, jumal wenn (fnt=

ftefjcn unb Vergeben ftatt l)aben {oll, unb amar jebes burd) Untcrfd)ei=

bung, biefes burd) 33erbinbung."

®iefc beiben 5luffaffungen ftefjen fid) fd)on am beginne p^ilo{o=

pi)ifcf)en $)enfens im flaffifd>en 2 lltertume fdjroff unb fid) gegenfeitig befämpfcnb gegenüber, unb beibe 9Iid)tungcn letten Don il>rer funba=

mentalen 3laturauffaffung eine 9leil)e con elementaren pl)tlo}opI)ifd)en firfenntniffen ab. 'Stefer «Streit wirb »tele Oaljrfwnberte fortgefü^rt unb tft aud) Ijeute nod) nid)t gang als beenbet anjufeljen. Sludi) in biefem galle fcfjetnt bas ariftotelifd)c, f)euriftifd)e ^Prinatp ©eltung au Ipaben.

33eibe ‘Stnftajten partizipieren in trgenbeinem Slusmajje an ber -ffla^r^eit.

®enn Slnajagoras bte Seilbarfett eines Körpers bis ins itnenblidjc behauptet, fo fann fein 3 tt>etfel barüber hefteten, bajj er btefe SBeftaup*

tung nid)t in bte 5öir!lid)!eit umfeften fann. ßs fann fic^> alfo bei 2 lna|a=

goras nur um Ens rationis ^anbeln. 3d) fann an bie ©ötter ©riedjen*

lanbs benfen, benen bod) fid)er fein 2 öirflicf)feitsgef)alt pfommt. Sbenfo tft gebanflid) eine Seilbarfeit bis ins Unenblicl)e, alfo oljne ßnbe, möglid).

(jbenfo ift bas Snfinitefimate in ber ?latur nur Ens rationis, gana fiefcer ift aber, baft uns berartige Hilfsmittel in ber Ccrfenntnis aufcerorbentlid) otel geholfen l)aben, unb bajj wir für bas praftifd)e geben unb für bte Vertiefung unferer Srfenntniffe ol)ne berartige Hilfsmittel gar nid)t ausfommen. Selbft bte SÖtajjc unb ©ctoid)te finb folcbe Hilfsbegriffe, r>on ben Gegriffen ber 3 eit unb bes 9taumes ganj au fcfjmetgen.

2 öäl)renb bet Slnajagoras etn Äörper nur g c b a n f l i c t ) bis ins Un=

enbltdje teilbar fein fonnte, jiel)t ®emofrit praftifcfye Honfequenaen für bie 2 ßirflid)feit. Ilm bies flar 3 U erfennen, ift es angeaeigt, bte l)ter an=

gegebenen 2 lusfüf)rungen Semofrits baro. ‘Striftoteles’ nochmals fid) 311 oergegenroärtigen.

©d)on in 2 )emofrits gorberung: „® a nun alfo ber Körper burd)au 6 ein berartiger (unenbltd) teilbarer) fein foll, fo foll er hiermit totrflid) geteilt fein", ift ber 3rrfum; erftens überfielt er, bafo biefer gorberung nicf)t entfprod)en rnerben fann, roetl eine berartige med)antfd)e ober d)e=

mifd)e Seilung bamals unmöglid) mar, unb aud) l)eute unmöglich ift.

Zweitens merft er nicf)t, bafe er genau oon bemfelben (Stanbpunft ausge^t, rote Slnajagoras, tnbem er t>orfcf)lägt, bie Jetlung bis ins !lti=

enbltc^e nur g e b a n f l i d) oorguneljmen. 3Benn ®emofrit btefe gorbe=

rung nad) roirflid)er Teilung aum 3 tücde feines ‘Seroetfes gegen 2 lnaja=

goras aufgeftellt f)aben mürbe, bätte er bemerfen fönnen, bafe es fid) eigentlich um eine »irflid)e Teilung niemals fjanbeln fann, ober er i)ättc an ‘Slnajagoras bie gorberung ftellen fönnen, er möge einmal ben 3kr=

lud) machen unb eine fo!d)e rotrfl tcf) e T e i l u n g bis ins Unenblicf)c

cornel)men. 2 ßir miffen beute, bafe bas 2 lfom bte ©renje ber 3Tetlbar=

(7)

© e i n s a r t m a t c ma t i | $ er © e b t l b e 217

feit bilbet unb burd) bas “älbfpalten Don Oonen bas Slement in anbere 3 erfaH- unb Snergie^robufte übergebt.

2 Inajagoras’ unenblicfye Jeilbarfett als ens rationis ift ein ^oftulat ber praftifdjen Vernunft unb burd) Scibnts, 9leroton in ber praftifcf) anroenbbaren 3nfinitefimalred)nung au einem eoraüglid)en Hilfsmittel für unfere naturtoiffenfd)aft[id)en Erfenntniffe unb beren Vertiefung ge=

roorben, beren fid) unfere SBiffenfcbaftler unb 'fkaftifer täglid) mit (£r=

folg bebienen. Semofrits geftftellung, fo fefjr fie ber 3Birflid)feit näber*

fommt, fommt nidjt annät)ernb bie 55ebeutung au. 3mmerf)in aber fei feftgeftellt, bafe aud) bas Onfinitefimale ber 9?atur eine giftton ift, unb bafo ben 2 ßabrf)eiten ber SRatbematif ofjne 53emuMe>n tfine 5Birflicfy=

feit ober (Efiftena 3 ujufd)reiben ift.

2 lls abfcfjltefeenbe ‘Semerfung:

% 3 ^ ein^n getoiffen ‘ffiirflicbfeitsgefyalt nur beim 3 ö^Ien.

©ebrocf)ene, negatioe, beaimale, imaginäre, tranfgenbente, rationale unb irrationale 3at)Ien baben aujjerfjalb unferes 33etüufet}eins feine Ccjiftena.

3Benn man bie @eitenaaf)l bes in einem Greife umgefdmebenen ein=

gefdmebenen ^oipgons ftänbig bis ins ilnenbltd)e oerboppelt, fann man nie aum Ureis gelangen, »eil bie 6 etten biefer ^olpgone enttoeber biefen Äreis berühren ober it>n febneiben, mit bem Kreis einen ober a»ei fünfte gemein f>aben, entoeber Sangenten ober Kreisabfcbnitte bilben (ein Swifdjenbing gibt es nid)t), unb bie 33ernacf)läffigung biefer Hei­

neren als jebe angebbaren ©röfeen matbematifd) notwenbig, aber un=

ejaft unb bie baraus gezogenen pI)iIofopt)ifd)en 6 d)lüffe falfd) finb. 3IUe SSegelfcfjnitte, beren glätten unb Körper finb nur ©ebanfenbinge unb felbft in ©ebanfen nidjt ejaft au faffen. 23ei ber 33ered)nung bes §lä=

djeninbaltes ober Volumens ift (toas mattjematifai nadjgemej’en), n un=

tnblicb unb tranfaenbent.

Der ‘ffieg oon 1.9 bis 2 ift obne ßnbe: 1.9 . . . 1.99 . . . 1.999 . . . äbnlicf) wie bei 2 ld)il(eus unb ber 6 d)ilbfröte.

(£s gibt feinen “^unft nur als ©renae einer ßinie, es gibt feine gläcfje nur als ©renae eines Körpers, es gibt feinen Körper.---

'Die matt)ematifd)en 2Babrf)eiten finb oljne ‘Semufttfein ntd)f ejiftent, obne 2Birfiid)feitsgebalt. Unb bod) fommt ifjr.en eine eigenartige, ja einaigartige (Syiftena au. 6 ie finb unferer Eigenart unb bem praftifdjen Ceben angepafet; I)aben ii>re Sntftebung unb ifjre fonberbare (Efiftena nur unferer (Eigenart unb nur unferen 33ebürfniffen au oerbanfen, wir fön=

nen fie für unfer ßeben nid)t entbehren, unb fie mären nid)t entftanben, roenn gana anbers g e a r t e t e benfenbe Sebetoefen, als ber SRenfd) unferen Planeten beroofjnen mürben.

Eine £enne bat aud) einen 3 af)icnbegrtff, ejperimentell nadjgetoiefen

bis brei. 6 ie benft: eins, atoei, brei, — »iet — unenbfid) (?) ®er €>cf)im'

(8)

218 ‘■ P b i l o f o p b i f c b e s ü b e t 2 e d) n i f

panfe bürfte einen weitergehenben ^ahlenbegriff haben: melleicht bis fünf. ®ie 2Inaahl ber 33äume eines Urwalbes bürfte er für unenblid) halten. 5)er ^ahlenbegriff fres SDlenfchen ift oiel wettgehenber. ©och ift für ben naioen JSRenfchen bie Slnjahl ber Sterne ber Sftilchftrafoe un=

enblich. (Er pflegt bie Slnjahl, für bie fein ßeben nicht ausreichen würbe, um mit bem 3ä^)Ien ans (Enbe ju gelangen, mit „Unenblid/' 3 U be=

geichnen, ohne bamit irgenbeinen mathematifchen 55egriff au oerbinbeti.

©anj anbers ber 3Rathematifer, bei bem ber 33egrtff bes Unenblid) ibentifch ift mit „Ohne (Enbe". gür fein S3egriffscermögen unb nur ju bem 3tt>ec!e, um ben 501ed)anismus in ber SKathematit 5 U ergangen, ©e- nau fo wie ber begriff über bie Rull als Übergang »on feinen po=

fitioen gu feinen negatioen fahlen eine logtfdjc unb notwenbige Er=

gänjung ift. Unb ebenfo unb aus bemfelben ©runbe bas gebanfltdje gortfeften feiner Zahlenreihe unb bas Onterpolieren ber ©ejimalftellen bis ins Unenblidje ufw. ufw.

s 2 öir fönnen ben 3 citbegriff gebanflid) auch nid)t anbers faffen als unenblid); oon (Ewigfeit ju (Ewigfeit. S a aber bem Unenblichen nichts in ber Sßirflichfeit entfpricht, ift auch ber ^eitbegriff ohne jeben ©irf=

lichfeitsgehalt, ein ens rationis.

2 luf anberen Planeten muß es auch (Einheiten geben, baher werben benfenbe Sffiefen, bie biefen Planeten bewohnen, bie einfachften, mathe­

matifchen Operationen oornchmen. 2Bo es eine (Einheit gibt, bort gibt cs eine Vielheit. Senn alles was ift, hat Qualität unb Q u a n t i t ä t , gan? unabhängig oom Sinnenfehein.

®tes jwingt jebes benfenbe ‘ffiefen pm Sählen, jum 2 lbbieren, <3ub=

trahieren, SKultipligieren (abgefürjtes Slbbieren), STeilen. Oebe (Erweite*

rung aber ift oon ben fosmifchen 33erhältniffen bes oon ben benfenben Sßefen bewohnten Planeten fowie oon ber (Eigenart bes ©enfoermögens biefer ‘ffiefen abhängig.

SJemerfungen bes Herausgebers:

3ch halte bie Objette ber reinen SKathematif für ibeale (ibeelle), b. h- nicht „wirflid)e" ©egenftänbe; ogl. meine „(Einführung in bie (Erfenntm's=

theorie". 3. 2Iufl. Ceipjig, SlRetner, 1927. S . 5 unb S . 164 f.

^ P ^ x I o J o p ^ x J d > c 0 ü b e r X e d ) t u f 33on 31 r n o 1 b § t [ b e s f ) e i m c r

gür eine oberflächliche Betrachtung finb ^hüofophie unb Jechnif 2 lntipoben, bie fich gegenfeitig ausfchliefeen, benn beibe wurjeln in t>er=

fchiebenen ßebensfreifen. ®ie Sechni! hält fich an bie 5Belt ber (Erf<f>ei=

nungen; (Erfahrungen finb für fie STatfachen wirtlicher Realität, finnlid)c

5Baf)rnehmungen bie oollfommenen Spiegelbilber ber ©inge felbft. 33on

(9)

b 1 1 o ( o p i) 1 ( cf) c 5 ü b e t $ e d) n i f 219

ben ‘'Problemftellungen ber < ^3f)xIofopE>te weife fie nichts. 6 ie oermutet hinter ben gegebenen ©tngen fein unbefanntes „®tng an fid)"; eine 6 ubftan 3 gibt ihr, fobalb fie einmal wohlbefiniert ift, feine 9lätfel mehr auf.

Treibern finb biefe grembheiten ber beiben SERaterien nur fcheinbar unb etfd)einen uns nur barum als bie gegebenen ©elbftoerftänblichfeiten, weil fid) beibes, Philofophie unb 3Tec£>nif, nur feiten in ein unb berfelben Perfönlichfeit oerförpert finbet, unb weil wir nur fchwer bie 3Biffen*

fchaften oon ben 3Renfd)en, bie fie oerförpern, trennen fönnen. SERaj (E p 11) unb 3öalther 5t a t h e n a u finb feltene Slusnahmen.

3ebe Seit bat ihre fpejififd) geiftige Gattung. Sie Zeitftrömung be=

berrfd)t bie ®enfungsweife aller 2 >lcnfd)cn, aud) ber ^tlofopben, bie oerfud)cn, bie SBelt oorurteilslos 31 t betrachten. Unb inbem bic Philo=

fopl)ie jcbes Zeitalters oerfud)t, eine ©efamtfchau bes Sebens su geben, bie Totalität bes 2 cbens 3 U erflärcn, tut fie bics eben unter bem Slfpcft biefes ihres Seitalters, manchmal ihm wegwetfenb oorauseilenb, manch­

mal beutenb folgenb, niemals aber im ©egenfaft au ihm. 91 0 u f f e a u unb g i cf) t e finb bie Vertreter bes freiheitlichen Zeitalters. Pofitiois=

mus unb SKonismus finb bie philofophifchen (Spiegelbilber bes Zeitalters ber 9?afurwiffenfd)aften. 60 wirb aud) bas tedjnifche Zeitalter fein

©piegelbilb in ber Philofopbie unferer Zeit finben. 'Die Slnfäfte basu finb beutlich unb laffen fid) ohne weiteres 3 urüdoerfoIgen. a r j ’ ©e=

jchichtsphilofophie ift nicht nur oon bem ibnfurren 3 fampfe bes 35tan=

cheftertums, fonbern aud) oon ® a r w i n s natürlicher Sluslefe unb fei*

nem ^rinaip oom Kampfe ums 'Dafein beeinflußt. O ff tr> a l b 5 9Zatur=

philofophie mit bem Omperatio: „25erfd)wenbe feine (Energie!" 3 eigt be=

reits beutlich technifche ®enfungsart. Von 33 a t h i n g e r ftammt ber (Saft: „® er letzte unb eigentliche Z»ed bes Denfens ift bas £>anbeln unb bie (Ermöglichung bes fjanbelns." ®er P r a g m a t i s m u s , biejenige erfenntnistheoretifche Dichtung, bie bie 2 ßat)rheit mit ber SJütjlichfeit ibentifoiert, ftammt cf)arafteriftifd)erweife aus Slmertfa. Z f < *> i nt m e r enblid) c>erfurf)t bereits eine gan 3 auf STec^nif aufgebaute Philofophie unb fommt in feiner 21 nalpfe jur „greibeit als 3bee ber Tecbntf". ähnliche

©ebanfen fprid)t (Engel barbt in feinem 2öerfe „SÜßeltanfchauung unb Technif" (Verlag geliy 9Jleiner) aus. gür ihn bebeutet bie Technif eine

©anblung nicht nur unferer ethifchen Sesiehungen 3 um 2 Ritmenfd)en, fonbern aud) unferer feelifchen ©runbhaftung überhaupt.

3m folgenben füllen einige Zufammenhänge aufgeseigt »erben, welche

bie Technif mit ber (Ethif, ber ^ifthetif unb auch f>er (Erfenntnistheorie

unferer Zeit oerfnüpfen. Um fid) aber flar 3 U machen, welcher 2Irt bie

33 e 3 tehungen finb, bie biefe philofophifchen Kategorien mit ber Technif

oerfnüpfen, ift es notwenbig 3 U toiffen, welchen feelifchen gunftionen bie

(10)

220 ' Pf nl oi opf ot f cf r es ü b e r Jecfnxi f

2ed)mf entfpringt. Slllgemein oerbreitet ift bie Einnahme, bie 3Tc4>nit entfpringe bem ©efühl für STlüöIidjfcit. ‘ülber biefe 33erbinbung mit bem Stuften, wenigftens im wirtfchaftlichen (Sinne, fügt bereits ein SHtoment hingu, bas logifd) nicfjt unbebingt mit ber STecfjnif oerfnüpft ift. Stun ift ohne weiteres gugugeben, bafj Sechnif, losgelöft oon SBirtfdjaft (wenig- ftens in moberner 3 cxt), nur eine Konftruftion ift, bie feinem wirtlichen hiftorifchen (Erlebnis entfpridjt. 2 lber einerfeits ift Sechntf t>iel älter als moberne 3Birtfd)aft, unb anbererfeits gibt es auch heute noch fiele tcch=

nifche ßeiftungen, bie einen Stuften im eigentlichen (Sinne nicht haben, {ebenfalls aus ihrem Stuften nicht gu erflären finb. 35iel näher fommt man m. (£. ben pfpchologifchen ©runblagen ber Sechnif, wenn man fie aus bem bem SJtenfchen immanenten ^Billen gur SOtacht gu erflären fucht.

®te SKacht über bie Statur, bie Überwinbung ber Staturfräfte, bas ift cs, was bie Sftenfchen 3 ur Sechnif sieht. ®ie Begeiferung, bie ein glug nach Slmerifa auslöft, ift aus bem „Stuften" biefes gluges nicht gu er- flären. 3ßohI aber ift er in unerhörter 3öeife Bezwingung oon Statur- fräften unb fommt baher bem menfchlichen 9)tad)tgefühl entgegen. ®ie Jechnif ift alfo nicht, wie oielfad) angenommen wirb, angewanbte Statur- wiffenfehaft, fonbern fie ift bie ®ienftbarmad)ung ber Staturfräfte gu irgenbeinem menfchlichen 3 ®ecf, oielfach unter ihrer tfberwinbung. 60 ficher, wie ber glugapparat ben gallgefeften unterliegt, fo ficher lehrt bie Sfnwenbung ber gallgefefte nicht ben glugapparat. ©onbern bie genaue Kenntnis ber gallgefefte lehrt uns, fie gu überwinben, unb fo würbe ber Flugapparat möglich- 3öo alfo liegt ber ilnterfchieb gwifchen Statur- wiffenfehaft unb Sechnif? ®arin, bafj bei 2 echnif immer bie willens- mäfeige Komponente porhanben ift. Staturwiffenfchaft ift erfennenb, STech- nif wollenb. ®aher ift bie willensmäfeige Betonung bas Sharafteriftifum bes technifchen Zeitalters, gerabe wie bie erfenntnismäfjige bas Seitalter ber Staturwiffenfchaften d)arafterifierte. Sas erfte Sßollen jebes SKen- fd)en aber ift ber 2 ßille gur greiheit. ®aher ber greiheitsbrang bes tech­

nifchen Zeitalters, bie ihren 2 Iusbrucf finbet in einer freiheitlich-ibealifti- fcf>en ^hilofophie. Zfchimmer ficht in feiner „ ‘’PhiWophie ber Jechnif"

(Verlag Sugen ®ieberichs, 3ena 1914) in ber Jechnif bie Befreiung bes SÖtenfchen oon aller Stof unb fieht eine ©öttergeit ber SDtenfchen heran­

nahen.

hiermit berührt er bie grage bes menfchlichen ©lüds, bie mit aller Sthif eng oerfnüpft ift; fie führt fofort gu bem pfpchologifchen Problem, ob ber 3Bille jemals gum ©lüefe führen fann, unb bie Sontrooerfe St i e ft f ch e — S c h o p e n h a u e r tut fich auf. Stur fcheinen bie Stol­

len oertaufchf: bie bas felige ©eftern fehen, berufen fich auf Stieftfifje;

unb bie auf bas beglüdenbe SOtorgen hoffen, fcheinen (Schopenhauer an-

jugehören. ®ie einen feufgen über bie »erlorengegangene gute alte Zeit,

(11)

S) i I o i o p & i fd; e s ü b e r $ e ct) n i f 221

bte anderen frobloden, roie wir es fo fjerrltrf) roeit gebracht. ®er d)araf=

teriftifebe Vertreter ber erften ©ruppe ift beute roobl Sl I a g e s , ber — auf Stfefcfcbes Onbioibualismus fufoenb — ettoa folgenbermajjen argu=

mentiert:

'Die 2ed)nif entfeelt ben 2ftenfd)cn unb maebt ihn 3 ur 2ftafd)ine. 2llle 3nbioibualität ber SERenfcben, ja ber Völfer hört auf. Heute lebt man, ijjt man, tanjt man in Valparatfo ebenfo rote in 2onbon, in geling fo roie in Berlin. Vorbei finb bte Seiten ber Volfsgebräud-je, ber Volfs=

tänae, oorbei bie rubige SBebaglicbfeit ber guten alten Seit, bte etroa mit

„Hermann unb “Dorothea" djarafterifiert ift, unb oon beren lefctem (Schein noeb unfere 3ugenb einen 9lacbglana batte. 2öie fd)ön lebte einft ber felbftänbige Hanbroerfer im ©egenfaft jum heutigen Snbuftriearbeiter.

Nehmen roir biefe Slrgumentation einmal als richtig hin, fo ift aunächft fd)on bie grage febroierig, mit roeld?er ^eriobe benn man bie 3Ted>nif als abgefd)loffen betrachten möchte: oor ber 23ud)bruderfunft ober nad)=

her? Vor bem Selepbon ober nachher? Senn bie Secbni! ift boch nicht ctroas, roas plöftlicb begonnen bat, fonbern es bat fid) in ununtcrbrod)e=

ner golge eines auf bem anberen aufgebaut. 2Beber mit ber 33ud)bruder=

funft noch mit bem ©chiefepuloer, roeber mit bem ©ujjeifen noch mit ber 3)ampfmafcbtne, roeber mit bem ®pnamo noch mit bem Selepbon bat plöfclid) moberne 3Tecf)rtif begonnen, fonbern jebes roäre ohne alles oor=

bergebenbe nicht möglid) geroefen. Unb geben roir roeiter prüd, fo fom=

men roir als ^Beginn ber Secbnif cielleid)t auf jenen erften SDtenfcben, ber fid) einen ‘Sogen machte, um 3Biib 3 U erlegen, 9tüdfcbauenb be=

trachtet, ift es eine ununterbrochene Sette menfcblicber “Sebürfniffe, beren jebes fid) auftat, als bas oorige befrtebigt roar. 2 öo alfo roitl man fie unterbrechen?

®es weiteren aber, felbft roenn man es fönnte, roollte man es auch?

Sroeifetlos müjjte man bod) bann nicht bie fogenannten Slusroüdife ber Üecbnif befeitigen, fonbern ihre Urfachen 3 U finben fuchen. 2 öo aber Iie=

gen biefe? 2ßas bas oergangene 3abrbunbert oor allen früheren in ber langen Sette ausjeiebnet, ift bte plö^licbe ungeheure Vermehrung ber SKenfdjen, bas Auftreten ber SEJtaffe in ben mobernen ©rofjftäbten; unb bie bamit neu auftretenben ‘öebürfniffe bes SBohnens, bes Verfehrs, ber Verffänbigung, fie finb bie Urfache beffert, roas man moberne Jecbnif nennt. 2 lber es unterliegt boeb feinem Sroeifel, bafe biefe plöfelidje SERaffenoermehrung ber SSJtenfctjen eine golge ber gortjebritte ber ärgt»

liehen 2öiffenfd)aft ift, bie mit 2lfepfis unb SDtifroffop bie 6 äuglings= unb anbere 6 terblid)feit fo geroaltig berabgefefet hat. 2 Bill man roteber 3 U ben Seiten 3 urüdfebren, roo mehr als bie Hälfte aller Säuglinge geftorben ift? 9tiemanb roürbe roünfchen, bafe bas ©efchid gerabe fein Sinb trifft.

Ober roo man einen ‘Sltnbbarmfranfen elenb fterben laffen mußte? Ober

(12)

222 '•p b i I o f o p b i i 4 e s ü b e r 3e d > n i f

»o '’Tkft unb Ebolera jährlich »ieberfebrenbe ©euchen »aren? 2 Ran müßte sunäcbft einmal alle Tuberfulofe- unb Slrcbsforfcbung oerbinbern, benn bie fogenannten 3Bobltäter ber 5IRcnfrf)l)ctt, bie einftmals biefe (Seuchen aus ber 3Belt fd>affen »erben, »erben ja bamit nichts anberes tun, als jur »eiteren Bermebrung bes SERenfd)engefcbled)ts, unb bamit 3 um »eiteren gortfchreiten ber Sed^nif beiautragen.

gübrt ficb &iefe Argumentation non felber ad absurdum, fo bleibt nichts anberes übrig, als bas platonifche Bebauern über bie babin=

gegangene „gute alte 3 eit", bie man ber heutigen fcblecbten gegenüber»

ftellt. 2lber auch hiermit bat es feine eigene Be»anbtnis: Unfere S?ennt- ntffe oon früheren Seiten erftreefen ficb meift nur auf ihre ©pißen, nicht auf ihre Tiefpunfte. 9öir »iffen aus früheren 3abri)unberten oiel über Könige, gürften, höhere Bürgersleute; aber über bas niebere Bolf »i|=

fen bie meiften nichts. §>öd)ftens haben fte einmal gehört, baß bie Bauern bamals ßeibeigene »aren, ohne fich jeboeb in ben Begriff „2eibeigen=

febaft" einmal »irflich hineingebaebt ju haben. 3Benn man bann frei»

lieh einen heutigen ©rofeftabfproletarier mit einem SDteifter aus ber f)ans> 6 ad)s= 3 eit oergleid)t, ift bie 2 Babl nicht fch»er. 2 lber »arum »er=

gleicht man nicht einmal einen gorbfeben Önbuftriearbeiter mit jenem ßeibeigenen bes SIRittelalters? 'JBarum 3 . B . nicht einen heutigen 5ßebereiarbeiter mit einem 5öeber aus ber 3 eit oon ©erbarb fjaupt*

manns ®rama, ein SDlilieu, bas es bod) oor feinem 3abrbunbert in 'Deutjchlanb »irflid) gegeben hat?

©enn oon ber guten alten 3eit haben fd)on unfere Bäter unb ©rofe=

oäter unb ebenfo beren Bäter unb ©rofeoäter gerebet, unb unfere Ätnber unb Slinbesfinber »erben es mit bemfelben Siecht tun. Der ©runb liegt nämlich nicht in ber 3 eit, fonbern in uns felbft, unb es ift berfelbe, aus bem heraus jeber auf feine Ougenb als auf eine Obcalseit 3 urüdblidt. gut biefes Phänomen hat ( S c h o p e n h a u e r bie pfpchologifche Erflärung gegeben. ®ie Bergangenbeit liegt immer als et»as 2 Ibgefd)loffenes, in ihren Sonfeguenaen Überfehbares ba. 3Benn » ir an fie benfen, fo nehmen

» ir fie als ein unabänberliches gaftum hin, unb » ir benfen nicht an bie taufenb Enttäufcbungen, taufenb feblgefcblagenen Hoffnungen, Ent=

behrungen unb mifjglüdten Erwartungen, bie » ir auch bamals erlebt haben. 2 ßir betrachten fie »unfd)los, unb barum meinen »ir, bajj roir aud) bamals »unfdjlos »aren. 5Jttt benfelben Empfinbungen betrachten oiele bie moberne Technif. 2 lber niemanb, ber fie oerflud)t, weife, was er an ihre Stelle fefcen füllte, könnte er cs aber, fo »ürben taufenb Entbehrungen, taufenb Erwartungen 3 urüdbletben, unb foforf »ürbe bie SDlenfcbbeit beginnen, biefe SRängel eben burd) Sechntf 311 überwinben.

3Bie fteht es nun aber mit jenen anberen, bie alles menfd)lid>e ©lücf

oon ber Technif erwarten? Es ift charafteriftifcb, bafe bei einer Disfuffion

(13)

'P t) i I o ( o p f) i f cfc c s ü b e t S e d j n t f 223

mit einem berartigen SDtenfchen geroö^nlid) ber Kachfafo folgt: „Sßer roetfe, was uns nod> alles beoorfteht?" 2 Iud) er fieljt alfo bas eigentlid>c 3 iel nod) in ber 3 ufunft liegen, (Enbgültig befriebigt ift er noch nidjt.

2IIIes 3etjige ift nur Vorbereitung auf bas Unbefinierbare, 3ßunber=

bare, bas noch tommen foll. 3Bas biefes 2 öunberbare benn nun eigentlich ift, bas weijj er nicf)t. 2 iuch biefes bat feinen tiefen pfpdwlogifchen ©runb.

Stomas SDtann fcfjilbcrt in einer meifterbaften ^looelle „ßnttäufebung"

bie ßrlebniffe eines 9Jtenfd)en, ber fid) Öahre lang barauf gefreut f)at, einmal ben SDlareusplatj in Venebig au fehen. Unb nun, ba er bort ift, jagt er fid): „Das ift es nun alfo! 3d) habe es mir bod) noch anbers oorgeftellt." 3Ber Don uns hat nicht fd)on auf Keifen, nach einem Sjamen ober bei anberen ßrlebniffen bie gleiche Smpfinbung gehabt? 2 Bir haben uns alles norijer immer gana anbers oorgeftellt. 2 Its id) in meiner 3ugenb aum erften StRale auf bem Jempelhofer gelb in Verlin bie trüber 2 Brigf)t auf ihrem glugaeug fat), ba hatte ich ein tiefes (Erlebnis in bem ©ebanfen: „Öetjt fönnen alfo bie Sftenfchen fliegen!" Unb nun fönnen fie es. Od) 1>atte es mir bod) nod) anbers oorgeftellt! Unb als mir oor wenigen Oahren aum erften SÖlale aus (Englanb unb SImerifa oon ben SBunbern bes Kabio hörten, ba fonnten wir bie Seit nid)t er*

warten, bis biefes 3Bunbcr aud) au uns fommen follte. Unb nun haben wir es. Unb fd)on fragen roir uns: „2ßas fommt jetst?" 6 inb wir benn niemals aufriebenauftellen? 9lein, wir finb es nicht, folange 3Ted)nif eben lecbnif ift. Denn 3Ted)niI entfpringt aus bem 'ffiillen bes 9Renfd)cn, über beffen 5ßefen uns S c h o p e n h a u e r Slufflärung gegeben bat- ift bas 3öefen bes Söillens, immer wollen au müffen, unb niemals 25efrie=

bigung finben au fönnen. Saljer fönnte bie $ed)mf nur aur enbgültigen Vefriebigung führen, wenn fie aufhören würbe au wollen, unb bamit fid) felber aufheben würbe, fner liegt ber ©runb für ben Senfationsbunger unferer Seit- ®er SBunfcf) nad) nod) ©röfeerem, nod) Schnellerem, bie uferlofe Überfteigerung aller 2 öünfd)e ift eine notwenbige ßigenfehaft bes tedmifcf), b. h- willensmäjjig eingeftellten SDZenfcben. Unb es ift gut, biefe 3 ufammenhänge au erfennen; benn bie Sucht nad) bem imaginären (Enbaiel, bas niemals erreicht werben fann, bas fid) im ©egenteil immer weiter entfernt, je mebr wir uns ibm au näbern glauben, fie würbe unaweifel=

baft balb au einem oeraweifelten Äritiaismus führen unb alle Schaffens»

fraft erlabmen laffen, wüfeten wir nicht, bafo es biefes (Enbaiel ber $ed)nif überhaupt nicht gibt, unb bafe, felbft wenn es es gäbe, feine (Erreichung gar fein Obeal wäre, weil bann nämlich bas fwchfte im -JRenfchen, fein 5ßille, nicht mehr eyiftieren fönnte.

Die $ed)n:f ift niebt gut unb nicht fdjlecbt, ift fein ©lüd unb fein

Unglücf: fie ift ein Scbicffal, bas wir hinnehmen müffen, weil wir es

nicht änbern fönnen. 2lber einem Sd)itffal erliegt man nur bann, wenn

(14)

224 'P b 1 1 o j o p t) i ( d> e s ü b e t S e d) n i f

man fid) mit alt feinen ©ebanfen barauf fonjentriert, unb man über»

loinbet es, wenn man bie rechte (Einteilung bap gefunben hat. Sie Jechnif bafiert nur auf ber einen ber beiben menfchlichen Komponenten, feinem Willen. 2lber baneben gibt es in jebem SDlenfchen noch bie »eite Komponente bes (Erfennens, ber »illenlofen Eingabe. (Einen Sonnenauf»

gang, eine Sternennacht, ein ©ebirgspanorama fönnen » ir »unfchlos betrachten, unb biefe (Empfinbungen finb e»ig, unberührt oon Sechnif, unb unoeränbert oon ‘’Plato bis ©oethe unb bis gorb. Oe mehr baher ber SOienfch ber heutigen 3 eit mit ber Sechnif oerhaftet, b. h- »illens»

mäfeig gebunben ift, befto mehr follte er fich in feinen ftillen Stunben auf biefe Welf bes reinen (Erfennens gurüefaiehen. Sort gibt es feine (Enttäufcfjung.

©lüdE ober Unglücf, Segen ober gluch, bas finb bie fontraftterenben (Empfinbungen, bie bie SJlenfchheit ber Sechnif unb bamit ber ganzen heutigen 3eit entgegenbringt. (Es finb bie beiben ^ole, bie auf bemfelben gunbament ruhen: bem menfchlichen Willen. (Er ift aber auch bie Wur=

3 cl, aus ber alle (Ethif ftammt, unb fo hat Sechnif eine ftarfe Bestehung jur (E t h i f : Sic ift ©lücf unb Unglücf in einem, fic ift greiheit unb ©e=

bunbenheit, fie lehrt Stols unb 23efd)etbenhetf. Sie ift bie greiheit in ihrem un»iberffcf)Iicbcn Srange bes Weiterftürmens, fie lehrt ben 6 tolj im 33eir>ufetfein bes Erreichten unb im 2Inblicf ber gebänbigten Natur»

gemalten. 2lber fie lehrt bie 33efcheibenheit in ber (Erfenntnis, bafe mir oon bem imaginären (Enb 3 iel noch immer »eit entfernt finb unb es nie erreichen »erben, unb fie lehrt 33efc£)etbenbeif in ber (Erfahrung, bafe fich bie gebänbigten Naturfräfte bisweilen felbft befreien.

Sie ethifche Begehung ber Sechntf ift aber auch noch anberer 2 lrt.

Sie ift bie gröfete 2ehrmeifterin ber (Ehrlichfeit unb Wahrhaftigfeit. fner gibt es fein 23erftecffpiel. 3n jeber anberen Wiffenfchaft, bie nur erfennenb ober betrachtenb ift, ift Orrtum ober Säufchung rnögltd); bie Nachprüfung ift fch»iertg, unb häufig ift ja bie Wahrheit oon heute ber Srrtum oon morgen. 3n ber Jechnif aber offenbart fich jeber gehler fofort. S ic for- bert ftrengfte Wahrhaftigfeit, benn ber gehler rächt fich- S as 2Ius=

bleiben bes Nefuttats ober ber Stillftanb ber 9Rafchine offenbart ihn fofort, ganj abgefehen oon ben Kataftrophen, bie bte gofge fein fönnen.

Safe bie Sechnif einen ungeheuren (Einflufe auf bie sä ft h e t i f unferer 3 eit ausgeübt hat, ift heute frfjon offenbar. 3n ber Ougenb^eit ber mobernen Jechnif galt fie als bas abfolut ftäfeliche. SDt e n 3 e l »ar »ohl ber erfte, ber bet Schaffung feines (Eifen»al 3 »erfs bie Schönheit in biefer

§>äfelichfeit fah- f>eute fprechen » ir fchon oon ber Schönheit einer gabrif,

einer 3Rafcf>tne, eines Slutos. Woher fommt biefe Wanblung? Woher

fommt es, bafe » ir bie eine gabrif, bas eine 2 Iuto, bie eine Sftafcfnne als

fchön empfinben, bie anbere aber nicht? (Es liegt am Wefen unferes

(15)

^ f) i I o [ o p f) t ! <f> e s ü b e r $ecf ) ni f 225

©chönheitsbegriffes, ber funltxonclt xn uns feit ^latos Seiten unoer»

änbert geblieben ift. €>eit ^ I a t o wiffen mir, baß wir bas als fd>ön empfinben, bas ber Obee, bie es barftellen foll, nahe fommt. Sin fchönes Pferb ift basjenige, bas mit ber Obee bes ‘■jjferbes bie größte $hnlichfeit bat, wenn es aud) biefes Obealpferb nirgends gibt, ©en abfolut frönen 3Renfd)en gibt es nid)t. (Sr ejiftiert nur in ber Obee. 6 d >o pe nh a u e r läßt ben Künftler, ber ein fdjönes 33ilbwerf gefchaffen hat, ber fRatur prüfen: „® as war cs wohl was $u fagen wollteft?" (Einen Dollfoni’

menen 2 lusbrud ber Obee gibt es alfo in ber Ratur nirgenbs, aber in ber 3Tccf)nif wohl! Sin ted)nifd)es Söerf ejiftiert 3 unäd)ft in ber Obee bes (Erfinbers. (Er fchafft es, junädjft unoollfommen, unb barum wirb bie erfte Konftruftton einer 2Rafd>ine niemals unfer äftJ)etifd>es (Emp=

finben befriebigen. Slllmählich aber befreit fie firf) r>on überflüffigem 33ei=

werf. ®ie Konftruftionen ä'nbern fich; unb fchließlich ftef)t fie ba, als reine 6 ad)lid)fett, als oollfommenfter Slusbrud ihrer Obee. ®ann ift fie fd)ön. (Ein mobernes Sluto ift barum fd)ön, weil es ben 3®ed, ben es erfüllen foll, in »ollfommenfter SBeife 5 um 2lusbrud bringt. Sine mobern gebaute gabrifanlage ift Don flaffifcher (Schönheit, weil fie in ihrer 6 ach’=

lichleit reine Obee ift unb in »ollfommener 3Betfe platonifd)en €>chön=

heifsbegriff erfüllt. ®ie gabrifen vergangener Oahrsehnte, aus ber Ougenbseit moberner Sechnif, wirfen lächerlich, weil man fich bemühte, Rlafchinenanlagen in Bauten nach 2Irt griechifcher Jempel 311 Derbergen, unb bas Bauwerf bie Obee, bie es barftellen foll, in feiner ‘ffieife erfüllt.

3)arum hat bie Sechnif unfere äfthetifchen 2 lnfd>auungen gewanbelt. ®ie willensmäßige (Einteilung beherrfcht uns alle. ®er 2ütsfluß biefer willens- mäßigen (Einteilung ift bie 3tt>edmäßigfeit. Unb fo ift in unferer Seit aus 3 wedmäßigfetf Schönheit geworben.

On b e r ß r f e n n t n i s t h e o r i e finb tedjnifche (Einflüffe Diel älter als in allen übrigen philofophifchen Kategorien. ®as ift einleuchtend 2 tn Srfenntniffen hängen bie SRenfchen nicht fo ftarf wie an ^Berten, fie finb leichter wanbelbar. Oben finb bereits technifcheSinflüffe im Pragmatismus unb in Oftwalbs SRaturphilofophie nachgewiefen worben. fjier fei noch auf (Ernft 3R a d) Derwiefen, ber mit feiner öfonomie bes ®enfpro 3 effes ben Begriff bes S^edes bgw. bes Rutjens mit bem ®enfen oerbinbet. $fm=

liehe ©ebanfen fpricht 33 a i h i n g e r aus: „«Sonach müffen wir bie gange

?5orftellungsweit erfenntnistheoretifch für ein bloßes Onftrument halten, bas uns ba 3 u bient, uns in ber 3ßirflid)feit beffer 3 U orientieren." Ober:

„® ie wiffenfchaftliche Borftellungswelt ift eine unenblid) feine SSRafchine,

welche fich ber logifche STrieb baut, unb fie oerhält fich 3 ur finnlichen, oor-

wiffenfchaftlich gefd)affenen Borftellungswelt wie ein mobernes (Eifen-

hammerwerf 3 um primitiven 6 teinhammer bes Jertiärmenfchen, wie

eine ©ampfmafchine unb eine Sifenbahn 3 um plumpen 2 öagen bes

(16)

226 Üb e r bi e A u t o n o m i e ber m o b e t n e n K u l t u r

Imbebcwohners." 91cucrbings hat 3) c f f a u c t in Seinem 33uchc „Phi*

lofopfjie unb STedjnit" (Verlag (Eohen^onn) einen ©ebanfen ausgefpro=

d>cn, nad) bem uns bie Technif jur (Erfenntnis bes fwchften in bet <Er=

fenntnistheorie, jum „®ing an fid)" neue 2öegc weift. (Seit Kant roiffen wir, bafe r>on uns fein 2 Beg aum „Sing an fid)" führt. (Erfahrbar ift für uns nur bas, was mittels ber apriorifchen Kategorien au unferer (Erfennt=

nis gelangt. 2 Bir werfen einen 6 tein unb erwarten, baß er fällt. 3Bir fehen eine 531ume unb erwarten, baß fie blüht, ©amit haben mir aber bas innere ‘ffiefen toeber ber ‘Blume noch bes 6 teincs erfannt. 3 u ihrem

„®ing an fid)" führt Don uns fein 5Beg. 3hr gunftionieren liegt außer»

halb unferer (Erfahrbarfeit. 55ei ben ©egenftänben ber Tcd)ntf ift es anbers. Ohr 3Befen ift uns befannt, weil fie ihren 3Bcg burd) bas ©ehirn eines 9Jlenfd)en genommen haben. SRan »erftehe richtig: oon bem 3Befen bes (Eifens, aus bem bie SERafdüne gebaut ift, oon bem 3Befen ber (Ele=

mente, aus bem bas mebiainifche Präparat aufammengefetjt ift, roeijj ber Technifer alles, ber Philofaph nichts. 2 lber biefe Komponenten finb ebenfo wenig bie tedjnifchen 3Berfe felbft, rote etwa bas Alphabet bie gefamte Siteratur ift. ®as Sßcfen bes Flugapparates ift nicht, baß er eine Zufammcnftcllung oon f>ola, (Eifen unb 3ellulofclad ift, fonbern bajj er fliegt. $as 3Bcfcn bes Slfpirins ift es nid)t, baß cs eine d)cmifd)c 33er=

binbung oon Kohlcnftoff, Saucrftoff unb SBaffcrftoff ift, fonbern baß cs gieber heilt- Diefes 3öefen fennen mir; benn es ift burd) SRenfd)en ein=

mal htnburchgegangen. frier liegen neue erfenntnistheoretifche 9Kc>glid)=

feiten oor, über bie Kant noch nichts ausgefagt hat, weil bie 3Ted>nif in feiner Zeit nod) feine 9iolle gefpielt hat. Vielleicht werben fie einmal eine Umwälzung unferer erfenntnistheorctifchen begriffe herbeiführen.

‘ffiir wiffen nicht, wohin uns bie 2 ed)nif noch treibt. 33ielleid)t fd>afft fie roirflicf) bas Titanengefd)led)t, bas 3 fd)immer oon ihr erwartet, unb läßt ^ietjfches Übermenfchen aur 3ßirflicf)fcit werben. (Eines ift fichcr:

*1)05 (Enbe bes ted)nifd)cn Zeitalters ift noch nicht in «Sicht. Unb je mefer bie STedjnif unfer materielles 2 eben burd)bringt, um fo mehr wirb fie auch auf bas ©eiftesleben (Einfluß gewinnen. Unb bas ift gut fo. $enn nur auf bcm 3öegc über ben (Seift fann aus einem materiellen ©ut ein Kulturgut werben.

Über Süifonomic 5er modernen S ulfur

?5on S e o D e r t a n b (F o r t , e lzu n g

II. ®te Kulturformen ber Jrabition. (Ehriffentum unb 3Intife

Die alten 6 uggcftionen unb Trabitionen oerfagen. 2 öas tritt an

ihre ©teile? (Schopenhauer fagt, in bie 'örefdje, welche wir in bic Stof

fchlagen, brechc bic Sangeweile ein. Oft bies ein notwenbiger Vorgang

(17)

Über bi e A u t o n o m i e bet m o b e r n e n f i u l t u r 227

in ber SERenfchennatur? 3öir glauben, bie SRenfchen ber Vergangenheit fcf)öpften bie SERenfchennatur nicht aus. 3u fehr ift ihnen ber gleich*

madjerijehe Stempel ber äußeren 5Rot aufgeprägt, ber bie melfättige

©abe, fid) 3 U freuen, »erfümmern liefe, benn auch btefe muß, um fräftig 3 u bleiben, geübt fein. ®aher langweilt fid) bie SERaffe ber 3Renfcf)en, roenn fie zufällig ju lange fich nicht 3 u plagen hat- Unb bie (Einseinen, benen bie SERuße oon oornherein gefchenft ift burch ihre (Erbfdjaft, bie alfo auch reichlich ©elegenhet't haben, ihre Organe ber greube 3 U üben?

Sie roaren eben jebersett (Einzelne unb es bewährte fich, &aß (Einselne ohne bie 5 {efonan 3 einer Vielheit fich nicht über ein geroiffes 9Raß hinaus fteigern fönnen. So räd)t fid) alfo aud) bas ‘’Parafitentum bes (Einzelnen an ihm felbft; er fann bie 2Ref)r3ahl ber SERenfdjen ausfaugen, aber er beraubt fich bamit felbft ber nachhaltigften 9 tefonan 3 ber ßebensfreube unb roirb eben baburch mit ßangeroeile beftraft. ©ebt bem (Einseinen bie 9 tefonan 3 einer Vielheit, welche ebenfo unoerfümmert ift roie er felbft, unb bie ßangeroeile ift im ‘'Prinzip aus ber Söelt gefchafft! ®enn bas un>

enbliche ßeben ift unerfchöpflid) reich unb ftürgt burd) jebe geöffnete Sd)leufe in alle enblichen ^Bejirfe ein, fie felber 3 ur Unenblichfeit fort»

reißenb.

2 lus 3 roei großen 9lefereoirs ber Srabition roirb unfre moberne, eigentlid) unfre »ormoberne Sulfur gefpeift: aus ber Slntife unb aus bem (Ehriftentum. Oene erachten roir für unentbehrlich für unfre 23ilbung, insbefonbere für unfre Schulbilbung, bie antifen Sprachen, befonbers bas 2 ateinifd)e, als unumgänglich für gerotffe gafultäten ber f>od)fd)ule.

®as (Efmftentum hinroieber fteht noch mitten unter uns unb umflam- mert alle Steige bes lebenbigffen ßebens als anerfannte, oornehmfte Staatsreligion unb als unantaftbares Sabu ber ®enfrid)fung ber großen SERaffen roie oieler ebelfter (Einzelner.

2lber roir fönnen unfre (Ehrfurcht oor bem SBefen bes (Ehriftentums hier nicht beffer be 3 eugen, als inbem roir ausfpredjen: bas (Ehriftentum hat aufgehört, eine innere ßebensform ber SERaffen 3 u fein unb ift nur noch eine Lebensform (Einzelner. Sierfegaarb hat es ausgefprochen, baß bas (Ehriftentum eine Angelegenheit bes (Einseinen fei, baß es ben SERen»

fchen erft recht 3 um (Einzelnen mache unb er fich nur als folcher mit ber erlöfenben 3ERad)t auseinanberfeßen fönne. 2llfo basfelbe, roas roir oon ber Vernunft oerlangen. fRur leiber, baß bas (Ehriftentum nicht imftanbe ift, jeben 3 um (Einzelnen 3 U machen, fonbern nur einige roenige 2lus=

erlefene. So fteht es mit bem geheimen Sern jeher ^Religion unb jeber nur im Spmbol ins Sichtbare tretenben Sehre unb Überlieferung. 2lber fo roar es urfprünglich nicht gemeint: jeber hätte follen ein (Elnift fein fönnen. ®tes ging noch an, folange bloß eine fuggefttöe ©eftalt ba roar, nämlich (Ehrtffus allein. Soroie fich aber bie Sirche feiner Stelloer=

T>bilo|opbie unb Ccbcn. V. 16

Cytaty

Powiązane dokumenty

bilbung einer beftimmten Sülethobe, bamtt aber bem ^fufchertum ein für allemal entriffen 3 U toerben1). 6 eit Kant ben Slriti 3 ismus gelehrt, haben toir, wenn

©elöbntffe unb Entfchlüffe, bie er im Angeficht ©ottes für bas fommenbe Seben abgelegt hat. $&gt;a hat er, von höherer Sebensbeurteilung aus unb von jenfeitiger

©efprädjen mit einem greunbe weiter. 3öir grübelten wirflid) übet fd)Wierige gragen nad). 9tod) weife id), wie wir uns einmal bis fpät in bie 9tad)t hinein

mittelbar aus feinen Sebenserfabrungen beraus feftftellen fann, bafe er mit anberen 3Renfd)en jufammenlebt, nicht nur äufeerlid), fonbern aucb innerlich; bafe er

(Es ift mit oftmals ootgefommen, als wollten bie ©elehrfen nicht Berftanben werben Bon ber SÜtaffe, unb beswegen fchreiben fie mitunter auch fo

(Dafo bie unenblich fortgefefcte 9teihe ben SBert 2 erreicht, bas hat für bie genonifche “Betrachtung feine Bebeutung; benn bie griechifche äJtathematit arbeitete

‘’Pfpchologie, b.. f)icr haben tr&gt;ir vielleicht ben ftärfften © egenfatj milieu=.. ®ie geiftige 2lufgcfd)loffenbeit ift eine erfreuliche Grfcbeinung für jeben

bewußten fortwirfenbe Sätigfeiten auf. Nun ift aber ber begriff einer einmal im 23ewußtfein sorhanben gewefenen unbewußten feelifchen lätigfeit ein 3Biberfpruch in