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Philosophie und Leben. Jg. 7, H. 6 (1931)

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und Heben

7. J A H R G A N G + 6. H E F T + J U N I 1931

„3tn S ie n fte ber tDolIifietnhett erftrebt unfere Je iff^ r fft eine Htbe 2t«sfprachc ber b etrieb en en toeltanfdjattlid)en Etdjtungen.“

‘’Som © inn £>es Sebens

Von 9t e i it b a r b © t r e e f e t

(Fortsetzung aus Heft 4)

II. Seil

Alfo aud) Angft oor ber Gmigfeit? Kann bäs nod) eine tröftliche

“ffieltanfchauung fein, bie eine folche Angft übrigläßt? 3Bir fragen ba=

gegen: f»at eine SBeltanfchauung Söert, bie mir einfad) nad) unferen VMtnfchen Jonftruieren? Ober muffen mir nicht oielmehr um bes mög=

Iichft großen 2 Bal)rl)eitsget)aItes unferer 3Beltanfd)auung mitten gemiffen=

haft aud) bie Nad)tfeiten bes Sebens rücffichtslos in bte ©eneralabred)=

nung mit einftellen? Übrigens haben bas aud) bie religiöfen 2 BeIt=

anfehauungen alter Art getan unb tun müffen. Alte tebenbe Kreatur burdjlebt nun einmal aud) bie furchtbaren 3uftänbe ber Angft: Angft nor geinben, »or ©chmergen, cor bem STobe; Angft oor eingebitbeten unb oor iDtrfIid>en ©efatjren. 9Bieoiel Stngfte t)aben aud) fromme gläu=

bige SJtenfdjen ausguftehen gehabt oor bem ©ericht ber Jotengötter, t>or bem Qüngften ©ericht, oor gegefeuer unb f>ölle! Ungähltgen ift ba=

burd) bas (Sterben in graufamfter 3ßeife erfd>toert morben. 3Bie mancher fürchtete fchon allein beshatb oor bem göttlichen ©ericht nad) bem Sobe fd)led)t au beftehen, toeil er irgenbeine magifche Neinigungsjeremonie feines Sefenntniffes nicht mehr ertebigen fonnte ober ohne priefferlichen 55etftanb abfeheiben mußte!

Sas Safein ift unb bleibt burch ben Suatismus gefenn^eichnet, burch biefe ungeheure Spannung smif^en ©ut unb 53ßfe> jmifchen ©lücf unb Ungtücf, jtDtfchen ©eligfeit unb Ünfeligfeit. Ser moberne Senfer fönnte oerfudjt fein, btefen in ber ©prache ber Neligion burd) „©ott" unb ben

„Teufel" oerförperten ©egenfaft in bem ©egenfaß gmifdjen ben faufalen unb ben teteologifchen Sufammenhängen toieberjufinben. 3n ben Aften . eines f>ejenprojeffes aus ber heffifchen ©tabt griebberg finbet fich unter anberen bie 3eugenausfage, bie Angefchulbigte habe mit f>itfe bes Xeufels einem Spanne 9Jieffer ins gleifch geheft. Gr litt offenbar an ferneren rheumatifchen ©chmer^en, bie er fid) nun aus bem Aberglauben feiner 3 eit heraus beutete unb für bie er in einem unfchulbigen armen

- ^>&ilofop&ie unb ßeben. V I L U

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152 25 o m 6 i n n b e s £ e b e n s

SKenfchenfinbe bie ©d)ul& fuchte, bie bann auch mit bem Verbrennungs»

tobe gebüjjt würbe. 3d) ftelle bem ein erfchütternbes ©chidfal aus met=

nem Vefanntenfreife gegenüber: Ein junger Sehrer, ein geiftig wert»

»oller SJtenfch, glüdlid) »erheiratet, Vater »on gtoei Kinbern, erfranft an einem fchwierigen SEftagengefchwür. Er wirb operiert, bie Operation wirb in ber gefchidteften Vteife burchgeführt, ber junge SJtann fühlt fich wie neugeboren unb lernt für bie 3 eit eines Jahres fennen, was ge=

funbes unb glüdliches Seben bebeutet. Sann erfranft er plögltd) »on neuem, mufe wieber operiert werben unb biesmal ftirbt er an ber Ope=

ration. ©ie war baburch nötig geworben, bafe bei ber erften Operation ein ärgtlid>es 3nftrument im Körper liegengeblieben war. SBahrlich, eine teuflifd>e ©raufamfeit bes ©chidfals! Sas finb ©innlofigfeiten bes Sebens, bie nicht mehr in blofeer Sufammenhanglofigfeit beftehen, fon»

bem im VMberfpruch gu allen pofitipen Sebensgweden, gum 2ebens=

willen felbft. ©o fönnen wir Kriege unb Verbrechen, 3 'atnmer unb ©treit, ftets faufal trefflich erflären. Ser Reff, ber bleibt, ift immer biefer VMberfprud) gum Sebenswillen. 3Benn man aus bem Sualismus heraus gu irgenbeiner Art Pon SRonismus fommen will, fo würbe biefer ent=

fegltch brutal unb troftlos fein, wenn man ihn nur in ber faufalen Ver=

fnüpfung aller Singe unb (Ereigniffe fuchen wollte. SBären wir gu einer folgen einfettigen ©chlufefolgerung aus ©rünben ber Sogif g e g w u n * gen, fo bliebe uns natürlich trog ber gefühlsmäßigen Unerträglichfeit eines folchen ©tanbpunftes nirf>ts anberes übrig. Aber biefer logifche Swang befteht nid>t- Auch bie Reihe ber faufalen Verfnüpfungen über*

fdjauen wir SJlenfchen nicht bis in ihre legten Sufammenhänge hinein.

Sie hanbgreiflid) teleologifchen Verfnüpfungen, bie wir erleben, fügen fich nicht reftlos unter bas Kaufalpringip. ©o bleibt ber Raum frei für

§ 9 Pothefen, bie gwar nicht mehr als f>ppothefen finb unb besbalb höd)=

ftens auf einen gewtffen ©rab Pon SBahrfcheinlichfeit Anfprud) erheben fönnen, bie aber oollauf genügen, um unferer (Einteilung gum Seben, gu feinen Hoffnungen unb Aufgaben, nicht nur ben Ausweg »ölliger Ver=

gweiflung gu laffen. Auch bie peffimiftifche Vergweiflung am Seben wäre ja ihrerfeits nichts anberes, als bloße £>ppothefe. VMr fönnen uns bem

^Problem ber (Ewigfeit, ober wie es bie ^Philofophie auch gelegentlich ausbrüdt, bem Problem bes Abfoluten gar nicht anbers als auf bem 2 Bege ber fjppothefenbilbung nähern. Qe »orfidjtiger wir bas tun, um fo gröfeer ift wohl bie ©ewähr, bafe wir mit unferen Annahmen unb

©laubensoorftellungen »on ben legten Singen boch »ielleidjt nicht gang fehlgehen.

(Es gilt auch »on bem Seuflifchen in unferm ©inne, was ©oethe »on feinem SSRephifto fagt: „Gr reigt unb wirft unb mufe als STeufel fchaffen."

Auch bie erbitterten Anflagen bes ^effimiften gegen ben Sßeltfchöpfer,

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33 om 6 in n bes Seb ens 153 jo, felbft bie fcheinbar gefüf>lIofe ©elaffenheit bes bebingungslofen 3 Rate=

rioliften wirten legten ßnbes in foldjem ©inne aufreijenb unb anfpor=

nenb unb laffen „bes 3Renfcf)en Jätigfett nid>t aliauleid)t erfcblaffen".

Seiten Gcnbes fragen wir bet jeber Hataftrophe im ßeben gerabe aud) beswegen nad) ben Urfachen, um wenigftens für bie 3 ufunft ähnlichen Hataftrophen ooraubeugen. Sas gilt für ben Jechnifer wie für ben SRebiainer, bas gibt t)iftorifd)en wie pfpchologifchen ©tubien einen

^oberen ©inn, bas mad)t fchliefelich felbft aus ben unglüdlid)en Opfern einer Kataftrophe SJtärtprer unb Bahnbrecher, ©o !ann auch »on biefer

©eite her nod) ein gewtffer ©inn in bie graufamften gügungen bes 3 u=

falls gebracht werben, wenn wir uns gewife aud) baoor hüten müffen, feine tröftlidjen ®irfungen au überfchäfoen. f>anbelt es fich um 2 Biber=

fprüche awifd>en menfchlichen Swedfefoungen unb faufalen 3 ufammen- hängen, bie harmlos ausgehen, fo entfteht jener anbere Unfinn, ber uns nicht weinen, fonbern lachen läfet. Sas ift ber oft betonte 3 ufammen=

hang awifdjen £umor unb STragif, ein 3 ufammenhang, ber beibes, fo gegenfefelich es feiner Statur nad) ift, oft nahe aufammenrüden läfet. ©o fehlt es im ßeben auch nicht an Situationen, wo man nicht weife, ob man barüber weinen ober lachen foll. Oft hilft uns ein befreienbes 2 ad>en tatfächlich bcffer über ein särgernis hinweg, als eine au tragifche Sluffaffung. Sluch bas ®eläd)ter gehört aum menfd)ltd)en ßeben. 2 lud) in bem grofeen Srama bes SBeltgefchehens hat ber f>answurft feine 9tolIe befommen. 2 Iud) lachenb läfet fich oft bie SBahrheit fagen, bie baburd) nichts oon ihrer 23ebeutung au oerlieren braucht, freilich wirb ber lachenbe ‘’Phüofoph fo wenig ber ernfthaften £infid)t entraten fönnen, wie umgefehrt auch ber ernftefte Senfer nod) geiegentlid) ben humor=

Dollen (Etnbrüden bes ßebens feinen Sribut au aollen oeranlafet fein wirb. 2lud) bies eine 2lrt Sualismus, ober fagen wir lieber ein befon- berer Slusbrud bes allgemeinen Sualismus, ber unfer Safetn fenn=

aeichnet.

3Benn wir ein ©lieb aus bem 3ufammenhang mit feinem Organis­

mus, wenn wir ein (Ereignis aus bem 3ufammenhang mit einem grö=

feeren planmäßigen ©efdjehen erflären fönnen, fo ftellt fich bas ©efühl ber SSefriebigung ein, bas mit ©tnngebung unb ©innbeutung oerbunben ift. ©o oerfuchen wir aud) unfer ganaes Menfd>enleben in einen Söelt- Organismus unb in ein planmäßiges SBeltgefcheben etnauorbnen. ©erabe bas aber ift es, was uns nicht gelingen will unb fann. 2Bir fühlen immer wieber fchmeraltd), wie fehr unfer (Etnaelbafein blofees gragment ift.

‘Jöenn fdjon ber Slpoftel oor naheau awei Sahrtaufenben unfer ßeben als

©tüdwerf beaeid>nete, wieoiel mehr müffen wir es heute als fold>es empfinben, wo bas Kulturleben um uns herum footel fompliaierter ge=

worben ift unb um fo weniger oon jebem einaeinen in feinem ganaen

11 *

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154 95 o m S i n n bes Seb ens

Umfang beherrfcht ober auch nur begriffen, ja felbft nicht einmal gefannt

»erben fann. Sas ©anze aber, tn bas » ir unfer fragmentarifches Einzel- bafein finnootl einorbnen möchten, bas e»ige unb unenbliche Unioerfum, liegt erft recht zum allergrößten Seile jenfeits unferes menfd)lid)en f)ori=

zonts. Sas läßt jeben 33erfutf> ber Sinnbeutung unferes ßebens auch

»ieber gar zu leicht mit bem oerboppelten 53e»ußtfein unferer 33eengt=

heit unb Kleinheit enben, mit jener gauftftimmung nach ber 33efch»ö=

rung bes Erbgeiftes. Sas läßt Diele 3Renfd)en Dor bem ‘’Phüofophieren überhaupt zurüdfehreden, »as bie ©efahr einer noch »eitergehenben Verflachung unb Verengung bes Horizonts mit fid) bringt. 2 lus biefer Sd>eu unb Vequemlichfeit heraus ift »ohl zu einem großen Seil bas 3 urüdgreifen unferer Jgeit auf primitioere Steligionsformen zu erflären.

SSRan »irb natürlich aud) mit ben Schredniffen unb ©raufamfeiten bes VSeltfrieges leidjter fertig, »enn man fie trgenb»ie in einen göttlichen 2 BeltpIan einorbnet, für ben man felbft nicht mitverantwortlich ift, als

»enn man Verirrungen bes Sftenfchengeiftes unb unheilvolle Slntinomien ber mobernen Äullurent»idlung barin erfennt, bie uns zur ©egen=

arbeit bringenb aufforbern. Sie glucht oor einem ernfthaften Verfud) ber Sinnbeutung bebeutet zugleich bie ßähmung ber S?raft zur Sinn­

gebung.

Es ift in ber äußeren gorm ein ganz anberer 3Beg, aber ber VMr=

fung nad) nicht ebenfo »erfchieben, »enn bie moberne „Vergnügungs»

inbuftrie" — ein an fid» fchon recht bezeichnenbes 3Bort! — bie 9Kog=

lichfeit zur §lud)t oor ben theoretifchen unb praftifchen Problemen bes Safeins bietet. 2luch ihr »xrft fid) ber 9Kenfd) oon heute fo bereitwillig in bie 2 lrme, unb wirb baburci) zu ihrem bequem auszubeutenben Ob=

jelt, weil er burd) fie bie überfülle ber auf ihn einftürmenben gragen oergeffen unb fich iäftigen Verpflid)tungen, an bie ihn fein ©ewiffen mahnen möchte, entziehen fann. Sluch ber gelehrtefte ©eiehrte fann heute nicht mehr alle wichtigen 33ücf)er lefen, bie gefdmeben »erben. 2lu<h ber ibealfte 3bealift fann fid) nidE>t mehr an allen wichtigen Äulturbeftre»

bungen zum |>eile ber 9Jlenfcf)heit beteiligen. 5öeil fich alfo boch nicht alle Aufgaben anfaffen laffen, an benen man eigentlid) als benfenber 3Renfch intereffiert fein follte, fo faßt man fchließlid) feine oon ihnen mehr an; weil man nicht alle 93ü<her lefen fann, lieft man überhaupt feine ernfthaften Vücher. SRan lebt in ben Sag hinein, hofft, baß fd)ließ=

lieh noch alles gut gehen werbe unb überläßt ben leßten Sagen bie Sorgen, wie man mit ihnen fertig werben will. S a mag fich ja bann fchon ber 2 lrzt ober ber ^riefter finben, ber einem aud) über bas Seljte hinweghilft.

Solchen „mobernen" SERenfchen gegenüber ftehen ^erfönlichfeiten Der»

gangener einfacherer feiten allerbings größer unb finnooller gegen»

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35 om 6 in n bes Seb en s 155 über. ®a war es fchmerer, mit bem ‘’Pinfel einen Brief ober eine 2lb=

hanblung auf Pergament gu malen, wo man heute in bie ©d>reib- mafdjine biftiert unb in Xaufenben »on Sjemplaren feine ©ebanfen bruden laffen fann; ba war es fd>werer, »on einer (Stabt gur 9tad)bar=

ftabt gu reifen, als tjeutc gange Kontinente unb Qgeane gu uberqueren.

Wohl nimmt beute aud) ber SSRenfd) in befd>eibenften Verhältniffen eine gülle »on Sinbrüden in fid) auf, bie »or $ 3 abrtaufenben faum Könige unb gorfd>er haben fonnten. 2 Iber bafür ftanb in alten Briefen unb Büchern fooiel mehr brin, als in heutigen ©djreibmafchinenprobuften;

bafür »erarbeitete ber menfd)lid)e ©eift bie Sinbrüde, bie er batte, um fo intenfi»er. Uns umgibt bas moberne ßeben mit mehr Buntbeit unb Sautbeit, aber es bat bafür aud) an ©rünblicbfeit unb Onnigfeit »er=

loren. 3 e finniger bie moberne Secbnif uns mit allen möglichen ßrfin- bungen unb Einrichtungen gur Erleichterung unb Bereicherung unferes Sebens umgibt, um fo ärmer — unb bas beifit bod) aud) um fo finn- lofer — brobt bas Seben »ieler SRenfcben gu werben. ®ie Sjtenfität bes mobernen Sebens gebt oielfad) auf Soften feiner 3ntenfität. 3)as wirb oft wie ein unentrinnbares Verhängnis hingenommen. ®as Wort „Kul- tur" wirb gelegentlich mit einer fo geringfchäftigen Betonung ausgefpro- d>en, als fei auch &ie 93erflad>ung unb Veräufeerlidjung mit ihren gort- fchritten unweigerlich gegeben. Sin „ 3 urüd gur Slatur" ober ein „ 3 urüd gur Religion" wirb bann ber „SMturbegeifterung" als Carole entgegen- gefefct. 2lber ba legt man in ben Begriff Kultur hinein, was burdjaus nicht notwendig mit ihm »erbunben gu fein braud>t, ja, was ber ur- fprünglichen Bebeutung bes Wortes bireft wiberfpricht. On ihm liegt gerabe bas, was wir als ©innbeutung unb Sinngebung begeidmen; Kul­

tur will gerabe menfdjliche Slbficht, planmäßige pflege an ©teile bes blinben Unfalls feften; will ben SJtenfdjen bagu anhalten, fid) nid)t als willenlofes Objeft »om ©trome treiben gu laffen, fonbern felbft ©eftalter feines ©chidfals unb SERitarbeiter am Bau ber Welt gu werben.

2 )iefe Aufgabe wirb fd>wieriger, je weiter fid) bie Kulturarbeit ber SRenfchheit bifferengiert. 3Rit ihr ift ja bie ©pegialifierung ber rnenfd)- lid)en Slrbeitsgebiete gegeben, bie uns bas gragmentarifche unferes 2 )a=

feins immer noch fchmerglicher gum Bewufctfein bringt. Ss gibt feine

Uni»erfalbilbung mehr. Ss gibt nur nod> Berufsbilbung. ©d)on ©oethe

hat fid) gu Beginn bes 19. Sabtbunberts in feinem Wilhelm SReifter mit

biefem Problem auseinanbergefeftt. Unb wie gewaltig hat gerabe bas

19. 3af)rhunbert bie Sntwtdlung gur ©pegialifierung ber menfchlichen

Arbeit geforbert. 3mmer geiftlofer werben bie Seiltätigfeiten, bie ber

eingelne in ber ©efamtmafchinerie unferer Kultur ausguüben hat. grüher

ftanb ber fmnbwerfer bem Künftler nahe. f>eute ftellt ber gabrif-

arbeitet ©erienprobufte her, wobei ihm nod> bie SERafchtne einen großen

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156 93 o m © i n n b e s S e b e n s

STetl feiner Arbeit abnimmt, uni» wobei er bem Gnbprobuft gegenüber ficf) faum noch als 3Ritfd)öpfer füllen fann, »eil fein Anteil an bem

©efamtprobuft gu gering ift. So fämpft er benn wenigftens um einen entfprect>enben Anteil an bem ©ejamtertrag ber inbuftrielten ‘’Probuftion unb um ein entfpred^enbes SCRafe oon freier Seit, um wenigftens außer*

halb feiner 93erufstätigfeit 9Jtenfd) fein au fönnen. Söirft er bann frei*

lid) wieber ©elb unb 3 eitgewinn ber Vergnügungsinbuftrie in ben 9tad)en, fo bleibt es um feine 9>tenfchwerbung nad) wie oor mangelhaft genug beftellt. Gr wirb in ber Art, wie er fein Seben genießt, jum bloßen Spp, wie er es in ber Art feiner Arbeit aud) fchon würbe, gür perfön*

liebe (Eigenart bleibt immer weniger 9laum.

Selbft unfere foaialen unb 3Bohlfahrtseinricf)tungen förbern lebten Gnbes bie STppifierung bes SKenfdjen, bie 3Re<$anifierung feines Sebens.

5)as lefttere hört immer mehr auf, bie Schöpfung ber SJTCenfchen au fein.

3hn erfaßt ber Apparat ber allgemeinen 55olfsfd)ule, bann ber Apparat feiner 23erufsbilbung unb < 33erufstätigfeit, bann ber Apparat ber oer*

jcfjiebenen 33erficherungseinrid)tungen. 5öirb er franf, wtrf» er arbeits*

los, tritt fonft irgenbein ©anbei in feinen Gjiftensbebingungen ein, er*

greift ihn wieber ber Apparat einer jwecfentfprechenben foaialen Gin*

richtung unb gibt feinem Sdjidfal bas ©epräge. Gr gehört einer ©ewerf*

Jchaft, er gehört einer Partei an, unb in all biefen Organifationen wirb auf feine Ginorbnung in ein Spftem hingearbeitet, bie fich nur burch möglichfte Uniformierung ber Anfchauungen, ber Sebensanfprüche unb ber Sebensmöglid>feiten erreichen läßt. Aus bem „3nbtotbuum" SRenfch wirb bie „SJtaffe" Sftenfd). So wie man auch fchon oon „SHenfchen*

material" unb oon menfchlicher „Arbeitsfraft" au fprechen fich gewöhnt hat. 33ei mancher ©elegenheit fommt bem Gtnjelnen in biefer SfJtaffe 9Jtenf4> gum 23ewußtfein, wel$e ©efahr er läuft. 2)enn fchließlich will bod) jeber fein eigenes Seben leben, feines eigenen ®enfens unb Arbei*

tens Urheber unb Schöpfer bleiben. ®as 3nnerfte bes 3Renfd)en empört fich bagegen, bloß oon außen her wie ein 2 )tafd)inenteil geformt, toie biefer 3Haf<^inenteil trgenbwo in einen großen Apparat etngefefct unb nad) 33erfd)leiß fortgeroorfen au werben. SBenn bas ber ganae Sinn ber Kultur unb Sojialpolitif wäre, bann freilich müßten wir an ihr oer*

jweifeln.

©erabe biefe ©efahr aber ift es, bie uns wieber atoingt, im 3ntereffe ber 9Renfd)enwürbe uns auf ben Sinn einer folchen Gntwidlung au be*

ftnnen, baw. ihr ben Sinn an geben, ber fie allein wertvoll für bie

9Renfd)heit machen fönnte. ®a ift es einmal ber naheliegenbe ©ebanfe,

baß ber SDtenfch, gerabe je fpeaialifierter feine Seilarbeit innerhalb ber

genannten Arbeitsteilung unferer Kulturwelt wirb, um fo ftärfer au ber

Ginficht genötigt wirb, baß fein “2öerf im 3ufammenhang mit einem

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V o m © i n n b e s S e b e n s

157 größeren ©angen ftebt. ®ie SKenfchen ftanben in früheren Sahrhunber- ten felbftänbiger, aber auch losgelöfter nebeneinanber. |jeute ift jeber Ginjelne otel mehr auf bie ergängenbe Arbeit feines SJlitmenfchen, aber auch t>iel mehr auf bas 3 ufammengehen mit feinen 9Ritmenf<hen außer»

halb feines Berufes angewiefen. ©ewiß, er fann fein eigenes Seben nicht mehr fo allein aus eigener Kraft heraus geftalten toie in früheren Zeitaltern. Sr bebarf aur ©eftaltung feines eigenen Schicffals heute mehr berjenigen Kräfte, bie ihm in ©eftalt ber Organifation fich bar- bieten. ®as ift bie Organifation ber Arbeit, bas ift bie Organifation ber beruflichen, foaialen unb politifchen 3ntereffen. Aber eben bie Ausnüßung biefer Kräfte ermöglicht auch wieberum bem (Eingelnen eine größere f>errfd)aft über fein Schicffal, macht ihn unabhängiger oon Zufällen, gibt ihm gerabe bie 9Röglicf>feit, außerhalb ber oon ben Organifationen her beftimmten unb beftimmbaren, boch mehr ober weniger elementaren Sebensbebingungen auf ben freigelaffenen ©ebieten befto mehr SJtenfch 3 u fein.

Seiten (Enbes ift es heute immer noch fo, toie es oon jeher gewefen ift: jeber SJienfch finbet 23ebingungen für feine Sebensgeftaltung oor, barunter Diele SSebingungen, an benen er nichts änbern fann, bie fich mehr ober weniger awangsläufig auf fein Schttffal auswirfen. Aber wie fein 2Bille, fein frfjöpferifcher ©eift biefe 33ebtngungen ausnüßt, fombi- niert, in weicher Orbnung unb Reihenfolge er fte für fein Seben bewer­

tet unb berücffichtigt, bas bleibt immer noch fein eigenftes 3Berf. Unb biefes 3öerf wirb ihm burch bie moberne Kultur erleichtert, nicht er- fchwert. ®enn es ift leichter, fich mit fjilfe einer Verficherung über franfe unb arbeitslofe Sage hinwegjuhelfen, als ohne folche (Einrichtungen. (Es ift leichter, troß fchwerer Sjhicffalsfchläge 9Kenf<h 3 U bleiben unb fich burchaufämpfen, wenn man einen Nüdhalt an Rialen Einrichtungen hat.

grüher war jeber einjelne mit feinen fchwachen Kräften allein ben ©e=

walten ber Statur ober ber gerichtlichen (Entwicflung preisgegeben. Nur freilich müßte ber 9Renfcb ba, wo er mit |jilfe biefer fo 3 ialen (Einrich­

tungen fich einen großen Naum für bie (Entfaltung feiner “^erfönlichfeit freimachen fonnte, biefen Naurn auch wirflich finnooll ausfüllen. ®ie Kulturentwidlung fann noch fo oiele Schablonen fchaffen, wir fönnen biefe Schablonen noch fo bequem unb nüßlich finben, bas menfchliche 3nbioibuum wirb leßten (Enbes niemals gan 3 in biefe Schablonen hinein­

paffen. Es braucht fie niemals 3 um ^rofuftesbett für feine ‘’Perfönlidj- feit werben su laffen. (Es bleibt troß aller (Einwirfungen oon außen her immer etwas übrig, was wir oon innen heraus nach eigenfter (Entfchei- bung fein unb bleiben fönnen, wenn wir nur wollen.

Unb nicht nur btes finb all bie mobernen Kulturorganifationen, bie fich

bem Onbioibuum anbieten unb es umwerben; nicht nur §>ilfsfonftruf=

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158

93o m S i n n b e s S e b e n s

tionen, bte xf>m aur görberung ber eigenen ßebensgeftaltung unb “^er- fönlichfeitsentfaltung au ®ienften finb. 3n umgefehrter Dichtung, foju=

jagen oom Onbtoibuum nad) ber ©eite ber Menfchheit hin gefeEjen, be=

beuten alle biefe Organifationsformen, Vereinigungen unb Parteien,

“öerbinbungsbrüden, auf benen inbioibuelle (Einflüffe unb Anregungen htnüberwanbern fönnen aur ©efamtheit. (Es ift ja aud) 9ar nid)t ft», baß bie Apparate, oon benen wir fprechen, bie bie „Maffe Menfd)" prägen, felbft ettoas Unmenfchltches wären. Sie fönnen es unter Umftänben ein- mal werben, genau fo wie eine technifdje Konffruftion in Ausnahme- fällen Unheil ftiftet, wo fie bei normalem gunftionieren aum f>eile ber Menfdjen bient. 5)ie Schöpfer unb Präger bes foaialen unb ftaatlichen Apparates finb felbft wieber Menfchen; 3'iel unb 3wed biefes Appa­

rates wirb oon Menfd>en beftimmt. ©ie Maffe Menfd) felbft ift es leg­

ten (Enbes, bie bie 33efriebigung ihrer gleidhförmigen ßebensbebürfniffe auf ben äußeren Apparat überträgt, eben um baburd) mehr greiheit unb Kraft für bie (Entfaltung ber menfchlidjen “’Perfönlichfeit freiaumachen.

Alle jene Organifationen, oon benen mehrere für jebes Menfdjenleben fchon unentbehrlich geworben finb, oon benen ber (Einaelne je nad) 3Bal>l noch eine größere ohne Swang in fein ßeben einbeaieht, finb gleich- aeitig, wie man es genannt hot, 33eaugsfpfteme, in benen wir leben. Sie ftellen organifierte 93eatehungen awtfchen bem (Einzelnen unb feinen Mitmenfchen bar. ‘■primitio geftalteten fich biefe Begehungen in früheren Seiten. 5)a war bie gamilie, bie fjorbe, bie bas Sd)idfal bes einaelnen Mitgliebes beftimmte, unb in beren Kreis fid) feine eigene (Einflußmög­

lichfeit erf^öpfte. Aus biefen erften engeren 3WeIn finb bie großen Kulturfreife ber ©egenwart geworben. Sie umfpannen ijunberttaufenbe ober Millionen oon ©efinnungs- ober Volfsgenoffen, fie umfpannen Staaten unb Kontinente. Sie finb auf bie mannigfachften 3*ele gerich­

tet, auf materielle wie tbeelle; fie oerlangen Opfer an ©elbbeiträgen, Arbeitsleiftung unb 3eitaufwanb, aber fie fammeln bafür auch bte (Etnaelfräfte, bie in ber 3erfplitterung für fid) allein oerfdjwinbenb wenig bebeuten würben, unb geben ihnen burch bie 3ufammenfaffung erft Stoß- fraft unb gefchid)tlid>e “Bebeutung.

(Es ift unfere Arbeit, es ift unfere ßiebe unb unfer £>aß, was wir auf

bem 3Bege über biefe Beaugsfpfteme erft recht aur SBirfung au bringen

oermögen. 2 Bie hilflos, wie oeraweifelt unb in uns felbft aerriffen ftänben

wir bod) oft in biefer 5ßelt ber wiberftreitenben Meinungen unb Onter-

effen ba, wenn wir nid)t bas, was in unferer Seele gärt unb treibt,

burd) unferen Anfchluß an awedentfpredjenbe Organifationen aur nüfc-

lidE>en (Entlabung bringen fönnten! (Es ift wie Kurafdhluß in ber elef-

trifdjen ßeitung, wenn ein Onbioibuum tmpulfio ohne Sftachbenfen, ohne

Verbinbung mit einem ber mannigfachen Beaugsfpfteme, in benen es

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33 o m © i n n b e s S e b e n s

159 fte£>t ober ftetjen fönnte, Stimmungen austobt. ®et unfoaiale 2 Renfd) erflärt ftch teilweife aus fold>er mangelhaften Verbinbung mit ber Außenwelt. Viele Verbrechen, manche ©elbftmorbe finb golge eines folgen feelifefjen Kurafdjluffes. 5>ie Veaugsfpfteme, in benen mir ftefyen, geben uns bie SDfäglichfeit, bie in uns erzeugten Energien negatioer »ie pofitioer Art in einer SBeife abaureagieren, bie uns felbft erleichtert unb bie unfere Energien in Arbeit nach außen hin umfegt. ®aher das Ver=

wachfen bes 3nbipibuums mit feinen Organifationen, mit feinem 6 taat, ober feiner Partei! 5)af>er Subei ober 9ßut im 3nbioibuum über 6 ieg ober Stieberlage einer Organifation, au ber es gehört. ®er 6 piel= unb 6 portplag ift in biefer Vejiehung eine Vorfdjule des Sebens. fuer lernt ber junge SKenfd) fich an ©pielregeln halten, fich in größere ©ruppen einfügen unb Erfolg ober SÖlißerfolg biefer ©ruppe als feinen eigenen ju betrachten. Natürlich foll ber SRenfd) nicht im (Spiel unb (Sport auf=

gehen, fonbern beibes eben nur als Vorbereitung für ben Ernft bes Sebens betrachten.

3n einer peffimiftifchen Anwandlung fchreibt feer ^falmift Pom menfchlichen Seben, es fei föftlich gewefen, toenn es SJlühe unb Arbeit geioefen fei. ©ewiß ift Arbeit oft SEKühe, aber oft auch Sreube. Unb toir möchten bas ^Pfalmroort oor allem nod) ergänzen burd) bie Erinnerung an bie Siebe. 3Bas an pofitioen VMrfungen oon einem 3Kenfd)enleben ausftrahlt, ift wohl am beften in biefe beiben Söorte „Arbeit uni) Siebe"

aufammengefaßt. Es toirb bamit angedeutet, baß aus bem einaelnen SEKeitfchen heraus, aus feinem engen Sebensfreife heraus, SBirfungen hinausgehen, bie ihn überflügeln unb überbauern. Söenn toir oon ewigen SBerten, oon irgendeinem ewigen ©ehalt bes 3ftenfd)enlebens Jprechen, bann fönnen wir mit folgen Andeutungen oernünftigerweife nid>ts anberes meinen, als was ber SJtenfd) an bleibender Arbeit über bie SeitQrenae feines ®afeins geleiftet uni) was er an Siebe über bie Raumgrenae feiner förperlichen Ejiftena hinaus erwiefen hat. ©ewiß, auch unfere Arbeit unb unfere Siebe bleiben Probleme por bem frinter=

grunb ber Ewigfeit. Aber wenn wir uns der legteren oon irgendeinem Anfagpunfte unferes irbifchen Sebens aus nähern wollen, bann find feine anberen Anfagpunfte gu finben. 2Bas an Arbeit und Siebe aus unferem Sebensproaeß hinübergeht in ben Sebensproaeß ber SBelt, be=

beutet guglei<h den höchften pofitioen ©ehalt unferes eigenen Sebens.

2Kan fann babei awifchen unferer Arbeit unb unferer Siebe noch Ve=

aiehungen herftellen. 2 Ran braucht auch nicht au überfehen, daß dem ^ol der Siebe ber ©egenpol bes |>affes entfpricht. SBir müffen bas Vöfe haffen, wenn wir bas ©ute lieben wollen; wir müffen bie Süge mit ber=

felben Seidenfchaft befämpfen, mit ber wir die SBatjrheit lieben.

Es liegt in ber Sogif bes SBillens aum Seben, baß wir feine f>inber=

(10)

160

35 o m © i n n b e s S e b e n s

niffe ebenfo ba befämpfen, wo fie ber Sebensentfaltung ber 2R e n f <h = hei t im 2öege ftefcen, wie ba, wo fie unferer p e r f ö n l i d ) « n Sebens*

entfaltung suwiber finb. Sas l)örf)fte 53ejugsfpftem, in bem wir 9Jtenfd)en ftel>en, unb bas wir uns je nacf) Steigung unb gäfjigfeit mehr ober weniger beutlicf) gu Vewufetfein bringen fönnen, ift mit bem 2 öort

„SD'lenfchheit" gegeben. Sie Begriffe „Söelt" unb „©ott" weifen »iel»

leicht noch barüber hinaus, finb aber aud) wieber um »ieles blaffer,

„metapbpfifdjer". 2 lus bem Vewufetfein biefer haften Beaugsfpfteme {ebenfalls »ermag ber legte pofitioe ©ehalt unferes eigenen Sebens, fein lefcter ©inn, 3 U erwad)fen. SBir leben bas ©chidfal ber 9Jlenfd)f)eit als unfer eigenes. 2Bo wir uns gegen bas Sebensintereffe ber SJtenfchheit oerfüitbigen, wo wir törid)te ©ebanfen benfen ober unnüfee Säten tun, ba wiffen wir, bafe bie 3 Beltgefd)id)te über foldje törichten ©ebanfen unb über foldf)e unnüfcen Säten 3 ur Sagesorbnung übergeben wirb. ©old>e negativen Elemente, folche ^emmenben unb ftörenben Kräfte müffen aus bem Sebensprojefe ber SBelt wteber ausgefchteben werben, ©ittb wir mit unferem Seben an ihnen beteiligt, fo werben aud) biefe Auszahlungen unferes Sebens überwunben unb ausgefdjaltet werben müffen. 3Rit ihnen finb wir gewtffermafeen 3 um wirflichen enbgültigen Sobe »erurteilt, wäf)=

reni) wir mit ben pofitioen Auszahlungen unferes Sebens gum ewigen 2 Beit erleben im Sßeltorgantsmus berufen erfcheinen.

©ollten nicht in ben ©tunben bes ©terbens aud» folche ©ebanfen Sroft werben fönnen? Um fo ftärferer Sroft, als fie feinerlei sacri- ficium intellectus oon uns forbern? ©ollte nicht eine beffere Harmonie

3

Wifd)en unferer Einteilung auf bas Seben unb unferer Einftellung auf ben Sob aus foldjen ©ebanfen fid) ergeben, als aus Senfeitshoffnungen, bie unfer Safein in

3

Wei faum nod) pereinbare Seile serreifeen unb bie mit bem ©inn, ben fie bem Sobe geben wollen, ben ©inn bes Sebens su

»ernichten brohen? ©ollen wir nicht fo sunächft erft einmal bas Seben ernft nehmen, was uns ja bur<haus nicht f)inberi, bann aud) bas ©terben ernft 3 U neunten? 5Bann unb in weither gorm wir oom Seben einmal Abfdjieb nehmen werben, wiffen wir ni<ht. Stßir wollen auch feineswegs blinblings in ben Sag hineinleben, als ob biefes irbifche Seben unb feine Vergnügungen ber Snbegrtff a l l e s Sebens fein müfeten. 3n ©e=

banfen an ben Sob wirb jeber Sftenfd) aud) einmal ernfter geftimmt fein müffen. Vielleicht, bafe uns ber Arst über bie lefcten ©chmersen hinweg*

helfen mufe. Vielleicht, bafe uns ber Sob nad) langem Seben ober fcf>we=

rem ©d)idfal als Erlöfung fommt. 3 unäd)ft aber finb wir nod) am Seben unb fönnen über ben ©inn unferes Sebens nachbenfen unb fönnen unferm Seben unb jebem Sage unferes Sebens einen ©inn geben. Unb follte nicht bas, was uns am Abenb eines glüdlicfjen Sages innerlich be=

friebigt unb befeeligt, aud) am Abenb unferes Sebens nod) bie ftärffte

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© i e K l u f t ä t o i f c f r e n b e m | u b j e t t i o e n u n b o b j e f t i o e n © e i f t 161

befriebigeitbe unb befeeligenbe Äraft haben? Söann aber macht uns ein Sag reichet unb glütflicher, als »enn er uns eine nüfcliche Slrbeit hat gelingen laffen? SBenn er uns erleben ließ, »ie innig » ir in Siebe mit anberen SJtenfchen oerbunben fein fönnen; »enn 2 Rann unb grau in=

einanber aufgehen, baß bes einen Schidfal Don bem bes anberen, bes einen Erleben Don bem bes anberen nicht mehr au trennen ift; »enn bie Siebe au Hinbern unb Enfeln Don uns eine S3rüde in unüberfehbare 3u=

funft fd>Iägt; »enn bas 2lnbenfen an liebe 23erftorbene alle heiße Sanf=

barfeit »ieber in uns erwachen läßt; »enn » ir gleich 6 ent fterbenben gauft bas ©lüd Dorausgenießen, Don bem » ir hoffen, baß es auf ©runb ber SERühe unb Slrbeit unferer 3eit einmal funftigen ©efchlechtern au=

teil »erbe: bann finb bas »of)l »irflich „bie hofften Slugenblide", beren unfer menfd)Iid)es Safein fähig ift. Unb »o anbers follten » ir fcf)ließ=

lieh bie Offenbarung bes Sinnes in unferem Seben juchen, »enn nicht eben in feinen höchften, man möchte »ohl auch fagen, heiligften 2 lugen=

bliden?

groijd^en bam Jufcjeffuxm unt> objefffoen (§>dft

9lad) S i i c f r 3 o e n f d>

3n freier SInfnüpfung an f>egels Sprachgebrauch fann man ben

„©eift", fofern bamit bas Erleben unb Schaffen ber einzelnen Subjefte gemeint ift, als „f u b j e f t i

d

e n ©eift", alles aber, »as aus biefen fubjeftiDen ©eiftesleben an Seiftungen, Schöpfungen, ©ebilben, Ein­

richtungen heroorgeht, als „o b j e f t i

d

e n ©eift" beaeichnen. So läßt fich bie „Kultur" — fo»eit man nicht an beren fubjeftioe Seite, alfo bie „^Perfönlichfeitsfultur" benft — als Objeftioierung bes fubjeftiDen

©etfies, als feine Selbftbarftellung unb 2lus»irfung, als Gleich bes objeftioen ©elftes faffen.

Es ift nun unoerfennbar, baß fid) leicht, ja mit einer ge»iffen 9tot=

»enbigfeit eine Entfrembung ober gar ein ©egenfafc bilbet a»ifchen

bem „fubjeftiDen" unb bem „objeftioen" ©eift. Ser fubjeftioe ©eift

ift ja feinem SBefen nach fortȊhrenbes Seben unb Erleben, eben bamit

ftetes 2lnbers= unb 9leu»erben, Slftioität unb Spontanität, Schaffen

unb Umgeftalten. Siefem bpna mi f che n Eharafter gegenüber trägt

ber objeftioe ©eift ben bes „Statifcfjen". Sie meiften ©ebilbe, bie aus

ber ftets ftrömenben Quell« bes fubjeftiDen ©elftes heroorgehen, ftnb

Don einer ge»iffen Sauer, ja aum Seil für bie E»igfeit beftimmt; fie

fönnen fo in ber 9iegel bie 9öeiterent»idlung bes fubjeftioen ©eiftes-

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162 S i c s t e i f e r e n b e m f u b j e t t i i D e n u n b o b j e t t i c e n © e i f t

lebens nicht mitmachen; fte nehmen toohl gar mit ber 3 eit bas ©e=

präge bes Entfeelten, ©tarren, Verfeinerten an. Unb foldje „'Petre*

fafte" bes ©eifteslebens fönnen ju fehleren Hemmungen toerben für bas fubjeftioe ©eiftesleben felbft, jumal für bas in neu herantoachfenben

©enerationen neu auffprubelnbe.

2 luf biefe innere STragif bes ©eifteslebens beutet bas Wort im

„gauft": „Vernunft toirb Unfinn, Wohltat, ^lage. Weh’ bir, bafe bu ein Enfel bift" unb bas anbere ©oethe=Wort:

„ 2 lmerifa, bu haft es beffer als unfer Kontinent, ber alte, haft feine verfallenen ©chlöffer unb feine Vafalte."

Es ift leicht ju erfennen, bafe hier fid) auch eine aufeerorbentlich be*

beutfame Slufgabe aller Vilbung unb Erstehung enthüllt. $)enn ihr

©inn ift ja: bem fubjeftioen ©eift ber nachtoachfenben ©efd)led)ter bas Verftehen unb |>ineintoad)fen in ben objeftioen ©eift ber oorhanbenen Kultur gu erleichtern. Unb ba biefe Kultur felbft im Saufe ber ©e=

fchichte fich als 9tieberfd)Iag bes fubjeftioen ©eifteslebens geftaltet hat, fo toirb es nahetiegen, jenes oerftänbnisoolle Ijineimoachfen gerabe burch eine hiftorifche Vilbung ju ermöglichen, bie ben Einjelgeift oer=

fürjt ben Weg toieberholen läfet, ben ber ©efamtgeift bes betreffenben Volfes (ober ber 3Renfd)heit) »orher in 3al)rtaufenben jurüdgelegt hat.

Sabei mufe aber immer barauf geachtet toerben, bafe bie gefd)td>tlid>en Veftanbteile ber Vtlbung ben fubjeftioen ©eift nähren unb förbern, ihn nid)t hemmen unb erbrüden. Es ift barunt immer toieber aufs neue ju prüfen, ob nid)t über ber Vefchäfttgung mit ben erftarrten Seben ber Vergangenheit bas lebenbige Seben ber ©egentoart 3 U furg fomme, ob ettoa oieles, toas toir an gefd)id)tlid)em Vilbungsgut mitfchleppen, allmählid) für unfere $ugenb nicht mehr innerlid) angeeignet („affimt*

liert") toerben fann. ®amit ift gejagt, bafe „Schulreform", tnsbefonbere im ©inne einer 5teoifion ber Vilbungsgüter unb ber ihrer Vermittlung bienenben Sehrpläne, eine bauernbe 2lufgabe ift. ©enn ba bas fd)öpfe=

rifd) fid) objeftioierenbe fubjeftioe ©eiftesleben immer im glufe bleibt, fo toirb oon ben ©ebilben bes objeftioen ©eiftes immer toieber Weite*

res ber „Verfeinerung" oerfallen, unb neue toerben hinaufommen, bie bem jugenblichen ©eiftesleben inniger oertoanbt finb.

Ser hier aufgetoiefene tragifd>e 3 ug bes ©eifteslebens — ber auf a l l e n Kulturgebieten erfennbar ift, toeil er im W e f e n bes Kultur*

fdjaffenben, b. h- bes fich objeftioierenben '©eiftes liegt — ift neuer*

bings auf bem ©ebiete bes Erfennens unb ber Wiffenfdjaft oon bem

SERarburger ‘•ßfpdjologen unb “^hilofophen Erich 3 a e n f d) in feinem

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S> i e f t i u f t ä ipi i <f) e n b e m f u b j e t t i p e n u n b o b j e l t i o e n © e i f t 163

3Berfe „ 2 ßirf[id)feit unb 2 Bert"*) in befonbers flarer unb einbringlicher SBeife bargelegt worben. 2Bir geben einige feiner ©ebanfen hier wieber.

Sie ©efahr ber ßntfeelung unb (Erftarrung jeigt ficf) beim wiffen=

fd)aftlicf)en (Erfennen barin, bafe es fid) oon unferem feelifdjen ©efamt=

fein unb bamit oon unferem „^erjen" als eine fid) fpeatalifierenbe gunf=

tion immer mehr loslöft unb fich habet pnefjmenb mechanifchen ober mechanifierten Hilfsmitteln anoertraut. 3m 3ufammenbang bamit werben aud) bie Grfenntnisgegenftänbe oon bem erfennenben ©ubjeft mehr unb mehr abgelöft unb biftanjiert. Unb gu folchen ihm entfrembeten Objef=

ten fann ber 3Renfch fich nicht mehr in bet Haltung bes Siebenben be=

finben, er fann fie nicht mehr mit bem Auge bes (Erfenntnis=(Eros fchauen, toie bas einem “^lato, ja, toie bas noch einem SBilhelm oon fmmbolbt möglich war. „A3ir erblicfen nicht mehr hinter unb über ber

£ülle finnlidjer (Erfchauungsbinge platonifd)e 3been, bie toie ein ,Stern bes 93unbes‘ gemeinfam über (Erfennenbem unb (Erfanntem leuchten, beibe aufwärts aiefjen, beibe innerlich einigen, fo toie ein gemeinfames 3beal, bas als 9tid)tftern fd)toebt über bem 33unbe einer greunbfdjaft ober einer Siebe. 5ebe (Erfenntnis oom platonifchen Sppus ift, toie jebe tiefe Siebe, eine (Einigung in einem 3beal. Aber toie foll es gu biefem 93unbe noch fommen, toenn bie ©terne, bie hinter ben (Erfd)einungs=

gegenftänben einft leuchteten, oerblafet finb, ober bas Auge nicht mehr barauf eingeftellt ift, fie gu fehen?" SBemt es oor allem an ber erften Vorbedingung eines inneren 3 ufammenwad)fens fehlt, bem unmittelbaren unb nahen ^ufammenfein mit bem ©egenftanb? (180).

Sie (Enttoidlung ber wiffenfd>aftlichen (Erfenntnis bringt es nämlich mit fid), bafe immer mehr SER i t t e l fich atoifchen bas erfennenbe ©ub=

jeft unb bie (Erfenntnisobjefte einfd)ieben unb bafe bie (Erfenntnis*

arbeit felbft im 3ntereffe ihrer objeftioen Sicherheit unb gefteigerfen (Eyaftheit fich mehr auf bie 93ereitftellung unb Verfeinerung biefer 3Rittel richtet, als auf bie eigentlichen (Erfenntnisgegenftänbe, mit benen man früher unmittelbar in §üf)lung ftanb unb bie man liebenb umfing.

Senn bas ©egenfpiel biefes liebeitben Umfangens ift bas „methobifdje"

(Erforfchen unb (Erfennen, bas fich beim gortfchritt ber 2Biffenfchaft immer mehr entwideft; ©egenftänbe burch eine „2Retf)obe" erfennen helfet nämlich, auf Umwegen ihrer habhaft werben, fie gleichfam Überliften unb einfangen.

Unb wie bie hingebenbe Siebe mit fteigernber Verwiffenfchaftlichung aus bem (Erfenntnisprogefe ausgefd>altet wirb, fo auch ber gleichfam ritterliche ©inn, ber in fröhlichem Söagen, in fnabenhaftem Ungeftüm

*) ®er DoIIftänbige Site! lautet: „SBirflidjfeit unb SBert in bet ^ iio fo p ^ ie unb Sulfur bet Steuaeit. 'Prolegomena äur pt)iIofopt)ifd)en gorfdjung auf ber ©tunb=

läge pbilofopbiftbcr 9Intt>ropo!ogie nad) empirifd)et SKetbobe." 5BetIin, O. Slsner 1929 254 6 . ©el). 12 50t., geb. 14 3».

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164 S t e S l u f t

3

» i f <$ e it b e m f u b j e t t i o e n u n b o b j e f t i o e n © e t f t

oder in männlichem Satenbrang fiel) ber Erfenntnisgegenftänbe au be=

mächtigen fuc^te. „Sas ^Betätigungsfeld ber Nitterlichfeit ift in bem unperfönlichen 3Rethoden=, 3nftrumenten= unb 3Rafd)inenerfennen ebenfo eingeengt toie in ber unperfönlichen Kampfesweife des 2Rethoden=, 3nftrumenten= unb 3Rafd)inenfrieges. (Es ift hier f e i n mehr für frohes 3öagen, erwartungsoolles |>inausatehen tn traumlodenbe 3Bet>

ten, für ritterliches Kämpfen und 5tingen um (Erfenntnis. grau Aoen=

tiure [Abenteuer] ift fern, wo ber doch innerlich immer noch wage*

mutige, forfchende ©eift toie ein SEeilmechantsmus mit etwas mehr mechantfchen greiheitsgraben tn bie grofee gorfchungsmafchinerte ein- gefchaltet ift, bte ihren ehernen unb eigenen geglichen ©ang geht."

Aber wenn auch burch biefe (Entwicflung das Erfennen gletchfam oon ben Sebenswurjeln abgetrennt wird, aus denen es fich nährt, fo fann unb barf fte bodj nicht rüdgängtg gemacht werden. Senn ein Ver=

3 icf)t auf die oom 3nnenleben abgelöften Erfenntnismittel würde bedeu=

ten, dafe wir auch auf die Sicherheit, die fie unferem Erfennen oer=

liehen haben, Berichteten und zugleich auf die wetten 33ewegungs=

felber und bie tiefen ,23Iicfe, die ihnen unfer Erfennen oerbanft. Ebenfo wahr aber bleibt es, bafe Erfennen felbft ein ßebensoorgang und als folther im Seelenleben eingebettet ift und beftimmte feeltfche gorderungen erhebt, deren Erfüllung durch bte gefchilderte Entwicflung in grage geftellt wird. Sebensfraft und Sriebftärfe des Erfennens (das ja in innerer Aneignung befteht!) müffen um fo mehr dahinfehwinden, je mehr es aus bem feelifchen ©efamtleben herausgelöft wirb und eben damit „entfeelt" wird. „3öie leuchtete einft der europätfehen SSRenfchheit auf ihren frühen Erfenntniswegen der Sternenglana der .ewigen 2Bahr=

hetfen’ in der SERathematif. Sie erhabene ©eftirnenwelt ift ihres numi- nofen Schimmers entfleidet und dur^) nüchternes R a p i e r erfefet, wenn a- 35. nach einer hochbebeutfamen Theorie oon heute (fjilbert) die 3Rathematif nur in der folgerichtigen Handhabung, genauer Selbftent- faltung eines 3ei c he nf pf t e ms befteht, alfo gleichfam eine Er*

fenntnismafchinerie auf bem Rapier ift" (181).

3Benn bie pfpchologifche 2 ehre richtig ift, bafe notwendige feelifche Triebe, falls fie unterdrückt bgw. „oerbrängt" werben, fich- an unrichtiger Stelle äufeern, fo wirb dies auch gelten, wenn beren STrieb nach feelifcher Einbettung der Erfenntnis die “Befriedigung oerfagt bleibt.

Von hier aus erflären fich gar manche bebenfliche Erlernungen im

©eiftesleben ber ©egenwart, die geeignet find, das wiffenfchaftlidje unb damit auch bas pfnlofophifche Senfen au trüben unb den erreichten Stanb des Erfennens um Jahrhunderte aurüdaufchrauben. Ef)arafte=

riftifd) für biefe Erlernungen ift die lendena, alles, was fich an

Hilfsmitteln, Snftrumenten, SRethoben, überhaupt an SRittelbarem und

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S i e f l l u f t a t o i f c &e n b e m f u b j e ! t i t> e n u n b o b j e f t t o e n © e i ft 165

t»om ©elfte 2 lbgelöftem in ben Erfenntnisproäejj einfdjiebt, wieber aus*

3ufd>alten, alles ju befeitigen, was fich 3Wifchen erfennenbes 6 ubjeft unb Erfenntnisobjeft ftellt ober als Siftan 3 groifcfjen ihnen breitet. Sine unmittelbare Einigung unb Verfchmeijung mit bem ©egenftanb foll roieberhergeftellt »erben, »ie fie ähnlich ber Siebenbe ober ber 9Rpfti=

fe r erlebt. Somit wäre bie Slblöfung bes Erfennens oon ber Totalität bes Seelenlebens wieber aufgehoben. Sas Erfennen wäre bann nicht mehr ein Erfaffen mit einer feelifchen STeilfunftion, an ber ber übrige SKenfch unbeteiligt loäre; nichts jrennenbes ober SDtittelbares wäre mehr oorhanben, bas fich stoifdjen Erfaffertben unb Erfaßtes fchöbe.

3u ben S^iterfcheinungen, bie fich fo pfpchologifd) erflären, gehört bie fo beliebte Berufung auf bie „Ontuition" als eine angeblich bem „fal=

ien", nüchternen „Verftanbes=Senfen" »eit überlegene 2lrt ber Er=

fenntnis. Siefen Preis ber fogenannten „Sntuition" finben toir fchon Dor bem 2öeltfrieg bei Vergjon unb er haßt loiber bis heute bet allen romantifch geri<hteten Seelen. 2 luch feftenhafte Richtungen halb reit*

giöfen, halb philofophifchen Eharafters toie bie 2lnthropofophen lehren ein intuittoes Erfennen in unmittelbarer Einigung mit feinem ©egen*

ftanb. 2luch fimfferls Phänomenologie mit ihrer Sehre Don ber „Vkfens*

fchau" bürfte auf ©runb jener 3eitftrömung Diel 3ntereffe unb Spm*

pathie gewonnen haben. Johannes Volfelt („©ewiftheit unb SBahrheit, Sölünchen. 1918. S . 45 ff.) fchreibt barüber: „SBollte man ben tieferen Urfprüngen ber gegenwärtigen phänomenologifchen Bewegung nacf)=

gehen, fo müfjte man wohl Dor allem auf bie feftwurjelnbe Sehnfudjt bes menfchlichen ©elftes achten, alle Dualismen, bie ihn Don ber ?Bahr*

heit trennen, ju tilgen unb fich fojufagen in bie SBahrheit mitten hinein*

jufegen. Sas Vornehmen, auch bas innere, haftet an ber Oberfläche, bringt nicht ins VJefen. Sas gewöhnliche Senfen fcheint Don bem fünfte ber SubjeftiPttät nicht lostommen au fönnen: Sas 3Befen ber Singe bleibt ihm immerbar ein jenfeits. Unb boch bürftet ber menfchliche

©eift banach, fich mit ber Söefenheit ber Singe in Eins 3 U fegen ober fie boch gleichfam hanbgreiflich Dor fich 5 u fehen. Unb je mehr ber

©eift an ftrenges Senfen gewöhnt ift, um fo weniger möchte er biefes fein Sehnen in §orm mpftifchen Slfmens ober romantifchen ©efüfjls*

bünfels erfüllt fehen. Sie unmittelbare 3öefensergreifung foll, fo möchte er, ftrenges Erfennen bleiben. Sie phänomenologifche Intuition nun ift einer ber rabifalen Verfuche im Verlangen bes ©elftes, ber “JBahrheit in ihrer Selbftheit unb Racftheit habhaft ju werben unb babei boch in ber (Sphäre ftrengen Erfennens ju bleiben, Vefriebigung ju Derfchaffen ...

©egen bas begriffliche Senfen nun freilich ift bie Phänomenologie

Pon ftarfem 3Rifetrauen erfüllt. So erblidt fie benn nicht im Vegriff,

fonbern in bem Stauen basjenige Verhalten, bas fich mit ben 2ßefens=

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166 © i e f i l u f t j w i l l e n b e m T u k j e f t i o e n u n b o b j e t t i o e n © e i f t

3 u}ammenf)ängen berart in eins (egt, bafe es fie fcheibetoanblos fie^t, ergreift, befigt ... Söenn man fimfferl lieft, erhält man einen ftarfen (Einbrud »on bem urfprünglichen ©lauben, ber öaoon ausgeht, bafe bie intuitive 3öefensfd>au bie Sffiahrheit bis in Siefen, bte bisher allen gorfd)ern unentE)üllt blieben, oon Angefid>t 3 U Angeficht offenbar tner=

ben ju laffen Derfprad). Unb in nod) höherem SERafee beinahe gilt bies oon Scheler ... ®as 3öah*e toirb ihm, fo oerfünbet er, nicht ettoa als (Ergebnis ber Stotwenbigfeit bes Urteilens guteil, fonbern er hat bie gegenftänblid)e 3ßai)ri)eit als „Anfdjauung" oor fid). 60 weife fid>

ber ^Phänomenologe als fd)Ied)tl)in unangreifbar. Sr fteht in ber 2öaf)r=

heit, alle Anbersbenfenfren irren außerhalb ber 9öahrhett umher.

3 u ber gefchilberten Seitftrömung gehört aud), bafe man in ber beutfdjen „Sugenbbetoegung" gar fehr bas „(Erlebnis" fdjägte, bafe man in f)er päbagogifchen 9teformbetoegung eine ©chulgeftaltung anftrebte, bie man „(Erlebensfchule" nannte unb bafe man oor allem bei ben jüngeren nur ein foldjes (Erfennen als echtes, Dolles unb tiefes gelten laffen möchte, bas pgleid) (Erlebnis ift. ®amit im (Etnflang fteht benn aud), bafe man bie ^taturroiffenfchaft tote überhaupt alle burd) ejafte SRethobe 3 U erarbeitenbe (Einficht geringfdjägt, bagegen — im Unter*

fd)ieb oom naturwtffenfchaftlichen „Srflären" — bas „Verftehen" als ein intuittoes, einfühlenbes (Erfaffen einfettig betoertet. „(Ehrliche unb treue Arbeit am 3ß i r ! I i d) e n toirb otelfad) als ettoas 93anauftfd)es unb

©eiftlofes angefeljen" (184). Befonbers beutlid) jeigt fid) in bem Kreis um Stefan ©eorge, toas bas innere Sehnen unferer 3eit ift. „SRicht bie einfache Spiegelung bes Objefts, fonbern feine innere, bas Subjeft felbft toanbelnbe Aufnahme erfcheint in biefem Kreife als bas 3beal bes (Erfennens. 9lur bort fommen toir feiner Erfüllung nahe, too aus ber Berührung oon Subjeft unb Objeft, gleichtote aus ber Hebenden Vereinigung jtoeier SBejen, ein neues unb brittes heroorgeht, bas beiber 3üge trägt. An Stelle ber ©efd)id)te, bie lebiglid) Atxbrud ift, foll bann bas ,©ebilbe‘, ber ,SRpthus‘, bie ,2egenbe‘ treten. ®ie eigentliche ,©ef$ichte‘ einer ©eftalt, toie (Eäfar, ift bann bie ©efchichte feines N a c h r u h m s , bie aufetnanberfoigenbe 9leihe ber Bilber, in benen bie ©eftalt ben oerfd)iebenen (Epochen erfdjienen ift." (3Ran benfe an

“JBerfe tote bas oon g. © u n b 0 1 f , „(Eäfar, bie ©efd>id)te eines SRad)=

ruhms", (E. B e r t r a m, „S'ltegfdje, ein SERpthus").

3n allen btefen Srfcheinungen offenbart fich bas ftarfe Beftreben ber Seit, bie Ablöfung bes (Erfennens oon bem feelifchen ©efamtleben toieber rüdgängig 3 U machen; alfo auf bem ©ebiet bes (Erfennens jene Spal=

tung 3 toifd)en fubjeftioem unb objeftioem ©eift toieber 3 U überbrüden, bie toir als einen oerhängnisoollen 3 ug aller höheren Kulturenttoid=

lung aufgetoiefen haben.

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3J i et j f $ e — e i n 2 U c t a p l > p ( i t c r ?

167

ein SKcfap^yflfcr?

33on 21 u g u ff SR ef f er

Verfteht man unter SRetaphpfif ben Verfuch, ein „Öenfeitiges", Sranfjenöentes, ab ertlärenben ©runb unferes „Siesfeits", unferer unmittelbar gegebenen Erfahrungswelt aufsuweifen, fo erfd>eint Fiefcfche burchaus nicht als SRetaphpfifer, ba er ja alles „^enfeits" als eine er=

bichtete „f>interwelt" entfehieben ablehnt.

So muß es oerwunbern, bafe in ber Schrift oon S . §irfchhorn „Vom Sinn bes Jragifchen bei Stieftf^e*) Fieftfche gleichwohl als 3Retaphp=

fifer charafterifiert wirb. „Sie Emphafe unb gerabeju heilige Ent=

güdung (heifet es ba S . 42), in welcher er ben Öbermenfchen als ben Sinn bes Safeins oerfünbet, weifen auf metaphpfifche Elemente hin, bie an biefer 3bee mitwirfen. Sie höheren SBerte, an beren 5tealifie=

rung ju arbeiten ber SRenfch aufgeforbert wirb, Jollen einen t r a n - f j e n b e n t e n [fo!], aufeerjeitlichen, fosmifchen ©efjalt in fich bergen.

Es ift ein irrationales, m e t a p h P f i f ch e s [!] Sollen, beffen ^oftutat fich &em 2 lntimetaphpfi!er entringt."

3Bäre biefe 2 lufweifung metaphpfifdjen ©ehalts bei Fiefefche richtig, fo wäre in ber 3Tai tragifchfter Selbftwiberfprud) bei ihm gegeben. Senn

|>irfchhorn weift anbererfeits richtig barauf hin, bafe SRiefefche fich in ber |>auptfache als 2lntimetaphpfifer fühlt. „3m unermüblichen Stampf gegen bie bogmatifche Religion u n b 3 R e t a p h p f i f [ ! ] fteht 3 arathuftra feine Berufung. Er will ben oerhängnisoollen 3rrtum bes grofeen per*

fifchen Propheten (mit bem er ben Flamen teilt), ber aus einer heroifdjen 5öahrhaftig!eit heraus eine SERetaphpfif ber 3Berte fetjte, baburch 3 U=

nickte machen, bafe er jum Öberwinber biefer 9Retaphpfif wirb. Sie über*

irbifche Sanftion, bie ber SRenfch um ben ‘’JJrets einer tiefen Semüti*

gung oor ©ott feinem Sßerfe abjugewinnen glaubte, ift bas Problem, gegen bas SRiefefche bie fchärfften 3noeftioen führte. Er ift oon ber Öberaeugung burcfjbrungen, bafe fid) eine berartige überfinnliche 3öeihe am meiften an ber ©röfee bes SRenfdjen oerfchulbete unb »erfchulbet.

3Racht man ©ott pm Schöpfer ber “ffierte, fo oerfällt man ber unheil*

oollen 3lIufton, etwas gragementarifches, ilnoollfommenes jum Fange eines Slbfoluten, Enbgültigen gu erheben. Saburch aber wirb ber ©eift unprobufitt», bas Schöpferifche im SSRenfchen oerfiegt, benn jebe tiefe STragif bleibt oerfchloffen. So wie bie ^Religionen oom Seiben hanbeln unb oon beffen tranföenbentem Sinn, fo finb fie im ©runbe genommen gegen jebe echte STragtf. (Sie ftehen ganj im Banne einer hebonifd>en 3öeltanfd>auung, bas Selben wirb blofe als etwas Vorübergehenbes ge*

*) Stiels Kampmann 33edag, f>eibelberg. 1930. 836. ®te 6cf)tift füfjtt in feie Jiefe »on SRiefjfctjes ©Raffen unb erfc&Itejjt lefete Probleme in if>m.

<’P & iI o f o p f ) ie unb Seben. VII. 12

(18)

168

9t i e{j f <f ce — e i n S R e t a p f o p i i t * ’-'?

beutet. Es bilbet eine Surchgangsftufe für ein oöltig feliges, leibfreies

©ein.) SSnbem fie ein abgerunbetes Spftem abgeben, in welchem jebes Problem eine fefte, unabänberliche Söfung finbet,Mn bem fie bie abfolute SBahrheit oerfünben, machen fie ben menfd)li<hen ©eift au einem paffioen 3öerfaeug ©ottes. f)ier fehlt fomit bie unbebingte Vorausfefcung für bas Sragifche: bie fchöpferifchegreiheit unb Selbftoerantwortung bes 9Renfchen.

SRur bort, wo bas ßeiben gleichfam aus ihm herauswächft als fein eigenes 2öerf, bort allein fann man oon einer Sragif fprechen" (40 f.).

Siefen Einführungen fann ich ebenfo auftimmen wie bem mehrfach wieberholten Hinweis fmfehhorns auf ben ethifchen 3bealismus SRiefc fches. S a biefer fo oft wegen bes ftarf naturaliftifrf>en Einfchlags in Stteßfches Senfart oerfannt worben ift, habe ich fchon in meinen „Er=

läuterungen au Sfteßfches 3arathuftra" (Stuttgart, Verlag Strecfer &

Schröber, 15. Saufenb) ben ethifdHbealiftifchen ©ehalt bes SBerfes ftarf betont. So heißt es bort 3 . 33. S . 99: „Ser ©ebanfe an jenen unenblichen 2 Beg au ftets größeren fwhen, bas war auch ber ©runb=

gebanfe ber beutfehen ibealiftifchen ‘’Philofophie eines Hant unb Sichte (bie freilich oon bem dmftlichen ©ottesbegriff nicht losfamen). Siefer

©ebanfe gab jener ^hüofophie ihre 3uoerficht, ihren feelifchen Schwung, ihren Enthufiasmus bes SBollens."

Enbltch fühle ich mich mit f)irfchhorn eins in ber 2luffaffung unb pofitioen SBertung bes ©elftes, ber als ber fchöpferifche Quellgrunb echter Kultur unb bamit als bas ben SSRenfchen über ben Bereich bes bloß SRaturhaften Erhebenbe gefaßt wirb, nicht als lebenoerneinenbes unb aerftörenbes “ißrinaip, wie bas eine heute in 9Robe gefommene philofophifche Dichtung (Älages u. a.) lehrt.

Slber gerabe, weil ich mich fo mit £>irf<hhorn in entfeheibenben philo=

fophifchen ©runbauffaffungen wie in ber Seutung SRiefofches einig weiß, ift es mir um fo mehr Bebürfnis, über ben oon ihm mit Unrecht (wie mir fcheint) behaupteten „m e t a p h p f i f (h e n" Eharafter oon SRiefc fches ethifchem Öbealismus aum Einoerftänbnis au gelangen.

Es fcheint mir bafür wichtig, genau au prüfen, in welchem Sinne unfer Verfaffer ben 2lusbrud „SRetaphpfif" oerwenbet. Schon längft hat fich mir ber ©runbfaß bewährt, bei philofophifchen 3Reinungsoer=

fchiebenheiten aunächft einmal barauf au achten, ob oon beiben Seiten

bie philofophifchen gachausbrüde in berfelben Bebeutung gebraucht

werben. 2 luffd)tußreich fcheint mir in biefer frinfidjt für unferen galt

folgenbe Stelle: „3Ran fann noch fo entfehieben gegen eine 9Retaphpfif

eingeftellt fein, bie Satfadje bes 2 ebens felbft awingt uns, 2Retaphpfif

3 u treiben. 3Bir treiben fie, inbem wir uns einen Sinn bes Safeins

aurechtlegen, ohne welchen wir nicht ausfommen fönnen. SBir treiben

SSRetaphpftf, wenn wir eine ethif<he ober eine religiöfe 2Beltausbeutung

(19)

St i ef ef cf re — e i n 9 J t e t a p & p f i l e r ?

169 erbitten; » ir treiben fie auch, »enn toir ben Sinn bes Sebens ins Seben felbft »erlegen, »ie es Sftiefcfcfce getan hat, bem fid) ber 3 >»ed bes

©eins als ein ungeheures Spiet »on Kräften erfchlofe" (S . 75).

®iefe Säfte »erraten beutiid), bafe IMrjchhorn j ede 3urechtlegung bes ®afeins=Sinns „Sltetaphpfif" nennt. ®amit aber erweitert er bte Bedeutung biefes Wortes in einer Weife, bie mir unjwedmäfeig,

»eil fdjarfer Begriffsabgrenjung abträglich, erfcheint. Senn »enn er als 3 »ei 2lrten ber „SRetaphpfif" bie religiöfe unb bie et^ifdje Welt*

ausbeutung nennt, fo fafet er bamit 3 »ei ®enf»eifen in eine jufammen, bie mir als »efenhaft »ergeben erfcheinen, unb »on benen ich nur bie eine, bie religiöfe, als „metaphpfifd)" bejeic^nen »ürbe. Senn es ift bod) offenbar ein tiefgreifenber, fachlicher llnterfchied, ob nad) religiöfer Sluffaffung ber „Sinn" als eine burd» eine ©ottheit (ober einen anberen tranfjenbenten gaftor), als eine oon menfchlichem Wollen unabhängig feftgefefcte Wirflichfeit Eingenommen »irb ober ob »om etl)ifd)en Stanbpunft aus ber „Sinn" als eftoas gilt, bas » i r — auf ©runb unferes Wertbe»ufetfeins — unferem Seben erft geben (nad) beftem Wiffen unb ©e»iffen). 3m erften gälte haben » ir »irflich eine meta*

phpfifdje ©runbanfd>auung, im 3 »eiten aber eine durchaus unmeta- pbpfijche. Es ift aber an fid) bod) höchft un»ahrfcheinlid>, bafe S^ieftfche, ber fo flar be»ufet alle SRetaphpfif befämpfte, in jene metaphpfifche Weltbeutung 3 urüdgefallen unb felbft ein „oerfappter Sftetaphpfifer"

(6.44) geworben fein foll.

W ir finben barum feine innere STragif nicht in biefem — atlju offen- funbigen — Selbffroiberfpruch, fonbern in bem allem ©eiftesleben inne*

»ohnenben 3 »iefpatt, bafe »ir nad) dem Endgültigen, Slbfotuten uns fernen unb bod) immer im Vorläufigen unb 9telatioen »erbleiben müffen. So erfd>einen ihm bie fonfreten Öbeale, die fid) ihm aus feinen Wertfdjäfcungen ergeben, immer wieder als 3llufionen, »enn ihm über fie hinaus reinere, höhere «Jbeale innerlich fichtbar werben. So ift fein Wert unb Sbeale erjeugenbes Staffen immer »ieber mit Ent*

täufchung unb Sfepfis »erbunben, aber bafe er barüber nid)t ber Sfepfts

»erfällt, bafe er neben der STragif bes e»ig Unbefriebigtfeins bod) aud) bas ©lüd bes Weiter* unb fjöherfommens erlebt, bas be»eift doch

»ieber feine tief innere Venoanbtfchaft mit dem Sdealismus eines Kant unb gid)te. ©enn jenen tragifdjen Wiberftreit altes menfchlichen ©eiftes*

lebens 3 »ifd»en bem mtenblichen 3iel unb ber immer nur enblichen Sei*

ftung, an dem Stieftfches dämonifche Künftlernatur fo tief litt und den er jo plaftifch bar 3 uftelten »ufete, hat Kant fchon flar erfannt unb in feiner 2lrt nüchtern unb abftraft formuliert in feiner Sehre oon ber „tegula- ti»en" Bebeutung ber 3bee unb bem progressus infinitus (bem un = enbtidjen §ortfd>ritt) in ber 5lid)tung auf bie 3bee.

12«

(20)

1 7 0 © i n n b e s S e b e n s / g u t ( E i n f ü h r u n g i n b i e h i I <> f » P h i e

© inn bes £e6<ms

g. 9Rat)en-gaIf.

3öas biefes Safein tieffter (Sinn wohl fei?

O @eele, bu foüft werben f r oh unb frei , grei oon ben geffeln, bie bid> hier noch binben, Onbem bu lernft, bid> f e l b f t j u ü b e r w i n b e n . Su follft im K a m p f e beine K r ä f t e f t ä h l e n,

3öie ©olb im geuer bich bem 2 e i b oermähten, 3n S i e b e b i e n e n b anbern g r e u b e bringen ilnb fo bes Sebens Krone btr erringen!

3ur ©mfüljrung in 5ic ,’Pf)Üofopf)fe

IV . 3ur @fhif: unb Cebensfmn

2

ln jeben namentlichen Sölenfchen tritt einmal bie grage nach bem ©inn bes Bebens heran. ©ie ju beantworten, bieten fid; awei — toefenfltcf) »erfchtebene — 9Bege. Ser eine ift uns allen certraut: ber metapljpfifrfje. 3Bir haben ihn fc£on in ber

©<$u(e im Sleligionsunterricht fennengelernt; er würbe uns ba als ber einjig mög- lidfje geroiefen. ©o enthält j. B . ber Eatfjolifche Katechismus, ber jur Unterwerfung ber Kinber bient, bie grage: „SBoju ift ber SKenfch auf (Erben?" — (Es ift bies, anbers formuliert, bie grage nach bem ©inn bes Sebens, bie auch bie tiefften phiiofophifchen Senfer befchäftigt. — S ie 2lntwort aber lautet bort:' „S e t SRenfd) ift auf (Erben, um

©ott ju erfennen, ihn ju lieben, ihm ju bienen unb baburct) in ben §tmmel ju fom=

men." Siefe Slntroort gilt nicht nur für Ktnbcr. Unb fo gibt es auch heute nod) »iele Philofophifch gefaulte SRenfchen, bie nicht etwa nur aus reltgiöfer ©laubensüberjeu=

gung, fonbern auch aus phiiofophifchen ©rünben an biefer metaphpfifchen Söfung bes uralten Problems fefthalten.

Sod) warum bezeichnen wir biefe Söfung unb ben 5Beg ju ihr als „metaphpftfeh"?

Unfer „Slletapbpfif" oerftehen wir jenen Seil ber 'Philofophie, ber oon ber Süufgabe beherrfdht ift, bie ©efamtwirtlichfeit möglichft umfaffenb unb tief burch men[d)iiches 3lad>benfen ju ergrünben, währenb bie Sljeologie basfelbe unter Berufung auf eine

„göttliche Offenbarung" oerfucht. 33on einer „chrifflidjen" ?Pf)ilo[opf)ie — unb infonber- heit 3Retapt>pfif — fann man infoweit reben, als bas philofophifche Stachbenfen bod) tatfächlich unter bem mehr ober minber bewußten (Einfluß bes djriftlichen ©laubens fich entwidelte unb in bet Übereinftimmung feiner (Ergebniffe mit ben firchlidHheo- iogifdhen Sehren eine ©ewähr feiner Stichtigteit erblidte. S ie h'er gebotene 3lntwort auf bie grage nach bem ©inn bes Sebens ift baburdj als „metapbpfifch" gefennjeidjnet, baß fie aus ber „9Birflid>feit" abgeleitet wirb. Siefe 9Bir!lid)feif foll nämlich weit mehr umfaffen, als bie „(Erfahrung", aufgebaut auf bie SBahrnehmungen, uns bietet.

Ser tieffte ©runb ber 3Birflid)feit foll ein göttliches, nach Sinologie bes SKenfchen- geiftes ju benlenbes, ihn freilich an 33oll!ommenheit unenblid» überragenbes 9Befen fein. Surch biefes foll aud) ber ©inn ber SBelt überhaupt wie bes SRenfchenlebens feftgefeßt fein. Sieben unb über ber Befeliaung ber ©efchöpfe foll er in ber „(Ehre"

©ottes beftehen. Sabei hat fid) biefer Begriff, bei bem man urfprünglich wohl an bie äußere (Ehrung eines übermächtigen f)errjd;ets bad)te, einer weitgehenben Verinner­

lichung fähig erwiefen bis ju bem ©ebanlen hin, baß bie unermeßlidhe getftige 333ert- ffille, bie bas SBefen ber ©ottheit ausmad;c, gleichfam überfließe unb fich fo äußere unb oerfchenfe in ben 3Bunberwerfen ber Schöpfung.

Sie ©runbgebanfen biefer chriftlichen SRetaphpfif unb ihre Seutung bes Sebens- finns finb nicht nur in ber firchlich beeinflußten, insbefonbere ber [cholaffifd;en '■philo- fophie bis heute feftgehalten worben, fie werben auch »on ben Begrünbern ber fo*

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