Ko lkisissNasse
16..l.F.JahrgangLehmanns 1941Verlag,sMünchen-BerlinHeft6Juni Norbert Welhoborsky:Familie und Volk in china
In der Zusammenfassung seinerGedanken über Staats- und Sittenlehre schriebder chinesische Denker und Philosoph Kung-Fu-Tze (Konfuzius,
551—478 v. Chr.): ,
»Istdas WesenderDingeerforscht,dann ist dasWissen vollständigausgebildet; istdasWissen vollständig ausgebildet, dann sinddieGedanken wahr; sinddie Gedanken wahr, dann istdasHerz untadeligz istdasHerzuntadelig, dann istdasIch ausgebildet; istdasIch ausgebildet, dann istdie Familie inOrdnung; istdieFamilie inOrdnung, dann istderStaat geregelt;sinddieStaaten ge- regelt, dann herrschtinderWelt Eintracht und Friede.«
WofindenWirsonst nochinderartiger Gedanken- schärfeundinzwingendem Aufbau dieTatsache fest- gelegt, daß sich
aus der Vervoll-
kommnung des
eigenen Ich die Vollkommenheit von Staaten, ja einer ganzen Welt entwickeln könn- te? Sicher ent- sprachen dieseGe- dankendesgroßen chinesischenDen- kers den hOhen Zielen der dama- ligen Zeit,wenn- gleich sieden An- forderungen der Gegenwart na- türlich nicht mehr inallen Punkten gerechtzuwerden vermögen. Zwei- fellos aber sind sie Zeugen eines edlen Bekennt- nisseszum Volks- tum einer sittlich reifen und hoch- stehenden Rasse.
AufGrund dieseruralten Erkenntnis ist seit Jahr- tausendendiesoziale Einheit desChinesen nichtder Einzelmensch, sonderndie Familie, worunter all- gemeinder ganze Stamm (Sippe) verstanden wird, an dessen SpitzederFamilienälteste steht.Ein solcher Stamm läßt sichmit einem richtigenkleinen Staat,
Abb. I.Junge chinesische Familie: DieEltern, diebeiden erstgeborenen Kinder und dieMutter des Mannes
mitallen verwaltungstechnischen und sogar richter- lichen Aufgaben, vergleichen.Bekleidet nach außen hindasFamilienoberhaupt diehöchsteMachtstellung, sowirddieMacht selbst dochwiedervom Familienrat, also durchdieGemeinschaft allererwachsenenmänn- lichen Familienmitglieder ausgeübt; der Familien- älteste ist gleichsamdasausübende Organ, während Beschlüssevon Wichtigkeitvom Familienrat gefaßt und indieWirklichkeit umgesetztwerden.
Es ergibt sich somiteineRlarstellung des weit verbreiteten Irrtums, wonachinChinadasFamilien- systemderHeranbildung desEinzelwesens aus sich selbst heraus hinderlich sei. Rung-Fu-Tze sei auch hierwieder Zeuge;er brachteinseiner ,,Schule der großen Gelehrsamkeit«die alte chinesische Ansicht tressendzum Ausdruck, wenn ermeinte:
»Die Alten,die dasHeilder gan- zenWelt erstreb- ten,ordneten zu- erst ihr eignes Staatswesen.
Gutregierte Staaten hängen vom wohlgeord- neten Familien- wesen ab, das wieder von der Selbstentwick- lung der Indi- viduen abhän- gig ist.«
«
Wie wirkt sich nun dieStellung des männlichen
Familienober- hauptes tatsäch- lich aus? Im inneren Leben der Sippe be- schränktsichder Ältesteauf die Erfüllung der Pflicht, den Le- bensunterhalt für denStamm zusichernund aufdieDurchführungder PflegedesAhnenkultes. DieBetreuung derMinder- jährigenaber und dieOrdnung der Eheangelegen- heitenderKinder obliegtderMutter, die imAnsehen aufgleicher Stufe wieder Vater steht;ihr giltim Leben diegleiche Achtung, imTode dieselbe auf-
DekVerlagbehältsichdasausfchlielzliche Rechtdei-VervieliältigungundVerbreitung derindieses-Zeitschrift ZumAbdruck gelangenden Okiginaldeiträge vor-.
VolkundRasse.Juni I94I. ll
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richtigeTrauer. Von den Beschränkungender Be- wegungsfreiheit der chinesischenFrau macht man sichinEuropa meisteinfalsches Bild,weilman nicht weiß, daß sie selbstauferlegt sindund nur ihrem eignen Schutzedienen. Steht außerhalbdesHauses der Familienälteste obenan, so istdieHauptfrau im inneren GefügederSippedieunumstrittene Herrin, auchüberetwaigeNebenfrauen.
Der Ahnenkult istaus dem Familienleben nicht wegzudenken, zumaldurchihn Gegenwart undVer- gangenheit verbunden wird. Die Verehrung der Ahnen garnichtoderauchnur lässigdurchzuführen, giltinden chinesischen Sippen auch heutenochals einVerbrechen. Eine Seele,dienicht mehrverehrt wird,verliert nachdeneinheimischenBegriffen ihren Ewigkeitswert und giltals verloren; unstet und flüchtigirrt sie im Geisterraum ohne Daseins- berechtigung umher.Von diesen Gesichtspunkten aus betrachtet dient der Ahnenkult nichtetwa dazu,das Leben an denTod zufesseln, vielmehr erziehterzur VorschauaufdieZukunft. Erstellt auch keineswegs eine Uberhebung dar,sondern istderAusdruck einer rein menschlichen Verehrung, die Tod und Ver- gessenheit überwindet,dabeisichimmer deskämpfe- rischenSchicksalsdesalso verehrten Ahnen bewußt bleibend. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft werden durchden Ahnenkult zueiner Einheit zu- sammengeformt, zu einemreinmenschlichen Glauben, der jedeReligion zuersetzen wohl inder Lageists
Der Mittelpunkt jeder Sippe istdie Ahnenhalle als das Heimdesältesten Vorfahren, von dem der Stamm seine Herkunft ableitet. Neben ihrim Unter- stellungsverhältnis stehenkleinere Ahnenhallen, die von den einzelnen Stammesfamilien selbstunter- halten werden. In ihnen liegtdas Familienbuch
Abb. g.Ähnenhalle, davor das Räuchergefälzaus Bronze
Volk-Null- ist-I
aufbewahrt, indem diekurzeGeschichteder Vor- fahren bis zum Stammvater aufgezeichnetist.Wie ernstdiese Niederschriften genommen werden, sei durchdieTatsacheerhärtet, daßdieBehördendiese Bücheralsrechtsgültige Grundlagen desZivilstandes fürdas einzelneFamilienmitglied anerkennen. Also nichtetwa der Staat oder dieOrtsbehördesind für dieRegistrierung von Geburten, Todesfällen, Ehe- schließungenoder Scheidungen der Allgemeinheit gegenüber verantwortlich, sondern das Oberhaupt derFamilie allein,dassichbeiseinen Eintragungen derWichtigkeitdieser Handlung bewußt ist.In der Ahnenhalle habenalle Sippenangehörigendieselben RechteundPflichten;wiedenn dieUberwachung der Innehaltung altüberlieferter Gebräuche oder die Sicherstellung der geldlichen Unterstützung minder- bemittelter Angehöriger ihnen allen zur Aufgabe gemachtist.DieGesetzesvorschriften fürdasgesamte Leben der FamilienmitgliederwieauchdieStrafen fürden FallderUbertretung findenwir gleichfalls in derAhnenhalle niedergelegt. DieEinhaltung der GesetzeunddieBeobachtung derpflichtenwird vom Familiengericht überwacht.Selten nur, daßeine Gesetzesübertretung durchein beamtetes Familien- mitgliedvor den zivilen Richtergebracht wird, ein derartiger Fall würde nur Schande auf die Sippe werfen. Seine Aburteilung erfolgt durch den Fa- milienrat, derauch Streitigkeiten derStämme unter- einander schlichtet,wobei dieumstrittene Angelegen- heit ofteinesachlichere Beurteilung findetalsvor dem äußerenEinflüssen zugänglicheren Richter.
Dieses Verfahren hat natürlichnur beiden seit Jahrhunderten erdverbundenen, ortsansässigen Sippen Berechtigung; und es hat nur infriedlich-ruhigen Zeiten,aufdie dieLebensauffassung deschinesischen
Abb. S.Grabmal eines Generals WU(etwa800n.d.th.)
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Abb. 4. Gartenhäuschen: Zur Wohnstätte dersippe gehörenstets die Gärten dereinzelnen Kleinfamilien
Menschenüberhaupt mehr abgestimmt istals auf Kriegszeitläufte,Gültigkeit. Derartig weitgehende Pflichten haben entsprechendeRechte zur Voraus- setzung.Zurerdgebundenen Sippe gehört allgemein landwirtschaftlicher Grundbesitz, unveräußerliches Erblandzaus dessenErlös werden Zuwendungen inBodenerzeugnissen oderauch Bargeld an dieein- zelnenSippenangehörigenverteilt, denen sodienot- wendige Lebensgrundlage gegebenist.Vom sech- zigsten Lebensjahr ab erfahren die Zuweisungen, gewissermaßenals Anerkennung fürdieErreichung dieses Alters, eine Erhöhung; nichtmit Unrecht darfdiese MaßnahmealsErsatzfürdieAltersver- sorgung angesprochen werden, deren organisatorische Verwaltung seit UrzeitendenSitzin derAhnenhalle derSippe hat.
MußinNotzeiten oderaus sonstigen, unumgäng- lichenGründen einStück Land verpachtet werden, soberät auchhierüberder in der
Ahnenhallezusammengetretene Fa- milienrat. Landstücke, auf denen Gräbervon Vorfahrenliegen, dürfen nurmit Zustimmung aller männ- lXchenFamilienmitgliedervermietet werden. EineigenmächtigerVerkauf kann Verbannung desBetreffenden nach sich ziehen;zur endgültigenAb- gabedesLandstückesaber wird sich der Chinese nur inden seltensten Ausnahmen entschließenkönnen, wobei ersichzummindestenein Rück- kaufsrecht vertraglich sichern läßt.
Zum weiteren Pflichtenkreis des Familienrates gehört die Ermög- lichungeines geregelten Unterrichts fürdieKinder, eine Aufgabe, die besondersinentlegenen Ansiedlungen
vorbei-i welkoborskg, Familie und vol-iinklian III
nicht einfach zulösen ist. Allgemein wird ihr durch AnstellungeinerLehr- kraft,unter Umständen auch füreine nur geringe Rinderzahh Rechnung getragen, wobei dieSippewieder die geldlichen Aufwendungen für alle trägt, so daßderSchulbesuch fürdie einzelnen Kinder des betressenden Stammes kostenfrei ist. Oft können nichtalle Iugendlichen, nachdem sie inihrem Heimatsort dieGrundbegrisse erfaßt haben, aufeiner entfernt ge- legenenhöheren Schule weiterlernen.
In diesem Falle stattet man einun- gewöhnlich begabtes Kind miteinem Familien-Stipendium aus, um ihm einrichtigesStudium zuermöglichen, aufGrund dessenesspätereineöffent- liche Stellung erringen und soder Familie wiedenAhnenEhremachen kann. Denn in diesem eigenwilligen Lande werden Titel und Auszeich- nungen nichtauf dieNachkommen, sondern auf die Vorfahren über- tragen. Das magauchdieErklärung dafür abgeben, daßderChinesekeinen erblichenAdel kennt, wohlaber einEmporkommen durchpersönliche Verdienste.
Dieser patriarchalischen Verfassung entspricht die chinesische Siedlungsform: dievon einer Mauer um- schlossene,von der Außenwelt abgeschlossene große Wohnanlage der SippeumfaßtdieHäuserder ein- zelnenRleinfamiliem zudenen stetseinzierlichan- gelegter Kunstgarten mit Gartenhäuschen gehört (Abb. 4). Hier,inHausund Garten, spielt sichdas Familienleben ab. Inmitten der gesamten Wohn- anlage liegtdiegroße Ahnenhalle, vor deren Ein- gang gewöhnlich bronzene Räuchergefäße stehen (Abb.2). Der ausgeprägteFamiliensinn deschine- sischen Menschenkommt auchdarin zum Ausdruck, daßdie Verbindung mit solchen Angehörigen der Sippe, dienicht innerhalb der Sippengemeinschaft leben,sondern sichaus beruflichenGründen ananderen Orten niederlassen mußten, nicht abreißt. Ia selbst
Abb. 5.chinesische Landschan Purpurberge beiNanhing llV
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die im Ausland verstorbenenAngehörigenderSippe werden in dieHeimatüberführt,um aufdemGrund undBoden derSippe beigesetztzuwerden: Nur da findet ihreSeele Ruhe, nur daden Frieden. Und so heilig sinddieGräber derAhnen (Abb. 3), daßnie wieder der Pflug über dieErde gehensoll,in der einAhne ruht.Selbstdann nicht,wenn dasGrabmal längst verfallen istunddieUberlieferung abgerissen ist.Es genügtzuwissen,daßan einer Stelle ein Ahnengrab war, um sie unantastbar zu machen.
Das bringt es freilichmit sich, daß fasteinDrittel deschinesischenRulturbodens brachliegt.DieAhnen- verehrung, diesonst so lebenförderndist,wirkt sich indieserHinsichtalsHemmnis aus, dochmag dieses Ubel gering erscheinenneben dem großen volks- biologischen Wert der chinesischen Einstellung zur Familie. Sie hatdiekulturtragenden Familien vor dem Aussterben bewahrt, da esdie größte Sorge des chinesischenMannes ist,die Ahnenreihe nicht abreißenzulassen.Derheutige Minister Rung-Hsian- Hsi istderNachkommedesRung-Fu-Tze in deretwa 75.Generation; dasisteinefür europäische Verhält- nisse unvorstellbare Familientraditionz zumVergleich magman bedenken, daßuns nur 30 Generationen von derZeitKaiserOttos I.trennen; und wie wenige Familien können ihre Tradition bis zu jener Zeit hinführen!
Wohnen mehrere, verschiedene Sippen ineinem zusammenfaßbaren Landbezirk, sobildet sicheine Dorfgemein schaft,unddieFamilienältesten treten als Dorfälteste auf, übernehmendielokale Verwaltung, einschließlichdereingerichteten Schulen unddieAuf- gabendersFürsorgefürdienichtvon ihren Familien
Volk-Halle ISIIl
betreuten Verarmten, deren es heuteweitaus mehr als in vergangenen Zeiten gibt. Dieselben Dorf- ältestenbilden aucheine Art Dorfgericht, setzenVer- handlungen an, sprechenUrteile und bringen nur seltene Fälleden Behördenzur Kenntnis. Die für denBezirk zuständigenBeamten handelndem Volks- empfinden gemäß richtig,wenn sie sichmitdenDorf- ältesten,diegewissermaßendasBindeglied zwischen Dorfgemeinschaft und Staatsgewalt bilden, gut stellen;die Beamten müssen alsodem Rat derAlten genehm sein, besonderswenn sie selbst erstmittleren Alters sind. Diesefamiliäre und patriarchalische Zwischen schaltung bewährt sich allerdings nur in länd- lichen Gegenden; inStädten, besonders aberin den großeninternationalen undwestlichem Einflußunter- liegenden Hafenstädtenkennt man einederartig weit- gehende Selbstverwaltung naturgemäß langenicht mehr. —
Bewußt geschaffenund zugleichaus unbewußten rassenseelischen Wurzeln erwachsenwirkte diepatri- archalische Familienverwaltung wieein Schutzwall fürdas chinesische Volk,und Mischehenmit Ange- hörigenanderer Rassen gehörtenin denalten Sippen zu den Unmöglichkeiten. Daß hierin Lockerungen eintraten und solche Verbindungen eingegangen wurden, mag wenig ins Gewicht fallen, dasienur als Ausnahmen zu werten sind. Eine Bindung zwischen Angehörigen der weißenund der gelben Rasseläuft nur seltenglücklichaus. Der Grund dafürmagnichtnur in derblutsmäßigen körperlichen Gegensätzlichkeitzusuchen sein, sondern auchinder rassenpsychologisch bedingten, himmelhoch unter- schiedlichen Auffassung vom Alltagdes Lebens.
Anfchr. d.Verf.: Berlin-Wilmersdorf l, Stenzelstr. 4l.
Gerhard Hennemanm
Raste Und Mathematik
"Bereitsrassische GebundenheitimJahre 1923hatauchTheodordesmathematischenVahlen die Schaffens herauszustellen und die Verwurzelung derMathematik (vonderman es,dasie üblicherweise als »wertfreie« Wissenschaft betrachtet wird, am wenigsten annehmen sollte)imBoden des Volks- tums nachzuweisen versucht.Dervor rund 12Jahren gestorbene große Göttinger Mathematiker Felix Klein, »der vielleichtals letztergroßer deutscher Mathematiker von nordischer Prägungundklassischer Universalität gelten kann, und beidem vielleicht dieUrgestaltdieser königlichen Wissenschaft nochin einer gewissen Reinheit sichtbarwar«1), gabdem bekannten vor Jahresfrist verstorbenen Marburger Psychologen Jaensch selbstdie Anregung, den ,,psychologischen Vorbedingungen des mathemati- schenDenkens und deren individueller Verschieden- heit«2) nachzuspüren.Und neuerdings hat Ludwig
1) WilhelmMüller, ,,Judenrum und Wissenschaft« (Leipzig19z6),
S.46f— ,
2) F.Klein, Gesammelte mathematische Abhandlungen Band II, S.238X239.
Bieberbach in einemVortrag, deneram l9.Juni 1939 inder Universität Heidelberg gehalten hat, die völkische Verwurzelung der Wissenschaft, ins- besonderederMathematik, klarund übersichtlichdar- gestellt«"").Auch Spengler hatte zum mindestenin der Problemstellung nicht unrecht, wenn er von einer Stilkunde derMathematik, physik usw.sprach, so manches daran beiihm sicher hypothetisch und übertrieben ist.ImGegensatzetwa zudem»statischen« Charakter dergriechischen Mathematik istdieMathe- matik desmodernen Abendlandes ,,dynamisch«(was aber zunächstden Inhalt dieser exakten Disziplin, wie imnächsten Abschnitt deutlich wird, nichtbe- rührt); daßdazu der ,,statifche«Stil derklassischen Architektur und der ,,dynamische«Stil der Barock- architekturparallel läuft, worauf Müller-Freien- felsmitRecht hinweist 4),kannnicht bloßer ,,-Zufall«
s)ImDruckerschienenalsS. Abhandlung desJahrganges 1940der
»Sitzungsberichte derHeidelbergerAkademiederWissenschaften«(Makhe, matifch-naturwissenfchaftliche Klasse).
4) Richard Müller-Freienfels, ,,psychologie der Wissenschaft«
(Leipzig19Z6),S.68.
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sein.Esgibt also auchin derMathematik (und nicht nurin derGeisteswissenschaftund Philosophie, für diesichdasleichter nachweisen läßtundinmannig- fachen Versuchen nachgewiesen worden ist) typisch nationale und zeitgeschichtlich bedingte Stile. So wollen einige Autoren, um ein(meiner Ansicht nach allerdings auf die Sache nichtganz zutreffendes) Beispiel zu nennen, der Insinitesimalmathematik von LeibnizimGegensatzzuNewton, derbekannt- lich dasselbeGebiet fastgleichzeitigbearbeitet hat, dieZüge spezifisch deutscherKultur anmerken.
DieMathematik hatesbekanntlich mitErkennt- nissenvon unbestreitbarer Wahrheit und apodik- tischerGewißheitzutun. IhreUrteile sind allgemein- gültig.Soistz.B.dasUrteil: dreimaldreiistneun für jeden vernünftigen Menschen unbestreitbar wahr.
Es isteinobjektiv-normatives Urteil. Dasselbe gilt von allen mathematischen Sätzen und Urteilen, deren Wahrheitsnorm völligimObjektverankert ist.
Es scheint alsoderInhalt derMathematikvon der Struktur des Denkens des Mathematikers unab-
hängigzu seinund dieMathematik inhaltlich überhaupt nicht in die rassisthe Betrachtung ein-
bezogenwerden zu können;eine Ansicht,dieun- eingeschränkt auchvon namhaften Mathematikern undNaturwissen schaftlern noch heutevertreten wird.
Die Wissenschaftsgeschichtezeigt indessen, daß große Mathematiker über ihre Wissenschaft ganz verschiedenerMeinung waren und ein verschiedenes Wissenschaftsideal vertraten. Dieeinen betonen mehr dieAnschauung, die anderen mehrdasBegriff- licheauf dem Gebiete der Mathematik, wobei die Geometrie die anschaulichere,die Arithmetik die begrifflich-abstraktereSeite derMathematik darstellt.
Zu den ersteren gehörtder schon erwähnte Felix Klein. Er schreibt: ,,Indem ich fürdas Rechtder
Anschauungim Gebiete meiner Wissenschaft kämpfe, will ichdieBedeutung der logischen Entwicklung keineswegs hintansetzen. Nur dafindetdieMathe- matik nachderAuffassung,dieichvertrete, ihrevolle Geltung, wo beide Seiten nebeneinander zur Ent- faltung kommen«5).Ebenso treten Carl Friedrich Gauß und David Hilbert fürdas Recht derAn- schauunginnerhalb der Mathematik ein. Letzterer schreibt:»Auch heutekommt demanschaulichenEr- fassenin derGeometrie einehervorragende Rolle zu, undzwar nichtnur alseiner überlegenen Kraft des Forschens, sondern auchfürdieAuffindung Und
Würdigungder Forschungsergebnisse«6). Gegenüber dtefenAuffassungendeutscher Mathematiker vertritt der größtefranzösischeMathematiker der Neuzeit, HenriPoincar6, eineganz andre Ansichtüberseine Wissenschaft,wenn er in echt französischerDiktion
schreibt:,,Alles,was nichtGedanke ist, istdasreine Nichts...Der Gedanke istnur einBlitzineiner langenNacht.Aber dieser Blitz ist alles«7).Das er- innert an Pascals Ausspruch: pensöefait Ia glan- deur dePhomme (DasDenken istes,das dieGröße desMenschen ausmacht).DerdeutscheMathematiker S51)2«älahresberichtderDeutschen Mathematikervereinigung BandVII,
«
6)AnschaulicheGeometrie,S.V.
7)H. POincar6, DerWertderWissenschaft, DeutscheAusgabevon H.Weber, S.209.
Sei-lind nennemqmy Rasse undmathematilk
Karl Weierstraß betont die überwiegendeBe- deutung desDenkens inseinem Fache, ohne jedoch dabei das anschaulich Gegebene als unwesentlich zu übersehen.— Schon Poincarä trennt den ,,Geometer«vom ,,Analytiker«,wobei sichdiean- schaulicheArt der Geometer ,,nicht bloßin ihrem wissenschaftlichen Verhalten, sondern auchinder ArtderRede,in derMimik, ja selbstinihremAuße- ren«8) nachweisen lassensoll.Zum anschaulichen Typus des Geometers rechnet er außer F.Klein
Riemann und den norwegischen Mathematiker
Sophus Lie, zum abstrakten TypusdesAnalytikers dagegen außerdem Deutschen Weierstraßden fran- zösischen Mathematiker Meray und dierussische Mathematikerin Sonja Kowalewski. Ähnliche Gegensätze liegen übrigensbeiIungs extravertier- ten undintrovertierten Typen vor.
Wir haben also zweipole kennengelernt, zwischen denen die Wissenschaftsauffassungen der Mathe- matiker schwanken: einmal überwiegtdasinhaltlich Anschaulicheund das andere Mal dasabstrakt Ge- dankliche. Zugleich habenwir an denwenigenBei- spielengesehen, daßindieser Hinsichtdie natio- nalen Gegensätzerelativ belanglos sind,wenn- gleich (worauf das Beispiel Poincarö hinweist) sich gewissenationale Unterschiede,wenn auch nichtim Sinne einerstrikten Gegensätzlichkeit,doch anzudeuten scheinen.Es entsteht die Frage, welcheder beiden geschilderten Auffassungen ,,richtig« istund wiesich dieverschiedenenAuffassungen erklären lassen. Henri Poincarö führt sie (underhatdamit wohlRecht) aufverschiedene geistige Veranlagungen der Mathe- matiker zurück.Wie vor allem Iaensch9) nach- gewiesen hat, besteht zwischenderallgemeinen Per- sönlichkeitsstrukturundder Artung der mathemati- schen Tätigkeitein enger Zusammenhang. Dabei muß aber ausdrücklichbetont werden, daßdie exakt- experimentellen Forschungen überdiesen Zusammen- hang, welchedieGrundlage füralles Weitere bilden müssen, nochin denersten Anfängen stehenunddaß man über die Feststellung des Tatsächlichen noch kaum hinausgekommen ist.Man kann daher vor übereiligen Folgerungen, die leideroft—- und zwar meistvon Unkundigen—- gezogen werden,nichtein- dringlichgenug warnen. SchonFelixKlein schreibt dazu, nachdem er die anschauliche und die rein logischeArt inderMathematik geschildert hat,sehr treffend: »Ich bitte, diese Angaben nichtals eine Erklärung, sondern als eine Schilderung tatsäch- licher Verhältnisse aufzunehmen. DerMathematiker kann nicht mehr als durchSelbstbeobachtung die Eigenart des imeinzelnen Fallstatthabenden psy- chischen Vorganges konstatieren. Vielleicht werden wir überdienäheren Beziehungen ...eines Tages von derphysiologie und derexperimentellenPsycho- logiegenaueren Aufschluß erhalten«10).
Iaensch unterscheidetnun inseiner Typenlehre, dieermitRecht,dasVerhältnisderDurchdringung von Person undWelt damit meinend,Integrations-
8) RichardMüller-Freienfels, a.a.O» S. 68f.
9) S.E.R.Iaensch-F. Althoff, Mathematisches Denken und Seelenform. LeipzigI939.
lo) F.Klein, Gesammelte mathematische Abhandlungen Band II, S.238X239.