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Die Zukunft, 12. Januar, Bd. 34.

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Academic year: 2022

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Berlin, den 12.Januar 1901.

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Preußenfeier.

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preußischeLandtag istnachlanger Pausewiederversammelt,ersteht ausdemnoch länger schonleerenStuhldesMinisterpräsidenteneinen neuen,unverbrauchten,behendenMann undinseineSäle dringteinEchodes festlichenLärms, der dieJubelfeierderpreußischenKönigsmachtankündet. So wirdinPreußendennendlichwieder einmalvonPreußengesprochen.Eswar wirklichauch höchsteZeit. Jahre lang hörtenwirnurvonderZukunft,dieaus demWasser liegt,vonderNothwendigkeit,Schiffezu bauen,vonexpansiverPo- litiknachgrößerbritischemMuster. Das schnelleSteigenderBevölkerung- ziffer, hießes,zwingegebieterischzu einerVerbreiterungdesdeutschenWaaren zugänglichenAbsatzgebietesund«zurSicherungneuer Heimstätten,indenen, fernvonEuropenszu enggewordenenGrenzen, deutscheMenschenunter dem SchutzderdeutschenFlaggelebenundihrerKinderZukunft bestellenkönnen.

Dasmagsfalschoderrichtig sein: jedenfalls enthebtderWunsch des Reiches, einesTagesdasErbe der einstweilennochmächtigstenHändlernationanzutretem denstärkstenBundesstaatnichtderSorgeumdeneigenenBestand.Undwenn man steht,wie dieWurzelderpreußischenKraft allmählichverdorrt, wie,von keinemfestenSchutzwall rechtzeitiggehemmt,dieSlavisirung vorschreitetundvon demhalb schondemDeutschthumverlorenenOstenbis weit in denWestenhinüber- greift,dannsteigtdräuend dieErinnerungandieZeitFriedrichs,desersten Preußenkönigs,aus,derdenSchein höherschätzteals dasSein und,währender, UmseinsürstlichesAnsehenzufördern,sichin alleHändelder damals noch kleinen Weltmengte,denjungenStaat seinesVatersverkümmernließ.Wer- densotrübeErinnerungennun weichen?KeineThronredekann, magste- den leidendenProvinzenauch erhöhteDotationen versprechen,daraufdieAnt-

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wort geben.ObHerrvonMiquel wirklich geht, HerrvonRheinbabenoder HerrvonHavensteinFinanzminister,derGeneralmajor BuddeoderderGene- ralvon Podbielsli MinisterderöffentlichenArbeitenwird:Das magdie Be- amtenschastinteressiren,imRessortvereichnützlichoderschädlichwirken;Preußens Geschick wird, wieheutedieDinge liegen, nicht durch Personalveränderungen entschieden.Wohl dürfteman vonmodernen Menschen mehr hoffenalsvon denHerren Thielen, BreseldundHamm·erstein;aber eine Kulturvolitikgroßen Stils ist erst zuerwarten wenn, überall,imSchloßwie imParlament,der GlaubeEinlaß gesundenhat,daßPreußens Verwaltung rückständiggeworden istundvorjederungewöhnlichenAufgabeversagenmuß. Der Staat,derJahr- zehntelangvondenpolitischenGedanken der SteinundNiebuhr, Eichhornund Savigntx GneisenauundBinckegelebthat,kannohneKruppkanal,aber nichtohne eineModernisirungseines gesammtenInventarsgedeihen.DerneueMinister- präiidentwirdnochkaumZeit gehabthaben,dieBedürfnissePreußenskennen zu lernen. Sonstwürdeersicherbedauern,daßFrau Borussiagezwungenwar, sichbei derSäiularseierderKönigsmachtimabgetragenenKleidezuzeigen.

AlserdiePolitikderBonapartesderdesHauses Hohenzollernver- glich, hat Treitschke gesagt: ,,Preußenalleinunter allengroßenMächten besitztProvinzenimvollen Sinn, die, derStaatsgewalt unterworfen, dennoch durchStammesart und historischeUeberlieferung ihre Selbständigkeitbe- haupten.Währenddiestrafse Centralisationdesenglischen, französischen, russischenStaates nur Verwaltungskörperzu ertragenvermochte,Oesterreich dagegen,bei demMangeleinesherrschendenVolksthumes, seinenKronländern einegefährlicheUnabhängigkeiteinräumenmußte,hieltdiePolitikderHohen- zollerneineglücklicheMitte ein. SiebeugtendieProvinzenunter die all- gemeinen Staatspflichten, verfuhrenimUebrigenabermitNachsichtgegen diealthergebrachtenInstitutionen der Landestheile.«Das Lobwar nicht unverdient. JndendreißigJahrenaber, die,seitesgespendetwurde,ver- strichensind, hat sichManches geändert, undheutehörtman immerlauter dieKlage,derApparatderProvinzialverwaltungseinicht mehr brauchbar, dasMaßderSelbständigkeitnichtmehr ausreichend. Besonders vernehmlich sindsolcheKlagenandengefährdetenPunkten,indennational undwirth- schaftlich bedrohtenOsimarken.Das Polenthum soll zurückgedrängt,der Wohlstandderdeutschen BevölkerungdurchHeranziehungneuer Industrien gemehrt,eineGentrh geschaffenwerden, die,selbstwenn dieEntdeutschung desProletariates nicht mehrzuhindern ist, sozial starkgenug wäre, die Verslavung aufzuhalten. »HebungdesOstens««:soheißtdas Programm, zu demmancher MinistersichbeimvollenGlas manchmalbekannthat.

AberdieSache geht nichtvorwärts. Hier fehltesanGeld, dortanStaats- austrägenfürdiemühsam herbeigezogenenneuen Jndustrienz nochimmer

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Preußenfeier, 51 wirdüber dieWohnungnoth,die veralteten FormendesKreditwesens, die schlechtenEisenbahnverbindungengejammert.EswärediePflichtderRegirung, zunächstdiewichtigstenBedürfnissedesOstenszubefriedigen,ehe sie daran denkt,ingünstigergestelltenLandestheilendieVerkehrsmittelzubessern,eine Pflicht einfachster Klugheit,keinenStaatsauftrag,derimOstenausgeführt werdenkann, in einenanderen Jndustriebezirkzuvergeben.Jn Berlinaber tvillman sich nichtindenGedankengewöhnen,daßdieOstprovinzenals einKolonialgebietzu betrachten sind,alsdasfür Preußens Zukunft wichtigste, unddaßalleverfügbarenMittelaufgewandtwerdenmüssen,um dieKolonien all derOder, Weichsel, WarthederdeutschenKultur zugewinnen.Undist wirklicheinmaleinMinisterzuernsthafterHilfeleistungbereitundentschlossen, dannerlahmt sein EiferbaldanderSchwierigkeit,denUnterstaatssekretär, denDezernenten,das ganzeHeerderBureaukratie demUnternehmengünstigzu stimmen. »Wir habeneinenHelfer,derunsnicht verläßt:diepreußischeBureau- kratie;siewirdmitunsnicht fertig«. Diese angeblichineinempolnischen

»Salon«gefalleneAeuszerungmacht jetztimpreußischenOstendieRunde. Sie lehrtuns, wieschweres,bei derKurzsichtigkeitmancher Bihördenundder MehrheitdesBürgerthums,feinwird, indemstillen Kampfums nationale Leben einen dauernden Siegzuerfechten.Denn nichtalleSchulddarfman denBehördenaufbürden;dieKennerdesOstens sind einigindemUrtheil, daßdieUebel,unter denen sie leiden, zugleichenTheilender Bureaukratie Und derJudolenzderdeutschenBevölkerungzuzuschreibensind,derleiderdie WiderstandskraftunddiepolitischeLeidenschaftderDeutfchböhmenvölligfehlt.

Unser BeamtenthumversäumtnichtetwaseinePflichtoderistgar bös- willig. Keineswegs.Die beidenOberpräsidentenvonWestpreußenundPofen sind ungewöhnlichePersönlichkeitenzrastlofen Fleißes, unermüdlicheAnreger, vonstarkerLiebezuderihnen gestelltenAufgabeerfüllt.Undunter ihnen dienen vieleMänner,die dasBestewollenundTüchtiges,manchmal Hervor- kagendes können. UnddennochgehtdieGeschichtenicht; nichtvonder Stelle.

DiePolenfragestelltebenaußergewöhnlicheAufgaben:sieist nochweitschwieriger Undkomplizirter,alsman gemeinhindenkt. Derferner Stehende übersieht dieNuancenzerglaubt,mitdenWorten »hieDeutsche,hie Polen« ließesich dieSachebezeichnenund erschöpfen.Aberwieim Polenthumeinetiefe KlUftdie kleritalund feudal gesinnte Aristokratievon derfreigeistig-demo- kkakischenBourgeoisieund denJntellektuellentrennt und wie jede dieser Schichtenund nebenihnender Klerusund dieBauernfchaft ganzdifferentielle Bel)andlungundganzbesondersvorsichtigeZügelführungfordert, so istauchdas DeutschthumderOstmarkendasGegentheileinerhomogenen Macht.Zwei Probleme erschwerenauch hierwiederdieSituation ungemein:dasagrarische Und dasantisemitischezsie sinddieHauptursache,daßdieDeutschenimOsten

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so zerrissenundzersprengt, somacht- undhilflos sind.Dielandwirthschaft- lichenKreisesind durch Jahrelangdauernde, latente, aber darum dochnicht minderheftigeinnereFehde gespalten; ihre Vertretung findenbeideRichtungen im Bunde derLandwirtheundimOstmaiken-Verein. DieNichtsalsagrarier stecken,sowirdihnenoft vorgeworfen,die nationale Flagge gewöhnlichindie TascheundhissensienurbeibesonderenGelegenheiten;denländlichenGrund- besitz, namentlichinPosen, beschuldigtman, erseidreimal agraxischund dann erst deutsch. Dafürkönnteerfreilichmancherlei Rechtfertigungsgründe geltendmachen: dietrostloseLeutenoth, traurige Verkehrs-undAbsatzverhält- nisse,dasewigeSchwankenderPolenpolitik,dassichaufdemLandenatürlich nochweitempfindlicherfühlbarmacht,undAnderes mehr.AberdieThat- sache ist da;mitihr mußderPolitiker rechnen. Diese unglücklicheSpaltung raubt demwichtigstenBerufszweigdesOstensjedeInitiativeundThatkraft.

UndwasdenAntisemitismusund diefürdieFörderungdesDeutschthumes unbestreitbar wichtigeStellungderJudenindenpolnischenProvinzen betrifft, sokönnte—- undmüßte—- man über diesenPunkt eigentlicheinganzesBuch schreiben.Washierin ausbeiden Seiten,beiChristenundJuden,imLaus derletztenhundertJahre gesündigtwordenist, würde eineeingehendeDarstellung erfordern.Der MangelanpolitischemSinn, anpolitischerBegabungund anhistorischerAuffassung,dieUnsähigkeit,zudifferenziren,die dasBürger- thuminDeutschlandvonje herundimganzenLanderGeschichteausge- zeichnethat, seiert heute im OstenwahreOrgien. Charakteristischist insbesondere dieseltsame FeindschaftdeutscherKreisegegen den Ostmarken-Verein,der, trotz manchen UnbesonnenheitenEinzelner, unvergänglichesVerdienstumdenpreu- ßischenOstenerworben undderniemalsauchnur einfeindsäligesWortgegen dieLandwirthschaftoder dieJuden gehabt hat. WasdieserVereinunddie hervorragendenMänner anseinerSpitze für PreußenunddiedeutscheSache geleistethaben:Das wirderstdieGeschichtezubeurtheilenundzurichten imStande sein«Esisteinenur inDeutschland möglicheErscheinung,daß Männer, die nieEhre für sich verlangt habenundderenStreben schonum seinerLauterkeitwilleninderZeitderSanden undSternbergAnerkennung verdient, bisjetzt fastimmernur bekämpftundbeschimpftwordensind. Doch herrschtinPreußen noch heutedie Autorität ; undnachdemendlichdieoffizielle Weltim OstensichdemOstmarken:Verein genäherthat, istdieMöglichkeit nicht ausgeschlossen,daß auchdiebreiterenSchichtenvondemgeradezukin- dischen,oft auchwiderbesseresWissenaufrechterhaltenenWahn sichlösen: der Hakatismus habedieGegensätzeimOsten erst verursachtoderdochverschärst.

DerH.K. T.-Verein warundist wirklichnur einsehrmildesundsanftes Gegenmittelgegen das mitderWuchteinesNaturereignissessich geltend machendePolenthum.EsisteinnichthochgenuganzuerkennendesVerdienst

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Preußenfeier· 53 der Leiter des Oftmarken-Bereins, ein Beweisihrer Objektivität,ihrer Ehren- haftigkeitundihrerHeimathliebe,daß sietrotz allemHaßundallerGegner- schaftnieaufgehörthaben,Freunde derLandwirthfchaftzu bleibenunddie unbedachtenAngiiffedesAntisemitismus nach Kräften abzuwehren.

UndindiesesTohuwabohunun, indiesepolitischeMisere,diezwischen völligerLethargieundphiliströserAngsimeiereieinherschwankt,istdaspreußi- scheBeamtenthumhineingesetzt,inallseiner KorrektheitundEhrbarkeit, seiner UmständlichkeitundSchwerfälligkeit.VomKulturkampf sagtBismarck in seinenGedankenundErinnerungeneinmal: »DerMißgriffwurde mirklar andem Bildeehrlicher,aberungeschickterpreußischerGendarmen,die mit SporenundSchleppsäbelhinter gewandtenundleichtfüßigenPriestern durch Hinterthürenund Schlafzimmer nachfctzten.«Mit entsprechendenVerän- derungenträfedasBildnoch heute Preußens VerhältnißzumPolenthum.

EineBehörden-Organisation,dieschonunter normalen Umständen,einer national-homogenenBevölkerunggegenüber,oftgenugversagt,die den Kom- plikationendesmodernen Wirthschaftlebensso wenig sich gewachsenzeigt, Muß natürlicherst recht versagen,woessichum große geschichtlicheVölker- ftagen,umdennational verschärften,imUebrigenurewigen Kampf zwischen KönigenundPriestern,um diefeinen Fädeninternationaler, römischerDi- plotnatiehandelt.Man mußesaufgeben,desPolenthums Herrzu werden mitdenhundertKautelen desheutigenBerfassungsiaates,mitKreis-und Bezirksausschüssen,mit dem ganzenApparat unsererBureaukratie undunseres Parlamentarismus JstderDeutsche ohnehin schonzurKolonisation herz- lich wenig geeignet, so istervöllig ohumächtighierzuinderdumpfen Luft unseresaltpreußischenLebens,woderChrist nichtmitdem Juden, der Re-«

girungrathnichtmitdemRichter,derRichtrr nichtmitdemOberlehrerund AllenichtmitdemKaufmann verkehrenwollen. In diese stickigeWeltmuß von allenSeiten mitallenerreichbarenAuffrischungmitteln hineingewettert werden;unddazu gehörtdennvorAllem,daßderSchneckengangbehördlicher Erwägungeneinerfröhlichen,raschenThatkraft Platz macht.Beiderjetzigen OrganisationerliegendieleitendenPersonenimOstenderUeberfülleeiner Tagesarbeit,diesie stündlichermüdetundlähmt.UnddazudieseOhnmacht gegenüberderallmächtigenCentralbureaukratie,wieBismarck sienannte, die über jede BagatelleBerichtefordert undnachderheutigenVerfassungfordern muß.

Ueberhauptwirdjabei derKritik unserer innerenZuständeviel zuhäufigüber- sehen,daßkeinMenschinleitenderStellung, namentlichkeinMinister, für irgend EtwasmehrordentlichZeithat, esseidennfürdasParlamentund parlamentarischenKrimskrams. Höchstensfür kurze Stunden, miteinem gewaltsamen Ruck, meistinFolgeeinesäußeren Anlasseswendetsichder geplagte,ermüdeteStaatsmann einembestimmten Problemzu;ermuß,da

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auch für ihnderTagnur vierundzwanzigStunden hat,froh sein,wenn er allzu grobe Fehlervermeidet unddie Karre inderaltenRäderspurweiter schiebt.SowirdauchdiePolenfiageinBerlin behandelt,so niußsie heute behandeltwerden. UnddieMänner, die berufen wären, dieAufgabendes Staates anOrtund Stellezuerfüllen,werdenmitihremWünschenundDrängen, mitihren RathschlägenundBerichten,mitihren JdeenundAnregungender ständigenKritikundKontrole dergewißsehrehr·enwerthen,sehrintelligentenund wohlgefinntenberlinerGeheimrathsbureaukratieuntergeordnet,diehäufiggenug, wiederumnachBismarcks Wort, bei derPrüfungjedes Antragesnach Gründen sucht, ihn abzulehnen,undder inihrer AnonymitätdasVerantwortlichkeit- gefühl fehlen muß. Undwenn einMinisterDem gegenüberstolzver- kündet:»Ich regire, nichtmeineRäthe«, so täuschtsichderheheHerr gewaltig übermenschlichesundministeriellesKönnen. DieSache gingindemPreußen dersechzigerJahre; schon zwei Jahrzehnte späterwurdederZustandbedenk- lichunder ist heuteim höchstenMaß gefährlich,besondersinderPolen- frage,demheikelstenundvielleicht wichtigsteninnerpreußischenProblemder Gegenwart.Dasradikalste,aber auchwirksamsteMittelwäre:einOstmarken- Ministerium für Posen, WestpreußenundOberschlesienmiteigenenFinanzen undeigenerVerwaltung.Der Leiter,natürlichMitglieddesStaatsministeriums, demKönigdirektuntergeordnet.WeitgehendeMachtvollkommenheit,nament- lich auchbeiderAuswahlderBeamten;dasBerhältniß zu denRessort- ministerienwäreinnormalen Fällen durch gemeinsamesHandelnzuregeln unddurchEntsendungvon ständigenKommissarienzuerleichtern.An ge- eigneten Persönlichkeitenfehltesnicht. Will man diese-Wandlungaber nicht,weilman vor gesetzgeberischenMaßnahmen größerenStils undder damitverbundenen Ueber-fülleanparlamentarischerundaußerparlamentarischer Diskussion,anPreßgeschwätzausbegreiflicherundverzeihlicherScheu zurück- scheeckt,so stärkeman wenigstensundvermehredieMachtbefugnißderOber- präsidentenin denOstmarken. Kraftvolle, wirksamePolitik kannman dochnur von einemBeamten verlangen,derseinganzesLeben einerAufgabe opfert und derseinenWillenauchdurchzusehenimStande ist.Jn einerlangenReihe ofsiziöserArtikelhatdieStaatsregirung feierlichdasBesteheneiner,,Polen- gefahr«proklamirt. JsteineGefahr vorhanden undeinBeweis dafür ist doch wirklich nicht mehr nöthig—, dannistesunverständlich,wieman ihrohneSondermaßregelnbeikommen will. Wenn alsoeinOberpräsident erklärt,erbrauche soundsovieleMillionen, um dieBolksfchule deutsch zu masten,foundso vieleneue oderbessereEisenbahnverbindungen,umgeistige undwirthschaftlicheCentrenzuschaffen,Geld zurFörderungtüchtigerHandwerker, fürdashöhereUnterrichtswesen,für Kunst und Wissenschaftundfürähnliche Zwecke,um nur annäherndnormaleZuständezuschaffen,so mußman ihm

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Preußenfeier. 55 entwedernachweisen,daßerUnnöthigesfordert,undihn entlassen, oder ihmdiese Mittel in dieHand geben,wenn erüberhauptEtwasleistenundver- antwortlichbleibensoll·Damit ernichtzuübermüthigwird,was inPreußen für Beamte ohnehinnichtganzleichtist, kannman ihmjaeinerichtigzu- sammengesetzteOstmarkemKommissionundeinenständigenExekutiv-Ausschuß andie Seite stellen,dieallevierzehn Tage zusammenzutretenunddasin- zwischenGeschehenezuprüfen haben.DieBefürchtung:»Das gehedochnicht«, ist kindisch;Alles »geht«,wenn man nur ernstlichwill. Unddieweitere FUIcht,solcheOberpkäsidentenwürdentrotzdemnochzumächtigundüppig werden,isttadelnswerthzdiepreußischenMinisterien sinddochnicht Selbst- zweckzübrigenskönnten und müßtenauchsobesondersprivilegirteOberpräsidenten natürlichdemGesammtministerium unterstehen.

Jedem,dersehenwill,muß längstklarsein, daßdergesammtepositive«

TheilderPolenpolitik—- alleMaßnahmen auf ökonomischemundgeistigem Gebiete,dieaufdieFörderungder vorhandenen deutschenBevölkerunghin- zielenunddieVermehrung dieser BevölkerungdurchinnereKolonisationauf demplattenLande wie in den Städtenbezwecken imGrunde rechteinfachistund besondereSchwierigkeitengarnicht bietet.DierichtigenMänner sind schon da;siehabenaber wederMacht nochGeldgenug. Schwieriger istder negativeTheil:diepolizeilichen,legislativenundadministrativenMaßregeln.

SiebildeneinenTheilderstaatlichen Gesammtpolitik;aufdiesemGebiete mußdasentscheidendeWort inBerlin gesprochenwerden undman mußin Berlinhübschbei derStangebleiben,—- nicht ein, zweioderfünf, sondern fünfzig,ja hundert Jahre. Nursokanndie,,HebungdesOstens«bewirkt werden,von derdieOffiziellenundOffiziösenseit Jahren soviel redenund fürdie in der ganzenlangen Zeit doch-nichts Ernsthaftes geschehenist.

...SostöhnendieStimmen ausdemOsten; sie klingenbeinaheschon hoffnunglosWiesollenwir,rufen sie,vonBerlin HilfegegendiePolen erhoffen,daderKanzler für seine Wasserpolitik dochdasCentrum braucht unddasCentrum niefüreineernsthafteGermanisirungpolitikzuhaben sein wird?Dabei wirdvergessen,daßkeinverständigerMenschdaran denken kann, denPolendasLebenimpreußischenStaat unerträglichzumachenundsie CUf diesemWegeinMoskowitereiundPanslavismuszu treiben. Ausnahme- gesetzehelfengegenfremdeVolkssplitterebenso wenigwie gegen dieSozial- demokratieundvon polizeilichenundadministrativenChicanen,vonSprachen- verordnungen,ZeitungverbotenundKulteinschränkungenkönnennur Kinder UvchHeilerwarten. UmaberdenOstenausderErstarrungzureißen,um in dengefährdetenProvinzen Bürgernund Bauern Lebensbedingungenzu sichern,dieannähernddenen desWestensgleichen:dazu brauchtdaspreußische StaatsministeriumnichtdieHilfederpolitischen Katholikenpartei. Indem

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Komplex dieserFragen ist auch nichtdieAbwehrpolitik,sondern die Kultur- politikderwichtigsteTheil.Gewißistesthöricht,diePolenalle paarJahre anders zubehandeln,ihnen nie dasBildstetiger Ruhe,unwandelbar ent- schlossenerThattraftzubieten;wirksam abersindsienur durcheinepositive undplanvolle FörderungderdeutschenSiedler zubekämpfen.DieJusti- tutionen sindgleichgiltig;obman Danzig, KönigsbergoderPosenzurRe- sidenzeinesreichen Hohenzollernprinzenmacht,einenStatthalter imOsten ernennt,einOstmatken-Ministeriumbildet-oder dieMachtderOberprtisidenten gegen dieCentralbureaukratie stärkt:wenn überhauptnur Etwas geschieht, werden dieMänner, derenMuth nachgerademüdegeworden ist,mitfroherem Sinn, alserihnen jetzt beschert ist, sichzurPreußenfeierversammeln.

EinesschöpferischenStaatsmannes harrtdaeinegroßeAufgabe.

Wirwollenhoffen, daßsie denGrafen Bülow reizt.Erwird, er kannnicht glauben, seine preußischeArbeit sei gethan,wenn erdenKanal unddieHandelsverträgedurchgebrachthat.WasimParlamentundinder Presse eifrig beschwatztwird,istnicht immer dasfüreinenStaatskörper Wichtigste.Derneue Ministerpräsidentsolltegerade jetzt,inderschlechtesten Jahreszeit,in denOstenreisen, dieZuständeselbst sehen,dieBauern,Bürger, Beamten selbst hörenundPeking, Kiautschou,dieMarianen undandereUn- beträchtlichkeiteneinWeilchenderFürsorgederHerrenvon Richthofenund Stübel überlassen.Dann würdeerbaldmerken,daßinPreußendieEin- richtungendenBedürfnissen nicht mehrgenügen und eine »innere Krisis«, dieerso sehr fürchtet, nicht lange mehrzu vermeiden seinwird. Undda erdenMonarchen, dessenAnblickanderen Ministern Wochen, oftMonate lang versagtbleibt,fast täglichsieht,könnteesihm,im Vollbcsitzköniglicher Gunst, nicht schwersein, für seinen Reformplan Gehörzufinden.Wilhelm derZweite fühlt sichstolzalsdenSohndesHohenzollernhauses,dessenKraft aus demBodendespreußischenOstensstammt. Erweiß, daß der-Große Kurfürstdieweithin versprengtenHausmachtgebietezueiner Staatseinheit zusammengesaßt,derersteFriedrichWilhelmdieGrundzügezu einermoder- nen Verwaltung geschaffen,derzweite FriedrichdieR:chtspflegeund die geistigeFreiheitineinemdemAnspruch stillererTage genügendenRahmen gesichert hat. Diese Thaten brachtenderDynastie Ruhm,den selbstdie schwächerenNaturen derSöhneundEnkel nichtmindern konnten. Nun ist füreineHohenzollernthatdieZeitwiedererfüllt. Nicht würdigerkönnte dasJubiläumderpreußischenKönigsmachtgefeiertwerden alsdurchden Entschluß,demaltenPreußeneinemoderneVerwaltungzuschaffen.

M

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ArztundRichter. 57

Arzt und Richter.

Ver

ProzeßSternberg hat nichtnur durchdenInhaltderBeweisauf- nahme, sondern auch durchdenstrafprozessualenVerlauf Ueberraschungen herbeigeführt.Jcherinnere an dieVernehmung zweier Bertheidigerals Zeugen,an dietheilweiseerfolgteHineinziehungmehrereranderenStrafsachen, an dieVerhandlungenmiteinerMitfchuldigen,diesichinAmerikabefand undschließlichnur gegenGewährungfreienGeleitesbewogenwerden konnte, nachBerlin zu kommen. Auchvomgerichtlich-medizinischenStandpunktaus bot derProzeßManches,wasvonderalthergebrachten,gewöhnlichenForm abwich. Sehr häusigwerdenvor Gericht ärztlicheSachverständigegehört, um über sdenGeisteszustandeinesAngeklagten ihr Gutachten abzugeben.

Diesmalwaren nicht wenigeralsvierAerzte darunter ich selbst als Sachverständigegeladen,derenAufgabewar, festzustellen,obdieHaupt- zeugin,diedreizehnjährigeFrieda Woyda, glaubwürdigeiodernicht.Es giebt Juristen,die meinen, solcheFeststellungen seien lediglich ihre Sache.

Diese Ansicht halte ich für falsch.Es wäreimInteressederRechtssicher- heitwünschenswerth,daß nichtnur, wenn einMillionär,sondern auch,wenn Lin Proletarier angeklagt ist, ärztlicheSachverständigeüberallewichtigen Fragen gehörtwürden, die entwederindasGebiet derPathologie fallenoder eshart streifen. Dazu mußin vielenFällen dieFragederGlaubwürdig- keitgerechnetwerden. DieFrage,obFriedaWoydaGlaubenverdient,ist, wieich schon hier erwähne,von derFrage,obSternbergderThäterwar oder nicht,scharfzu trennen, dadieVerurtheiluug auchbei dererstenVer- handlungzumgroßenTheilaufGrundeinesJndizienbeweiseserfolgte.

Jnneuerer Zeit istvonMedizinern mehrfachüber diepathologische

Lüge geschriebenworden. Eswurden Fälleveröffentlicht,wosichdieLüge alseinKrankheitsymptomneben anderen Symptomen zeigte.Dabei muß allerdingseinschränkendhinzugefügtwerden,daßman dasGrenzgebietzwischen derLügeundderunabsichtlichenUnwahrheitnichtimmergenaufixirenkann.- EsgiebtallerleiKombinationen,wobeiesauchvorkommt, daßanfangsdie Lügeabsichtlichausgesprochenwird,späteraber derLügnergarnicht mehr Weiß, daßer lügt. Jedenfalls giebtesZustände,wo aus medizinischen GründendieGlaubwürdigteiteinesMenschen herabgesetztist.Jn diesen Dingenzuurtheilen,sinddieJuristen nicht kompetent;undhier sollteman

häufigeralsbisherdasGntachten ärztlicherSachverständigeneinholen.Das istUmso wichtiger,alssichgeradeunter denpathologischenSchwindlerndie AkmeingefährlichstenZeugen befinden. DurchdieTreuherzigkeitihresWesens, dieSicherheitihres Auftretens,dieanscheinendeNatürlichkeitin ihren Aus- lagen sind sie geeignet, auch mißtrauischeRichterzutäuschen. Dieseüber-

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schätzennur zuleichtdieBedeutungdesTones,indemdieBekundungge- macht wird. Eine unter Thränen gemachteAussagewirdalsreuigesGe- ständnißaufgefaßt,einezögerndhervorgebrachtealsBeweisdafürangesehen, daßderZeuge oder,daessichvielleichtinderMehrzahlderFälleum

weibliche Personen handelt,dieZeugin »mit derWahrheit zurückhalte.«

Gerade solche psychopathischePersonenschwindelnabermitThränenund ohne Thränen, zögerndundnichtzögernd,je nachderaugenblicklichenStim- mungoderauchje nachder Situation, diesichihnenbietet. Solche Thränen alsZeichenderReueaufzufassen,ist bedenklich.MancherZeitverlustkönnte- vermieden werden,wenn man öfterärztlicheSachverständigegleichAnfangs-

um Rath fragte.Dann kämecskaum vor, wieesimProzeßSternberg geschah,daß Wochen langmiteiner PersonvorGericht ernstlichverhandelt wird, derenAussage-nbald alssrecheLügen,bald alsreuiges Geständnißder Wahrheit hctrachtetwerden und diesichdannalseineGeistes-schwacheent-- puppt, bei der dasLügengeradezueinsderklassischsienSymptome ist.

BeiFriedaWoyda lagdie Sache anders. Jch glaube nicht,daß wir sagenkönnen,siegehöreindieGruppederpathologischenSchwindler.Bei ihnen istdiegroßeZahlderLügenvonBedeutung, währendbei derWoyda wenigerdieZahlals dieQualität einzelnerLügenzuberücksichtigenist.Es istbesonders ein Fall zurSprache gekommen,wosie einegeradezuunglaub- licheLügemitallenmöglichenEinzelheitenersonnenundweitererzählthat.

Ganz abgesehenaberdavon: essteht fest, daßdieZeuginvom Januar bis zumSpätsommer1900 mitihrenBekundungen Sternberg schwer belastete, dannaberihre Beschuldigungenzurückzogundauchjetzt, währendderganzen achtwöchigenVerhandlung, ihre frühereAussagealsLüge bezeichnete.Auf jede gesetzlichstatthafteArtsuchteman zuerforschen,obsie nichtdiefrüheren Beschuldigungenwiederholenwürde· DerVorsitzende,derdiefrühereAus- sageiürwahrzuhalten schien, suchtebalddurchgute, balddurch strengere Worte dieWahrheitzuergründen. Frieda Wohdabliebunerschütterlichund wiederholtenur, daß sie früher gelogenundSternberg nichts Unzüchtiges mitihrvorgenommenhabe. WelcheAussagenun auch dierichtigefeinmochte,

man wirdsagen dürfen:einMädchen,dasacht Wochen langtrotz allen Einwirkungen hartnäckigdasGegentheilvonDem sagt,was sieetwa sieben Monate vorher innerhalbundaußerhalbdesGerichtssaalesebenso entschie- denbehauptethatte,kannnieundnimmermehralsabsolutglaubwürdigund zuverlässigangesehen werden; siekannesauchnichtvor sieben Monaten gewesensein, selbstwenn siedamalsdieWahrheitgesagt habensollte.

Eineso plötzlicheAcnderungdesCharakters ist schwerzuverstehenundman wirdauch ohneAnnahmeeinerpathologischenLügenhaftigkeitbezweifelndürfen, daßeine unbedingte GlaubwürdigkeitderZeugin auchnur während eines

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Doch es mag nochlange dauern, bis es zur AufspürungdieserUrsachen-.. 113 reihen und auf siegegründetergeschichtlichen Gesetze kommt. Die Frage, die auf diesen Blättern

Diese Hoffnung sei natürlich das Resultat bestimmter ·.Wahrneh1nungen, die er von der hohen Warte seiner exponirten Stellung aus zu machen in der Lage war. Aber diese Wahrnehmungen

wichtigenStreitfrage gründlich zu informiren, wenn es ohne großenZeit- aufwand möglichist; und die Lecture der beiden Kritiken (5l und 41 Seiten) erfordert nicht mehr als eine

zwischen liegt, ist Unwahrhaftigkeit und Heucheleif Hier sind wieder zunächst einige Unklarheiten zu beseitigen. Nicht aus Gewissensdrang glaubt man, sondern, weil man als Kind

erfordern weit mehr Geduld und Beharren als die Einführung eines neuen, die Abschaffung eines veralteten Gesetzes. Und doch wird die Entwickelung in dicfet Richtung vorwärts

Höher hinauf konnte ihn nur die Hand einer Frau führen. Er konnte der insguin einer Nana werden, die ihre Freunde für ihn alarmirte, ihn Von ihrem Deputirten für die

Deighton kam vom Artillerielager herüber und machte ein trauriges Mittags- mahl in der Messe mit; zur allgemeinen Niedergeschlagenheitsteuerte er dadurch bei, daß er fast über

se beantragt. Die Agrarier drohen mit Obstruktion Doch sie werden sich eines Tages indas Unabänderliche fügenmüssen und vielleichtnicht einmal Gelegenheit haben, zum Ausgleich