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Philosophie und Leben. Jg. 5, H. 10 (1929)

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(1)

^ t io f o p ^ t e tm ö H e b e n

5. J A H R G A N G + 10. H E F T + O K T O B E R 1929

3m Öienfte üer tDoHtöetntyett erftrcbt unfcre fine fad)»

U$e Stuöfprat^e öcr öerfttyteöenen toelfanf^aultdien Eichungen.“

„H eft des Alters“

( S n f f ö l u ß

95on ©eneratarjt Dr. 33 u 11 e r f a cf - ©öfttngen

© o I i I c i übet K e p l e r : 3d) Ijabe Ä e p I e t »egen feines freien unb feinen 33erftanbes ftets gefcfjafet, wenn aud) meine 3Irt ju pbilofopbieren oon ber jeinigen burd)«

aus »erfcfjieben »ar.

33ei allen Sriegsfpielen unb SKanöoern mar bte Sernfrage immer btefe: btc 2age ift fo unb fo; was werben 6 ie tun? . . . (Entfcblufj! bitte, ßnffcfrlujj! — ©tefe grage bitbete jebesmal bas 21 unb O ber Übung.

®em präjifen (Entfdjlufe gegenüber trat bie 33egrünbung in ben f)infer>

grunb.

die friegerijdjen (Ereigniffe bes ‘ffieltfrieges waren bie ^robc aufs Sjempel: fie waren nichts anberes als $at=geworbene (Entfcfylüffe. Unb in ber gleichen 3Beife bängt bas wirtfcbaftlidje ©ebeif>en eines Golfes lebten (Enbes eon ben (Entfd)tüffen feiner güf)rer in fmnbel unb 3nbu=

ftrie ab.

demgegenüber finb bie 9Jlenfd)en als SERaffe nichts. (Ein SERann ift alles, fagte mit 5lerf)t 91 a p o l e o n ; aber fretlirf) nur ein SERann, welcher (Entfdjlüffe faffen fann.

?Bas ift nun biefes merfwürbige ding, ein (Entfchlufo? die 2IHgemein=

beit fcbenft ibm weniger 5lufmerffamfeit, als ben aus ihm fliejjenben

£>anblungen. Unb bod) erfennt jebermann feine große 33ebeutung.

der Sntfcblufe ift bas lefete ©lieb einer Sette t>on Überlegungen, ge=

wiffermafeen ber (Enb=6 d)luj3 einer 91eibe r>on 6 d)Iufegefügen, augteich aber aud) bas erfte ©lieb einer Sette Don f>anbtungen. 2öie ber (Enb=

(Schiufo nod) einmal retrofpeftio bie oorangegangenen pfpchifdjen ^ro»

jeffe überblidt, fo enthält ber (Entfcbiujj profpeftio, ahnenb, »oraus=

fcfjauenb, prämebitierenb, wie 2R o 11 f e fagte, bie ganje Sette ber, gur (Erreichung eines 3 ^ 5 erforberIirf>en (Eingelhanblungen in ihren 3u=

fammenhängen. 3n biefer Sluffaffung ftimmen jwei SERänner aus oötlig oerfd)iebenen ßebensfretfen überein. SRacf) ©eneral 30. P. 531 u m e burd)Iäuff ber 2?erftanb unbewußt mit b ä rtig e r (Schnelligfeit bie lange

'Obilolorbie unb Ceben. V. 20

(2)

282 (Entfdjlufe

9teibe t>on 3öaf)rnel)mungen, (Erwägungen unb ©cblufefolgerungen, bie als Söegmcifer 3um bienen. 9ticf)t grübelnber 33erftanb, fonbern ein lebensfrifd)er, tatenfreubiger ©eift ift bie Quelle bet fd)öpferifcl)en Straft1).

®er ^Ijitofopt) SK. 3 a 1) n lagt ganj dar: ©as ^Sollen bejeidjnet gleid)jam ben ©tpfel eines ‘’Projeffes, ber fic^> über bas ganje 33etüufet=

{ein unb nod) toeiter jurüd in bie unbewußten Vorgänge erftreeft. 3m Sntfdjluß liegt eine Segnung, ein ^lan angebeutet, ber in bet 3u=

funft ausgefübrt »erben foll. ®er Sntfcfyluß enthält jugleid) bas (So famtbilb bes ferneren Verhaltens. Es ift besbalb wobl richtig, ju fagen:

bie (Entwidlung bes 2ntfd)luffes ift bas |janbeln2)-

3m ®ntfd)luf3 werben bie feelifd)en Kräfte ent=bunben, ent=fd)loffen, aus ber f)ut ber bloßen ©ebanfen freigelaffen. 'Sesljalb f)at jeber Snt=

fd)luß etwas 55efreienbes. ®as war wot)l aud) ber urfprünglidie 6inn

bes SBortes entfcf)ließen.

6 r begegnet uns nod) im 9Zibelungenlieb: diu burc was entslozzen, vil w ite üf getan; in ber f ur3Weiligen |Mftorie Dom lie fe n g t e r a b r a s 1533: entschleuz m ir daz gefengknus!3); bei 2 In b re a s ©ri)pf)tU5:

laszt uns den brief entschlieszen!1), unb fd)ließlid) gebraucht S o n = r a b o o n S K e g g e n b e r g b a s 3öort in einer uns ganj abbanben ge=

!ommenen ‘Bebeufung: so hilft der stein den, die nicht zuo stuol m ügent gen und entsleuzt den leip5).

Om heutigen 6 prad)gebraucf) (ebenfalls bebeutet (£ntfd)luß nid)t fo=

wol)l bie erfte unter einer langen 3leif)e oon Sinjelljanblungen, als melmebr bie Stiftung, bie ®rel)ung bes SIblaufs ber motorifdjen gunf=

tionen ibre ‘ffieicbenftellung auf eine beftimmte Sinie.

SBenn 9Jt o 1 1! e nad) ben brei 6 d)lad)ten »on e £ ben Vormarfd) ber Slrmee nad) 9Iorben abbrebte, fo febwebte ihm in ganj allgemeinen Umriffen ber ^lan for, ben ©egner nad) ^Belgien abjubrängen. Sajj baraus gerabe ein 6 e b a n cntftanb, tonnte er nid)t oorausfeben.

3n ähnlicher ‘ffieife cntfd)lof3 fid) g r i e b r i d) b e r © r o ß e im 9lo=

ßember 1757, fid) auf bie granjofen unb bie „eilenbe 5leid)sbilfe" 3U

ftürjen; ob er fie bei 9t o ß b a d) ober einem anberen Orte padte unb oerniebfete, war gegenüber bem ftrategifeben Sntfcbluß nebenfäcblid).

Siner ber großartigften Sntfddüffe, bie je gefaßt worben finb, war bet

*) SB. o. 23Iu me, gelbbettfum. Sftititärwocfjenbtatt 1914. 9Zr. 4. @. 154.

!) SU. 3 a & n , ^Pfpctjotogie als ©tunbrniflcnicfeaft ber ^äbagogif, Setpjig 1920. II.

6. 203/204.

3) g i e r a b r a s , eine fd)öne furftroeilige fiiftori con ein mächtigen tiefen aus

|>ispanten. Simmertt 1533 E. 5.

4) 21 n b r e a s © t t ) p f ) i u5, teutlcfje gebidjfe. 93restau 1698. I. 66.

6) ß o n t a b c on S Dt eggenber g, 33ucf) ber Sftatur. Stuttgart 1862. 451. 12.

(3)

(£ n t ( d> I u B 283 t>on f) a n n i b a l , über bie “’Pprenäen unb Sllpen hmmeg 91 o m oon 9lorben ansugreifen. 2öelcf)e gülie oon glän^enben unb tragifcben Flamen Inüpft ficf) an biefen (Entfchluß!

S er 2ntfd)luß oon § > i n b e n b u r g — S u b e n b o r f f jur 6d)lacht oon D a n n e n b e r g fteht uns allen als ein SBunber ftrategifeber Kühnheit oor Slugen. ^ähnlich Jjanbelte ber Äonful £ . £ 1 a u b i u s 9t e r o bei ber, K a r t h a g o s 6d)id|al entjdjeibenben (Schlacht am

e t a u r u s (24. 3uni 207).

3n welcher $öeife ficf? bie Singe im einzelnen entwicfeln mochten, mußte bem Sufall, b. h- ber momentanen Konftellation ber 33erhaltniffe, über=

Iaffen bleiben. Aber bie Sispofitionen ber großen gelbherren floffen in=

tuitin aus ber „güblung bes M om ents" (9t a n ! e), aus bem „Saft bes Urteils" ( S l u m e), aus ber „Srfenntnis burd; reines ©efühl" (3 a c.

g r. g r i e s), aus bem unergrünblichen SDteer ber „unbewußten Schlüffe unb Urteile" ( § > e I m h o l ö , 2 l e r u f a l e m ) .

U n homme d'esprit s e n t c e que les autres ne font que s a v o i r . Tout ce qui est m uet pour la p lup art des gens, lui parle et l'instruit.

On peut dire qu'un sot ne vit qu'avec les corps, les gens d'esprit vivent avec les intelligences (M ontesquieu15).

Aus ber gleichen Quelle entfprang ber (Sntfchluß bes (£ o l u m b u s , nach ‘SBeften ju fegeln, unb ber bes 3öittenberger Auguftiner=2Rönd)S, bie 95 Sbefen an ber (Scbloßfircbe an3ufd)lagen. Sie mußten nicht, ju welchen 3ielen fie fcbließlicb gelangen mürben; ja, fie ftrebten mit ihrem 33ewußtfein näheren fielen ju unb erreichten niel meitere unb größere, gewiffermaßen 3ur Seftätigung bes Sat?es oon Q l i t> e r d t o m = m e l i : berjenige fommt am meiteften, ber nicht weiß, wohin er will.

SRan fann gana allgemein mit & r e b l fagen: bie tiefen unb originellen unb großen Säten ber SRenfcben fließen aus biefer Quelle ber fünftle=

rtfehen, nid?f burd) Senfen, wohl aber auf ©runb oon (Erfahrungen ge=

monnenen Ontuition7). S ie ©efcbid)te ift nichts anberes, als bie Summe ber jur Ausführung gelangten (Entfcblüffe. S o ift bie Spnamomafchine eifen=geroorbener ©ebanfe »on 3B. o. S i e m e n s , unb bas gan^e SDlenfchengefchlecht fleifch=geroorbener ©eift. 511s aufnebmenbe Antennen ragen bie großen SERänner in ben SBeltenraum bes Unbewußten. Les grandes compagnies ne sont bonnes qu'ä faire executer severement ce qui a ete delibere et resolu par peu ( R i c h e l i e u ) .

Om (Entfchluß tritt mithin ein fchopferifcher Vorgang 3utage. Aber biefer felbft fpielt fich — „ein notroenbiges ©ebeimnis"8) — außerhalb

e) M o n t e s q u i e u , melanges inedits 1902. <5. 135.

T) 2. D. Ä r e b 1, 6 fanbpunfle in ber inneren Sftebijin 1926. <g. 19.

8) 3 a c. g r. g r i e s , SBtfien, Slaube unb St&nbung 1805. 9Jeu feerausgegeben t>on 2eon. 9tel[on 1905. 6 . 251.

20*

(4)

284 i£ n t [ cf) l u fj

ber rationalen, oom Sewujjtfein belcud>tetcn ©ebanfennerbinbungen ab.

Sbenbeshalb läfet er fid> nid)t fommanbieren.

„5ßerflud>t! jur rechten 3^it fällt einem nie was ein."9)

Vielleicht benft ber eine ober anbere: was id) nicht weife unb nicht er*

lennen tann, fet)’ ich als nid)t=Porhanben an, unb lehnt bemgemäft alle aujjerbewuftten pfpdjifdjen Vorgänge fategorifch ab. SSRag er babei bleiben, etwa als 2Inl)änger jenes Jerrorismus, ben por balb 100 3af)rcn g. 2ß. f) a g e n geijjelte als eine Senfweife, welche eine 9leibe »on Sr=

Meinungen ohne weiteres aus ber ©emeinfehaft ber (Erfahrungen er=

fommunisieren will, »eil fie ber anfälligen Dichtung ber ‘ffiiffenfchaft unb einer baburch gefegten einfeitig befangenen Slnfdjauungsweife un=

bequem in bie Quere fommt. 3öenn bie 9?eihe an bas 9?achtgebiet bet Statur fommt, fo fpreijt fiel) bie „3Biffenfd)aft" unb wirft fid) in bie 'Sruft unb behauptet, fie wiffe fchon fo unenblid) t»iel, fie fei fchon jo oollftänbig in bie Statur aller Singe eingebrungen, bajj fie mit un=

äweifelhafter ©ewifsheit 3ebermann oerfichern fönne, an jenen Singen fei nichts, gar nichts!, es fei nach ber pon ihr erfannten SBeltorbnung ganä unmöglich, bafe bcrgleid)en ejiftiere10).

3Ber aber fieht, wie fein unb aielbewujjt bie Wange Ja g unb 9tad)t arbeitet unb mit ben SDtächten ber Umwelt um ihr Sehen unb ihre gort=

Pflanzung fämpft, ber überjeugt fich balb oon bem Vorhanbcnfein eines empfinbenben, unterfcheibenben, urteilenben, fombinierenben, unb ätoci=

mäßig wirfenben ^rinaips auch iw fleinften ^flanschen11). S r wirb ciel=

leidet Jägern, biefen 9öunbern ber 6 chöpfung jene gorm bes ‘SSeroufet- feins aujuerfennen, bie wir SKenfchen uns — nicht allen gleidjmäfeig! — pinbisieren. 2lber er wirb faum wagen, pfpchifche ^rojeffe ohne folc^es 53ewufetfein abaulebnen. greilicb, ber (Schleier ber 3)tapa oerljüllt bie Slugen ber SÖtenfchen, fo bafe fie in ber bunten Vielheit ber £r=

fcheinungen bie (Einheit bes SBurjelbobens nicht au fchauen Permögen'2).

©ewift gibt es auch Sntfd)Iüffe auf ©runb perftanbesmäfjigen 2lb=

wägens ber oerfdnebenen gür unb Sßiber; fie mögen fogar bie SERehrsa^l unferer f>anblungen ausmachen. Slllein babei hanbelt es fich uw 33erecf)=

nung, SMfül ober um Vorfätje gcmäjj ber Definition bes 2 h o m a s : p ro p o situ m = a c tu m cognitionis ostendens finem, in quem voluntas intendit13).

”) © o e t f) e, ®ie SKitfcfjutbigen. III. 1.

10) 8. 3B. §> a g e n , 'Pipcfjologie unb ‘Wpcfjiatrie, in 5Iub. SBagners §>anbtt>örterbuci) ber 'Pbtjfiotogie, II. 53b. 1844. 6. 793.

| b o I f 35B o g n e r , ®ie Vernunft ber ^flanje 1925. <3. 157/247.

12) S t i e b t . § e i l e t , 6äbf>it Sunbar Sing. 23anb 7 ber roeltcfjriffl Stämmig- feit 1924.

18) S f> o m a s , 1. sent. 40. 1.

(5)

® n 11 d) I u 6 285 2)as feine ©efüljl ber 6prad)e macht einen Unterfd)ieb aroifcben 6nt=

fcfjlufe unb Sntfcblieftung. ®et Sntfd)luf3 — bas Hingt fchon onomato=

pöetifd) burd)—frfjneibct alle (Erwägungen ab unb fcbreitet jur Sat. ®nt=

jcblie&ungen, 9lefolutionen bleiben in Srtoägungen ftecfen. (£ntfd>Iiefeun=

gen faffen nur 2eute, bie fern oom ©d)ufe finb. Sftit ßntfcbiieftungen macht man feine ©efchicbte, wenigftens feine glüdliche. 2)er Kontraft

3toifd)en bem 211h e n bes ® e m o ft h e n e s mit feinen rebegewanbten

^Parteiführern unb ben fortgefefeten (Sntfdjliefeungen einerfeits, unb anbererfeits bem aielbewufeten, entfcf>Ioffenen P h i l i p p »on SK a f e = b o n i e n fehrt in ber ©efd)id)te bis auf unfere Sage immer roieber.

2In e i n e m Sntfchluft seriellen taufenb Sntfchlieftungen.

55ie rationalen, logifcben, faufalen, rechnenden Slffostationen fönnen unb muffen fpäter ben SIblauf ber 25ertotrflicbung ber 3bee regulieren;

aber bie einmal eingefchlagene Sichtung oermögen fie nicht mehr ju änbern. Sie fönnen wohl Umwege »eranlaffen, fönnen auch bartun, bafe auf biefem Söege augenblidlid) überhaupt nicht tnciferjufommen ift,

— bie urfprünglid) leitenbe 3bee, ber gntfdjlufj an fid) bleibt baoon unberührt.

faffen ben ßnffd)[ufe, mufe ©ottes ©eift fid) rühren;

®u überlegft nur, wie er fei ausaufübren14)."

3n biefem 33ers werben bie beiben Komponenten: ber irrationale £nt=

fd)lufe unb bie rationale Ausführung, prägnant auseinanbergebalten.

2lucf) biejenige 2ßiffenfd)aft, bei welcher ausfcbliefjlid) »erftanbes*

mäfttge gunftionen ju berrfeben fd>einen, bie SKatbematif, macht baoon feine Ausnahme. 3®ei ihrer hetoorragenbften Vertreter in unferer 3eit, g e 1 i f K l e i n unb SK a j: I a n d , betonen mit ben gleiten 2öor=

ten, bajj SKathematif nicht bloß Skrftanbesfache fei, fonbern ganj wefent- lieb aud) 6acf)e ber ^Ijantafie15).

*

®er Slusfprud) »on 91 o g e r 33 a c o n : über bie 6eele reben wir jwar allerlei, aber mir wiffen im ©runbe nichts oon ibr (de anima vul- gariter loquimur, et eam nescimus, quia spiritualis materia nobis est occulta10) gilt noch heute. Ommerbin erfebeint es äuläffig, neben ber bewujjten Komponente eine unbewußte anjunehmen. Über ben Verlauf ber pfpd)ifd)en ^roaeffe außerhalb bes 33ewuf3tfetns roiffen mir noch weniger, als über benjenigen innerhalb ber bewufeten Sphäre. Aber mir bürfen annehmen, bajj auch bort bas ©efet} oon Urfacbe unb SBirfung herrfcht unb baß bie oerfd)iebenen, gleichzeitig ablaufenben ^roaeffe fid) ebenfo

11) 9t li efert, ®ie SBeisijeif bes 23ra(>manen 16. 2 9tr. 6.

15) 2)t. 'P I a n cf, ’Sas 3Be|en bes ßfdjts, 9tebe in ber §aupf»er[ammlung ber Saifer- 3Biri)eIms-©e|e([fcfeaft 1919, in: ge[ammelfe Sieben unb 2Iuffä6e, ßeipsig 1922.

ie) R o g e r B a c o n , commun. nat. fol. 83.

(6)

286 ß n t ( d) l u 6

3

U Urteilen cerfnüpfen, tote wir bas oon unferem bewufeten Seben f>et fennen. f> e I m b o t ft t>attc »ollfommen recht mit feinem ©aft: ‘Daraus, bafe bie fünftlerifcben

2

Infcbauungcn mühelos fommen, plötjlid) auf=

blifcen, bafe ber ‘SSefifeer nid)t weife, »ober fie ibm gefommen finb, folgt burcbaus nicht, bafe fie feine Srgebniffe enthalten feilten, bie aus ber £r=

fahrung entnommen finb unb gefammelte Erinnerungen an beren ©e=

jefemäfeigfeit umfaffen17).

3n ber ©pracbe ber blutigen ©elebrten briieft 35t o r i ft © e i g e r in feinen Fragmenten über ben begriff bes ilnberoufeten 1921 biefe £r=

fenntnis fo aus: 3n ber pfpcbifdjen Realität liegt eine ©einsart cor, bie Jeinestoegs bauernb an bas (Erleben gefd)miebet ift.

2

tus bem großen

3

ug pfpebifeber Realitäten werben jeweils nur einjelne Realitäten »om Seroufetfein erhellt, roäbrenb Reiben anberer im ©unfel liegen.

Unbefannt ift uns auch, wie bie ^rojeffe in ben beiben Regionen fid) herüber unb hinüber »eben, unb pollenbs, tote fie bie funftoolle SKa*

fd)tne unferes Organismus in 23etr»egung feften unb birigieren. tiefes quälenbe Problem ber ^fpcbologie tauebt aud) in ber ©efdjicbtstütfjen"

febaft auf, wenn fie — Don einer böberen Sßarte aus — in bem 2ärtn ber äufeeren ^Begebenheiten bie 3Rad)t bes ©elftes auffudjt, tt>eld)c ftill unb geräufcblos fid) entfaltet18). Unfere bermaitgen 35orftellungen finb bod) mobl ungulänglicf).

SERit bem Übergang Dom Slufeerberoufeten

3

um 55etnufeten üerbält es fid) oergletcbstüeife wie mit jenem t>on falt

3

U »arm, ober Don bunfel

311

^ell ober non nieberen ju hoben 33aromcterbruden. (Es gibt eben feine febarfen ©rennen, fonbern nur fliefeenbe Übergänge.

2

Ber Dermöcbte — menigftens in unferen ‘33reitert — mit 53eftimmtbeit ju fagen, mann es Tag wirb?

2

öir fonnen freilid) für unfere menfd)lid)en ^ebürfniffe einen beftimmten fonoentionellen “^unft berausgreifen, rote ben ^unft bes fcbmelaenben (Eifes unb bes fiebenben Gaffers bei unferer $bennometet=

ffala; aber bas finb toillfürlid) gehauene Herben in bie fliefeenben Über*

gänge. ©elbft in abfolutcr ginfternis finben fcbroache

2

id)ferrcgungcn ftatt, mabrfcbeinlid) Don Vorgängen im ©eborgan berrübrenb19)

Söenn roir fpredjen ober febreiben, flingen unaufhörlich ©ebanfen unb 3Borte aus bem Rod)=nid)t=33en>ufeten an unfer inneres Ohr unb beein=

fluffen bie Söenbungen, bie mir gerabe brauchen, ober taffen uns ftoefen unb cerftummen, wenn fie — anberstoobin abgelenft — ausbleibcn. 3n biefem Stnflingen baw.

2

lnflingenlaffen liegt ber unbefinierbare, nicht überfeftbare Reia eines Rebners unb ©cbriftftellers.

u) §. B. f> c I m f> o 16, ©oetfjes Vorahnungen fommenber twfurtmffenfdjaftlidiet 3bcen, ?3orirag, ©oefbege[cilfd)aft 1892.

18) 2. ( £ u r t i u s , geftrebe auf 6d)i(Ier 1859. @. 4.

19) SB. SB u n b f , ‘•pf)t)jiolog. ‘^Pfpdjologie. I. 660.

(7)

<£ n t f $ l u jj 287 3n ber gleichen Sßeife wirft bie Umgebung, in loclcfjcr ein “23tlb, ein Senfmal feinen ‘’JJlaß finben foll, beftimmenb auf ben Zünftler wie auf ben 33efcf)auer ein, oljne baß ficf) biefer beffen immer Doll bewußt ift.

<5o wunberooll bie ^relubes Don E f) 0 p i n ober 6 d) u m a n n fd>e Träumereien bei SJionbenfcfjein erflingen, fo unljarmonifd) toirft ba ein nod) fo flott gefpielter SDZilitärmarfcf).

Bn allmählichen Übergängen erwadjt bas 33ewußtfein beim Sinbe aus bem 6d)lummer bes 9tod)4lnbewußten, unb in ben gleichen Übergängen

nur in größeren Slusmaßen fei>en wir im Verlauf oon Oai)r=

fjunberten wiffenfd)aftlid)e Srfenntniffe im ©eift ber 2SRenfrf)I)ext — ab eine SRaffe genommen — guerft unflar aufbämmern unb fid) allmählich ju Doller Klarheit entwideln. $unfef geahnt Don 2l n a j a g o r a s unb

^ t o l e m a e u s rücften bie ©efefte ber ©raoitation bei K e p l e r , f) 00 f e , 2 i 0 n a r b 0 immer näher an bas geiftige ©efid>tsfelb, bis fie frf)[iefelicf> Don N e w t o n jur Slpperjeption gebracht würben. S e i genauerem .3ufehen oerbanfen toir bie gortfcf)ritfe jeboch feinesroegs jenen Scannern, welche burcf) bie ©unft bes 3ufaIIs bauernb am §»immel ber ©efd>icf)tc leuchten, als Dtelmehr ä des hommes plus ou moins obscurs relegues parfois hors des grands centres, n'ayant jamais porte la pourpre professorale et auxquels ont presque toujours m anque les panegyristes em phatiques ou sinceres. ®as finb nach 35 e r n e u i 1-") les petits prophetes; unb in äf>nlirf>cr 3Beife oerglich ber geniale 53 i cf) a t in feinem Nachruf auf ® e f a u 11 bie 3Biffenfcf>aft mit einem 6trom , welcher aus Quellen unbefannten, nicht auffpürbaren Urfprungs ficf) bilbet21)-

3n einem ©ebtcht an 2011 i u s hatte f> 0 r a 3 gefdjrieben:

Vixere fortes ante A gam em nona M ulti; sed omnes inlacrim abiles U rgentur ignotique longa Nocte, carent quia vate sacro.

P aulum sepultae distat inertiae C elata virtus . . .

(33or Slgamemnon lebten ber Tapferen fdjon Diel; boch alle fdjlafen fie namenlos unb unbeweint im ewigen ®unfel, weif fie ber 2Bethe bes ßtebs entbehren. 33erfcf)o[lene Tatfraft äfjnelt begrabener Tatlofigfeit22).

®er ©fester bes 21 u g u ft u s hatte nur überfefjen, baß auch nid)t=

befungene Taten im großen SReer bes Unbewußten wetterwirfen, alfo aucf) weiferieben.

20) V e r n e u i l , mein, de chirurg. T.V. 1888. 0 . 2.

21) P. J. D e s a u l t , oeuvr. chirurg. 1813.

Horatii carmina. lib. IV. 8. 55. 25—30.

(8)

288 6 n t ( cb I u fj

Söenn 30 3af)re emfiger &onftruftions= unb 33erfuchsarbeit erforber*

lieh waren, um bie moberne ©efcmafchme su bauen'23), jo gehört bas S8er=

bienft erfichtlid) nicht bcm letjten Slonftrutteur. ®arin fteden auch bie Seiftungen ber Dielen Vorgänger, mögen aud) ihre tarnen weber in bet

^PatentJdmft noch in ber ©efchichte ber 6 et3mafd)ine prangen.

2llle SBtffenfchaften enthalten Unfummen oon Sinjelleiftungen. Set Don ber 3ntuition eingegebene Sntfchluß als rid)tung=gebenbes SCRoment hält fie alle wie an einem gaben 3ufammen. 3n bem gerabe t>crrfcfccnben

2lnfd)auungsfpftem — „nur fchetnbar fteht’s SEJtomente ftill" — 3tehen fie

burd) bas ^öcroufetfein ber jeweiligen Slllgemeinheit. ®urcb anbcxe pfpd)ifd)e Vorgänge geflohen, rüden fie aus biefem Sewußtfein hinaus unb falten ba wieber auseinanber. 5)ie 53rurf)ftüde werben bann in neuen Intuitionen burd) neue (Entfd)lüffe neu 3ufammengefügt.

3m pfpd)ifd)en 3nbit>ibualleben treffen wir ben gletd)cn Vorgang in abgefürstem Tempo wieber.

6 todt ber Slbfluß, fo cntfteht eine Stagnation, eine 33erfumpfung ober 23crfnöd)erung. ®er ßntfdjluß unb bamit aud) bie in ihm enthaltene lebenbige Energie erftirbt.

„Senn alles muß in Nichts aerfallen,

2öenn cs im ©ein beharren will."

^rattifcf) geht es uns SSJlenfchen mit ben fd)öpferifd)en 3been, mit ben Sntfchlüffen, wie mit bcm SRäbchcn aus ber grembe:

„S ie war nicht in bem Tal geboren, SETCan wußte nicht, woher fie fam."

3n ber 6prad)e ber “^hibfophen: im Sluftreten genialer Sin3elperfönlid)=

feiten fehen wir einen fchlechthin uner!lärlid)en ®urd)brud) bes ©eiftes in bie natürlid)=wirllid)c Sßelt (S. T r o e 11 f ch), etwa im 9kd)Hang ju biefen aus © o e t h e s 3Retamorphofe ber Tiere:

,,®od) im 3nnern fcheint ein ©eift gewaltig 3u ringen,

2Bie er burchbräche ben Ureis, ‘ffiillfür 3u fehaffen ben formen,

2öie bem Sollen . . . "

6o fpringt auch eine Quelle aus bem Soben, ohne baß wir genau fagen fönnfen, woher fie fommt; fie ift eben urplößltd) ba. 2ßenn bie

bubbhiftifche Sehre »on ber urfäd)tid)en Verfettung alles ©efchehens als letztes ©lieb bas 9flid)twiffen annimmt24), fo ftimmt bas mit bcm t)icr 23orgetragenen gut überein. 3Ran braucht bloß ftatt: ?tid)twiffen bas 2S) g r. ® e i f a u c t , SBeltfinn ber Icc&nif, 3tfc^>r. b. Vereins beutftf). 3ngetiieure, 10. Sb. 1926. 3tr. 1. 6. 2.

24) D. 'P f I e i b c r e r , Religion unb Jteligionen 1906. 6. 144.

(9)

£nt[d>lu jj 289 Slußerbewußte, 9locb=nicbt='Sewußte au fetjen. 2lucb im griednfcben k v & o v o ia & iv Hingt eine ähnliche 33orftellung an; benn ev&eos e lv a t, deov

<5e elvai x a t kv& ovoid£eivib) bebeutet: außer ficb fein. 9lacb (Ei cero befinierte ( E b r p f i p p u s bie dioination als vim cognoscentem et videntem et explicantem signa quae a diis hominibus portendantur'26), unb in erftaunlicber tfbereinftimmung bamit (eitet ber ‘’Pbilofopb ber 2ed)=

ni! d e f f a u e r bie „Srfinberbefeffenbeit" baoon ab, baß in ber «Seele bes baau berufenen SRenfcben ber ted)nifd)e Omperatio lebenbig ift, ber

<23efebl,ausbem4.9fietd)'3ur Entfaltung unb‘Jöeiterfübrung ber6cböpfung bie ben 6innen »erborgenen ©eftalten betüberaubolen. (Es wäre fcbwer, einen ilnterfd^icb groifc^en jenen alten unb ben heutigen denternauentbeden.

Unferem menfcblicben Sßerftänbnts am eljeften augänglid) — »eil täg=

lieb ju beobachten — ift bas 6id)=33erlieben mit bem elementaren (Ent=

febluß, bas geliebte SBefen au erobern. 3Bie erfinberifcb macht biefer (Ent- febluß, ber bod) in jebem ber gleiche ift! 2Bir wiffen, baß ber menfehliche Organismus bie Aufgabe in ficb trägt, über ficb felbft binausauwaebfen, ficb fortaupflanaen. daau toirb ein 6 pftem non 3Ritteln bereitgeftellt.

der Befißer biefes (Spftems weiß aber nichts banon. f>öd)ftens macht es ficb an ber 'Peripherie feines Sewußtfeins als unbeftimmtes ©ebnen, als ein oages ©efübl bemerllid), bis bann plößlicb ber 2lnblid eines beftimm*

ten 5XRäbd)ens bie bis jeßt im Unbewußten oerlaufenen pfpebifeben ‘pro*

3effe in ben SSrennpunft rüdt, welche auf bem Umweg über bewußt ge=

worbene ßiebe unb |jeirat bem unbewußten fjö^eren 3wede bienen.

‘JBunberüoll fdnlbert €> d) i 11 e r folrf) eine ©jene:

„ 6 0 fteb’n wir febweigenb gegeneinanber.

2öie lange grift, bas fann ich nid)t ermeffen;

denn alles SERaß ber 3eiten war oergeffen27)."

unb ben „magnetifeben 33Iicf" in ben 2B a g n e r fdjen SRufitbramen, oornebmlicb im gliegenben Iwllänber unb im Jriftan, !ennt wobl jeber.

greilicb, bie menfd)licbe §>eiratspolitif greift gar manchmal fehl in ber Ausführung bes unbewußten 33efef)ls, b. b- in ber 5öabl ber SRittel (bes (Ehepartners) für ben höheren 3wed geiftig unb förperlid) gefunber gortpflanjung. Söeld) ein Unterfchieb awifeben bem, im Unbewußten oer=

mittelten 3nfammenfinben unb ben, unter Berechnung bes Reichtums unb bes gefellfchaftlichen (Einftuffes bes Schwiegervaters gefcbloffenen (Eben! Sftit §ug unb 3ied)t fönnte man auf bxefe bie 23eaetcbnung 3Res=

alltance anwenben.

2ft) Platon, Menon 99.

20) C i c e r o , de divinatione. II. 63. 130.

27) 6 cf) i 11 c r , 33raut Don SReffina. I. 7.

(10)

290 S n t ( cb l u 6

9Kit bem 3Iusruf: id) toitl! tritt ber fdjöpfcrifche ‘älft in unfer bewujjtes geben unb feftt bie in ber lebenbigen Subftanj fett Urjeiten bereitgehalte*

nen 9ftitfel in Bewegung. Önbeffen, nicht jebe SOtobilmachung ift golge eines Sntfchluffes; ja, faft mochte man meinen, bafe wahre Sntfchlüffe in bem hier gemeinten (Sinne perhältnismäfeig feiten finb unb lange nidjt im geben eines jeben SÖtenfchen burchbrechen, nicht einmal beim heiraten.

Sin grofeer Teil ber ,,(Entfd)lüffe" ift nur ein oerfapptes ©efchoben=

»erben.

SSßenn bie Slmöbe ein Stüdchen organifd^er Subftan^ auffrifet, roenn bie mächtigen 2ianen um ein eifernes Sor fid) herumfchlingen unb es aet=

brechen, wenn mir SÜRenfchen oor ber grellen (Sonne bie 2lugen fchliefsen unb bie Pupille cerengern, fo finb bas Slutomatismen, welche üielleidjt

»or Sleonen einmal fchöpferifche ßeiftungen gewefen fein mögen, wie bie (Schaffung bes Sebens überhaupt, wenn es je eine folche gegeben hat.

|jeute (ebenfalls laufen fie rein refleftorifd) ab, wie bas gunftionieren einer eleftrifchen Klingel, fobalb man auf ben Hnopf brüeft. 3a, bet geniale © r i e f i n g e r trug fein 33ebenfen, alles unf.er geiftiges Jun, alles bewufete Streben unb Schaffen auf biefe organifche Rötigung äurücfäuführen28)- 2tai 53creid> ber Reflejaftionen gibt es eben feine 2ßahl. ®ie eingelnen f)anblungen laufen nach unerbittlicher 2Rottoenbig=

feit ab; fogar unter llmftänben im ^Bereich bes bewufeten Sebens Karu Trjv Tfjs etfiaQftevrjg rcct;iv xal vö/xov29). ©o ftürjten fid) S a u l unb 55 a r u 5 in ihre Schwerter, f> a n n i b a l nahm ©ift, weil in bem römifch geworbenen Srbfrets fein Raum mehr für ihn blieb, unb un-- 3ählige haben — wie bie 28 Senatoren E a p u a s nach ber (Eroberung ihrer Stabt im grühling 211 — aus ähnlichen ©rünben felbft ihre phpftologifchen “^rojeffe ftillgeftellt. So fchwer, ja, fo unmöglich folch ein

®ntfcf)lufe benjenigen 3Kenfd)en erfdjeinen mag, benen bie 3Baf)l ämifchen mehr ober weniger 3af)lrcid)en SDlöglid)fcitcn offen fteht, fo einfad) ift et, wenn bie Hette ber Reflejaftionen auf eine einzige 23at)n befdjränft würbe unb wenn aud) biefe fid) als unmöglid) erweift.

SOtan fann nicht »on (Entfd)lufe im wahren Sinne fprechen, wenn bie

^eitfehe ber Rotwenbigfeit als vis a tergo hinter uns 3um |janbeln fnallt. So geht man erff gum 3ahnar3t, wenn Schmerjen baau jwingen, man rennt „in ber let3ten Sftinute" jurn 55ahnhof, man repariert bas

$ad) erft, wenn es hereinregnet, unb man läfet eine Hrebsgefd)tr>ulft entfernen erft, wenn es 3u fpät geworben ift.

3n biefem Sinne ift bas (Erlöfchen bes bewufeten 2ebens in ber Jat eine (Srlöfung Don allen ben burch= unb gegeneinanberbrängenben 2Rög=

28) SB. © t i e i t n g e t , übet pfpd>ifcf)c 9teflejaftionen, SIrd). f. pbpftolog. Seil- funbe. II. 1843. <5. 76 ff. — ©efammelte SIbbanblungen I. 1872. 6. 25.

2») 'P l a t o n , ©efefee. X. 904c.

(11)

£ n t (cf)! u 6 291 lichfeiten unb con ber 9totwenbigfeit, fid) für bie eine ober anbere ent=

frfjeiben 311 müffen, eine Seiftung, welche ber SJtehraahl ber SlRenfchen überhaupt fchwer fällt ober burd) Beeinträchtigung ber oitalen (Energie aud) urfprünglid) entfchloffenen SSJtenfchen unmöglich gemacht wirb, übrigens flößen wir auf analoge ‘Beobachtungen im Seben ber 33ölfer.

2lm Slnfang ihrer ©efd)id)te waren bie Onber, tote bie ©riedjen unb bie 9tömer, lebensfrifche, tatenfrohe 33ölfer, reich an Sntfchlüffen gu oielfeiti- gen Unternehmungen. Slber alle brei enbigten in tiefem Söeltfchmera, elegifcher 5tefignation, in ber glucht aus ber blühenben 2Belt ber 3Birf=

lid)feit in bas 3teid) fchemenhafter Obeen ohne 2eben: bie gähigfeit bes Sntfd)luffes mar ihnen abfjanben gefommen.

3n ben Kreis ber 9tefIejaftionen gehört auch bas, was man gemeinhin Sapferfeit nennt. Sapfer i f t man nicht, man w a r es nur: bie — nad)=

träglid) jum 33ewußtfein fommenben gefährlichen (Eventualitäten r>er=

golben mit bem begriff ber Japferfeit eine f>anblungswetfe, bie im gegebenen SSJtoment unbewußt abgelaufen mar. 9tach ber (Schlacht oon K ö n i g g r ä t j fet)te fid) 53 e n e b e f bem ärgften preußifchen 2lrtillerie=

feuer aus, um ben Slbmarfd) feiner gefd)lagenen Slrmee 3U letten. 2lls

man ihn nachher frug, ob er babei ben $ob gefud)t habe, antwortete er:

„ich habe gar nicht an mich gebacht".

®ie Söorte: tollfühn, temere et sine consilio ( Ci c e r o ) , temerario bringen btefe pfpchifche Berfaffung beutlid) jum Slusbrud.

2ßtr werben nicht fehlgehen, wenn wir bie SÖ'tehräabl ber menfd)lid)en f>anblungen als 9teflejaftionen b^w. als Ketten oon folgen betrachten.

S)abei wirb jebe 9te=aftion fofort wieber aur Sllfion, unb jwar mit fo un=

geheuerer ©efchwinbiglett, baß eine naioe Betrachtung bie leßte, finn=

fällig werbenbe 9teaftion unmittelbar an ben urfprünglic^en, erften 9teij anfnüpft unb fie als beffen unmittelbare golge betrachtet. ®as erfcheint fo einleuchtenb unb flar, baß man bie auf bem bajwifchenliegenben oer=

fchlungenen ©ege hemmenb ober förbernb bagutretenben gaftoren faum beachtet. Unb boef) geht es ba j$u, wie auf einer großen Babnbofsanlage, wo richtig geftellte Söeichen ben baherbraufenben 6 d)nell3ug glatt weiter- leiten, wo bas omtnöfe rote «Signal halt ober wo anbere Signale oer=

minberte gahrgefchwinbigfeit gebieten. ®er Zugführer ift ber 9tepräfen=

tant bes (Entfchluffes, welcher ben 3 ^ 9 aielbewußt auf feiner Bahn birigiert.

6 0 gan3 einfach tff ber am beginn unferer Betrachtungen feie rte Übergang oon ber lebten refrofpeftit>en 3>4animenfchau auf bie fünftige Dichtung bes f>anbelns feineswegs. ©ewiß taucht ba eine beftimmte

^Richtung, eine nid-wdog im Sinne oon P l a t o n auf. 2lber nicht fie allein. Stehen ihr erheben fid) im Stußerbewußten ober in ber Über*

(12)

292 2t I [ e 11 c i S R ö g l i d ) f e i t e n

gangsfphäre ber Sentiments anbere 2öege, welche ben motorifdjen Strom entweber auf ein anberes ©lets ablenfen, »er^ögern ober gar ganz abbroffeln wollen.

®rei ®inge finb ba 3U berücffidjtigen:

1. Sie Klarheit bes unbewußten plaftifdjen ®enfens, welkes bie eer=

fd)iebenen SEKöglichfeiten »ergleichenb nebeneinanber ftellt unb baraus feine unbewußten Urteile sieht; benn jebes Urteil ift ein Vergleich.

2. ®ie Stärfe unb bie 9tad)haltigfeit bes motorifchen Stroms.

3. ®ie ©röße ber Hemmungen.

(Fortsetzung folgt,)

„Sfilerld 3K8g(icf)feif<m“

93etracf)tungen »on f> a n s $ f) o m a übet ^Uoloptue unb 2eben mitgeteilt Don Dr. Rar! 2(nton, attannbeim-'JBallftabt

23iele 3ahre finb es jefot, baß in ber füllen Klaufe bes Richters $at l ( Ern ft K n o b t unb barnach im benfwürbigen Atelier a n s T h o ­ ma s bie Verausgabe »on „33lättern jur W ege überparteilich=religiöfen gebens" befchloffen würbe, bie ber 23 e r t i e f u n g »on § o r f d) u n g, K u n ft unb g e b e n bienen unb ein Organ ber 21 u s f p r a cf) e unö g e i f t i g e n © e m e i n f e h a f t werben follten für alle btejenigen, bie jene bamals betanntlid) noch nicht fo als notwenbig erfannte Hultui>

fpnthefe erftrebten. 3um Herausgeber würbe 25erfaffer biefer Seilen be- ftellt. ®ie gleich £>ans Sfwma injwifchen heimgegangene feinfinnige gürftin SKarie oon (Erbach=2Rönberg war 'Proteftorin bes ©anjen. Sine 9lethe bebeutfamer ^erfönlichfeiten war bafür gewonnen, u. a. ber cin=

flußreiche 33ifchof K e p l e r , S t e i n h a u f e n unb — 2B i l h e 1 m

2ß u n b t.

Allein 2Beltfrieg, 9ie»olution unb Inflation jerftörten wie fo manches fo auch biefes Unternehmen. ®er galfenoerlag, ber bie Verausgabe über»

nommen hatte, ging ein, als gerabe — unter bem Sitel „Allerlei SD[lög=

lichfeiten" — als ^weites £>eft 23etrachtungen über ^htlofophie unb geben oon §>ans $homa erfd)ienen waren. ®ie f>efte waren balb »er=

griffen; ebenfo rafch aber famen auch 23erlag unb Unternehmen in 2kr- geffenheit.

®amit war aber auch jenen Aphorismen bes großen SSRcifters »or- läufig bas Schictfal gefprochen.

9tun in ber — oon 3ahr p 3af)r mehr (Einfluß auf bas öffentliche Seben gewinnenben — ^eitfehrift „^tnlofophie unb geben", ift im ©ro=

ßcn bas geworben, was einftens bort im Kleinen begonnen worben roar, unb ba bie 23cbeutung biefes Organs unb fein Siel gerabe in jener »on uns erftrebten probuftioen Kritif unb Kulturfpnthefe befteht, fo bürfte es

(13)

S t t le r le i SSJl öglicfefciten 293 ebenfo finnig als aud) gerechtfertigt fein, an biefer ©teile auf bie oben genannten Betrachtungen fmns Shoma’s mit 9tad)brud hinauroeifen.

Vielleicht ergibt fid) auf bie im folgenben mitgeteilten groben hin ber SBunfch unb bie 3JtögIid)feit, fie burch einen »ollftänbigen 9teubrucf bem roahriich unoerbienten (Schidfal ber 33ergeffenheit 3u entreißen.

£ans Shoma führt u. a. aus:

SBcnn mid) jemanb {ragen würbe, warum id) meine 93etrad>tungen unb grörterungen

„3KögIid)feiten" nenne, ba man fie bocf) aud) 2Ipbortsmen, Sinnfprüdje, Sefenntniffe unb bergleidjen mefjr nennen tönnte, [o muß id) jet;t, tote man ju (agen pflegt, bumm antworten.

SBenn id) oor jwanjig ober Diesig Sauren allerlei 3Beist)eiten ausgetramt 1>ätfe (»on benen id) aud) fdjon etliche auf Säger gehabt tjabe su jener Seit), jo j)ätfe td) fie ftd>er nid)t mit bem 3t»eifelsttte[ „3ftögiid)feiten" oerjeben; aber id) bin jefet in ber 9läf)e bes ad)ljigften 3af)res unb babe bod) fo Biet erlebt unb erfahren, baß id) bei faft gar nidjts es wage au behaupten: bas ift [o! — benn mit ben 3abren ift eine Stimme in mir auf- getommen, bie bet jeber Sef>aupfung, bie ich als ficf)er aufftelle, mir juruft: befinne btd) bocf)! ift bas wirflid) fo?

So tommt es immer barauf hinaus, baß ic() augebe: aber mSgtid) wäre es bod) aud) anbers!

®rum bin id) ber Sfteinung getoorben, baß es für uns gar nicf)f fo »tele ©ewiß- beiten gibt toie SRöglidjfeiten, baß bie ©ewißfjeifen meift einen red)t bitteren ©efd>macf für uns ijaben. Sie ftnb auch ftat)(f>art, waijrenb bie 5Cflöglid)Icitcn in ifjrer 3Beicl)l)ett ein efaftifcfjes ‘Sanb um unfere Seele toeben, bas fie nid)t fo arg brüdt.

SWan beutet gern jeben guftanb, in welchen uns 3eit unb 2eben bineinfübrt, sum

©uten — unb ba büntt mid), baß bet 3toeifel an ben „©ewißbeifen" in Regungen bet Seele begrünbet ift, bie af)nungsoo[I ber Befreiung oom irbijcf>en Staub unb erben- [d)toeren ©ebanfen enfflattern möd)te.

* *

SBenn bas fiimmclreid) in btr folt SBurjel faffen, mußt bu bas Sperrgut SBelf- anfcfrauung braußen [affen.

£s ift mögiid), baß man fef>r jung [ein mufe, um ju glauben, baß burd) irgenbeine unferer 9BeItan[d)auungen bie SBeit »erbeffert »erben fönne, bas beißt bie in ber Seit geworbenen 23eftänbe unb Suffä'nbe oon SÜJenfdjen unb 33oIfsleben fid) oerbeffern taffen, umänbern laffen.

2tu5 bem ©e[d)iebe ber SKaffen unb ©efe[Ifd)aftsDer!)äItnifIe bilbet ficb bie Orbnung, toie fie fein muß unb aud) toie fie fid) oeränbern fann.

9Bie ein Strom in feinem 2auf ftef) fcfjtebt unb fief), regelt, toie er mufe; feine SBeüe tann bem SBaffetgefeß entgegen anbers wollen

(£s fdjetnf, baß manche fo tun, ats ob fie bie Sßelforbnung, ja bie SBelt felbft ge- [djaffen batten; finben fie biefe nun [d>led>t, bann ift es mßglid), baß eine faßen- jämtnerlic&e Stimmung über fie tommt, eine Selbftanfiage, als ob fie bie Sad>e »er*

pfufd)t l)äffen. S)as fann fid) fteigern bis ju ber ffranffieif, toeld)e, toenn id) nidjt irre, unter bem 9tamen 'Peffimismus Dortommt.

(14)

294 21 l 1 e r I e i 2 R ö g l i c b f e i t e n

6s fann »orfommen, bafe ein weifet Sftann nach allem gorjdien bei bet (Erfenntnis anlangt, bafj et oon bem, was et Dom malten ©tunb bes Seins ertennen möchte, nichts erfahren tann.

(Es ift aber ba aucb möglid), bafj et auf [eine (Erfenntnis bes Jticbtwtffens jo mütig toitb, wie frütjer auf fein SBiffen.

Sluf itgenb etwas mufe bet Sütenjd) bocb noct» ftolj fein fönnen.

* * *

(Es ift möglich, bafj bet bö<bffe Sieg, ben bie 3Beisf>eit erringen tann, ber über bas

©ela'cbter bet Sorbeit ift — ein fcbwerer Sieg, aber er fann auf bie “^pfabe ber fieilig*

feit führen.

(Es fommt oor, bafj ein weifet SOlann feine 'älntwort finbet auf bie grage eines Starren ober eines Kinbes unb ebenfo wenig auf bie ftumme grage eines Jierauges, weldjes Sluffcblujj ju begebten fdjeint übet bie SFlätfel ber Äreatur. ®as Sprichwort:

„Sin yiarr fann mebr fragen, als jeljn SBeife beantworten fönnen" fcbeint mtr aus einet gewiffen ^öerbriefelicfjfeit betoorjugeben, bie fiel) gern einftellt, wenn man gefragt wirb unb feine Antwort weife. Slus ber 23orausfid)t beffen ift woi)I aueb bie entfdjul*

bigenbe Lebensart bes gragers entftanben: „3d> mufj jefet bumm fragen".

* *

9tun eine Sietfabel, aifo eine „ilnmögltdjfeit"; aber man fotl ftd) Dorftellen, bafs es im Geben eines 3gels ein oergnüglicber guftanb fein rnufj, wenn er in feinen Stapel»

mantel eingebüllt bas Seifern unb §>eulen bes grnnbes hört, ber fid) bemübt, tbn ju

»erbetben. 9Ran fönnte fid) benfen, bajj ber 3gel lad)t in feiner Sicherheit, wenn et an bie blutige Schnauje benft, bie ber fiunb baoonträgt, obne bafj bet 3gel einen Stachel regt.

So eine Stadjelfugel fönnte bas Spmbol bet abgefdjloffenften 3d>beit fein, bes ab*

webrenben (Egoismus. 2Ber anbers fönnte aud) mit folcbet ©elaffenbeit ben 2Xusfprucb oom Sudelnauffteigen gebrauchen wie ber 3gel. 3n manchen Seilen ®eutfd)lanbs wirb bet ?tame aud) 3 d) e 1 ausgefproeben.

* * *

Sftöglicberweife ift bas ©ewiffen bas ©ewiffefte, was ben SDtenfdjen übet bie Siere erbebt.

6s gibt 3eiten, wo bet 9Renfd) oor feinem eigenen 33ilbe febaubert, bas er in langem 3Babn für ©ottes (Ebenbilb gebalten bat-

Sollte am (Enbe bie 2üge ber 35orjug bes 3Renfd>en fein? Siere fönnen nid)t lügen.

$)ie grage, was ift SBabrbeit? bat fid) bem SSRenfdjengefdjlecbt eröffnet — nun irrt es um biefe grage berum unb lernt babei lügen.

211s ber SRenfd) 3U lügen anfing — ba erbob et fid) übet alle Itere.

* * ¥

Unfere Seele fuebt in ungebornet Sebnfucbt aus bem 3)unfeln, aus bem Irüben nad) ibrem Urfprung, ben fie im Sichte abnt. SDtit glügeln ber ‘’Pbantafie, bem leid)-

(15)

S l l l e r l e i 3DI ö g 1 i d) f e i t e n 295 teften, was fie bat, fcbwingt fie fid) auf jum Quell bes Sid>ts, bis bort, wo fie nicht

»eiterbringen tann unb cot bem ©ebeimnis ©ott ftebt. 33on bort b« tann ibt grieben tommen, er webt aus ber Jiefe ber 2»igteit unb bie fudjenbe Seele hört fein 5taufcben toobl; fie tann biefen griebenston fo ftart »ernebmen, bafj oor ibm aller Särm ber SBelt oerftummf.

* * *

Sin Heines Sid)t »irft in uns, }u oerg!eid)en bem 5obannis»ürmd)en, bas im

©rafe fifjt unb in ber Unenblicbfeit purpurblauer 5Zad)t mit feinem grünlich glübenben Sd>etn nur bie allernäcbften ©rasbalme beleuchten tann — es muß bodj fonnen- oerreanbt fein.

©runb jum f>ocbmut tönnen wir barüber nicht haben, aber ©runb jur SBabrbaftig»

teit Ȋre hier oorbanben.

SBenn bie 5Häd>te ber Unenblicbteif unfere 3eitlid)feit jerftoren, fo mag »obl nur bas 9Bid)tigfte, bas 2Illerfeinfte unferes Gebens ftanbbalten.

3Bir glauben bies — wir müffen bies glauben, wenn wir bas Spiel gewinnen

»ollen.

* *

SBir alle fragen »ob! tiefe Sebnfucbt im §erjen, aus ben SKöglichfeiten heraus«

äufommen 3U ©eroifebeiten, fo bafj wir biefe ©ewifjbeit Srlöfung nennen »ollen. 2Ius biefer Sebnfucbt finb bie febonften grüdjte ber Sülenfchbeit in Religion, Äunft unb 3Biffenfd)aft beroorge»acb[en, unb fo »ollen roir in ber Hoffnung leben, bafe biefe Sebnfucbt auf einem feften ©runb ftebt, fo bafe fie erfüllt »irb: auf bem ©runb, auf bem unfer ©laube »urjelt, aus bem bie Siebe b«»or»äd)ft, beren 23anb bie SHenfcb- beit umfcblingen »itl.

* *

©ie oben mitgeteilten, fett jener »ergriffenen unb nergeffenen Ausgabe erftmals roieber pm ®rucf gebrachten ßtücfe finb nicht willfürlich aus=

gewählt. 6 ie bilben melmehr ben Äern bes 6 pruchbüd)Ieins.

Sin 91 e u b r u cf hätte fämtliche bamals gufammengeftellten 2Iphoris=

men wiebergugeben; hätte nach Aufzeichnungen bes bamatigen f>er=

ausgebers unb bem in beffen 33efit5 befinblichen 3Kanuf!ript 2homa’s gu berichten, welche baoon fchon oorher oorhanben waren, aber auch wie manche entftanben finb, b. h- unter welcher inneren unb äußeren 33er=

anlaffung.

Auch fönnen fonft noch höchft intereffante unb wertoolle Äußerungen bes Sfteifters ju bem Schema ^^ilofop^ic unb Seben bem 23ücf)lein bet=

gefügt werben, bas, fchön ausgeftattet, fixier feine Webhaber gerabe in unferen Greifen fänbe. Aus biefem ©runbe wirb ber Hinweis auf bas 33orhanbenfein folcher gefammelter Aphorismen oon f>ans SThoma an biefer ©teile gebracht.

Sntftehenbes Ontereffe bafür unb guftimmenbe Äußerungen, bie einem Verlag fooiel wie ©ubffription bebeuten bürften, fönnten balb au einer oollftänbigen 9leuausgabe führen.

(16)

296 ® e r 'P b ilo fo p f) 5 ß ill)eltn 55ujd)

£)er ^P^ilojop^ 2M f)d m 25ufd)

5öon © r e g o r #on O l a f e n a p p

2öir finben bei 33ufd>, wie bei wenigen anbern Richtern, eine fpfte*

matifche 23erbinbung bcnlerxfdjer “^rinaipien unb philofophifd>er ®ahr=

feiten, bie ber fpmpathifchen Teilnahme jebes tieferen 3Renfchen fidjer

finb. ?öiffenfd)aftlich »erwertbare 3been, bie früher noch nicht »orgefom- men finb, braucht man ihm allerbings nicht äujufd)retben. 2Illein, bas unfehlbare 5ßerbienft beruht hier auf etwas anberem; barauf, baß er bie Srgebniffe entlegenen abftraften ®en!ens nicht nur überhaupt in bichterifcher, fonbern in einer fpe^ififchen, an feine eigne Silbnerfunft ge=

mahnenben, plaftifch'braftifchen “ffieife ausbrüdt.

2Bas biibet beim überhaupt bie Sd)wierigfeit, ja bie gefährliche Seite an ber Formulierung unb Segrünbung ber allgemeinen, abftraften 2et>r=

fätje? 3)aß alles abftraft ©ebacf)te erft 3Birflichfeit unb bamit itbcr=

jeugungsfraft gewinnt, burd) bie fonfreten 33eifpiele, »on benen es gilt, unb baß es bem Sefer 2ftühe macht, fich währenb bes Stubiums ber 3been Schritt für Schritt biefe lebenbtgen Slnwenbungsfälle hinsuäuerfin=

ben, fie recht eigentlich gu bichten unb bamit fein ®enfen auf einen feften 33oben 3U (teilen. 2öas irgenb ber 2öirflid)feit entnommen, »on ihr ab=

gezogen (abftrahiert) ift, muß fich auf fie gurüdfithren laffen.

®iefe Schwierigfeit macht aber bie puren Slllgemeinheiten nicht feiten

»erbächttg. 3a, mitunter muß man »on bem 33erfaffer »erblafener, gelehrt flingenber 2luslaffungen argwöhnen, er habe fid) bei bem, was er ba fchreibt, tm ©runbe genommen gar nichts gebacht, erwarte aber, baß ber eine ober anbere Sefer fid) babei etwas werbe benfen fönnen. Unb je fchwieriger es ben Sefern war, eine Spur »on gefunbem Sinne heraus»

jupreffen, befto höher, hofft ber 2?erfaffer, werbe man ihn fchäfeen.

©as nun gerabe, was fo leicht an ben <’PhiM»Phen »ermißt wirb, liefert ber ®id)ter 3BtIhelm 53ufch; bei ihm fann man alles mit ben f>än=

ben faffen. 2s fteden bie abftrafteften ©ebanfen fchon gteid) in ben ftnn=

lieh heitern 23ilbern, greifbaren ©eftalten, Spmbolen unb ©leichniffen brin. 2Ran wittert, baß fie »orhanben finb, fieht fie hier unb ba um bie Sde guden unb sieht fie halb triumphierenb aus ihrem 23crftcdc. 3e berber, je mehr »om Tranfsenbenten entfernt babei, — nad) echt 3ß. 23ufd)ifcher SERanier — bie Silber aus bem S e h e n finb, bie aut 33egrünbung bes einen, aur 2öiberlegung bes anbern Theorems uns »ot*

gehalten werben, um fo unwiberftehlicher überzeugen fie; benn ftets hat ber Sebenbe recht. ®er 'Dichter »ermag mehr als berjenige, ber Wlofoph allein ift; woher auch kie phantafiereid)ften ®enfer, wie 'Plato, ©iorbano Sruno unb Schopenhauer, lieber gelefen werben unb grünbltchcr über=

(17)

® e r 'P b i I o I o p l) S ß illje lm ‘33 u f ct> 297 jeugen als bte an ‘pbantafie ärmeren, rote (Eartefius unb |>egel.

^^xlofopf) o^ne ^Phantafie fänbe überhaupt fein ‘’Publifum.

33ei ber fpftematifcb angeorbneten Auswahl pE>iIoJopI>ifd)er ©ebid)te, bie ich mir erlaube, bem ßefer corjulegen, ift fo manches ©ebiet ganj übergangen worben. “säfttjetif, (Ebarafterologie unb (Etbif im engeren Sinne gehören ja wof)l aud) aur ^P^ilofopbie; barin haben aber aud) fchon Diele anbere dichter unb befonbers Jlooelliften 23ebeutenbes geletftet.

Um alfo etwas ju bieten, was gerabe unfern beliebten fmmortften aum Unterfd)iebe non anbern 'Sintern ausseiebnet unb als tiefen, in fid) einigen ®en!er ebarafterifiert, entnehmen mir feinen 2Berfcn (unb jwar ooraugsweife ber „Kritif bes Verjens" unb bem „3u guter Sefct") baupt=

fäcblid) bas red)t eigentlich auf bie SERetapbpfif — Ontologie, Kosmologie,

‘’Pfpcbologie —- bezügliche, wo bie entfernten 3ufammenl)änge bes Seien*

ben unb bie Abgrünbe ber menfd)lid)en Seele erforfd>t werben.

*

®te große 9tätfelfrage ber StRetapbpfif ift b i e nacf) ber Subftanjialität ober Altualttät im “^rojeffe bes Uniöerfums. — 3 ft bas, was bas 2Befen unb eigentliche gunbament bes Söeltalls im ganzen wie aud) in feinen (Etnjelerfcbetnungen ausmadjt, ein beftänbiges, rubenbes (Etwas, ein Subftrat, in beffen SERobififationen fid) bas ©efamtleben äußert, alfo bas, was man oon jeber als bebarrenbe Subftanj bezeichnet bat, wie es bie meiften ^büofopben pon Seno unb Ariftoteles bis ju (Eartefius unb Spinoza lehren; — ober foll man ben wahren Kern oon allem, was uns umgibt unb was irgenb unfer ®enfen unb unfre Anfcbauung erreichen, in etwas anberem feben; nicht im S e i n , fonbern im 30 i r ! e n unb © e = f cb e h e n , fo baß nicht nur jebes Sebewefen, wie 9tie(3fd)e wollte, einen Sellenbau oon Trieben repräfentiert, fonbern aud) ber fchetnbar tote Stoff in Söabrheit bloß als etn Allbefeelter eyiftiert, unb alles, was man bas Sein geheißen batte, Por bem logifrf) ftrengen 3)enfen wie ein Srug=

gebilbe fd)winbet unb fid) in allem, auch bem ßeßten unb Kleinften in nichts als ein 5Btrfen auflöft?

Unb falls bie leßtere grage zu bejahen ift: beftebt bann noch ein Orga=

nismus aus bloßen Stoffen, bie ihm, wie 9Jtittel bem 3®ede bienen, unb in ber Schöpfung, wie ein 23allaft unb SDtaterial oerbraucht werben unb bes felbftänbigen Söertes ermangeln? Ober wie ftebt es bamit?

Auf biefe ©runbfragen ber StRetaphpfif antwortet ‘ffiilbelm Sufd):

9tirgenb fi^en tote ©äfte;

Allerorten lebt bie Kraft.

Oft nicht felbft ber gels, ber fefte, (Eine Kraftgenoffcnfcbaft?

^Pbilofopbie unb 2«ben. V. \2

(18)

298 $> e r 'p in lo io p i; i l i) e 1 m u j dj

®utd) unb burch aus (Eigenheiten

6 0 unb fo gu fein beftreht,

$te fid) lieben, bie fid) ftreiten, SBirb bie bunte 5ßelt gewebt.

f)ier gelingt es, ba mißglüdt es, 3ßünfd)e finben leine 9iaft.

Unterbrüder, Unterbrüdtes, 3ebes $ing hat feine Saft.

Unb noch beutlicher:

Sag Sltome, fage Stäubchen, Sinb fie auch unenblich flein, f>aben fie bod) ihre ßeibchen Unb bie Neigung, ba gu fein.

f>aben fie auch feine Köpfd)en, Sinb fie bod) »oll (Eigcnfinn.

STrofeig fpricht bas ^werggefchöpfchen:

3ch will fein, fo wie ich bin.

SOtan erfennt leicht, wie bie Subftanä, wenn man fid) ihre Slfaibenticn, ihre ßigcnfchaften, eine nad) ber anbern wegbcnft, bem 'Ph'lofophcn, fo- pfagen unter ben fmnben entgeht, fo baß fid) gar nicht mehr fagcn läßt, was fie noch unb man wirb an 20 tj e s treffliche Darlegung (in feiner „SKetaphpfif"), aber aud) an g i cf) t e s SBort erinnert: ®as Sein, gumal bas ber Seele, löfe fich in ein 3B i r ! e n auf. (Eine iote SRaferie gibt’s babei nid)t, unb bie tleinften 2ehenseinheiten finb genau fo un=

fterblich unb gum Betriebe bes ©angen notwenbig, wie bie größten; fie finb nicht bloße SERittel, fonbern Selbftgwed.

(Eng »erwanbt mit biefer ontologifchen grage ift eine anbere. §>aben wir uns bie (Eingelwefen als fo gefchaffen gu benfen, baß fie oermöge ber ihnen 00m Schöpfer »erliehenen (Eigentümlid)feiten fich fa benehmen (fo wollen, benfen, fühlen) unb fid) entfalten (esse se q u itu r operari1); ober fteht es umgefehrt: Oft bie (Ejifteng fclbft einem ©efchchen, einer Jtcifjc oon Vorgängen ibentifch au fetjen? unb weil fein Sßiile in gewiffen 9lid)=

tungen ftrebt, beshalb w i r b jebes ‘ffiefen f 0 unb nicht anbers? Oft, fur3 gefagt, nad) S c h o p e n h a u e r , ber 2eib bie Objeftioierung bes SBillens jum 2eben? 2äuft, um mit Cufrctius (Earus gu reben, ber §)irfcf) barum fo fchnell, weil er fo fchlanfe, ftarfe Beine hat, ober hat er fold)e Beine, weil er laufen w ill? Schafft bas Organ fid) feine gunftion ober bie gunftion bas Organ?

*) 2Ius bem 6ein folgt bas SBtrfen. (®. §>g.)

(19)

® e r ' P b i 1 o f o p h SB i 1 b e I m S3 u f d) 299

Siefe metaphpfifdjen S ^ ife l beantwortet SB. Sujet) in folgendem

©ebichte:

SBem’s in ber Unterwelt ju ftill, SBer oberhalb erfcheinen will, Ser baut [ich, je nach feiner SBeife, ßin fidjtbarliches SBohngehäufe.

S r ift ein blinber Slrchiteft,

Ser felbft nic^t weife, was er be3wedt.

Sennoch oerfertigt er genau Sich funftooll feinen ßeibesbau.

Unb follte mal was bran paffieren, Hann er’s oerpufeen unb »erfdjmieren;

Unb ift er etwa gar ein folch

©efehieftes Sterlein, wie ber 3Rold), Sann ift ihm alles einerlei,

Unb wär’s ein Sein, er macht es neu.

9tur fchab’, bafe, was fo froh begrünbet, So traurig mit ber 3 eit oerfchwinbet, SBie fchliefelich jeber Sau hfenieben, Sogar bie ftoljen ^pramiben.

SBenn nun fchon aus biefen (Stellen 3U fehen ift, bafe SB. Sufcf) im allgemeinen ber fog. Soolutionstheorie beiftimmt, fo wirb bocf) im befon=

bern, nämlich in §>infid)t bes f>er»orgehens ber jefeigen höheren Sebens- formen (3. S . bes SERenfchen) aus nieberen, bisweilen bie fritifche grage aufgeworfen: ob es niefet wiberfinnig fei, folange man an bem 6 afee

„causa aequat effectum "1) fefthält, ein ju ben erhabenften ©eifteshöhen aufftrebenbes SBefen, theologifch ausgebrüdt: ein nach bem Silbe ©ottes gefd)affenes SBefen, wie ber SWenfcf) es ift, ber Slbftammung nach mit garftigen, SBiberwillen einflöfeenben ©efchöpfen oerwanbt fein 3U laffen?

Ob nicht unfer Senfen fid) bagegen fträubt, bafe folche ©egenfäfee aus=

einanber h^oorgehen? Sie in ©ebid)tform gefleibete Söfung biefer grage, bie SB. Sufd) gibt, lautet:

Sie ftritten fich beim SBein herum, Sßas bas nun wieber wäre;

Sas mit bem Sarrntn wär gar 3U bumm

Unb wiber bie menfd)lid)c ®hre.

Sie tranfen manchen f)umpen aus, Sie ftolperten aus ben Süren,

Sie grünsten oernehmlid) unb famen 3U f>aus

©efrochen auf allen SJieren.

’) ®s boffefjf ©leicfibeif 3»i[cben ilr|acf)c unb SBirfung. (®. £g.)

21*

(20)

300 93 o m f r t f i( <f) e n ^R ealism u s unb einem © offesberoeife

®urd) bie Oronie bes ©ichters wirb hier bem wiffenfd)aftlid)en Pro­

bleme noch eine neue ©eite abgewonnen; benn (Obpffee, X, 233—243):

2Bie Cürce, bie Zauberin, fjanbelt, berichtet Römers ‘poefie;

$urd) bacd)ifd)e ©abe oerinanbelt

©ie Rtenfchen in grun^enbes 33iet>-

‘Bei uns aber unoerbroffen

©ingt jeber ®icf)tcrling fd)on,

$afe er mit bem 3Betne genoffen Sie göttlid)fte Onfpirafion.

Unb in 3nbien, in ber oebifdjen 2iteratur ( C l j a n b o g p a Upant- f h a b , V, 10, 3) Reifet es, bafe biejenigen, beren 2ebensführung fd>lcd)t gewefen, als ©chwetne ober f)unbe wiebergeboren werben; unb tiefer

©inn ber 2öieberr>ergeltung wirb ber 2ehre Don ber 3Retempfpd)ofe ge­

geben. 2Bilhelm 33ufcf) macht uns nun au 3ufd)auern einer Ilctnen ©eelen- wanberung Don biefer 2lrt.

(Fortsetzung folgt.)

55om frififd)<m un£>

einem ©offesbetDeife

5?on S r t (; © a f f i g

23or mehr als 44 Oahren würbe id) Don ber philofophifchen gafultät ber UniDerfität Breslau jum Softor promoDterf. Unfer ben fecf>s 2f)efen, bie id) bamals aufftellte, laufet bie eine: „® ie oft ausgefprochene 33e- l)auptung, ber fubjefttoe 3bealismus fei nicht au wtberlegen unb bie realiftifrfjc fjppothefe nicht 3u beroeifen, ift unbegrünbet." — 3cf) roürbe heute faum mehr fo Dorfidjtig Don realiftifcher „§>ppotl)efe" reben; in bet Tat ftanb mir wohl fd)on bamals bie Realität ber Slufeenwelt Döllig feft.

®as 2eben („‘'PhiMophie unb 2eben" fjeifet unfere 3citfcf>rift) forbert jebenfalls, bafe bie apriorifdje gorm ber 2lnfd)auung, bie wir 9iaum nennen, fowie bie Haufalitätsfategorie— um Don anberem au fchweigen — nicht bloß unfere „33orftellung" feien, fonbern bafe ihnen aufeer uns in bet Slufeenwelt — Dorfichtig gefagt — etwas Reales entfpreche, bafe bie Rafurgefefte, bie bie regelmäßige 2frf ber Reaftion bes (Stoffes auf menfchliches ftanbeln ausfprechen, nicht blofe Konaeptionen bes menfd)-- lichen 33cwufetfetns feien, fonbern bie 2IufeenroeIt wirtlich fo fonftruiert fei, wie fie fid) in unferm Senfen w i b e r f p i e g e f f . 3öenn bem anbers tüäre, wäre alle menfchliche Slrbett, bie immer irgenbwie 3“=

fammenarbeit, ©emeinfehaftsarbeit ift, alle Kulturarbeit Don ben ein- fachften f>anbgriffen an bis ju ben Derwideltften Verrichtungen unmög-

Cytaty

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bilbung einer beftimmten Sülethobe, bamtt aber bem ^fufchertum ein für allemal entriffen 3 U toerben1). 6 eit Kant ben Slriti 3 ismus gelehrt, haben toir, wenn

len, burch i&gt;ie es fein SouDeränitätsred)t ausübt, unenffchieben urteilt, bann fann es fich nicht wunbern, wenn nachher auch fein Parlament unenffcfjieben

©efprädjen mit einem greunbe weiter. 3öir grübelten wirflid) übet fd)Wierige gragen nad). 9tod) weife id), wie wir uns einmal bis fpät in bie 9tad)t hinein

mittelbar aus feinen Sebenserfabrungen beraus feftftellen fann, bafe er mit anberen 3Renfd)en jufammenlebt, nicht nur äufeerlid), fonbern aucb innerlich; bafe er

(Es ift mit oftmals ootgefommen, als wollten bie ©elehrfen nicht Berftanben werben Bon ber SÜtaffe, unb beswegen fchreiben fie mitunter auch fo

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bewußten fortwirfenbe Sätigfeiten auf. Nun ift aber ber begriff einer einmal im 23ewußtfein sorhanben gewefenen unbewußten feelifchen lätigfeit ein 3Biberfpruch in

Unb welche Söebingungen haben toir au erfüllen, um gegen bas (Ertoadjen bes 3®eifets in ber eignen ‘33ruft getoappnet au fein? hierauf fagt 20.. 3wei Erfcheinungen,