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Anzeigendiegespaltene Petitzeile oderderenRaum30Pfenn.
Beilageg ebiileLReichsmarb (Berlin,Michaellirchplatz 6.)
vi. Jahrgang Berlin,den13.September1877. Ur.37.
Inhalt: KönigreichPreußen: Vormundschafts-Ordnung.Gesetzvom5.Juli1875.—Ministerial-Erlaß,dieAufbringungundVerwendungdesLeh- rergehaltes,insbesonderedieVerwendungeines GehaltszuschussesausStaatsfonds,beiAmtssuspensiondesLehrers betreffendVom14.Juni1877.—- Mi- nisterial-Erlaß,dieBetheiligungderLehrernndderSchnlkinderanderReligionsprüfungbeiKirchenvisttationen betreffend.Vom 14.Mai1877.— Kaiser- thnmOesterreich: VerordnungdesMinisters fürKultusundUnterrichtvom29.Juni1877, Z. 2698, betreffenddievondenKandidatendesVolksschul- lehramtes zuentrichteuden Prüfungstaxen— Verordnungdes«MinistersfürKultusvundUnterrichtvom29.Juni 1877, Z.422K. U.M.,analleLandes- schnlräthe,unddenStatthalter inTriest, betreffenddieanInlandtschenLehranstalten inaushilfsweiser Verwendung stehendenAnsländer.—-
Anzeigen. —-
üönigreikbpreußen Vormundschafts-Ordnung. Gesetzvom 5.Juli1875.
WirWilhelm,von Gottes Gnaden Königvon Preußen2c.
verordnen, unterZustimmungderbeidenHäuserdesLandtages unserer Monarchie für" denganzenUmfang derselben,was folgt:
Erster Abschnitt.
Vormundschasts-Gericht.
§. 1. Das Vormundschasts-GerichtwirdvonEinzelrichtern (Friedensrichtern, Amtsrichtern, Gerichtskommissarien)verwaltet.
ImGeltungsbereichederVerordnungvom2.Januar 1849 und imBezirkedesAppellationsgerichiszu Frankfurt.a. M.
werden zu; diesemZweckebeidenKollegialgerichtenAaerstleL stanzeinodermehrereEinzelrichter ernanntßf s- «:««.-;,:;.-(»,JEJJ
§. 2. FürdieTBormundschaftübereinen Minderjärig7n istdas Gericht zuständigfinidessenBezirkderVater zuder Zeit,inwelcherdieBevormundung nöthig geworden ist, sei- nenWohnsitzoderinErmangelungeinessolchen seinen Aufent- haltgehabt hat.
Füreineinnerhalb dergesetzlichenVormundschaftdesVa- ters erforderliche ThätigkeitdesVormundschaftsgerichtswird dieZuständigkeitdurchden WohnsitzoderinErmangelungei- nes solchen durchdenAufenthaltdesVaters bestimmt.
§.Z·FürdieVormundschastüber einminderjährigesun- ehelichesKind istdas Gericht zuständig,indessen Bezirkdie Mutter zurZeitderGeburt des Kindes ihrenWohnsitzoderin Ermangelungeines solchen ihrenAufenthalt gehabt hat.
§;4. FürdieVormundschastüber einen Großjährigenist dasGericht zuständig,indessen Bezirk derselbe seinen Wohnsitz oderinErmangelungeines solchen seinen Aufenthalt hat.
§. 5. Fehltesan einem-der in,den§§.2—4 angeordne- tenGerichtsstände,so istdas Gericht,indessen BezirkderVa- ter oder dieunehelicheMutter oder der zubevormundende Großjährigeden letzten Wohnsitz gehabt hat,und inErman- gelungeines solchen dasjenige Gericht zuständig, welchesder
Justizminister bestimmt. -
§. 6. FürdieVormundschaftüber einenNichtpreußenwird dieZuständigkeitdurchdenWohnsitznach Maßgabeder§§.2—·4 bestimmt.
JUErmangelungeines WohnsitzesinPreußenkanndas GerichtdesAufenthaltes vorläufige Maßregeln ergreifen. Das- selbe hateineVormundschafteinzuleiten,wennderHeimathstaat dieSorge fürdenzuBevormundenten nichtübernimmt: .
DieVormundschaftübereinenNichtpreußenist aufVer- langenderBehördendesHeimathstaatesan diese abzugeben.
§. 7. Minderjährige,derenEltern unbekannt sind,werden von demGerichteunter Vormundschaft gestellt,indessen Bezirk sie gefundenwurden.
§. 8. Für diePflegschafteines Bevormundeten istdas GerichtderVormundschaftzuständig.
Jm Uebrigen finden fürdiePflegschaft, sowie fürdieaußer- halbeiner VormundschaftoderPflegschaft erforderliche Thätig- keit desVormundschaftsgerichtsdieVorschriftender §§. 2——4, 6entsprechendeAnwendung. Sofern diese Vorschriften nicht anwendbarsind,»ist.das. Gericht zuständig,indessen Bezirk-die Angelegenheiten wahrzunehmen sind, wegenderen dieThätig- keit desVormundschaftsgerichts eintritt.
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§.9. Streitigkeiten über dieZuständigkeitmehrererVor- mundschastsgerichteentscheidet endgiltigdas Appellationsgericht oder,wenn dieGerichte verschiedenen Appellationsg·erichtsbezir- kenangehören,derJustizminister.
Das Vormundfchaftsgerichtkann dieVormundschaftoder diePflegschaftaus erheblichenGründen an einanderes Vor- mundschaftsgericht abgeben, nach BestellungdesVormundes oderdesPflegers jedochnur mitdessen Zustimmung Einigen sichdieGerichte nicht,so entscheidet nach MaßgabederVor- schriftdesersten Absatzesdas AppellationsgerichtoderderJu- stizminister.
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§. 10. GegendieAnordnungendesVormundschaftsgerichts findet Beschwerde statt. Die Entscheidung erfolgt,und zwar endgiltigindem BezirkedesAppellationsgerichtshofeszu Köln durchdasLandgericht,indemBezirkedesAppellationsgerichts zuCelledurchdas Obergericht,indenübrigen Landestheilen
durchdas Appellationsgericht —
DieBeschwerde wirdbeidemVormundschaftsgerichtoder.
beidemBeschwerdegerichteingelegt.
DieBeschwerdean dasLandgerichtkannohneMitwirkung einesAnwaltes eingereichtwerden und istineinerZivilkam- mer desLandgerichts durch Rathskammerbeschlußzuerledigen.
Zweiter Abschnitt.
Vormundschaft über Minderjährige.
I.EinleitungderVormundschaft.
§.11. Minderjährige erhalteneinenVormund, wenn sie nichtunter väterlicherGewalt stehen,wenn dieväterlicheGe- waltnachden VorschriftendesbürgerlichenRechtesruht,Loder wenn ihrVater selbstbevormundetwird.
563 Preußen:VormundschaftssOrdnung Vom5.Juli1875.
§.12. ErlischtdieväterlicheGewalt durchVerheirathung, durch getrennteHaushaltung oder durchEntlassungdesKin- des,ohne daß dasselbedieRechteeines Großjährigen erlangt, sowird derbisherigeGewalthaber gesetzlicherVormund.
UebereinunehelichesKind wird derVater eineruneheli- chenMutter gesetzlicherVormund, so langedasVormundschafts- gericht nichteinenanderen Vormund bestellt.
§.13. Ueber einMündel, welcherineine unter Verwal- tung desStaates odereiner GemeindebehördestehendeVer- pflegungsanstalt aufgenommen ist, hatbiszudessenGroßjäh- rigkeitderVorstandderAnstaltdieRechteundPflichteneines gesetztlichenVormundes, so« langedas Vorniundfchaftsgericht nichteinenanderen Vormund bestellt.
§.14. JsteingesetzlicherVormund nicht vorhanden, so hatdas Vormundfchaftsgerichtvon Amtswegendie Vormund- schaft einzuleiten.
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§.15. SolangeeinVormund nicht vorhanden oderder vorhandeneVormund beidemAnfalleines Nachlassesan den Mündel abwesendist, hatdas Vormundschaftsgerichtdas Ver- mögendesMündels sicherzustellen.
DiegleichePflichthat jedesVormundschaftsgericht,indes- sen Bezirk sich VermögendesMündels befindet.
Sind derVateroderdie Mutter desMündels oder groß- jährige Miteigenthümeranwesend, so istdieSicherstellungnicht
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erforderlich. .
§.16. Wird dieEinleitungeinerVormundschaft nöthig, sofinddieMutter, dieStiefmutter und diegroßjährigenGe- schwister, sowie derjenige, welcherdenMündel an Kindesstatt angenommen hat,verpflichtet,demVormun schaftsgerichteun- verzüglichAnzeigezumachen. «
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Eine gleiche PflichtzurAnzeige habendie Standesbeam- ten,wenn ihneneinGeburts- oderSterbefall,welcherdieEin- leitungeinerVormundfchaft nöthig macht,oderdie Geburt ei- nes unehelichenKindes angemeldet wird.
Wird eineBevormundunginFolgeeinesgerichtlichenVer- fahrens nöthig, soist das Gericht oder, wenn dieStaatsan- waltschaftin demVerfahren mitgewirkt hat, diese verpflichtet, das Vormundschaftsgerichtzubenachrichtigen.
§.17. Als Vormünder sindinnachstehender Reihenfolge berufen:
1)wer ohnedieväterlicheGewalt zuerwerben, den Mündel an Kindesstattangenommen hat;
2)wer von demVater ineinemTestamenteoderinei- ner gerichtlichodernotariell beglaubigtenodereigen- händig geschriebenenund unterschriebenenUrkunde benannt ist, sofernderVater zurZeit seinesTodes die väterlicheGewalt überdenMündel gehabt hat oderunter Voraussetzungderbereits erfolgtenGe- burt desselben gehabt haben würde,odersofernder Vater biszumTodedieVormundschaft geführt hat;
Z)dieMutter überihre ehelichen nichtan Kindesstatt hingegebenen Kinder;
4)wer von derMutter inder Nr.2bestimmtenForm benannt ist, soferndieMutter biszumTode die
Vormundschaft geführt hat; «
ö)derGroßvater väterlicher Seits;
6)derGroßvater mütterlicherSeits.
DieMutter ist nicht berufen,wenn siemiteinem Anderen als dem Vater desMündels verheirathet oderwenn dieEhe mitdemVater desMündels durch Urtheil getrenntist.
Preußen:Vormundschusw-Ordnung Vom5.Juli1875. 564
Jsteiner EhefraueinVormund zubestellen, so darfvor jedem nach diesem Paragraphen Berufenen der Ehemannbe- stelltwerden.
§. 18. Wegen Uebergehungdernach§. 17Berufenenist dieBeschwerdenur biszumAblaufvon vierWochen nacher- haltener Kenntnißvon derBestellungeinesanderen Vormun-
deszulässig. -
Sind Umstände eingetreten, welchedieBestellungdesnach
§. 17Berufenenalsnachtheilig fürdenMündel erscheinen las- sen, sokanndasVormundschaftsgerichtdenBerufenen mitdes- sen Zustimmung übergehen.Bei dessen Widerspruch istdie EntscheidungdesBefchwerdegerichtseinzuholen.
§. 19. Kann dieVormundschaftkeinemdernach §.17Be- rufenen übertragen werden, so hatdasVormundfchaftsgericht nach AnhörungdesWaisenraths(§. 52)einenVormund zu be- rufenund dabei geeigneteVerwandte oderVerschwägertedes Mündels zunächstzuberücksichtigen.
BeiderAuswahldesVormundes ist aufdas religiöseBe- kenntnißdesMündels Rücksichtzunehmen.
Das Vormundschaftsgericht hatin derRegel füreinen Mündel, sowie für mehrere Geschwisternur einen Vormund zu berufen.
§. 20. JederPreuße, welcher nicht gesetzlichunfähigoder zurAblehnung berechtigt ist, mußdieVormundschaft, zuwel- chererberufen ist, übernehmen.
Weigert sichderBerufene, sokann ervon demVormund- schaftsgerichte durch Ordnungs-strafenbiszumBetragevon je dreihundertMarkzurUebernahmederVormundschaft angehal- tenwerden.
Mehrere Strafen sindnur inZwischenräumenvon min- destenseiner Wochezuverhängen. Jst dreimal eine Strafe ohne Erfolg verhängt, so isteinanderer Vormund zubestellen.
§. 21. UnfähigzurFührungeinerVormundschaft sind:
1)Bevormuudete oderHandlungsunfähigez 2)wer das einundzwanzigste Lebensjahr noch nichtzu-
rückgelegthat;
Z)wer der bürgerlichenEhrenrechte verlustigerklärtist, nach MaßgabedesStrafgesetzbuchesz 4) Gemeinschuldner währendderDauer desKonkurs-
Verfahrens; ,
5)weroffenkundigeinenunsittlichenLebenswandel führt;
6)wer von demVater odervon derMutter nach Maß- gabeder in§.17fürdieBerufungeines Vormun- desgegebenen Vorschriften ausgeschlossenworden ist;
7) weibliche Personen.
NichtunfähigzurFührungeiner Vormundfchaft sind je- dochdie Mutter überihre ehelichen, unehelichenoderangenom- menen Kinder,und dieGroßmutter, sofern sie nichtbeietwai- gerTrennung derEhe fürden schuldigen Theilerklärt sind, sowiediejenigen weiblichen Personen, welche nach§. 17 Nr.2 und4berufen sind. ,
EineFrau, welchemiteinemAnderen, alsdemVaterdes Mündels verheirathet ist, darfnur mitEinwilligungdesEhe- mannes zumVormunde bestellt werden. «
§.22. Werein Staatsamt oder einbesoldetesAmtin der Kommunal- oderKirchenverwaltung bekleidet, bedarfzur Führungeiner von demVormundschaftsgerichte eingeleiteten Vormundschaft der Genehmigung der zunächstvorgesetzten Behörde.
§.23.
ablehnen:
Die Uebernahme einer Vormundschaftkönnen
565 Preußen:Vormundfchafts-Ordnung. Vom5.Juli1875. Preußen:Vormundfchafts-Ordnung.Vom5.Juli 1875. 566
l) weibliche Personen;
2)werdas fechzigsteLebensjahr überschrittenhat;
B)werbereits mehralseineVormundfchaft oderPfleg- schaft führt;
4)weran einerdieordnungsmäßigeFührungderVor- mundschafthindernden Krankheit leidet;
5)wer nichtindemBezirkedesVormundschaftsgerichts seinenWohnsitz hat;
6)wer nach Maßgabedes§. 58 zurStellung einer Si- cherheitangehaltenwird ;
7)wer fünfodermehr minderjährigeehelicheKinderhat.
Die Führungeiner GegenvormundschaftstehtimSinne derNr. 3 derFührungeiner Vormundschaftoder Pflegschaft nichtgleich.
Das Ablehnungsrecht geht verloren, wenn esnichtbei demVormundfchaftsgerichtevor derVerpflichtung geltendge- machtwird.
§.24. Der Vormund wird von dein Vormundschaftsge- richtedurch Verpflichtung auftreue undgewissenhafte Führung derVormundschaft bestellt. Die Verpflichtungerfolgtmittels Handschlagesan Eidesstatt.
DerVormund erhälteineBestallung,aus welcherdie Na- menund dieGeburtszeitenderMündel,die Namen desVor- mundes, desGegenvormundesundder Mitvormünder, sowie dieArt der etwaigen Theilung derVerwaltung ersichtlich sein müssen. JsteinFamilienrath bestellt, so ist auchdiesanzugeben.
EineBestellungdesgesetzlichenVormundes findet nicht statt.
§.25. Wird einHandlungsunfähigerzumVormunde be- stellt, so istdieBestellung nichtig.
JstderzumgesetzlichenVormunde Berufenebevormundet oder handlungsunfähigoder nichtimBefitzederbürgerlichen Ehrenrechte, sotritt diegesetzliche Vormundschaftnichtein.
StehendeinVormunde andereUnfähigkeitsgründeentge- gen, oder fehltes an dernach §.22 erforderlichen Genehmi- gung, so führtersein Amt,biserentlassenwird.
§.26· Neben demVormunde kann einGegenvormundbe-.
stelltwerden.
EinGegenvormund muß bestellt werden,wenn mit der Vor- mundschafteineVermögensverwaltungverbunden istundnicht mehrereVorm-ünderzu.ungetrennter Verwaltung bestellt sind.
Führen mehrereVormünder dieVerwaltung nach Geschäfts- zweigen getrennt, sokann dereinezumGegenvormundedes anderen bestelltwerden.
Neben dem gesetzlichenVormunde isteinGegenvormund nur zubestellen,wenn dessen Anhörung nach Maßgabedes
§.55erforderlich wird;dieBestellung erfolgtnur zumZwecke derPrüfungdervon demVormundschaftsgerichtezugenehmi- genden Handlung.
Ausdie Berufung und BestellungdesGegenvormundes findendiefürdie Berufungund BestellungdesVormundes geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung.
DerVater oderdieMutter könnennachMaßgabederin
§.17fürdieBerufungeines Vormundes gegebenen Vorschrif- tendieBestellungeines Gegenvormundesuntersagen.
1I.Führung der. Vormundschaft.
§- 27. Dem Vormunde liegtdie Sorge fürdiePerson und dieVermögensangelegenheitendesMündels, sowiedieer-
forderlicheVertretung desselben ob, soweit nicht für gewisseAn- gelegenheiteneinPfleger bestellt ist.
§. 28. Der Mutter desMtindels stehtdessen Erziehung Unter derAufsichtdesVormundes zu. Dieselbekannihraus
erheblichenGründen nachAnhörungdesVormundes, sowiedes Waisenrathes durchdasVormundschaftsgericht entzogenwerden.
Diebestehenden VorschriftenüberdiereligiöseErziehung derKinder bleibeninKraft.
§.29. DerMündel wird durch solche Rechtsgeschäftebe- rechtigtund verpflichtet, welchederVormund ausdrücklichim Namen desMündels oderunter Umständenabgeschlossenhat, welche ergeben,daßdas GeschäftnachdemWillen derBethei- ligten fürdenMündel geschlossenwerden sollte.
§.30. MehrereVormünder verwalten gemeinschaftlich.
Bei Meinungsverschiedenheiten entscheidetdieMehrheit oder,wenn einesolche nicht erzielt wird,das Vormundschafts-
gericht. »
Jstunter mehrerenVormiindern dieVerwaltung getheilt- soverwaltet jederdieihm zugetheilten Geschäfte selbstständig.
Andere Bestimmungenüber dieVerwaltung mehrererVor- münder könnendurchdenzurBerufung Berechtigtengetroffen werden.
§.31. DerGegenvormundhat daraufzuachten, daßdie VermögensverwaltungdesVormundes oder desbeiVerbinde- rung desselbeneintretenden Pflegers ordnungsmäßiggeführt wird. Er hatinden indiesemGesetze bestimmten Fällenbei FührungderVormundschaftmitzuwirken.
Erhatvon etwaigen Pflichtwidrigkeitenoderder eintreten- denUnfähigkeitdesVormundes demVormundschaftsgerichteAn- zeigezumachen.
§.32. DerVormund sowiederGegenvormund haftet für dieSorgfalt, welcheeinordentlicher Hausvater auf seine eige- nen Angelegenheitenverwendet.
DieVerantwortlichkeitdesbestelltenVormundes beginnt
mitdemZeitpunkteder Bestellung. «
DerEhemanneiner zumVormunde bestellten Frau haftet, wenn ernichtderVater desMündels ist, fürdie vormund- schaftliche Verwaltungals Bürge.
DieEinrede derTheilungunter mehreren Verhafteten ist ausgeschlossen.
Die bestehenden Vorschriften,nach welchendem Mündel einpersönlichesVorzugsrechtvor anderen GläubigerndesVor- mundes zusteht,bleiben inKraft.
Ein Pfandrechtoder einTitel zumPfandrechtean dem VermögendesVormundes entsteht durchdieVormundschaft nicht.
§.33. DieVormundschaft wird in derRegel unentgelt- lichgeführt. «
Anslagen müssendemVormunde und demGegenvormunde aus demVermögendesMündels erstattetwerden.
HatderVormund oderderGegenvormund Dienstegelei- stet, welcheseinem Gewerbe oderBerufeangehören, sokanner dieBezahlung dieser Diensteaus demVermögendesMündels fordern.
§.34. Ein Honorar stehtdemVormunde nur zu, soweit ihmeinsolchesvon demErblasserdesMündels odervon dem Vormundschaftsgerichtezugebilligtworden ist.
Das Vormundschaftsgericht darfdemVormunde ein Ho-
norar nachAnhörungdesGegenvormundesund nur dann zu-
billigen, wenn die Vermögensverwaltungder Vormundschaft besonders umfangreich ist.
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Dem Gegenvormunde darfdasVormundschaftsgerichtein Honorar nichtzubilligen.
§. 35. Von dem beiEinleitungderVormundschaftvor- handenenoderspäterdemMündelzugefallenen Vermögen hat derVormund unter Zuziehungdesetwa vorhandenenGegen-
567 Preußen:—Vormundfchafis-Ordnung.Vom5.Juli1875.
vormundes eingenaues und vollständiges Verzeichnißaufzu- nehmenunddemVormundschaftsgerichtemitdervon ihmund dem Gegenvormunde abzugebenden pflichtmäßigenVersicherung derRichtigkeitundVollständigkeiteinzureichen.
DerVater desMündels istals gesetzlicherVormund von dieser Verpflichtung frei. ..
HateinErblasserdes Mündels inder§. 17 Nr. 2bestimm- tenFormdieOffenlegungdesVerzeichnisses seines Nachlasses verboten,«soist dasselbeVon dem Vormunde nachVorschrift desersten Absatzes einzureichenundvon demVormundschafts- gerichteeinzusiegeln, auf VerlangendesVormundes in dessen Gegenwart. Das Vormundschaftsgericht darfnur aus beson- deren Gründen,über welchederVormund zuhören ist,Von demJnhalte dieses Verzeichnisses Kenntniß nehmen.
§.36. Hat einErblasserdesMündels über die Verwal-
.tung oder dieVeräußerungderzuseinemNachlassegehörigen GegenständeBestimmungen fürdenVormund getroffen, so sind diesezubefolgen.Eine Abweichungvon diesen Bestimmungen ist mitGenehmigungdesVormundschaftsgerichts gestattet,wenn Umständeeingetretensind, welchedieBefolgungalsnachtheilig fürden Mündel erscheinen lassen.
§-.37. Die Kosten der Erziehungdes Mündels hatder Vormund aus den Einkünften desselbenzubestreiten. Reichen dieEinkünfte nichtaus, sokann dasStammvermögenange- griffenwerden.
§. 38. DerVormund kann Schenkungen fürdenMündel nicht vornehmen. Jedoch sind Geschenke zulässig, welche üblich sindoderdurchdieVermögensverwaltungbegründetwerden.
§.39. Gelder,welche zulaufenden oderzuanderen durch die Vermögensverwaltung begründeten Ausgaben nicht erfor- derlich sind, hatder Vormund imEinverständnissemit dem Ge- genvormunde inSchuldverschreibungen, welchevon demDeut- schen Reicheodervon einemDeutschen Bundesstaate mitgesetz- licherErmächtigungausgestellt sind,oderinSchuldverschreibun- gen, deren Verzinsungvon demDeutschen Reicheodervon ei-
·
nem DeutschenBundesstaategesetzlichgarantirt ist,oderin Ren- tenbriefenderzurVermittelungderAblösungvon Renten in Preußen bestehenden Rentenbanken,oderinSchuldverschreibun- gen, welchevon Deutschenkommunalen Korporationen (Pro- vinzen, Kreisen,Gemeinden 2c.),odervon deren Kreditanstalten ausgestelltund entweder Seitens der Inhaber kündbar sind oder einer regelmäßigen Amortisation unterliegen, oder auf sichere HypothekenoderGrundschulden, zinsbar anzulegen.
Gelder, welcheindieser Weise nachdenobwaltenden Um- ständennicht angelegtwerden können, sindbei derReichsbank oder bei öffentlichen,obrigkeitlich bestätigten Sparkassen zins- barzubelegen.
EineHypothekoderGrundschuld ist für sicherzuerachten, wenn siebeiländlichen Grundstückeninnerhalbderersten zwei Dritttheiledesdurch ritterschaftliche, landschaftliche, gerichtliche oder Steuertaxe, beistädtischeninnerhalb dererstenHälftedes durch Taxeeiner öffentlichenFeuerversicherungsgesellschaftoder durchgerichtliche Taxezuermittelnden Werthes,oderwenn sie innerhalbdesfünfzehnfachenBetragesdesGrundsteuerreinertra- gesderLiegenschaftzustehenkommt.
Sicheren Hypotheken stehenimSinne dieser Vorschriften die mitstaatlicher Genehmigung ausgegebenen Pfandbriefeund gleichartigen Schuldverschreibungen solcher Kreditinstitute gleich, welche durch VereinigungvonGrundbesitzern gebildet,mit Kor- porationsrechten versehen sindund nach ihrenStatuten dieBe-
PreußemVormundfchafts-Ordnung. Vom5.Juli1875. 568
leihungvon Grundstücken aufdieimdritten Absatzeangege- benen TheiledesWerthes derselbenzubeschränkenhaben.
VersäumtoderverzögertderVormund dieAnlegungvon Geldern,somußerdieanzulegendeSumme mit sechsvom Hundert jährlich verzinsen.
§.40. Der Vormund darf Vermögensgegenständedes Mündels nichtinseinem Nutzenverwenden. Erhatdas trotz- deminseinem Nutzenverwendete Geld von derVerwendung an zuverzinsen. DenZinsfuß bestimmtdas Vormundschafts- gericht nach seinem Ermessen auf acht bis zwanzig vom Hundert.
EineHypothekoderGrundschuld, welche aufeinemGrund- stückedesVormundes haftet, darfderselbe fürden Mündel nichterwerben.
§.41. DerGenehmigungdesGegenvormundes bedarfes:
1)zurVeräußerungvon Werthpapieren, 2)zurEinziehung, AbtretungoderVerpfändungvonKa-
pitalien, sofern dieselben nichtbei Sparkassenbe- legt sind, «
3)zurAufgabeoderMinderungderfüreineForderung bestellten Sicherheit.
Die Genehmigungdes Gegenvormundeskann durchdie GenehmigungdesVormundschaftsgerichts ersetztwerden.
§.42. DerGenehmigungdesVormundfchaftsgerichtsbe- darfes:
1)zurEntlassungdesMündels aus der Preußischen Staatsangehörigkeitz
L)zurAnnahmedesMündels an Kindesstatt;
3)zumEintritt desMündels ineine Einkindschaft;
4)zurErbauseinandersetzung, soferndieselbe nicht durch Erkenntnißfestgesetztwird ;
5)zurVeräußerungoderBelastung unbeweglicherSa- chen, soweit dieselbenichtimZwangsverfahrengegen denMündel erfolgt;
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6)zumErwerbe von unbeweglichen Sachen durch lästi- genVertrag;
7)zurVerpachtungoderVermiethung unbeweglicherSa- chen,wenn derVertrag überdasAlter der Groß- jährigkeithinaus gelten soll, sowiezurVerpachtung von Grundstücken,diezueinem Grundsteuerreiner- tragevon dreitausendMarkodermehr eingeschätztsind.
8)zurAbschließungvon Vergleichen,wenn deren Ge- genstand unschätzbaristoderdieSumme von drei- hundertMarkübersteigt;
9)zurVeränderungoderAuflösung, sowiezur Neube- gründungoderUebernahme einesErwerbsgeschäftes;
10)zurEingehung wechselmäßigerVerbindlichkeiten;
11)zurErtheilungeiner Prokura;
12)zurAufnahmevon Darleheny 13)zurUebernahme fremder Verbindlichkeiten;
14)zurEntsagungeinerErbschaftoder eines Vermächt- nisses.
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§. 43. ObdieAuseinandersetzungübereinendemMün- del angefallenen Nachlaßmit dessen Miterben von dem Vor- munde herbeizuführensei, hat dieserzuermessen.
DieErbauseinandersetzungkann vor Gericht, vor einem Notar odermittels Privatschrift erfolgen.
JmBezirkedes AppellationsgerichtshofeszuKölnerhält dieErbauseinandersetzung durchdieGenehmigungdes Vor- mundschaftsgerichts dieselbe Giltigkeit,als wäresienur von großjährigenPersonenvorgenommen worden.