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. Ein naturwissenschaftlichenVolksblatt anggrgelirnnnIIE. A.Noßmäszlen WöchentlichlBogen. DurchalleBuchhandlungenundPostämter für vierteljährlich15Sgr.zubeziehen.
Inhalt: DerTraum. Von Bertbold Sigismund.
No. 8. scheidungskunst. (Mit Jllustratlon). — OptischeNarkose.— Die Humboldt-Vercine. Il. —
Verkehr.— BeiderReduktion eingegangene Bücher.
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(Schluß).— DienaturgeschichtlicheUnter-
Yer Traum.
VonBekthold sigismund.
(SchlUß·)
DerWilleliegtim Traum ebenso sehrdanieder wie dieUrtheilskraft. Zwar vollbringtman zufolgeder Traum- vorstellungen einzelne Körperbewegungen,diezu demAffekte desAugenblicks passen,abersiesind unkräftig, täppisch, automatisch, kaumvondemWerthe,wie dasBlinzelnder AugenbeimVernehmeneinesSchUsfes-Der TtäUMek suchtsichvoneinemSchreckbild abzuwenden,erwillesmit derHandabwehren,erregtden’Fuß,umzuentrinnen,er
versuchtnachHülfezurufen; aberalleseineStrebungen zurThat sind schwächlichunderfolglos.DieWillenskraft reichtkaumzu einemAngstschreiaus. Wasunsim Traum
ammeisten ängstigt,Ist nichtsowohldasschrecklichePhan- tasiebild selbst,alsunsereRath-undWillenlosigkeit,die unsordentlichbehexthat.WirwollenflsthUndsind fest gebannt;wirwollenunswehrenunddie
Arme-sindfest- geleimt;wir wollenVorstellungenmachen,unddieZunge
klebtam Gaumen fest.AthllchWem schwachfsnmgen Kavitän,derimSturme denKonV»2VIVWU,spieltder HerrderErdeim Traum eine überdieMaßenklagliche
Rolle. ErerliegtVersuchungen,von denenersichim
WachenmitVerachtungwegwendet,erbangtvorGefah-
ren,dieersonst verlacht,erstutztvorHindernissen,dieer sonstmit derFußspitzebeseitigt. . «
DiekräftigsteundausdauerndsteThätigkeitentfaltet
im Traume diePhantasie, dieimwachen Lebenso vieler Menschenselten einmalfreiaufathmendarf.ImTraume dagegenwirdJederzumDichter.Erimprovisirt Geschich- ten, über dieer,siefür Wirklichkeithaltend, sichfreutund ängstigtwieeinKind. Der trockenste Mensch,derim WachendiePoesiemeidetwieein albernes Spielundnur diehausbackensteRealität gelten läßt, schlingtim Traume dasmagischeBand um dieStirn undschwingtsich auf demHippogrypheninsromantischeLand. Und zuwelchen wildenRitten sporntersein Roß!Wielandisteinzahmer Sonntagsreiter gegendieFlüge,diedertrockenstePeter imSchlaf ausführt. Selbstindiezahmste Alltagswelt mischterdieverwegenstenWunder;erüberbietet im Toll- PhantastischendenHoffmann-Callot,imGräßlichenleistet ermehr,alsdiegänsehauterregendenGräuelaller,selbst der neufranzösischenRomantiker. Die Schrankendes Raums undderZeitsinddemTräumenden alberne Kinder- schrullen,dieNaturgesetzetollerAberglaube. EinSchritt führt ihnüber dasWeltmeer;aus Adams Zeittritt er so leichtin die deszweiten Napoleon,wie ausdergrünen Stube indieblaue; dieEisenbahn ist ihmeine veraltete Rumpelpost,ersaUst durchdieLuftwie einPfeil. Am effektreichstenistdieTraumphantasieimSchaurigen,das
vonihr ebensobevorzugt wird,wievonderVolksballade;
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am wenigstenGlückhat siemitdemKomischen.Wie seltenkommtman im Traum einmal zu einemrechtschaff-
nen Lachen,undwiehäufig istdazuAnlaß gegeben! Jst dochderDichter selbst,derimmermitspielt(und zwarfast niealsbloßerZuschauer-)-PielächerlichsteFigur, leicht- gläubigundunbeholfenwieeinKind,feigwie eine Memme.
Abernielachtersichselbstunmittelbar aus,stetsnur eine eingebildetezweite Person.
Auffallendundunerklärlichist diesephantastischeThä- tigkeitdesTräumenden ohne Zweifel,aberebenso sicher wirdsievon denMeisten ungebührlichüberschätzt.Ge- wöhnlichsinddieSchöpfungendesTraumes nichtsals lahme WiederholungendesTaglebens(der Advokatträumt
— wieShakespeareschildert— vonSporteln,der Soldat vom Kehlabschneidenund von tiefen Bierkrügen)oder alberneTollheiten,dienichteinmal den keckenUnsinndes Casperle-Theatersoderdenfaden PompeinesOperntextes erreichen. Höchstselten istein Traum, dessenFabelver- dient,von einem DichterinVerse gebracht,von einem Zeichner illustrirtzu werden. «
Welch einanderes Wesen ist dagegendieSchöpfung deswachen Dichters!WievielmehrinnereWahrheit,wie vielhöhereSchönheit liegt nichtimschlichtestenVolks- märchen,alsimgepriesenstenTraume! Wenn wiruns einmal über dieKraftderPhantasiewundern wollen,so ist dazuweiteherderOrt, demDichter,als demTraume gegenüber.»LieberMeisterLodovieo«,fragtederHerzog seinen Ariosto, ,,woher nehmt Jhrnur inallerWeltdas tolleZeugEurer Gedichte?«
JmVergleichmitdemwahren Dichter istder Traum in derThatnur einarmseliger Stümper,demfreilichdas zu Gutekommt,was den Leuten,dienebenheralsLieb- haber schöneKünsteoderHeilkunst treiben,zumAnsehn gereicht,eristDilettant. DasPublikumbewundert nun einmal lieberdieleidlicheLeistungeinesDilettanten, als dietüchtige eines Fachmannes; eineangeblicheHeilung durchdenQuacksalber überstrahlt hundert gelungeneKuren destüchtigenWundarztes.
Wieselten weißder Traum eineangesponnene Fabel glücklichzu Endezuführen!Oft haterdieFädenzu einer interessanten GeschichtegezogenundspannendeErwartung erregt,abermeistbleibtdieHandlung steckenoderbricht bizarrab. Höchstselten istin einemTraumerlebnißeine leidlichwerthvolle dichterischeJdee entsprechend ausgeführt undzu einerordentlichen Pointe zugespitzt.. Meistsind die Träume nur höchstmatte AnläufezueinerpoetischenGe- staltung.
Daß sichderTräumer inmehrere Personen versetzt undsieihremCharakter nach agirt, ist auch nichts soWun- derbares, alsesbeimerstenAnblickerscheint. Jeder Schau- spieleroderVorleser, ja jedes spielendeKind,dasZwie- gesprächemitseiner Puppe improvisirt,sindBeweise, daß derWache dasselbekann. Das Auffallendstebeidieser ZerspaltungdesIchinmehrere Persönlichkeitenist wohl derUmstand, daß zuweileneinesolcheuns entknospete Person mehr weiß,alsdasMutter-Ich. Soträumt man z. B.,man sitzeimExamenunderhalteeineFragevorge- legt, aufdieman auch garnichtszu antworten weiß.Wir sindindergrößtenAngst;daflüstertuns ein nebenuns sitzender SchicksalsgenoßeineAntwort insOhr,diewir alsbald alsdierichtigeerkennenunddankbarlichstanneh-
men. Aberauchdieser sokratischeDämon, der denNicht- wissendenzugleichzumWissenden macht, fehltdemWachen nicht.Oftkönnenwirunsaufein Wort odereineZahl nichtbesinnenundreibenmißvergnügtdieStirn, bis wir endlichdieTreibjagd aufgebenundandere Gedankenreihen
116 verfolgen; plötzlichtönt uns dasgesuchteWort ganzunver- mitteltin die Seele,esistuns, wie unsereSprache bezeichnend sagt,eingefallen, zugefallenwieeinApfelvom Baume, unter demwirgedankenlos weggingen.Undwieoft läuft unsgewissermaßenein Gedanke indieFeder,andenwir beimBeginndesSatzesgarnicht gedacht! Also auch hierin könnenwirdemTraume nichts besondersWunderbares zuerkennen.
EinederanziehendstenAufgaben fürdenBeobachter desTraumes istdieAufsuchungderUrsachen, welchebe- wirken,daßdiePhantasiezubestimmten Zeitenin einer gewissenWeise schafft. Wohl jederTraumist einGelegen- heitsgedicht,wieGoethees von jedemgutenGedichte for- dert;eristnieeinabsichtlichesMachwerk, sondernein mit NothwendigkeitausgewissenUrsachenentstehenderSproß.
Zuweilen hatdieUrsache erstin demAugenblickezu wirkenangefangen,in welchemderTraum entsteht.Wir empfindendasEingeschlafenseindesausdemBetthängen- den Armes,gleichisteinSchreckbilddavoneinem Todten, der unsanfaßt;wir leidenanMagendruckoderAthmungs- beschwerdenundderTraum spiegeltuns im Nuein Un- thiervor, dasunszwischenseinen Tatzen preßt-,wirver- nehmeneinGeräusch,wirwerdenunklareinesLichtscheines gewahr,undalsobaldwerden diesedumpfenEindrücke zur GrundlageeinerPhantasieschöpfung.WieraschdiePhan- tasie beiderHand ist, derartige Empfindungenzu bear- beiten,erfuhr ich einst recht deutlich. Ichträumte mich
amMeeresufer, Seethieresuchend,dawurdeich durcheinen Kanonenschußerschreckt; vieleSchiffekamenamHorizont empor undmanövrirten vor denAugenderam Strande versammeltenMenge;man stritt sich lebhaft, welchePartei Sieger seinwerde,man führteStrandbatterien auf,da erfolgtedererste Schußvon einersolchen. Jch erwachte underfuhr, daßdies derzweiteLärmschußderFeuerkanone gewesen. Wahrscheinlich rühren viele Träumevonsolchem nebelhaften Hereinwirken derAußenweltindieSchläfer her;andere sindwohl FolgenvonStörungendesGemein- gefühls,soderTraum vom Fliegen,vom Festgebanntsein, vom Verschüttetwerden,vom Herabstürzen,vom Essen.
AusdenTräumen, in denengeschmaustwird,erwachtman
gewöhnlichmitHungergefühl. SelbstdieLagedes Kör- pershat Einfluß aufdie Natur desTraumes; beimEr- wachen durch Schreckbilderfindetman sich stetsinder Rückenlage.AusdieserBedingtheitdesTraumes erklärt sichauchleicht,wieleichtTräume vomKranksein sicher-
füllenkönnen.
Derartigedumpfe,imSchlaferlittene Eindrücke sind dieKeime vieler Träume, indemdiePhantasiemitden kühnstenVerknüpfungenderVorstellungen jeneMotive weiterbildet undzu Dramen ausspinnt.
Einenoch größereMannichfaltigkeitvonTräumen er-
wächstausdenWellenringen,diedurchäußereoderinnere Erlebnisseinunserm Gemütherregt werden. Einegroße Freude,eintiefesLeid, eine bitterbereute That,eine mit BangigkeiterfüllendeBesorgnißregen diePhantasieim SchlafezurTraumbildung an. Dabei sindzwei That- sachen auffallend. Zuerst,daßderTMUMzuweilennicht vonderselbenFärbungist, wiederihn hervorrufendeAffekt, sondernVonderentgegengesetzten;ein TrllUekUder Wird im Traume beseligt,einGlücklichergeängstigtzobgleichdas Motiv desTraumes beideroffenbardernächstenWirklich- keitentlehntist.ShakespfakeistinderThat nicht so barock, wieererscheint,wenn erimSommernachtstraumTitania sichineinenEselverliebenläßt, währendsiefürOberon glüht.DerTraum teufchtuns wirklichbisweilen von- kommen aus, Undwenn erunsauchdabeizuweilenin
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unsermstolzenSelbstgefühlekränkt,so entschädigteruns doch reichlich aufderandern Seite. Beunruhigterden GlücklichendurchdieAhnungdesUnglücks,sotrösteter denLeidendendurchdieholdeGaukelei derHoffnung.Der Grund diesesUmspringensdergeistigen Wetterfahneim Traume liegt stetsindemverwichnen wachen Zustande- HatderSchmerzdieGrundfestendesGemütheserbeben gemacht, so sindwirüberreiztundfür solcheRegungenab- gestumpft; sowieUns imWachen endlichdieThränenver- siegen, so erlöschenunsim Traume dietraurigenGedanken.
Ein zweiter auffallender Umstand istder, daßder Traum durchaus nichtimmer(vielleichtsogarinderRegel nicht)andiezunächst erfahrenen Gemüthseindrückean- kleiprbesonderswenn diese sehr heftigwaren. JstUns ein lieberFreund gestorben, soträumenwirnicht ehervon ihm,alsbisdererstewildeSchmerz sichausgetobt hat, manchmal erstnach Wochen,unddann nichtvon seinen letztenAugenblicken,andie wirimWachen so oftdenken müssen, sondernvon derfrüherenZeit,wo wirihnals gesundundfröhlichkannten. Siedelt man in einfremdes Land über,soträumt mansicheineZeitlangindieHeimath EinKrüppel,derdasBeinverloren, träumt sichnoch lang ImBesitzegesunderGliederundsieht sicherst nach Jahren mitKrücken;Blinde glaubenim Traume noch lange Zeit nachdemErblinden ohne Führerzugehn.
Esberuht dieseErscheinung wahrscheinlichaufderGe- wöhnung, fürderenErklärungwir— wie bei vielenan- dernräthselhaftenErscheinungen—- wunderwas gethan zuhabenmeinen,wenn wirihreinenNamen ertheilen.
EinMusikstück,daswirsehr oft gespielt,wirdunszuletzt sogeläufig,daß wiresvortragen können,währendwir unsereAufmerksamkeit aufetwas Anderes richten;die Fingerarbeiten gleichsam »auf eigene Hand-« fort, ohne daßderMeister nach seinenDienern siehtundsiedurch seinenWillenleitet. Soerhalten sichdie imwachen Zu- standelängst abgesetztenVorstellungenimTraume noch aufdemThrone fort,bisauch siedemGewohnheitsrechte weichenmüssen.
Sehrweitreicht indeß diese Nachwirkung eingewohn- terVorstellungendoch nicht.DerMann träumtsich selten alsJünglingundnoch vielseltner(ob jemals ?) als Kind.
Wohl schweben ihmimTraum Erlebnisseseinerfrühen Jugendvor, aber ererblicktsichdabei als älterenZu- schauer.Noch seltner (soweit meine Nachforschungen reichen,nie) träumt man sichälter alsman ist;Jeeln PaulsTraum inderNeujahrsnacht,WosicheinJüngling
Die naturgesclsichtliche
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alsverfallenenGreis erblicktund wimmernd«ausruft»:
Kommdochwieder,schöneJugend!·istzwar»weitergrei- fender,als vieleandereTräume,die.dieseruberschwang- liche Dichter erzählt,aberwahrscheinllchOhneVorblld
imwirklichenTraumleben. Nietraumt sichderMann alsFrauundumgekehrt; kurz, so sehrlaUvchderTVaUm phantastischverfährt, obgleicherzumBeispieldieGedan-
kenbilderdesSubjektesalsvöllig abgelöste,selbststandlge Gestaltenhinstellt,immerläßterdenwahrenKernder Persönlichkeit,dasJch, unangetastet;dieses-IchIst stets
bei allen GaukelspielendabeiundimWesentlichendasselbe Einzelwesen,alswelchesessichimwachenZustandefühlt-
DerTraum istdarum nie einepischer,sondernstetseinly- rischer Dichter, auchwenn erdramatisch gestaltet.—
Ueberblicken wirnun das GesammtgebietdesTrau- mes,welches ichinkurzem Abrisse darzustellen versucht habe, unbefangen, so ergiebt sich,wie ichglaubetdieselbe WürdigungdesgeistigenLebens imSchlafe,wiesieim
Eingang angedeutetwurde· v ··
GleichdemleiblichenLebenerfährt auchdasgeistige
inregelmäßigenPeriodeneine Ebbe,eineSchwachungund Herabsetzung, jaessinkt vielleichtinseinemDecreseendo noch tieferunter dasVollmaßdesMenschenthums,als
daskörperlicheLeben. DemLehterenfehltzwardie»will- kürlicheBewegung,aberdiemechanischenund chemischen KräftederdemStoffwechseldienenden Organearbeiten regelmäßigundfördersamweiter;demgeistigenLeben da- gegenfehltimSchlafe sein Regent,dasklareSelbstbe- wußtsein,welchesalleinbewirken kann,daß die Bauleute planmäßig fortbauen. Einzelne Geisteskräftewirkenim.
Traume fort, aberesisteinThurmbauzuBabel,dernie weiterrückt;esist LebenundBewegungvorhanden,aber inAnarchiebefangen. Beinahekönnteman, freilichmit einigerHärte,sagen:derMensch verfälltallnächtlichin eineGeistesstörung,dienur deshalb nichtalskrankhafter Wahnsinn erscheint,weilsieregelmäßigwiederkehrtund ohne Nachtheilvonselbstheilt.
WasaberdieErklärungderTraumvorgängebetrifft, so gelingtesunswohl, durch Vergleichungdesnächtlichen Geisteslebensmitdemwachen,manches scheinbareWunder als natürliche FolgeeinernächstenUrsachezuerkennen;
hinsichtlichderletztenGründemüssenwirjedochinSchillers Wort einstimmen:
UncrgründlichistdasWirken, UnerforschlichistdieKraft.
Anterscheidungsliunst
N
EswiderfährtdemsystematischenNaturforschernicht selten, daßerderKleinigkeitskramereibeschuldigtwird,
wenn man ihneineKäferart auf einigePunktreihenauf
denFlügeldeckenoderaufdieFarbeeinesFuhlergliedes
einePflanzenart aufdenHautrandihrerSamen grunden sieht. WenndiesesUrtheileinem mitdernaturgeschicht- lichenUnterscheidungskunstnichtVertrauten nachgesehen
werdenkann,soistesdagegeneineschwerzuerklarende Verkehrtheit,wenndiephysiologischend.h.diejenigenNa- tUVfVVscheriWelchesichausschließendmit deminnernaBau
unddem Leben derThiereundPflanzen beschäftigen,über-
hauptgeringschähendaufdieArbeit derSystematiker herabsehen.
AlleGewerke, welchezum Bau einesPalastesbeige- tragen haben, sind gleicherEhren werth,dennkeines Bei- trag durftezurschönenVollendungdesGanzenfehlen·
SowirktderSystematikerso gutwiederPhysiologzUV allseitigenAusbildungderNaturwissenschaftmit,nur ein jederaneiner andernStelleundin einer andernWeise- DieEhrlichkeit,«derensichvorAllem derNaturforscher befleißigenmuß,unddieVerpflichtung,welchemirdieAuf- gabe diesesBlattes auferlegt,nöthigenmichzu deruner-
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quicklichenwenn auch,ebenweilsiediesesist,nur kurzen Beleuchtung dieses Zwiespaltes,welcherallerdingszum GlücksehrimAbnehmenist, welcher aberdoch leichtmeinen LesernimGesprächmiteinemstrengenPhysiologenmerk- barwerden Undihn wohlgargegendasVölkchenderNa- turforschereinnehmenkönnte-
Unleugbarist dieAufgabedesPhysiologen schwieriger undinihren Erfolgenbedeutender als diedesSystema- tikers, welcher letzteredieäußerenundinnerenGestalten- verhältnisse nur soweitzumGegenstand seiner Erforschung macht,als dieselbenalsMittel dienen, dieorganischen WesenalsArten, Gattungen, Familien, Ordnungen, Klassenvon einanderzuunterscheidenunddemzufolgemit unterscheidendenNamenzubelegen;wogegen derPhysiolog dieBetheiligungdereinzelnenOrganeandemLebendes Wesensbis in diefeinsten Einzelheitenzuerforschensucht.
Esgeht schonaus dieser gegenseitigen Abgrenzung beiderAufgaben hervor, daßdieAbgrenzungkeinebeide scharftrennende sein könne;denneinerseitskannderSyste- matiker einige Kenntnißvon denLebensverrichtungender ihm seine Unterscheidungenvermittelnden Organegarnicht entbehren, jaerkann siegarnichteinmal unbeachtetlassen;
und andererseitsmußderPhysiolog,wenn erdurchEx- perimente dieLebenserscheinungeneinesThieres, einer Pflanzezuerforschensucht,vondemSystematikerdenNa-
men desThieresunddessenStellungimSystemlernen, dainjeder ThierartdieseErscheinungenintausendEinzeln- heitenandersvermittelt sind,undervon seinen Beobach- tungenüberhauptgarnichtanders sprechenkann,alsun- terNennungdesNamens derThierart,anwelchererseine Beobachtungen gemachthat. OhnediesystematischeNa- turforschung gäbeesja überhauptkeine Namen fürdie Naturkörper.
NichtsdestowenigerbestehteingroßerUnterschiedzwi- schendenArbeiten eines Systematikers unddenen eines Physiologen,undschoneinBlickindieWerkstättenBeider zeigtdiegrößteVerschiedenheitDie desersteren istim Wesentlichennur eineSammlung vonBüchernundNa- turalien, inderesoft außerordentlichsauberaussieht, wenn erblosein reicher Sammler ist,derAlleskauftund danninseine Sammlung einreiht. JsterabereinSelbst- sammler,derinseinerUmgebungoderauf ReisenThiere undPflanzenundSteineselbst sammelt*)undmitseinen Vorräthenwohl aucheinenlebhaften Tauschverkehrunter- hält, so siehtesinseiner wissenschaftlichenWerkstatt oft buntundliederlichgenugaus. Unmassen Trockenpapier, Pflanzenpressen, Mikroskope, Lupen, Pinzetten, Botanisir- büchsen,Hämmer,Meisel, Taschen,Jnsektennadeln, Spiri- tusgläser, Schmetterlingsscheeren,Schachtelnundzehnerlei andereGeräthe,wiesiejede Thierklasse erfordert,liegen undstehenumherunddaneben vielleichtamBoden wie in einemKuhstalleoderin einerFleischbankdieUeberresteder letzten reichenbotanischenExcursionoderdesletztenVogel- ausstopfens. Aberimmer istes eingemüthlichesChaos, welches—- dasbildeichmirwenigstensein— den Laien anheimelt.
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Ganzanders undzumTheil recht grauslich siehtes ineinerphysiologischenWerkstattaus. Man kannglau- ben, zu einemAdeptenundAlchemistenzu kommen.Man sindetbeiihm fastalleApparatedesEhemikersundPhy- sikers,dennwirwissenja längst, daßdasLeben inseinen Aeußerungsformeninchemischenund physikalischenVor-
qfe)VielfgcheErfahrung veranlaßtmichzuerklären,daßderNa- turforscher Ieiu SuchenundFindenundMitheimnehmenimmer Sammeln nennt,auchwenn ernureinoderzweiStuckefand.
120 gängen besteht.Mit Grauen sehenwirdasFolterbret an, aufwelchemschonso manchesKaninchen seinLeben unter Martern derWissenschaftdes Lebensgeopferthat.
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Ja,diePhysiologie hat auch ihre schmerzlicheSeite;aber dennoch muß siedenPardonderThierschutzvereinefordern unddarfes, dennin deninwendigenVorgängendes leben- digen Thierleibes liegendieAuflösungenderRäthsel auch unseresLebens.
So istselbstiminnersten Herzen, welches auchdem Physiologenwarm schlägt, zwischenseinemThunUnd Treiben und dem desSystematikers,einUnterschied,ein trauriger Unterschiedvorhanden.
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Unddennoch sindbeideEins,Brüder einer Mutter, derNatur,derenliebendes,sorgendes, allumfassendesWe- senbeidegleichmitkindlicherHingebung erforschenund ihm nachlebenundnachzulebenlehrenwollen.
Ja, esisteineernsteSorgeum das Studium der PhysiologieundeineheitereumdasderSystematik,wenn auchdurch dieSchnelligkeitundmöglichsteSchmerzlosigkeit derTödtungderThieredasBetrübende,dassiehat, nicht ganzaufgehobenwerden kann. Dulden wirnun also auch etwas willigerdiekleineSelbstüberhebungderPhysiolo- gen,dennsiehabendasschwerere,dasschmerzlichereTheil dergroßenAufgabe auf sichgenommen, unddas giebtdem Gemüth leicht einigeKälteundSchroffheitgegen denleich- terarbeitenden Genossen.
Letzterergehtmittäglichneuer Freudigkeitundmit geschärftenäußerenundinneren Sinnen andieLösung seinerAufgabe, welchedurchimmerneueRäthsel ihmimmer neuen Genuß verschafft.
DiesystematischeNaturforschung istdieVergeistigung derForm. DiekleinsteFormverschiedenheit,wenn siein gesetzmäßigerWiederkehr auftritt, wird zummächtigen Hülfsmittelin derDarlegungderOrdnungin demschein- barenEhaosder Körperwelt. Daistnichtsklein,nichts unbedeutend; dennauchdasKleinste kanngroßgenugsein, die OrdnungundEinheit herstellenzuhelfen·
Wir habenimvorigen Jahre unseresheimathlichen Verkehrs mehrmalsGelegenheit gehabt,zusehen, daß scheinbarUnbedeutendes, ja fastwieZufälliges geeignet war,Aehnliches,Verwandtes bestimmtundklar zu unter- scheiden.Wirerinnern unsz. B.anunsere Figurenvon denBlüthenformenunserer deutschenLippenblüthler(1859, Nr· 16).
Wenn derNichtnaturforschereinenTheileinersehr vollständigenNaturaliensammlung ansieht,z. B. eineKäfer- sammlung, sokommtesallerdingsvor,daßerungläubig denKopf schüttelt,wenn man ihm sagt, daßein ganzer Kastenvollkleinerschwarzbrauner,ganzeinerleiaussehen- derKäferchendocheinegroßeMengevon einander sehr verschiedenerArtenenthalte.
Aberebensooftkommt derentgegengesetzteFallvor, daßder LaieverschiedeneArtensieht,woderNaturforscher
nur unbedeutendeSpielarteneiner Artgelten läßt.Dies istnamentlichbei denGartengewächsenundZuchtthieren derFall.
Wir müssen,um dernaturgeschichtlichenUnterschei- dungsweiseGerechtigkeitzuverschaffen,inspraktischeLeben greifen. Jstesdenn mitdemfalschenPapiergeldenicht ähnlichwie indekWissenschaft?EinenfalschenKassenschein unterscheidenwirvon einemechten nichtetwadurch sein Gesammtauss ehenin allenseinenTheilen. Hierin sindbeide einander vielleichttsjUfcheNdähnlich—Wirunterscheiden beidevielleichtaneinem sooderso geschwungenenBuch- staben, jaandemfehlendenPünktcheneinesi. Weildies beiallenfalschenKassenscheinensoundbeiallenrichtigen
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anders ist, soerhältdieseunbedeutende KleinigkeitalsEr- tennungsmitteleinegroße Bedeutung. Jstdennabernun
JederdieserKassenscheinegewißeinfalscher,wenn ihmdas
Punktchenüber dem ifehlt?Dieskannja aucheinemrich- tigeneinmalzufälligfehlen·Wirwissenwaswirinsol- chenFällenzuthun haben:wirvergleichendenzweifelhaf- tenKassenscheinmiteinemunzweifelhaftrichtigen,undda
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Fig. s.2· 3, 4« 5· S, 7,Fühlervon verschiedenenYastkäfevArtetyHylesinus.
vzkrgltedrigeFußdavon. — Fig.10.Il. 12.13.Fuhlervon Borkenkäfek-Arten,Bostrichus. —-
Fi.;,14»
kafcksz Fig.15.derviergliedrigeFußMVVIL— Fig-IS-17i
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Sehr ähnlichistes mitdenfeinenMerkzeichen,wodurch sichzweiodermehrereeinander sehr ähnlicheThier-oder Pflanzenarten unterscheidenundnachdenenman derKürze halber auch zunächstundsogar vielleicht allein sieht,um jenezuunterscheiden.Aberwenn man dannundwann einmal aneinem solchenMerkzeichenirrewird,sofassen wirdasganzeThier,die ganzePflanzeinsAuge,undda
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19 20
— Fig.8. BeineinesBastkäfcrszFig.9.der BeineinesBorken- ZweikleineSchlupfwespen, Pteromalus guttatus undPe.Pini, starkvergrößert— Fig.18.19.20. Flügelvon dendreiAbtheilungenderSchlupfwespen.
findenwir dennaußerdemunsimStich lassendenHaupt- kennzeichennocheineMengeandererkleinerVerschiedenhei-- ten,welcheabernurdurchdieunmittelbare nebeneinander- stellendeVergleichunghervortreten. Jenes Merkzeichenist gewissermaßennur derörtlicheVertreter derGesammtheit derzahllosenfeinenVerschiedenheiten
wirddenn meioder immerno eine Men e an ·