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Die Zukunft, 16. Dezember, Bd. 29.

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Berlin, den 16.Dekember 1899.

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Die Flotte.

InrbigeGlühbirnen,die dasvonLechtergemalte Fenster nicht rechtzur

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Geltungkommenlassen.IneinemOnyxdreisußverdampftAmbra.

DieWandbekleidunginenglischemStil; dazueinriesigerPerserteppichund in derRauchtischecke,ausdie einebillige Kopiederbekanntesten Kaiserbüste vonReinhold Begas herabsieht,einLöwenfellmitdräuendemHauptund frifirter Mähne.Zwischendenschweren FalteneinerSeidensammetdra- perieeinkleinerMenzel, dessenPreisdasenthusiastischeLob desHerrnLud- wig Pietsch einstin dieHöhegetrieben hatte.EinRopsvonderzahmeren Sorte;gegenübereinAchenbach.AufderweitenFlächeder anderenWand Bautier undLesserUryin trautemVerein.Manist auchmodern. Englisches Silber,vondembesonderen,insGoldige spielendenGlanz.An denMöbeln desMitteletablissements sinddieLieblingslinienHenrysvandeVeldesicht- bar. AufeinerEstradeeintürkischesZeltmitallenMärchenwunderndes OrientbazarszderhierEintretende mußdierothePrachteinerchinesischen Goldstickereizurückschieben,um biszudenReizeneinerKameeltaschen- garnitur vorzudringen. Meissener Porzellan, belgischesundjapanisches b1«ic—är-bracin bunterFülle aufbemaltenEtageren.GoldeneKonsolenmit Tifsanygläsern.DieThürzumMusiksalonist geöffnetundderweißeStein- way zumKredenztischumgewandelt: Thec,Weincaraffons,Meukow,Silber- körbchenmitAusternsandwichs,petits fours, CognackirschenundKonfituren ausNizzaundYalta. Mendelssohn, Wagner, BeethovenundMascagni, derenBiisten dieEckleistenzieren, sindüber denSzenenwechselvielleichtein Bischen erstaunt.Aberman wollteallein sein, ohneDiener undohnedie jedeJntimitätmordendeResonanzdesgroßenSpeisesaales.»Hieristszwar

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nur ganzbürgerlich,«pflegtedieHausfrauzusagen, »aber hierkommen wirwenigstensmit Sam aus« UndSam,vondem dasGerüchtging,er seidreiJahreinActonbeiRothschildgewesen,war absolutsicherundzuver- lässig;dieVornehmheitseinerinEscarpinslautloseinherhuschendenGestalt, diederdunkelbraune Frack mitMoireekragenund ganz kleinenGoldknöpfen gut kleidet,ließdenVerdachteinerJndiskretiongarnicht erstaufkommen.

Undwozu eingrößererApparat? Manwar janicht versammelt,umzu schlemmenodersichzuamusiren;heutehandeltesichsumsehrernsteSachen.

»Nettundneuists, daßSieunsWeiber trotzdem nichtverbannt haben«,sagteFrauErnaSchröder.»Sehrnettsogar..undmodern.Mulier taceat: mit demBlödsinnmuß endlicheinmalausgeräumtwerden.Darf ich?«DieSilberfuchsboaflog aufeinTabouret. »Ich selbstbinja, sozu sagen,nurperprocura hier.Meinarmer Mannfuhrwerkswiederin der Weltumher, hat irgendwoda untenmitseinerBahngeschichtezuthunund wirdvordemUltimoabschlußunsererBankkaumzurücksein.Business!

Dasist,wieKarl,derSkeptiker,immermeint, auchallePolitik·Und weil ichwirklich sagen kann, daßichinseineJdeen einigermaßeneingeweihtbin—

lieberGott:ichlebejanurfür ihnunderwürde keinegrößereSache ohne mein dummesWeibervotum machen-, deshalb habenSiemirvielleichtin diesemHohenRath Sitzund Stimme gegönnt.Aberich seheauch unsere liebeProfessorinanderSeiteihresHerrnundGebieters. Also endgiltiger BruchmitderParole:OhneDamen! Sehrgescheit...Nein, danke, ich binnochvorTisch; höchstenseinenFingerhutvollThee. Dio, dieser drawing—roomimParadiesderklingendenKunst!Iln’yaquevous, mefrouw, pourinventer ces petits exptådjents. FindenSieübrigens nicht, daß Mascagni hier WeingartnereinBischen ähnlichsieht? Nicht demvomletztenSonnabend,woerKraus begleitete;dawar dergöttliche Felixetwasblaßundelend.AuchdieMelbahabe ichinLondonschonfrischer gesehen.UnddieseBrillantenausstellung! DieGroßwurdeganzgrünlich.

Aha:einedelsterErinnerungandieHeimath!Home, sweat home ..

Frau Franz Wormser,eineholländischeJüdinausaltemFinanz- geschlecht,die denerfolgreichstenHüttenspekulantengeheirathethatteundin Berlin jetzteinegesellschaftlicheGroßmachtstellungerstrebte, hatte Mühe, den Redeschwallder zierlichenDame zudämmen,deren wasserblaue AeugleinunterdeminsTizianischegesärbtenHaarso sehnsüchtigundbe- gehrlich funkeltenund derendreiRingsingerzuallihrenRedenein orien- talischesBalletaufführten.Frau Franz Wormser hatte sichbesserdiszipli-

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nirt. Auf ihremGutverkehrtederGrundadel derNachbarschaft,anpatrio- tischenGedenktagenvereintesiehoheVerwaltungbeamte,kleinstaatlicheDi- plomaten, FührerderHofkonservativenundStabsoffiziere,die gern ein- malDreißigmarkrheinweintranken,umihren Tisch; denKaisergeburtstags- toast hatteim vorigenJanuarbeiihr sogareinfrühererMinister ausgebracht, dessenHerzsie durch ihre KunstalsBowlenbereiterin gewonnenhatte.Sie rühmtesich,jedeKuhinihrem elektrischbeleuchtetenStallzukennen,sprach sachkundigüberPferdezucht,WeidewirthschaftundWildbestandundhatte ihrenEhrgeizdareingesetzt,anruhiger, schlichterundprunkloserVornehm- heitdenaltpreußischenDamenzugleichen.Wersiefrühergekannt hatteund sienun beiWohlthätigkeitbazarenzwischeneinerPrinzessinund einer Wirk- lichenGeheimenRäthinanihremVerkaufstischdie Kunden ködern und be- dienensah,DermußtedieSelbstdressurleistungbewundern.Nurgab siebei solchenGelegenheitennoch immerzu großeSummen ausunderregteAerger- niß,weilsieihreWaaren weit unter demEinkaufspreis verkaufte. Indem allzu lebhaften WesenderFrauErnaSchröderwittertesiedieGefahreiner AnsteckungzdieLandedelfraurolle vertrugdiehastige,nervöszappeligeGra- zieausderKalverstraatzeit nicht.Undgerade heutewolltesieinihrerRolle bleiben. Zwar:dengroßenCabochonsmaragd,densie,ä«laSarahBern- hardt, aufdemZeigefinger trug,und dasvonDoucetstammendeteagown, rosa chpede Chine mitChinchillaundSpitzen, sahman wohl selten auf märkischenoderpommerschenGütern;sonstaberwar sieganzgehaltene Würde. Essollteihr politischesDebutsein. Künstler,Gelehrte,lungernde Attachåshatten auchAndereinihren Thiergartenvillen.Sie wollteBerlin den erfehntenmodernenpolitischenSalongebenundihrHündchenimSpielder Mächtigenhaben.Ernawarnichtzuvermeiden;siehatteihrdieersten Kory- phäenzugeführtundmitdemDirektorSchrödermußtemanrechnen,seitihnder Sultan nachdemSelamlik empfangenhatte. Wer—weiß,obernichteinesTages Finanzminister seinwürde? EinParlamentarier hatte ihr gesternerstzu- geraunt,Miquel liegein derAgonie DasbeweiseseinewunderlicheBe- richtigung—, undFrau Franz Wormser hatte sichzumGrundsatzgemacht, diemöglichenGrößenvonübermorgenaufdemHalmzukaufen. Sonst wurdeesimmerzuspät.Nunstand sie zwischenderplauderndenErnaund derstrengblickendenProfessorin,dieander über dasdunkelgraueSeiden- kleidherabhängendendünnen Goldkette nestelte,undwußtenicht recht,wie sieausderfiveo’clo.ck-Konversationin denErnstderLageeinlenkensollte.

DerEheherr brachte ihr Hilfe.Erknöpfteüber der Directoirekravatte ZU

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denobersten KnopfdesGehrockeszu,räuspertesichbehutsamundsprach leise,mit der denAngelsachsenabgelauschtenGelassenheitdesvornehmen Mannes ausreinarischemStamm: »Ich denke,wirsetzenuns. Undnun:

ohnealleFeierlichkeit,wie esbürgerlichenLeutengeziemt,dieohneEhrgeiz, ohneSonderinteressen, nach ihrer bescheidenenKraftdasWohlihresVater- landesfördernmöchten!« Seit eineihmbefreundeteHofcharge,die gernohne RisikoKursgewinne einstrich,ihmbei einerFlaschealtenJohannisbergers gesagthatte,mit derNobilitirungwerdeeseinstweilennochguteWegehaben und schonderGeheimeKommerzienrathwerdeschwerloszueisensein, gab ersichmit VorliebealsbürgerstolzeneinfachenFabrikanten. Daßer,außer HaussenundBaissen, seinLebenlang nichtsfabrizirt hatte, that ja nichts zurSache. Jetzt griffer,umdieBeweglichkeitseinerHändeabzuleiten, nach einemBismarckbleistift,mit demerbeim Sprechenin derLuftkurzeLinien zog.

»Wirvertreten hierein Paar derwichtigstenundmodernstenBerufs- stände: unser verehrter ProfessordieWissenschaft,Heerr. Sinzberger,als Leiter der,WachtamThrons der, ohneKompliment,jetztanerkannt natio- nalsten Zeitung,diePresse, unsere schöneFrauErnadie baute finance

und,inGemeinschaftmit den beidenanderen Damen,nebenbeinochdie berechtigtenFraueninteressen-, meineWenigkeiteinennichtganzunbe- trächtlichenTheildervaterländischenIndustrie Undwirsind..

»Undich?«DerPrivatdozentDr.Louis Neumann,derein in Eu- ropaschwerzuakklimatisirendessteinreichesMädchenaus Lodzgeheirathet hatteundsichseitdemanallenMillionärtischenfüreinenSozialdemokraten vomlinkenFlügel ausgab, riefesso laut, daßdieProfessorin entsetztihren Mann ansah,alswolltesiefragen,obeinhalb schon abgesägterDozent SolchesinGegenwarteinesOrdentlichenProfessorswagendürfe.

»Du,lieberLouis? Ach ja:DuvertrittstdieInteressendersoge- nannten arbeitendenKlassen,zu denen wirMüssiggängerja sämmtlichnicht gehören.Duwolltestdabeisein;undwarum solltedieRolledesTeufels- advokatenunbesetztbleiben ?...Aber imErnst:SiehabendieReichstagsreden derBundesrathsvertreter gelesen.Ueber dieBedenklichkeitderLagebrauche ichindiesemKreiskein Wortzu verlieren. Eshandeltsichum nicht mehr undnicht wenigeralsumdieFrage,ob wirunsereStellungals Kultur- weltmacht behauptenundbefestigenwollenoder ob dieReaktionsiegen soll- DieLebensinteressendesdeutschenVolkesfordern,wiemirscheint,daßwir dieRichtungHohenlohe-Viilownachdriickcichstützen.DerAugenblickist günstig,da es, wieunsergeistreicherFreund Sinzberger treffend schrieb,im

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Kastanienwald winterlich aussieht. Auch habenwirdieWissenschaft,Jn- dustrieundHandelfüruns. Aber esfehltfreilichnichtan mächtigenGegnern und in denmißleitetenMassenist nochmanchesVorurtheilzubesiegen.

UnterdiesenUmständenhielt ichesfür angezeigt,dieentschlossenenFörderer deutscherKulturbestrebungen in derenMittelpunktunsdieFlottenfor- derung führt—- hierzu einemPlauderstündchenzuvereinen,um fürdas friedlicheWerkdenSchlachtplanzuentwersen.« Frau Franz Wormser fülltedieBaccaratgläser,um denGästeneinLächelnstolzerZufriedenheit zuverbergen.Die erste Apostrophewar glücklichgelungen;erhieltsich tadellos:ganzschlichtergentleman ofcountry, ganzselbstloserPatriot.

»Vom StandpunktderWissenschaftausist, glaube ich,dieHaupt- arbeit bereitsgethan,«sagtetiefernstderProfessor,»und GrafBülow hatim Wesentlichennur dievonuns beigebrachtenArgumente wiederholt. Ichbin weitentfernt,allenmeinenKollegendenRuhm höchsterUneigennützigkeit oindizirenzuwollen; auchinunserenReihen giebtesleiderStreber,Leute, diediesebedeutsamstealler-nationalen Fragen benutzenmöchten,umsichnach obenhinbeliebtzumachen.Aberdieser Typus ist dochselten;imGanzen ist,was wir derOeffentlichkeitvorgetragen haben,dasErgebnißwissen- schaftlicherForschungundpatriotischer Sorge. Allerdings sindwirnicht ganzso friedfertigwie dieosfiziellenLeiterunserer Politik.Wirmeinen, daß eineneue Macht auchneues Recht schaffenmußunddaßdieAnsichtennur darüberauseinandergehen können,ob diedeutscheExpansionsichzunächst in dergemäßigtenZone derösterreichischeBesitzundKleinasienkämen hierinBetracht-—bethätigenoderinfremdeErdtheilehinübergreifensoll,wo besonders auf Kosten Englands noch lohnende Eroberungenzumachen wären. Doch dieseFrage stehtheute nichtzur Debatte. WiedieDinge jetzt liegen,binichpersönlichdesErfolges sicher.DieWissenschafthatgesprochen, die ganzeIntelligenzdesLandessiehtin derSchassungeinerSchlachtflotte erstenRangesdasdeutschenStrebens würdigsteZielundmitdieserStimm- ungmußauchderDilettantismus desReichstages rechnen.«

Die runden MaraboutaugenderWirthinblicktenerstauntund enttäuscht.,»Dannbliebefürunsalsogarnichts mehrzuthun

,,Pard0n«, rief FrauErnavon derEstrade herab, »sowasgiebts nicht! Ministerreden, naja: allerhand Achtung,aber...Karlwarnicht sehr entzückt,namentlich nichtvonVülowsGejammer,wieschweresge- wesensei,KiautschouunddasJnselzeugzukriegen,undmeinte,wenn er seinemAufsichtrathsolcheSachenerzählte,würdemanihmantworten: ,Ja,

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lieberHerr,fürKinderarbeit bezahlenwir Sieauch nicht so hoch!« Erfand- dieGeschichteschal;wozu immer betheuern,daß wirso furchtbar friedlich sind?Glaubtja dochkeinMensch.Und dieMethode,sagter,wirktnachgerade lächerlich:jedesmal sindwir ganzschwach,ganzwehrloszwennaber dieneue Forderung bewilligt wird,dann! ...Blech!Als obdie Anderendannnicht auchmehrGeldfürSoldaten undSchiffe ausgäben!Dasist dochgenau wie mit den Bankenund mitdenDiners. WennGutmann erhöht,müssen wirauch erhöhen;undwennFürstenbergsdreiExeellenzen,d’Andrade und dieLandihaben,können wirunseren GästennichteinenUnterstaatssekretär undRothmühlvorsetzen.Karlfindetden ganzen Rummel ziemlichzwecklos.

AuchdieFlottenvorträgemitLichtbildernundsolcheSachen,dieuns die Presse dochnur vermöbelt. ManmüssedenLeutenzeigen,daßsie verdienen;

allesUebrige sei gleichgiltig.Undda können wirdochwasmachen.Her mitderöffentlichenMeinung!Sollichin denPresseklub kommen, Sinz- berger?OderwasmeinenSiezu einem Konventikel dermaßgebendenRe- dakteurebei mir? Jchbinfürdiegute Sachezujeder Schandthatbereit.

Nurnicht gleichverzagen,LadyWormser;wirAmazonenwerden dieSache- schondeichseln.0uf,—habeichgeredet! Doktor, istJhre Cigaretterauchbar?«

HerrLouisNeumann saß schonvor einemhübschenStummelhäuf- chenundweichtejetztRivierasrüchteinMeukow. »Proletenkraut,«sagteerund reichteihrdieSchachtelvonPhilippMorris. DieProfessorinzog diespitzen Schultern hoch.Siewar fürdieEmanzipation, hatteanEnqueten mitge- arbeitetundeinerchristlichenFrauengruppe vorgesessen,.aber rauchende Frauenzimmerwaren ihr einGräuel. IhremGattennicht.

DerkleineSinzbcrger,der denclubmanmimte undimmerden Frack trug ach: auchimmernoch ohnedaswinzigsteBändcheneinespreußi- schenOrdens—, strichdie linkeSchnurrbartspitzebisdichtunters Auge, zog einWölkchenaus derkleinenHenryClayund hubdannbedächtigan:

»MeineGnädigste,natürlichwerdenSieauchimPresseklubEroberungen machen.Wonicht?NurwerdenSiemichdanicht finden;mirsagt dieses Milieunichtsundichbinfroh, daßesmirgelungen ist,dieBerufsschreiber aus meinerReduktion zuräuchernundmichmiteinerEliteschaar poli- tischundgesellschaftlichgebildeterKavaliere zuumgeben.LauterAdelige;

so hoffeich,daskläglicheNiveauunserer Pressenachundnachzuheben.Was nun unsere Angelegenheitbetrifft, so glaube ich allerdings, daßnochEiniges geschehenkönnte.Jchkommejaziemlichvielherum, habebishochhinauf recht guteBeziehungenund wurdevonderhamburgerOktoberrede Seiner

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Majestät nicht überrascht.Seitdem habenwirtüchtigvorgearbeitet,wieich wohl sagendarf.unddienochvorhandenenSchwierigkeitenflößenmirkeine Furchtein.Für mich hatdieSachezweiSeiten;unddiesepersönlicheAn- sichttheiltmanauchoben.WirthschaftlichfälltinsGewicht,daßaufBülows Rede, trotz flauem London,dieBörse festwar. Handelund Wandel isteben marinefreundlich,magHerrRichter reden, sovielerwill.Enorm gesteigerte Produktion,kolossaleWelthandelskonjunktur: also auchverstärkterSchutz durchKriegsschisfe.DasExempelist einfach.Und demDümmstenmuß einleuchten,waseinauf fast zweiIahrzehnte hinaus gesicherterKonsum anRohstoffenfürdievaterländischeIndustriebedeutet.Wennesirgendwo zubröckclnanfinge, meinetwegenin derElektrizitätoderbei denKuxen, dannkönnte dasPublikum mißtrauischwerden und der ganzeAufschwung wärebedroht; KohleundEisen schleppenuns aberauf jedenFalleinehübsche Streckedurch. In dieser Beziehung sindwir allright.NurhatdieSache auch ihre politischeSeiteunddiefordert,mitallerEhrfurchtvordengeist- vollenAleußerungenderFrauDirektor seiesgesagt, ihr Recht. Auchda bin ich leidlichorientirt. Siewissen, daß unser AllergnädigsterHerr sichdas Ziel gesetzthat, fürdiedeutscheSeemachtzuthun,wasweiland derhoch- seligeKaiser WilhelmderGroße für Preußens Landmacht that,unddaß frondirendeElementeamWerksind,dieseAllerhöchstenIntentionenzudurch- kreuzen. AuchdieThatsache, daß zwischenderWilhelmstraßeunddem Ka- stanienwaldeinstillesDuellausgefochtenwird,bei demmindestensEiner aufdemPlatzbleibenmuß,ist selbst fern Stehenden nicht mehrunbekannt.

Ich schöpfeaus ersterQuelle UnddarfIhnen sagen, daßdieentscheidende Wendung naht. Siegenwirdiesmal,dannpfeiftdieagrarischeFrondeauf demletztenLoch.EinWelthandelsstaatmitriesigenlwickelterExportindustrie undstarker Flotte nachenglischcmMuster muß sehrbalddieausderFeudal- zeit stammendenBande sprengenunddie modernen SchichtenzurHerr- schaft bringen,diebisherinunbegreiflicherWeise..

«

»Ganzrichtig«,riefderProfessor,dernichtdulden konnte, daßin seinerGegenwarteinAnderer,kaumvon akademischerBildung Beleckter, solangedozirte: »Auf einerbestimmten Stufedes fortgeschrittenenIndustria- lismus forderteinnationalökonomischesNaturgesetzdieauch äußerlichsicht- bareHerrschaftderBourge—oisie.Dashabenwirlängst festgestelltDie Auseinandersetzung,bei derauchdieFragedesNahrungspielraumeseine wichtigeRolle zuspielen hätte,istimLaienkreisefreilich nicht leicht.Aberes genügt wohl,wenn ich sage, daß nach dieserRichtungin derwissenschaft- lichenWeltdasUrtheil einstimmig gesprochenis

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»Das genügtvollkommen.«Sinzberger hattenur aufdieersteAthemk zugpause gewartet,um wiederdasWortzuergattern;erwar nochnicht ans Ziel gelangt. »WirrespektirendieLehrenunddenRathderWissen- schaft;aberwirmüssenRealpolitiktreibenundunsandielebendigenKräfte derVolksseelehalten.Diegiltes, zuwecken,demweitausschauendenPlan dienstbarzumachen.Undich habe Ursache,zuglauben, daßeinsolchesBe- mühen,wenn eserfolgreichist, durch Auszeichnungenanerkannt werden wird,dieManchenwerthvollerdünken alsschnöderMammon.« Herrund FrauFranzWormserspitztendieOhren. Daßder-Herausgeberder»Macht amThron« irgendwoeinensehr festenRückhalthatte,war unzweifelhaft AuchderProfessor schieninteressirt. »Das sind immerhin Dinge,dieman nur mitäußersterDiskretion andeuten darf.Wirhabenesmitruchlosen Umsturzparteienzuthunund dürfenuns keineBlöße geben.Gestatten Siemir nur,JhneneinWortzuwiederholen,dasvorgestern nachmittags zwischenBierundFünfansehr hoherStellefielunddasmireine Stunde späterbekanntwurde: ,Der Königwirdfeine Freunde auchimDunkel zu findenwissen.cGlissons ... Alleskommtdaraufan,obes unsgelingt, schnell einestarkeKaiserparteiSansphrasezuschaffen,diesichvonjedemRadikalis- mus,natürlichauchvondemagrarisch-antisemitischen,fern hält,den öden Doktrinarismus derdemokratischenVerfassunghüterabwehrt, kraftvoll für denThronunddasEvangeliumeintritt undentschlossenist, ohne ängstliche Bedenken einergroßartigenInitiative durchDick und Dünnzufolgen.Das aberistnur möglich,wenndienationalen Parteien ohne Unterschiedder Konsessionsehrvielwirksamer,alsesbisherleider geschehenist,denTheilder Presseunterstützen,derunterOpfernschwerfterArtdiesesProgrammvertritt.«

»SchnorrerflüsterteDr.Neumann FrauErnazu, derergerade zu einerneuen Morris Feuer gab.Dannpflanzteersichin dieMittedes Zimmers, senktebeideHändeindieHosentaschenundrief,mitseiner halb schnarrenden, halbbellendenStimme: »DasMittelist gut.Aberich weiß nocheinbesseres. Ihr habtdieWissenschaftDasheißt:einigebraveLeute

—— present company always excepted sindwieder mal ebensopa- triotischwieunklar echaufsirtundgeben ihrem gefräßigenAffenZucker;und einige nochbravereLeute,dieschonlangedarunter litten, daßsie Schanden halbereinBischenstaatssozialüstelnmußtenundsoin denVerdachtröthlicher Rottengemeinschaftkamen, ergreifennun gerndieGelegenheit,endlichwie- der als fromme FridolineinsSonnenlichtzu rücken. Umsturz-und Zuchthausvorlage seien hinfürdergnädigmitNachtundmitGrauen be-

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deckt!Nur: mitdemBeistandderintellectuels ists so’ne Sache;er bringt seltenGlück. DannhabtIhr, außerderWissenschaft,nochHandel undIndustrie, wenigstensdengroßkapitalistifchenTheil. Das heißt:

etlicheehrenwertheBiirger habendensehr berechtigtenWunsch, durchZahl- ung einerfür ihre VerhältnissemäßigenVersicherungprämiegegendie übelstenFolgeneinesJndustriekraches gesichertzuseinundimRechtswohn- sitzihrer hohen Dividendenburgenzu bleiben.Aucherkennensie klar, daß ihnenüberkurzoderlangdiepolitischeHerrschaftzufallen muß,wenn mit immerstärkeremNachdruckderSchutzunddieAusbreitungderIndustrie alsoberstes ZielallerStaatsweisheit hingestelltwird;danebenhoffenEin- zelne noch auf besondereGunstbezeugungenimvorhinvondemverehrten Herrn Spezialisten für öffentlicheMeinung angedeutetenSinn.Schön.Die neulichvonBülowirgendwo aufgewärmteGeschichtevomderAllgemeinheit dienstbargemachtenEgoismus.Nurmit denLastträgern,demeigentlichen Volk, hapertsnochDasinteressirt sichnämlichgarnichtdafür,obdasKiau- tfchousyndikat gute Geschäftemacht,obHarpener hochstehen,obdiegroßen Bankenihre Dividendenhöhebehauptenkönnen und ob dieHerrenLämmer- hirtundthn zuGeheimräthen,Rittern oderBaronen befördertwer- den. Ja,dieMassen sindebenmißleitet,von Hetzernaufgestacheltund dieZahlderTreuen undGuten,wiePapa Mirbachsagt, istleider klein.

Eswirdnichts übrigbleiben alsderBeweis, daß auch ihnendasMarine- fpektakelstückVortheilezufchanzt.Darin stimmeichHerrnundFrauDirektor Schrödervollkommenbei. DannaberistdasRennen bequemzumachen.

Undesgeht.Manmußdieganze Geschichtenur unter dieRubrik,Noth- standsarbeiten«bringen. KrachgefahrmitArbeiterentlafsungenimHinter- grund. Jrgendwas muß gethan werden, um Betriebseinstellungenvon bedenklichemUmfang vorzubeugen.Warum nicht Schiffebauen? Die macht,einWeilchen nachdem Stapellauf,die veränderte Technikwieder werthlos, sie müssenerneuert werden, undso klappertdieMaschine fidelweiter. Das wirddenLeuten,diejetzt Schnee schnippen, eherein- leuchtenals dasWeihnachtmärchenvondernahenneuen Welttheilung,bei derfür siedochnichts herauskommt-plectunturAchivi ——,undals die wundersamenHistorienvon Holländern,PortugiesenundSpaniern, die, mitRespektzusagen,keinenHundvomOfenlocken.Na,wie wärs? Soll ich fürdie,WachftamThron«einenfulminantenArtikelschreiben? Ichge- lobefeierlich,jede Anspielung aufdieinternationale,völkerbefreiendeSo- zialdemokratiezu vermeiden. Als dereinzig Uninteressirtekönnteich..·«

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Frau Franz Wormser hattedieUnhaltbarkeitderSituationseit zehn Minuten erkannt. Nach diesemMißtonwar keine-Harmoniemehr möglich.

Welches Glück,daßExcellenzGlaser abgesagt hatte!Sowarman wenig- stensunter sich.Undfür kritischeMomente hattedieklugeDameeinun- fehlbaresMittel: ein DruckaufdieelektrischeKlingelrief ihre kleinePflege- tochter herbei,diesie,nach neuesterMode,vomLand inihrkinderlosesHaus genommen hatte.Dawarsieschon,mit derstattlichennursery-governess, in einem Kleidvom bestenStilPeter Robinsons.

»Maudwillnur GutenAbendsagen: entschuldigen"Siegütigst,Herr Doktorund Vetter! DerkleineSonnenstrahlwirduns ja nicht allzu lange deskostbarenGenussesIhrerRede berauben.«

AusrufedesEntzückens.GottseiDank: dieSpannung löst sich.

»Sie sindeinEkel,Doktor!«sagte Frau Erna, währendsieden SammethutmitdemParadiesreiherbuschfeststeckte.»Und heute besonders gräulich.WollenSiemichnach Hause bringen?«

W

Heinrich HeineS letzterAusgang.

Mkerzum letzten Male, Und alSerstillte sein Sehnen

Schonkrank,zumTouvrekam,fNach ihrer Schönheit Licht,

DenWeger hinzum Saale Darannen ihmdieThränen

DerVenuS von Isiilo nahm. Vom blassen Angesicht

DieGöttin seines Lebens, Ersah sievor sich stehn, Dochwar seinTraum vergebens, Getröstetvon ihrzugehn.

München,am zehntenDezember s899. ZIIartin Greif.

II

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EineneueBehandlungderTuberkulose. 457

Eine neue Behandlung derTuberkulose.

InmeinenArbeiten ausdemGebiet derTuberkulose hat michdieEnt- E deckungdesTuberkelbaeillus durchRobertKoch (Oktober 1882)an-

geregt. Erst jetzt,woman denFeindkannte,hatteman Aussicht, ihn them- peutischzufassen.AlsChirurg ging ichvon derBeobachtungtuberkulöser Wunden und Gelenkkrankheitenaus. Die operativeHochfluthbeidiesen

»chirurgischenTuberkulosen« AnfangderachtzigerJahre hatte reichlich Gelegenheitgegeben,Sektionen zumachen. Fast stets fandman tuberkulöse Prozesseininneren Organen,diewichtigerwaren als dieKnochenherde, wegenderenman operirt hatte.Der-Gedanke,durch Wegnahmeeinestuber- kulösenKnochenstückesTuberkulose heilenzu wollen,erschienmirebenso naivwiederVersuch, durchWegschneideneinessyphilitischenKnotens einen Menschen heilenzu wollen,derschonseitJahren durchunddurch syphilitisch ist.Schondamals leitetemichdieUeberzeugung,daßman beiderBehand-.

lungderTuberkulose aufsGanze gehen mußunddaßdieBearbeitungvon Theilerscheinungen,seiesnun Knochen,Lunge, DrüseoderKehlkopf,weniger alshalbeArbeitist.

Jchbinnichtnur alsPraktikerandieseArbeitherangegangen.Als Schülerdes bekannten Pathologen Cohnheim habe ich michvielmitder pathologischenAnatomie der Tuberkulosebeschäftigt·Hier habe ichalsErster dieschon langebekannte Gefäß-undBlutarmuthdertuberkulösenProzesse alswichtigenAngriffspunkt fürdieBehandlungerkannt. Jnmeiner ersten Arbeit(Münch.Med.Wochenschr.1888,Nr.40) heißtes: »Die Schwierig- keitderSelbstheilung tuberkulöserProzesse liegteben inderMangelhaftig- keit derEntzündungerscheinungensEsist zuwenigBlut unddamitauch zuwenigMaterial da zurReparation,zurNarbe. Es stellt sich daherdie Aufgabe,diese miteinerNarbe abschließendeEntzündungkünstlichherbei- zuführen.«Diesesan sichuraltePrinzip kranken GewebenmehrBlut zuzuführen—- istindenletzten Jahrenwiedermodern geworden durchdie von BiereingeführteBehandlung tuberkulöserGelenkleidenmitBlutstauung.

UmindentuberkulösenGelenken eine dauernde Wirkungzuerzielen, brauchte ichschwer lösliche, Entzündungerregende Stoffe. Jch spritztesie indie Gelenke ;um auchinnere Organe erreichenzukönnen, führte ichsie anfangsinAufschwemmung,später auchinLösung—- direkt indasBlut ein. Jch schrittdamit zurWiederbelebungdervöllig vergessenen »intra- venösen«Jnjektion,derdirektenJnjektionvonMedikamenten indie Blut-

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