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Die Zukunft, 8. Dezember, Bd. 33.

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Berlin, den 8.Dezember 1900.

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Tetralogie.

Warrhasios

einFührerderionischenSezessionisten,ist durch zweiTha- tenweltberühmtgeworden,dieergewißnicht für seine größtenhielt.

ErhateinenVorhang gemalt,dereinBild zuverhüllenschienundsonatür- lich aussah, daßderKollegeZeuxis ihn wegziehenwollte. Underhatdie thronende Majestätdes Demos in einem Gemäldedargestellt,dasPlinius sehr ähnlichfand,weil esallewichtigenWesensziigedesvielköpfigenTyran- nenzeigte,die guten undschlechten:MildeundGrausamkeit,Stolzund Demuth,GerechtigkeitundRachsucht,die WürdedesunnahbarenHerr- schersunddenfeigenKnechtssinndesseitJahrhunderteninsFrohnjochGe- spannten. Vergessensinddieeinst sobewunderten LäuferdesEphesers,ver- gessenistauchseinKampfumdesAchilleus sieghasteWaffen;nur vondem VorhangundvondemDemoswirdmanchmal noch gesprochen. V:elleicht warParrhasios mehr PolitikeralsMaler;jedenfallskommandirte erdie Kunst, politischeThierezuzähmen.Er maltereizendeVorhänge, hinter denensogardieFachgenossenWunderdinge verborgen wähnten,underwäre auchmit denerwähltenRepräsentantendesDemos,dessenWesenerso gut kannte, leicht sertiggeworden. JhrTobenhätteihn nicht geängstet,ihrZorn nicht geschreckt;undwenn sie sichvorseiner WerkstattinHaufengeschaart undihnanLeib und Lebenbedroht hätten,dann wäreermitverbindlichem LächelnvordieThiir getretenundhättedie liebenMitbürger eingeladen, sich gesälligftsein neustesdekorativesBildanzusehen.Somußmans machen.So hatesin dervorletztenNovemberwochedesDeutschenReichesKanzlergemacht underwirdseitdemso lautgepriesenwieeinstderEpheser,daerdenZeuxisim Wettkampfgeschlagenhatte.Erbenahmsichauchwirklichsehrgeschickt,zeigte,

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daßerdieKunst,mitMenschenumzugehen,versteht,undkannsich,wie weiland Gladftone, rühmen,alsglücklicherBesitzereinerparliamentaryhandAlles flinkzumBesten gewendetzuhaben,wassoschlimmwerdenzu wollenschien.

Dabeihatererst seiteinpaarJahrenmitParlamentariernzuthun; dochihm ersetztderJnstinktdieErfahrung.Ersagt,wasmanhören,malt,wasmansehen will, undJedersreut sichdankbardesSchmauses fürOhrundAuge.Nurdie Sozialdemokratenbliebenspröde;alle Anderenerwiesendemneuen Herrn wenigstensmit einemfreundlichenWortReverenz.Und dieZeitungschreiber allerFarben huldigtenihm miteinemGeheul,dessenkeinHeldCoopers sichbeim Skalpfestzuschämenbrauchte.An demStaatssekretär hatten siefrüherden zierlichenBlumenschmuckderRedegerühmt; jetzt fandauchSchmock,der

«Bülowderersten Periode sei eigentlich dochzusehr Feuilletonist gewesen, derKanzleraberhabe die»großen,seierlichenAkkordeangeschlagen«,die dem erweitertenPflichtenkreisunddemErnstderStunde entsprachen.Undseine Schlagfertigkeit,dieFülle seinerGedanken,derwuchtige AufbaudesSatz«- gesüges!Sogar Sächelchen,die derThor für unwichtighält,die eineragende Persönlichkeitaberfeinundscharf differenziren,wurden uns nichtver- schwiegen.DerneueKanzler trägteinentadellossitzendenschwarzenGehrock;

erreibtsich,wenn erdenReichstagssaal betritt,dieHände vielleichthat ersie,alsPilatusschüler,vorherimBundesrathszimmer gewaschen und hat,wennermitAbgeordnetenspricht,väterlicheGeberden. Parrhafiosist dergrößteMaler derHellenenweltlUndGrasBülowistin derPresseein so unermeßlicherMeisterderStaatskunst, wieesderGrafvonCaprivi, derFreiherrvonMarschallund derFürstzuHohenlohewaren,so langeder AllerhöchsteHerr Dasist nachbekanntem preußischenSprachgebrauch nichtderliebeGott ihnenmit dem AmtdieGeniekrast ließ,undwiees heuteeinFürstvonRadolin oderEulenburgwäre,wenn erdieErbschaft Ehlodwigs,desinseinerArtEinzigen, angetreten hätte.Wirhaben seit zehn Jahren sovielehübschgemalteVorhängegesehen,daßdieBewunderung schon festeAusdrucksformen gefunden hat. Zeuxiswarnochneugierigundwollte dieFalten heben,um endlichdasderWirklichkeitnachgemalteBildzu schauen.Soaltmodisch sind unsere ParlamentarierundJournalisten nicht mehr.Siestaunendiesorgsam aufgetragene Farbeanundjubeln,dader Meister so hoher Kunst gleicham Anfang seiner Erklärungmitzärtlich verheißendemeinkernihnen zuflüstert,AndereskönneerihnenimAugen- blicknochnichtzeigen.Diesmal wurdeihreErwartung schonimzweiten SatzdererstenRedeaufdasrichtigeZielgelenkt.»Siewerdenesverstehen,

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meineHerren«,so scholles ausderHöhe,»wennichheute nichtwothinge sagen kann,dieschwebendeUnterhandlungen gefährdenoderdievon den MächteninChinaunternommene gemeinsameAktionbeeinträchtigen könnten.« AlsdieserSatz gesprochenwar,nickten dieHäupterZustimmung undBeifall;nnd desTages Siegwar entschieden.Manhatte sichaufzor- nige Reden, aufwildeKämpfe vorbereitet;aberdie Vertreter desDemos könnenauch anders, sindimGrunde stets froh,wennsiegegenMächtige nichtdieFaustzu ballenbrauchen.Undwervonihnen möchtedieschwere Verantwortung auf sichladen, schwebendeUnterhandlungenzugefährden odereineeuropäisch-amerikanisch-japanischeAktionzubeeinträchtigen?Da- vorscheutnurderskrupelloseFeinddesVaterlandes nicht zurück.

DieSozialdemokratie,derenerster Redner,HerrBebel, nichtnur durchseinTetnperament,sondern mehrnochdurch dieEinheitlichkeiteineroffen bekanntenWeltanschauung sichvonallenspäterenSprechern unterschied,blieb dennauchvierTage lang völligvereinsamt. Dasistnatürlich,dennnurdiese ParteihältheuteihrletztesWortnicht zurück;allebourgeoifenGruppenwün- schen,hoffenEtwas vonderRegirung, möchtensichmitihr, solangeesirgend geht,nichtganzentzweien.Immerhinwäredieserolirung ohnedieklugeTak- tikdesneuenKanzlersnichtsodeutlichsichtbargeworden.Manmußgerechtsein undsagen,daßerauchnochandereProben seinerGeschicklichkeitgab.Erspricht wie eingebildeter,mitmodernem EmpfindenrechnenderMann. Erspartdie vergeblicheundoft schädlicheAnstrengung, Unhaltbare Positionenzuver- theidigen.ErhatdemAuswärtigenAmtedieSelbständigkeitgenommen, die es, gegen den SinnderReichsverfasfung,zethahrelang hatte,und die Leitung diesesAmteseinemstillenHerrnübertragen,dernicht mehr sein will alseinersterVortragenderRathdesKanzlerssErkenntfremdeLänder, HöfeundParlamenteundweiß,daßselbstdenwildestenTribunen einartiges Wort wieLenzregeneinendürstendenStrauch erquickt.Underistin der glücklichenLage,dreihundert erwachseneMänner, sooftesihm nöthigscheint, zumLachenbringenzu können. Das istdieHauptsache.NiehatteDeutsch- landeinenKanzler,beidessenRedesolcheHeiterkeitherrschte.Gelachtwurde auch,alsderpreußischeKriegsministersagte,erverstehenicht,wieman

»ChristenthumundArmeeinGegensatzbringen könne«,denn eshabe,seit dasChristenthum aufErdenerschienensei, dochimmerArmeengegeben- vielleichtschenktihmBruderGustavzuWeihnachtenRenansMarcAurel,ein garnichtlangweiligesBuch,woringeschildertist,wie dieChristensichzumRö- merheerstellten—,und alsderselbeHerrvonGoßlerdiedeutscheostasiatische

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Division mit derAufgabebetraute,dieGränelthatenderAtillahordezu rächen.

DiesesLachenhieß:Wunderlich, daßeinsogeicheiterundfrommerMannvon derFriedsertigkeitderNazarenerlehre,dieden-Uebelnichtzu widerstrebenund jedeGewaltsanftmüthigzu duldenbefiehlt,nichts grhört hat;undnoch wunderlicher, daßerjetztdieChinesen entgelten lassenwill,wasdieHunnen, ChinasalteTodfeindeundBedränger,einstanEuropa thaten. Auchüber Chamberlainwird inEngland gelacht,überJoeundstine Familie,die den südafrikanischenKriegzumAbschlußshreinträglicherLieferungskontrakte benutzthat,undderstetssteBriteschmunzclt vergnügtiibereen neuestenCity- witz:As tlie British Empireexpands,theCliamberlain familycon- tracts. DiesesLachen heißt:Sind dochve«fluchteKerle;aberdie Sorte brauchenwir!...Da dieVöllerrun einmalsogernlachen, muß Jedereinen Ministerbewundern,derdieseLachlustmitselbst verfertigten Witzen stillt.

NurhaltenWitze sichselten lange.Daher magiskommen,daßParlaments- redenausdenLeser oftganzanders wirkenalsaufdenHörer, daher auch, daßvonallenwährenddervierBoxertageimReidishausgehaltenenReden die desKanilersManchemdieschwächstenscheinen.

Eshandeltsichum einewieltige Sache,diestenographischenBerichte überReichstagssitzitngenerscheinen spätundohne KenntnißdreierBerichte irareinUrtheil nicht möglich·HondertundzwanziggioseSeiten soviel Raumnahmdchextdei TetralogiceinwollengelesenundihrJnhaltwill nachgepriiftsein. GrafBülowbatneulich gesagt:»Zueinemabichließenden politischenundpersönlichenUrtheilitbermichistesnoch zufrüh;undein solcheszufällen verzeihenSiedasharteWortl istoberflächlich!«Er hat Recht,trotzdemerdenKollegenerpchen ertirt. UeberseinePersörilich- keit undderenpolitischeBedeuiurigwirdjederneueTagunsbelehren.Ueber seineChinesenredenundüber dieparlamentarischeTaktik,deren Wesenaus ihnenerkennbarwird,darsman,ohneunpassenderHustbeschuldigtzuwerden, wohlschon heuteeinUrtheil fällen.DerKanzlerbat,fürdenKriegsng nach AsiendenVerbündetenRegirungrn vorläufig152770000Markzu bewilligen,urderschilderte,wieesderAnlaßgebot,dieWelilageundDeutsch- lands VerhältnißzumReichderErdnritte undzudenaus den Märkten der Gelbhäutemitihmkonkurrirendcn Mächten. Alles-,wasersagte,war sicher buchstäblichwahr;aberimzweiienKorintherbrieswirdvoriEinemgesprochen, der dieMenschenzum Amte desGeistes-,nichtdesBuchstrbens,tüchtigmacht, undvonsolchembelebendenG istwar leider nicht virl zu ipiiren

Erstis Beispiel: »UnserePositioninChina beruht nichtaus gewalt-

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Tetralogie. 403 samer Eroberung, sondern sieberuht auseinemvölkerrechtlichenVertrage.

WirsteheninChina nichtalsEindringlinge da,sondern alsBesitzereiner mitderchinesischenRegirunginfreiem Einverständnißvereinbarten Kon- zession«.Hm...Ja: seitdemsechstenMärz1898 istDeutschland durch Bertragsrecht PächtervonKiautschou;vierMonate vorheraberwar,wenn dieoffiziellenMeldungen nicht gelogen haben,vomKontreadmiral vonDie- derichsundseinenTsuppen Kiautschouerobert worden undVerträge,die auf solcherBasis geschlossenwerden,pflegtmanimAllgemeinennichtErgeb- nisseeiner auf beiden SeitenfreienVereinbarungzunennen. WelchenZweck hat diesesSpielmitWoitenP Wirhaben,wievorunsdieEngländer,Russen, Franzosen, Japaner, denChineseneinStück Landweggenommenund sie nachhermitgepanzerterFaustzumUnterzeichnendesPachtvertrages gezwungen. Das konntenwir,weil wir die Stärkeren waren. Dasistkein in derWeltgeschichteungewöhnlicherVorgang; ungefährso sindalleReiche entstanden. DenVersuch aber, sichin dieweicheWolledessanftenLämm- leins zuwickeln, solltederDeutsche getrostdemFranzmann überlassen.Und indiesesKapitel gehörtgleichauch nocheine anderetaktischeWendung.Herr BebelhattediedeutschePolitik beschuldigt,sehr schlimmanChinagehandelt zuhaben.Umihnzuwiderlegen,verliestGrafBüloweinenBriefdes chinesischenGesandten,der inzuckersüßenWortenDeutschlandsGüte und Mildepreist. So, sagtderKanzler, sprichteinMann,der eingeborener Chineseist, während HerrBebeldochhöchstenseinfreiwilliger Coinesege- nannt werdendarf. »StürmischeHeiterkeit.«Jeder weiß,daßderGesandte keinWortvon Demglaubt,was erinseinerHerzensangstschreibt,nach demHeuchelgebotchinesischerHöflichkeitschreibenmuß.Aberman lacht, und derAngriff istabgeschlagen.Als dannderselbeHerrBebelmehrmals, mitwachsenderHestigkeitundunter Berufung aufdasTagebuchdesbei derdeutschenGesandtschaftinPeking angestelltenDolmetschers Cordes,be- hauptet,amvierzehntenJuni, also acht TagevorderErmordungdesFrei- herrnvonKetteler, hättendeutscheSoldaten in derchinesischenHauptstadt sieben »friedlichversammelteEinwohner« getötet,dawurdedieser fürdie BeurtheilungderEreignisse doch sehr wichtigen Angabemitkeiner Silbe widersprochen.Und alsdersozialdemokratischeFührerdreimal dieFrage in den Saal schrie,obdenTruppen befohlenworden sei,keinenPardonzu gebenundkeineGefangenenzumachen,da antwortete ihmnur verlegenes Schweigen...SprichtaussolchenBeklemmungenetwaderbismärckische Geist,derin dem viertenKanzlerzuneuem Lebenerwacht sein soll?

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Zweites Beispiel: Indenersten Julitagen schienendemGrafen Vülow,,ernsteundgewichtigeGründefürdieEinberufungdesReichstages zusprechen.«Da laserin derFreisinnigen ZeitungeinenArtikel,in dem gesagtwar,essei dochzweifelhaft,obman denReichstag jetztschoneinbe- rufen solle.Daswirkteaufdendamaligen Staatssekretärgeivaltig»Als ich diesenArtikel las, sagteichmir: Dasist übel,damußichmichstrecken, gegen denHerrnAbgeordnetenRichterkannichnicht aufkommen»Große Heiterkeit.«AlsoeinStaatsse«kretär,StaatsministerundVevollmächtigter zumVundesrath fragtinkritischerStunde nicht,was desReichesWohl und desReiches Verfassung fordert, sonderner»mußsichstrecken-Cweiler gegenHerrnRichter,dernoch nichtdenzehntenTheildesReichstageshinter sichhat, nicht aufkommenkann.Dasistnatürlichnicht ernst gemeint;aber ernsthafte Leute sollten sichnichtmitSchäfereienabspeisen lassen,wenn sie zurEntscheidungdesnationalenSchicksalsversammelt sind.

Drittes Beispiel: »Daß SeineMajestät derKaiservonRusslandder- jenige Monarchwar, dervorallenanderenStaatsoberhäupterndenOber- befchlinunsereHändelegte:Das habenwirmitbesonderemDankaner- kannt.« DerrussischeReichsanzeigerhatdenVorgang sodargestellt:»Kaiser Wilhelmwandte sichdirekt in einemTelegrammandenKaiser Nikolaus, wieanalleinteressirtenRegirungen,undstelltedenFeldmarschallGraer WalderseezurVerfügung. Kaiser Nikolaus»vondemWunsch beseelt,die imfernen Osten entstandenen Verwickelungenmöglichstfchnellzuordnen, antwortete auf dieseDepesche,ersehekeinHinderniß,dassichderAnnahme desvom Kaiser WilhelmgemachtenVorschlages entgegenstellte.«Der KanzlerdesDeutschenReiches mußrecht genügsamfein,dadiesekühleHöf- lichkeitihm schonganz besonderen Dankes werthscheint.

UndindiesemStilgingesweiter,amersten,amzweiten,amvierten Tage. »MitdenleitendenGrundsätzendesdeutsch-englischenAbkommens vomsechzehntenOktober1900 habendie anderenKabinetesichinzwischen einverstandenerklärt.«Ja; aberdieRussen,Amerikaner undFranzosen haben sehr deutlich gezeigt,wiesieüberdiesesAbkommendenken,daßsieda- rindaserste Symptomeinerneuen GruppirungderGroßmächtesehen.

»VondenZielen,dieichimJuli dieses Jahres aufgestellthabe, ist bisher nurdaseine,freilichdasdringendste,erreichtworden: dieBefreiungderin PekingeingeschlossenenEuropäer.« Ja; aber keindeutscherSoldat hatandie- serBefreiung mitgewirkt.Und die anderen,,hochwichtigenZiele«? DerKanz- ler laseinelangeListederForderungen vor,die·vondenMächteneinstimmigan-

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genommen undderchinesischenRegirungals dåcisjonirråvoeable vorgelegt worden seinsollten.LeiderhattedasRegister,alsesverlesenwurde,schonmeh- rereLöcher. WiederhattendieRussen,AmerikanerundFranzosen,wahrschein- lich auchdieJapaner, denendiedeutschenChristianisirungpläneaufdie Nervengefallen sind, sichuntereinander verständigtunddieseVerständigung hatte sieaus den Gedanken gebracht, eigentlichliegeesdochnichtinihrem Interesse,einDenkmalfürdenFreiherrnvonKetteler,dieReiseeinesMand- schuprinzennachBerlin und dieHinrichtungzweieranderenPrinzen,der inNordchinapopulärsten,zufordern.Und dasiedieListenun einmal revi- dirten, warfen sie gleichnochein paarForderungen hinausundließenvon der dåcisionirrcävocable kaummehrals dieHälftestehen. GrafBülow aberhattediezwölfArtikelmit einergewichtigenSicherheitoorgetragen,als handlesichsum eine bereits aufden BlätternderWeltgeschichteverzeich- nete Aktion. That nichts; vielleichtgilt auch für dieseSühneliste,wasder Kanzlervon seinenSeptembernoten sagte,alsHerr Richter siein einer klugenundruhigenRedegetadelthatte: »Bei diesenCirkularnoten kam esmirweniger aufdieForman alsaufdieSache, nämlich aufdie Formulirung einesVorschlages betreffs EruirungundBestrafungDer- jenigen,diean dengräulichenUnthaten in China schuldwaren. Dieser Zweckist erreichtworden;dieForm gebeichbiuig.«Man vergißtheutzu- tage soschnell;wasstanddennin derHauptnoteausdenheißenSeptember- tagen?Die»RegirungdesKaisers«könne mit denchinesischenMacht- haberndendiplomatischenVerkehr erstwiederaufnehmen,wenn »dieersten undeigentlichenAnstisterder gegen dasVölkerrechtinPeting begangenen Verbrechen«ausgeliefert seien.Siesindbis heutenochnicht ausgeliefert, aber derdiplomatischeVerkehr ist längstwiederaufgenommenworden. Man muß sichoffenbaraneineneue politischeTerminologie gewöhnen.Wenn ein Staatsmann einenVorschlag macht, dessenAnnahmeernicht durchsehen kann, so haternachheutigemSprachgebrauch seinen Zweck erreicht;und wenn andereStaatsmännerdannganz andereVorschlägemachen, sonickt dererste Anregermit demKopfund»giebt«dieForm billig«. Form ist Jn- halt, Jnhalt Form:fairis fouland foulisfaiir Wasliegt alsoanein paar ArtikelnderSühnelistePDiedåcisionjrrtåvocable ist revozirtwor- den;abereskamjanur ausdieSachean,»nä"mlichaufdieFormulirung einesVorschlages betreffs EruirungundBestrafung Derjenigen,diean dengräulichenUnthateninChinaschuldwaren.« Eruirt sind siejetztund es ift nicht ausgeschlossen,daßsieeinesTages auch noch bestraftwerden.

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Jm Reichstag istmitrühmenswertherOffenheitüber dieHoch- fommerereignisfegeredet worden; auchvondenbürgerlichenPolitikern. Da leindeutscher Parlamentsbericht die Redenwortgetreuwiedergiebt, sind auch hierein paarProben nichtüberflüssig.

HerrDr·Lieber:»Der Herr Reichskanzlerund derHerr Staatssekretärdes AuswärtigenAmteshabenimmernurvon,Sühnederbegangenen Fre- velthatcgesprochen;aus einemanderen hohenMunde aberhabenwir nicht einmal, sondernzweimalgehört,esgeltedie,Rache«.Wirhaben Das umso schmerzlicherbedauert,alswir inderselben Rede, füruns außerordentlichsympathisch,habenbetonen gehört, daßessichbei dem Zuge nach China nichtnur umdieeuropäischeCivtlifation, sondern daß essichfürunsdabeiumdiechristlicheReligion handle.Wirhabendann andieausrückenden TruppendieAufforderungrichten gehört,keinenPar- don zugeben.Esgiebtleider GottesinDeutschland Kreisegenug,die die bricflichenNachrichten übervorgekommeneGrausamkeitenals einePflicht- erfüllungderso AngeredetenundErmuthigten angesehen haben.«

Herr Bassermann: »Wir sindderAnsicht, daßdieBedeutungdesChinafelds zugesnichtübertriebenwerdenunddaßmannichtvon einerweltgeschicht- lichenMission sprechen soll,die vonDeutschlandnunzuvollziehenist, daß man nicht sprechensollvon einerneuen PeriodederWeltgeschichte,die damitangeht.DassinddithyrambischeUebertreibungen,diesichmit einer nüchternenAbwägungnichtvertragen,wie wirsie auchindieserChina- frage fürdasRichtige halten.«

HerrDr.vonLevetzow:»Auchunswäre eserwünschtgewesen,wenn bei dem Auszug unserer TruppenundbeiderAbreisedesGrafen Waldersee.·.

etwas weniger Traragemachtwordenwäre...Unserem Geschmackent- spricht derVers: Wirpflegten stillzu demKampfzugehnundFestezu feiernbeimWiedersehnl«

Herr Eugen Richter: »Die ganzePolitikwirdschonseit längererZeittheatra- lisch,dekorativ inszenirt· Posen, Festlichkeiten, BespiegelungeninDem, was gewesenist, sindanderTagesordnungFrüherwar Dasanders;

damachteman nicht große Worte, sondern schufgroßeThatenundselbst nach diesenThatenwaren dieWorte immernoch sehr bescheiden...Ein Monarch, der sichgewöhnlichin einemengenKreisevonPersonenbewe- genmuß,dienicht berufen sind, ihm gegenübereineselbständigeMeinung kundzugeben,wirdsehr leicht verführt,Etwas für öffentlicheMeinungzu halten,was dasGegentheildavon ist.«

Herr Payer: »GegeniiberdenschärfstenBeurtheilungenderKaiserredenvon verschiedenenSeiten hatderKriegsminister sichbeiseiner Erwiderung darauf beschränkenmüssen,wieeinguterBertheidigersichaufdie Um- ständeunddie damitzusammenhängendeverständlscheundmenschliche Erregungzuberufenundhinzuzufügen,daßein etwamöglicherRachtheil auseinzelnen dieser Aeußerungen deshalb nicht habe entstehen können, weilman ihnen durch rechtzeitigeInstruktionderabgehendenTruppen entgegengetreten sei.«

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Tetralogie. 407 HerrStoeckm »Auchansehr maßgebenderStelle finde ichinBezug ausdie Weltpolitikeine Romantik, die,baldandasalterömischeReich,baldan dasmittelalterlicheröinischeReich erinnernd,dieDingeinphantastiichem Licht sieht...Wirsehenja, daßdasRedenvordenEreignisse-n schon ansdemGebietederinnerenPolitik icherinnereangewisseVorgänge derSozialpolitik ungemeine Schwierigkeitenbereitet hat.Geschieht abereinsolches·RedenvordenauswärtigenEreignissen,so kannesge- radezugefährlichwerden«

FreiherrvonHodenberg: »Wir kommenimmerweiterinZuständehinein, wiesieimaltrömischenReichzurZeit seines Versalles herrschten.«

FreiherrvonWangenhei1n: »Es isteinegewisseArtByzantinismus einge- rissen,der demdeutschenVolkscharakternichtentspricht...Jch haltees für meinePflicht,ganzoffen hier auszusprechen,wasichauseigener Er- fahrung weiß, daßesStellen, daß esKreise giebt,diegrundsätzlichSeine MajestätmitgefälschtenBerichtenmitunter versehen,die eine Wolkevon NebelzwischendenAllerhöchstenHerrnunddasdeutscheVolk zuschieben suchen,eineWolke,dienichtnurausdemsehr reichlichgeschwungenen Weshrauchfaßstammt, sondern auch recht wenig wohlriechendeTheile enthält.Dassage ichimNamenHunderttausenderl«

Dassindkeine denLesern der»Zukunft«neuen Dinge;aberesister- freulich, daßsiejetztauchanwichtigererStelleentschleiertwerden.Nur-sollten dieHerren,dieihren frisch aufgebügeltenMannesmuthvordenKaiserthron tragenmöchten, denKanzler nichtmitNebelbildern bedienen, nichtwegen jedesZusallsivörtchens,dasihmvonderLippe fällt,inEkstasegerathen, ihn nichtalseinengenialenPolitilerfeiern,weilermitadvokatorischchschick- lichkeiteineheikle Sachevertreten undzuflüchtigemErfolge geführthat.

Siesollten ihm sagen: SchöneMaske,wir kennenDich!Dustellstunsdie Dinge so dar,wie wirsiegernsehenmöchten,kitzelstuns,biswirbehag-.

lichkichern,kommstunsso weitentgegen,wieesunsgefällt,undverbirgst hinterderLarvemitMühedasLachenüberdiebequeme Gesellschaft, derenAppetitmitWorten undWitzenzustillen ist. Jetzt hastDuuns wiederdiemerkwürdigstenGeschichtenerzählt.WirhabendenChinesen nichtsSchlimmeresangethanalsdasSchäfchendemWolfin derFabel.

Wir wollenwederimBlauennochimGelbenFlußeinWässerchentrüben- Weltpolitiktreibenwirnurso nebenbei,in denMußestunden, ohne jeden BogenderWünschezuüberspannen,dennwirwissen:imHeimathboden wurzelt unsere Kraft.Und wirstehenauchmit allenMächtenganz wunder- vollgut;keinehatunsjeSteinein denWeg gewälzt,keinehinter unserem Rücken Mißtrauen gesät. Das,liebeExcellenz,glaubenwirnicht.Wir glauben nichtandieEinigkeitderMächte,nichtandieSelbstanzeigeDeiner

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territorialen Genügsamkeitunderst recht nichtanRußlands wohlwollende Unterstützungunserer asiatischenPläne.Und dawirDichalsklugenMann kennen, der, wiederStudiosus Miquel, »seineMittelnachderZweckmäßigkeit wählt«,deshalbbittenwirDich,mitunsernsthaftenLeuten überernsthafte Dinge künftigernsthastzureden... Warumwird zu demGrafenBülownicht sogesprochen?Weil dieauswärtigePolitikvomNcmbuseinerGeheimkunst umgeben istundNiemanddieFaltendesparrhasischenVorhangeszuheben wagt.WeiljederStaatsgeschäftsleiterdenSchlüsselzumFutterschrankin der Tascheträgtund bis zu einemgewissenGradeentscheidenkann, welcheKlasse zuerstandieKrippe darf.Und weilauchvonneuen undjungenKanzlern gilt,wasGoethes PolymetiszuElpenorvonden Gekröntensagt:

EinalterKönig drängtdieHoffnungenderMenschen In ihre Herzen tief zurück

Undfesseltdortsieein.

DerAnblickaber einesneuen Fürsten Befreitdielang gebundnen Wünsche.

JmTaumel dringen sie hervor, Genieszen übermäßig,thörichtoderklug, Desschwerentbehrten Athems.

Ueber dieNothwendigkeitunddenNutzendesKriegszuges,der uns imgünstigstenFalleineViertelmilliarde kostenwird, sindverschiedeneMei- nungenmöglich.MeinungenaberhabennurWerth,wenn sieausderKenntniß kontrolirbarer Thatsachenerwachsensind.StattStunden langüber die Ge- währungeinerJndemnitätzu reden, die in einem Landeohne Ministerver- antwortlichkeitganzbedeutunglos ist, hättederReichstag versuchensollen, sich KlarheitüberdieVorgängezuschaffen,die imOsten Asiens begonnenhaben und dieaufdieeuropäischeSituation zurückwirkenmüssen,—- trotzdennied- lichenBeschwichtigungversuchenderFeuilletonexcellenz.DieseKlarheithätte unsendlichvondemGerede überdieSchwächeundUnzuverlässigkeitanderer Regirungen befreit,dasjanurdasdröhnendeEchounserer eigenenNiederlagen übertönensoll.Werlangegenughingesehenhat,wirdfinden, daßdieSache furchtbar einfachist. DeralteKampf zwischendemWalfischunddem Bären istvom Bosporus aufdenweiterenSchauplatz verlegtworden, dersichan derKüstedesGroßenOzeans dehnt.SeitdasAugederRussen aufdie transkafpischeund dietranssibirischeBahn gerichtetist,kann derBalkan, kannselbstKonstantinsStadt ihnen nichts mehr sein.Siebrauchen China:

diemandschurifcheBahnstrecke,dieBodenschätzedesNordens,denerwachen- denMarkt. Deshalb haben siedemSiegerschrittdesJapanerheereseine

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Tetralogie. 409 Schranke gesetzt,denChinesenGeldgeborgt,diemächtigstenMandarinen beftochenundsichdieErgebenheitderliebenFrau Tse-Si gesichert.Die Mand- schureihabensieschon, gönnendemSohndesHimmelsgern denSchein einerMacht,dieerlängstverlorenhat,undmöchtengeduldigwarten, bisihr SchiencnstrangMoskau-Pekingfertig ist.Als imMai dieKrisis kam,konnte Granurawiewnur dasInteresse haben, sie, so gutesirgendging,zuver- tUschenznur keinenLärm,keineErschütterungdesAnsehenseinerRegi- tung,-diemühsaminsNetzgelocktwordenwar;mit der altenKaiserinwar leichtzu leben undChinamochteweiterschlummern,unterschlechter,korrum- pirter Verwaltung,mitschlechtenFinanzen, ohnemoderne Maschinenund Waffen,bisfürdieRussendie Stunde desProtektoratesund derindustri- ellenAusbeutung gekommenseinwürde.Das war derBärenplan; doch auchderWalfisch schliefnicht.Jn Persien mußteEngland knirschendden Russenweichen;aufdenchinesischenMarkt,deneinzigen,derIndiens UeberproduktioneinesTages bequemaufzunehmen vermöchte,kannes nicht verzichten.Dasvon demMandschuschattenbeherrschteReichwäreja füreineTheilung großgenug; aberdenMoskowitern istnichtzu trauen.

Man muß ihnendieEroberung so schwerwiemöglichmachen. Deshalb wardieBritenlosung für China längst: Reform, militärische,technische,fi- nanzielle.WennTse-Si,Li-Hung-Tschangunddie kleinerenRussendiener weggejigt sind,wenn diegelbenKerlemoderneGeschützeundMaschinen habenundGeldverdienen,dann werdensiesich sogargegendenWeißen Zaren ihrerHautwehren.SostandendieSachen,als dasDeutscheReich unddieVereinigtenStaaten sicheinmischten.DieYanlees sagten:Wir brauchendenMarkt, brauchendie Kunden unddürfenuns alsklugeGe- schäftsleutedeshalbnicht gleichunbeliebt machen; dasBestewirdsein,wenn wir in denFußstaperdes Bärensachtvorwärtsschreiten.Und dieDeutschen? Sie habendenalten, sehnsüchtigenWunschderBriten erfüllt,diefürden Tag,da diebeidenHauptinteressenteninAsien zusammenstoßenwürden, sichlängstdieHilfederfestländischenGermanenvormachtzusichernsuchten.

Siehabensichals Verkünder einesRachekriegesund einernahenden Christia- UisirungdesMandschureichesdenChinesen mehralsirgendein anderes Volk verhaßtgemachtundalsLohn ihres MühensundLärmensnichts eingehandeltals dasBündnißmit demWalfisch,der, so oft ihnimLauf derGeschichteeinBundesgenosse brauchte,immer nochrechtzeitigunter- zutauchenverstand.Undman wundertsichüber dieUneinigkeitderMächteund über denWiderstand,denseitdemJuli jeder deutscheVorschlaggefunden

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wird nicht der Mensch, sondern gewissermaßen der Tod selbst vor seine eigene Vernichtung gestellt. Ein gelehrter Professor, Theologe,glaubt, den unum- stößlichen Beweis für

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Reden über die Zollfrage Gesagte geblieben ist. Eine Prinzipienerörterung von unerhörter Leidenschaftlichkeit war uns verheißenworden; die enttäuschende Wirk-

swahr in Bezug auf die Wiedergabe der Atmosphäre um Raffael und Rem- brandt, doch typisch für Das sind, was der mittlere Franzose der Periode svon Vernet und Gårdme in Bezug