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Die Zukunft, 28. Dezember, Bd. 37.

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Berlin, den Dezember 1901.

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Die deutscheMuse.

Was

Ende desJahres1780 brachtedenDeutscheneineliterarischeUeber- raschung. Lessingsin demselbenJahr gereifter Versuch,in der»Er- ziehungdesMenschengeschlechtes«dieLehredesChristenthumes philosophisch umzudeuten, hatten siekaumbeachtet,denfreienStanzendesOberondichters kaumgelauscht;nun aberhorchten sie auf:denneinKönig hatte gesprochen.

De la- littårature allemande hießdieSchrift FriedrichsvonPreußen,die in der engen Welt desachtzehntenJahrhunderts ungeheuresAufsehenmachte.

Mancher freilichschütteltedenKopf.Wie kam denndieserKönig dazu,über diedeutscheLiteratur öffentlichGerichtstagzuhalten?Er kanntesiejagar nicht, hatte selbstjazuGottschedgesagt,erhabe»vonJugend aufkeindeutsch Buch gelesen«undseineKenntnißderHeimathsprachesei nicht höherals die einesKutschers. Doch Lessing, dessenscharfemAugederLakaiensinn auf- geklärtscheinenderLiteratenimAthenNicolais nicht entgangenwar,hatte prophetischenGeistes schonfrüher gerufen: »Gottweiß,ob dieguten schwäbi- schenKaiserum diedamalige deutschePoesieimGeringsten mehr Verdienst habenals derjetzigeKönigvonPreußenum diegegenwärtige!Gleichwohl willichnicht darauf schwören,daß nichteinmal einSchmeichlerkommen sollte,derdiegegenwärtigeEpochederdeutschenLiteratur dieEpocheFrie- drichsdesGroßenzunennen für gut findet.«UndFriedrich selbstscheint auch aus diesemGebietanseinerBerufungzumRichteramtnichteine Stunde gezweifeltzuhaben.Esist lehrreich,dieSchrift heutewieder zulesen. Jn derRegirungzeit diesesKönigslebtenGottsched, Gellert, Gleim, Lessing, Klopftock,EwaldKleist,Rabener, Geßner,Winckelmann, Kant,Hamann,

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Wieland,Leibniz,Herder,Mendelssohn, Moeser, Lavater, Lenz, Goethe, Schiller, JohannesMüllerundBürger.Eraberfand, nochhabeder DeutschekeineLiteratur,sdiesichsehenlassenkönne,noch nichteinmal eine Sprache,in der einelesenswertheLiteratur zuschaffensei. Jhm gefielder brave,bei allerPedanterie freilich nicht ungraziöseGellert,derdochnur vonderLeiterliterarischerErinnerungen nach schmalenPoetenkränzenher- aufgreifenkonnte.Damit aberwar derAnerkennung auchdieGrenzege- zogen. UeberShakespeare urtheiltederSchüler natürlich nichtanders

·alsderMeisterVoltaire selbst;undGoethes Goetzwarihmeine imitation dåtestable deces mauvaises piåces anglaises. Docherlehrte auch, wieesbesserwerdenkönne,gab,mit demEiferdesinsHandwerkpfuschen- denDilettanten,Rathschläge,dieunskindlichdünken und die der Gebildete schondamalsbelächelte,undschloßmitdemHerzensfchreiderHoffnung:noch seidieZeit deutscherLiteratur nicht gekommen,abersienahe;wenn die Sprache erst gebessertsci,werdeman sie mitVergnügensogarandenHöer sprechen.»Ichbin wieMoses: ich sehevonferndasGelobteLand,aberich werdeesnichtbetreten.« WerdiesesLanderschließenwolle,müssedasJdeal derAntikehochhalten,denRegelnund ewigen GesetzendesSchönenge- horchen. Justus Moeser gabin einerGegenschriftoffeneundklare Ant- wort. Goethe,der antworten wollte, ließdenPlanwiederfallenundsagte nur,in einemBriefanMoesers Tochter,mitleiserIronie: »Wennder Königmeines Stückes inUnehren erwähnt,istesmirnichtsBefremdendes.

EinbilligerundtoleranterGeschmackmöchtewohlkeineauszeichnendeEigen- schafteinesKönigs sein; vielmehrdünktmich,dasAusschließendeziemesich für GroßeundVornehme.«JndesKönigs Sinn hatvondenvielenGe- genredenkeine dauernden Eindruckhinterlassen.Friedrichwußte,wasdie Kunst will, soll, muß,undbrauchtekeineBelehrung.VierJahre später, alsChristophHeinrichMyller ihmdie»Sammlung deutscherGedichteaus demvierzehntenbissechzehntenJahrhundert«geschickthatte,schrieberdem inBerlinangestelltenSchweizerausBodmersSchule: »Ihr urtheiltviel zuvorteilhaftvondenGedichten,derenDruckJhr geförderthabtund zurBe- reicherungderdeutschenSpruchesobrauchbar haltet.MeinerEinsichtnachfind sienichteinenSchußPulverwerthundverdienennicht,ausdemStaubedeerr- gessenheitgezogen zu werden. JnmeinerBüchersammlungwenigstenswürde ichsolcheselendeZeug nichtdulden, sondern herausschmeißen.Dasmir davon

eingesandteEFemplarmagdaherseinSchicksalinderdortigengroßenBibliothek

abwarten. VieleNachfrageverspricht ihmabernichtEuersonst gnädiger

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KönigFriedrich«Dasso kritisirteWerkenthielt: Gottfrieds Tristanund Jsoldeund das Nibelungenlied. Diese GedichteschienendemManne,der sichselbsteinenPhilosophennannte,nichteinenSchußPulver werth.Und dieser Königwar nichtnur derstärksteallergekröntenSchriftsteller seit MarcAurel, sonderneinegenialePersönlichkeit,derenErwachsenimSchat- tencinesHerrscherhauses,wovorherundnachher höchstenswackereTüchtig- keitgedieh,demBetrachter stetsein wundervolles Räthselbleiben wird.

Alleswiederholtsichnur im Leben.WerFriedrichs Urtheilüber die deutscheLiteratur imGedächtnißträgt,konntenichtstaunen,alserlas,was derDeutscheKaiseramachtzehntenDezember nachdemdrittenGangeines Festmahlesüber dieKunstunddenSündenfallderModernen gesagthat.

WilhelmderZweite istkeinSchriftsteller,keinDichter.Er wirdvon freiwillig BedienstetendergrößteRedner imReich genannt,wie derLady Milford fürstlicherFreundderwitzigsteKopfimganzenLandegenannt wurde,—- »dennesist seinLand«. Seine Redenhabeneinenlebhaften, oft heftigenTon,aberkeinGlanzderSprache,keinSprühen schöpferischerGe- dankenscheidetsieaus derFülleanderer Festreden. Auchkann kein Red- licherihnen tiefer reichendeWirkung nachrühmenzdieWorte,diederKaiser prägt, nehmenimUmlauf fastimmer eine andereBedeutungan: wervon denEdelstenderNation,vonherrlichenTagen, heiligftenGütern,vonHand- langernund deraufdemWasser liegendenZukunft spricht, gebraucht diese WortfügungenseltenimSinndeserstenBenutzers·DieGabeschnellenEr- fassensundAssoziirens,diedemKaiservon unverdächtigenLeutenzugesprochen wird, soll«häufigbei derErörterung technischerFragensichtbarwerden.Im grenzen- undherrnlosenReichdergayascienza,inderRepublikderKünste, derenFreiheit Bonaparte sogargegenFontanesvertheidigthat,lebt er, wie anderegroßenHerren,alseingebildeterDilettant. »Die Jtaliener«,sagt Goethe,»nennenjedenKünstlermaestra WennsieEinensehen,dereine Kunst übt, ohnedavonProfession zumachen, sagensie:si diletta. Diehöf- licheZufriedenheitundVerwunderung,womitsiesichausdrücken,zeigtda- beiihreGesinnungenan. DasWort dilettante bedeutet, nachJagemann, einenLiebhaberderKünste,der.nichtalleinbetrachtenundgenießen,sondern auchanihrer Ausübung theilnehmenwill. Indemwirvon Dilettanten sprechen,sowird derFall ausgenommen,daßEiner mitwirklichemKünstler- talentgeboren,aberdurchUmständegehindertwordenwäre,esalsKünstler zuexkoliren.«DasistnichtderFalldesKaisers;wir kennen einLied,ken- nenBildervonihm.ObsolchegeistigeStimmungeinesRegirendenden

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Regirtenoder gar derKunst nützlichist?Die Antworten lautenverschieden.

Voltaire wünschtesicheinenKunstliebhaber aufdenThron,weil einMächti- ger,derselbstKünstler ist, guten Künstlern fastnieseineGunst zuwende.

Goethewiederum meinte:»DerDilettantismus führtNachsichtundGunst ein. Erbringt diejenigenKünstler, welchedemDilettantismus näherstehen, auf UnkostenderechtenKünstlerinAnsehen.ErbefördertdasGleichgiltige, Halbe,Eharakterloseunddeshalb istbeiihmderSchadeimmergrößerals derNutzen.« Doch eheman unter denAntworten wühlt,sollteman weiter- fragen,obeinesFürsten,KünstlersoderDilettanten, Gunstdennüberhaupt demkünstlerisch-ernstSchaffendenzuwünschensei.DesDeutschenund des FranzosenWortbleibt stehen,wenn wiruns andieWarnungeinesBri- tenhalten: Byrons,derimDantegedichtgesagthat,in einesThrones Nähe stockedesKünstlersInspiration.Somußeswohlsein.Kaumjemals istEinem ausApollosReichdieGunsteinesKönigs gutbekommen.UnterLudwigdem Vierzehnten mußtendiePoetenzumThron emporblinzeln, mußteMoliåres frecheKraft sogar sichzu devotenVerbeugungen bequemenundumdie ganze Literatur derEpochelegtesichdiedickeZuckerkruste,durchdieman heutenur schwerzuihrer feinenMenschlichkeitvorzudringenvermag. Werweiß,was ausLesfinggeworden wäre,wenn ersichFritzensLauneangepaßt,wasaus einemShakespeare,derdasUnglückgehabt hätte,dergehätschelteLiebling GeorgsdesDritten zu werden? AuchanNeros,anNapoleons Aesthetik darfman erinnern,andesKorsen wegwerfendesUrtheilüber diebürger- lichenDramen, »dieTragoedienderKammerjungfern«,andieBavaria und Walhalla LudwigsdesErsten,andiesinnlosderSonnenkönigszeitnachge- stümpertePracht,dieLudwigderZweitevonBayernliebte. DerFallWagner beweistnichts;dennfürWagnerwarLudwigkeinKönig,sondernein willen- los denWünschendesAngebetetendienender Freund.DerstarkeKünstler istimmer einGestalterdesNeuen,Werdenden und alsoUnbewährten, derKönig,dernichtein roi parvenu ist,derWahreralterOrdnungund ehrwürdigerSitte. Nurin derWeltschillernderJllusionenkönnen Beide ungefährdetaufderMenschheitHöhennebeneinanderwohnen.

AlsEornelius Bayern verließund dieFurchtlautwurde,dieses Scheidenkönne«diehauptstädtischeKunstentwickelung hemmen, sagteLud- wig,derHexametermacherx»Ich,derKönig,bin dieKunstinMünchen«.

Sodenkt derKaiser gewißnicht; sonstwürdeersichnichtimmerwiederals dankbaren SchülerdesProfessorsBegasbekennen.Abererliebt dieKünste undhatdiestärkendeZuversicht, daß sein Urtheil ihnendenrechten Weg

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weisenwird. KeinVerständigerdarfdarobstaunen.Bei den Denkmalen seines GroßvatersundBismarcks hater,trotzKommissionen und-Preis- gerichten, mühelosdurchgesetzt,waserdurchsetzenwollte. ErhatHerrn KonergelobtundvonFrau Parlaghy gesagt,ihrenPortraits seinichts gleich Bedeutendes andie Seitezustellen:HerrKonerundFrauParlaghykamen in dieMode. ErhatdenMärchenbrunnenplan,deneingefeierterStadt- baurathausgeheckthatte,vonGrund auf geändert:derBaurath hat erklärt, dieAenderung seieineungemeineVerbesserung,undMagistratundStadt- verordnete habendemblamirten Beamten winselnd beigestimmt.Erhat dasvon einem anderenStadtbaurath ersonnene Projekt,dieStraßeUnter denLindenumzugestalten, kurzwegüber denHaufen geworfen:wiedersind diestädtischenKörperschasteninErgebenheit seinemWinkegefolgt.Unddie Zahl solcherBeispieleließesichleichtvermehren.Soll einFürst nach solchen ErfolgenalsKritiker derKraft seines Urtheilsetwanichttrauen?

DasFestmahlwarzurFeierdesTages angerichtet,wodasletzteder fürdieSiegesallee bestimmten Fürstenstandbilderenthülltwordenwar.Dem Kaisers gefälltdiemarmorne HerrlichkeitSieist seinWerk. DerHof- historiographProfessorKofer hatdie,,PersönlichkeitenderFürstenundihrer wichtigstenHelferfestgestellt«,ist also dafür verantwortlich, daßKant alsein Helferhinter FriedrichWilhelmdemZweitenhockt.DerPlanzur ganzen An- lageaberstammtvomKaiser.ErgabdenAuftrag, bezahltedieAusführung und blickt ausüberglücklichemAugenun aufdasErgebniß.Die vonihmAus- erwähltenhaben»Großartiges«geleistet.»DieberlinerBildhauerschulesteht auf einerHöhe,wiesie wohlkaumjein derRenaissancezeitschönerhättesein können.« Von dem imThiergarten Geleistetenwirdman sagen: »Dasistbei- nahefo gut,wie esvorneunzehnhundertJahren gemachtwordenist!« »Der Eindruck,dendieSiegesalleeauf dieFremden macht,istein ganzüberwältigen- der;überallmachtsicheinungeheurer RespektfürdiedeutscheBildhauereibe- merkbar«...DiesesGlaubensfesteBurgmüßtemanbestreiten,wennihrirgend- woineinemKunstkennervonAnseheneinVertheidigererstünde.Manfragealle zumUrtheil Berufenen auf ihr Gewissen,Avenarius oderWallot,Helferich oderTschudi,MutheroderLichtwark,Bode, Gurlitt, Woermann,Meier- Graefe, Treu, Seidlitz,vandeVelde:Keinerwirdsichauchnurdazuhergeben, denKunstwerthderThiergartenleistungumständlichzu diskutiren. Gurlitt, dersächsischeHofrath,hat schonvorzweiJahren geschrieben:,,Solche«Auf- trägewie dieReihevonBildsäulen,diejetztimThiergarten hergestelltwerden, Dutzende solcherausdemGemüthgeschöpftenHeldensind fürdieBildhauerei

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eineschwereVersuchungzurPhrase.Eszeigtsichinihnendieaußerordent- licheSchwächeunserer ZeitimeigentlichKünstlerischen.Jch gönneherz- lichdenBildhauernihrenVerdienst,abersieverdienensichkeinenGotteslohn solchenveralteten, unkünstlerischenAufgaben gegenüber.«Jetzt, seitdieeinst hübscheParkstraßeso schlimmbestellt ist,würde dasUrtheil wohl schroffer

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ausfallen.UnddieFremden? PierreLotihatdieMarmorhäufung »bar- barisch«genannt, englische,belgische,russischeKünstler sindganzentsetzt vomAnblick desPuppenstandes nachHause gekommenundaufdenBoule- vardsersann boshaster WitzdenRath,diezweiunddreißigStandbilder nebst Bänken undBankhaltern möglichsttheueraneinenamerikanischenUnter- nehmerzuverkausen,dersieneben anderenRaritätenin beiden Weltenaus- stellenkönne.DerKaiser hat natürlichandereStimmen gehört.Wer würde ihmungefragtUnwillkommenessagenPSchonderfrommeAbrahamaSanta Klarasprachzürnend:»Du wirstzuHofsehenlauterMaler,abernursolche, die EinemwasBlauesvordieAugenmachen.DuwirstzuHofsehenlauter Musikanten,abernur solche,die dasPlacebo singen.« Auch hatdenOber- und UnterpietschennebstallenBewunderern meininger Ritterstückfigu- rinendieSacheja gefallen;und dieMänner,denendiePflicht gebietensollte, dienichtallzu weitreichendeGeltung neudeutscherKunstvorGefahrzu hüten, habennichtlautgenug gesprochen.Vielleicht,weilsiebisher annehmen mußten, nichtKunst solleindiesemMarmelsteindemVolkegebotenwerden, sondern einExercitiuminvaterländischerGeschichte.Das schon ließwenigHoff- nungauf gute Frucht. DiesezumgrößtenTheil unbekannten,zum aller- kleinsteninHeldenbüchereingezeichnetenHerrensagenderPhantasie nichts, mahnen höchstensdenVerstand,wiegeringdieThatleistungganzerRe- gentenreihendochmanchmal sei;undwer einendurchAeonenfortwirkenden Denkerals Ornament andasSteinbild eineslüderlichenLandverwüsters geklebtsieht,wirdkeinenZuwachsanmonarchischemGefühlheimtragen.Jetzt erst vernahmen wir,daßKunstwerke geschaffenwurden, Werke,dienichtnur neben demvorneunzehnhundertJahren Gemachtensehenswerthsind da- malswurdenichts Rechtes gemacht—, nein,die denschönstenSchöpfungen derRenaissancezeitgleichen. AlsodenMedicäergrabmalen,demMosesund BrutusMichelangelos,demSanktGeorg, denOrgel-undThürreliessDona- tellos,demColleoniVerrocchios, Cellinis,Ghibertis,derdellaRobbia und zahlloserAnderengarnichtzugedenken.WasBurckhardtundHermanGrimm wohlgesagthätten,wenn sieandiesemDezembertagnochunterdenLeben- dengewesenwären? WasdieUeberlebenden sagten,warin allenSchänken

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undKaffeehäusernzuhören:derSchneemann, den,mit der,respektlosen DreistigkeiteinesreichenErben, LorenzosSohnvonderMeisterhand Michel- angelos geformt sehenwollte,wäre inseinemStundenleben derKunst noch werthvoller gewordenals dieganzePuppenallee.Da könnevoninnigerBer- senkungin dieAufgabe,vonPygmalions slehendemVerlangenunddem ernsten, kühnenVersuch,Unaussprechlichesmit den Mitteln derKunstdar- zustellen,nichtdie Redesein.Dassei—ebenschlechtesHoftheater.Undnicht einmaldasreinHandwerklichesei anständigundsauber besorgt.

DieGrundverschiedenheitdesUrtheilswirdimmerhinetwas leichter verständlich,wenn man demKunstbekenntnißdesKaisers längerlauscht.

Ihm,derdochwissen muß,welcheWeltenzwischenPraxitelesundDona- telloliegen,.istdieRenaissancedieWiederholungderAntike.Denn in der Kunst herrscht,wie in derNatur, »einewiges, sichgleichbleibendesGesetz:

dasGesetzderSchönheit,derHarmonie,derAesthetik«.Wieoft hatdas WortAesthetikseitBaumgartens BuchAesthetica undseitVischersUnter- suchungendenSinn gewechselt!Wieoft istumdenBegrifsdesSchönen,um dieWurzeldesWortessogar gestrittenworden! Schönkommtvomgothischen skavja, sagtendieEinen,undbedeutetdasSchaubare,Helle; nein, sagten dieAnderen,vomalthochdeutschenSkionan kommtesunderinnertanSchäu- mendes,Schimmerndes.Mitfrommem Schauderdenken wir aller Evolu- tionendesSchönheitempfindens,die alleinschonderwestlicheKulturkreisvon AristotelesbisaquietzscheundRuskin erlebthat. Wilhelm demeeiten stehen alledieseBegriffe fest, unerschüttert,unerschütterlich.Schillerschrieb:»Die Ohnmacht hatdieRegel für sich,aber dieKraftdenErfolg«;undGoethe:

»Jn jedemKünstler liegtein KeimvonVerwegenheit,ohneden kein Talent denkbarist,unddieserwirdbesondersrege,wenn man dieFähigeneinschränken und zueinseitigenZweckendingenundbrauchenwill.«DieBeidenheißen dochKlassiker.DerKaiseraber meint: »Eine Kunst,diesichüber dievon mirbezeichnetenRegeln und Schranken hinwegsetzt,-istkeineKunst mehr.«

Hieraberhabenwiraußerden totennocheinen lebendenZeugen: Reinhold Begas,derwährendderRede neben demKaiser stand.Als Der in densech- zigerJahren nachBerlin kam,wurdeeralsKetzerundVerächterderAn- tikegeschmäht.ErahmtdemMichelangelonach, sagteCornelius; schlimm!

DenGianbologna, Bernini, Corradiui, sagten Andere; noch schlimmer!

Erfindetdie Antikelangweilig, bringtdasBarockzurückundgiebtunsein leichtesMädchenfüreine Venus. DieSchule,ausder,nach seinemeigenen Wort,dievomKaiser sosehrbewunderteBildnereistammt, ist alsovoneinem

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Künstlerbegründetworden, dessenhöchsterRuhmwarundbleibenwird, daß erin derEpigonenzeitnachThorwaldsen, RauchundRietschelsichüberRegeln undSchranken hinwegzusetzenwagte.Dasthun,JederaufseineWeise,Jeder nach seinerKraft,die dreigroßenplastischenSchöpferunsererTage: Rodin, Klinger,Meunier,derenKraftundKunstkeinHofgünstlingauchvonfern nur sich vergleichendars.Siekennendie Antike undderenWiedergeburt imZeitalter CosimosundLorenzosvonMedici;abersie fühlen, daßin einevölliggewandelteWeltblutlose Kopienderaus fernen Empfindens- zonenherleuchtendenWerkenichttaugen,und könnensichaufWinckelmanns, desAntiquars, Wortberufen: »Werin derKunst beständigAnderennachgeht, wird niemalsvorauskommen«.Jedervonihnen gestaltet seineVision;und Jedes Auge siehtandereSchönheit.DerKaiser sagt: »Das Gefühl für Das,was häßlichoderschönist,-hatjederMensch,magernoch soein- fach sein·« Selbstwennman diesuperlativischeFassung wegnähme,bliebe derJrrthum bestehen.WasMenzelschönfindet,war esnicht fürBöcklin:

woMonet anbetete,bliebePuvis vielleichtkalt;undPeter Vischerwürde dasberlinerBismarckdenkmal, AlbrechtDürerdieneudeutscheHofmalerei sichernicht schönnennen. Umauch hier nochdemhohenMaecen einestärkere Stimme antworten zulassen, seianLagardes Satzerinnert: »Wasdem Chinesenalsschöngilt, weichterheblichvonDemab,waswirschönnennen;

undselbstunter demVolk,demvoranderen dasGefühl fürdasSchöne eigen gewesensein soll,dem derGriechen,würdendieGesinnungsgenossen desPhidiasund desPraxiteles dieKünstlernicht gelobthaben,die denApollo desBelvedere,die denLaokoongemacht.«DerBegriffdesSchönenwird immerstreitig,wenn einEindringling,dasnatürlicheKindeinesSitten- bruches,dengewohntenErbgangderMenschheitgedankendurchbricht.

DerKaiser hatdannnochdermodernenKunstvorgeworfen, sie »steige in denRinnstein nieder«,undallenanderen Völkern, sie hättensichvonden

»großeanealen«abgewandt,alsderenHüternurdieDeutschennoch übrig blieben. DerersteVorwurfwar vorungefährfünfzethahren sehrbeliebt ; derzweiteistinsolchemMunde so bedauerlich, daßman gut thut, nicht weiter darüber zu reden.DieGlossenausderFremdeklingenschonunsanft genuginunser Ohr.EinTrostaberbleibtuns beim Rückblick:fürdie Kunst istseinGlück,daßderKaiser so festamAltenhängt.Waswäre unter den dörrendenStrahlen höfischerGunstausdenzartenKeimenneuer Kunst- kulturgeworden?...WasausderLehredes Galiläersward,seitdieGnade Julians siezumRangder alleinherrschendenStaatsreligion erhob.

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Derstrafrechtliche Nothstand. 491

Der strafrechtliche Nothstand.

Auch nichtsomächtigachtet’ich,was Dubefahlst, DaßDirder Götterungeschriebenes,ewiges Gesetzsichbeugen müßte,Dir, demSterblichen.

Dennheutenichtundgestern erst,-nein,alleZeit Lebt DiesundNiemand wurdekund, seitwann esist.

Sophoklest Antigone.

Wie

lebendigeUeberzeugungderVolksgenossenvonDem,wasRechtund Unrecht ist,vonDem,wasman thundarfundwasman unterlassen muß,istderQuell,woraus allesRecht,dasungeschriebeneGewohnheitrecht wiedasgeschriebeneRechtdesGesetzes,fließt...oderdoch fließensollte.

Denn freilichwerdensichBeide, dieRechtsüberzeugungdesVolkesunddas thatsächlichgeltende,Gehorsam heischendeGesetz,kaumjevollkommendecken- Aberauch hier mußdervollkommene Zustand wenigstensalsZielerkannt undalsJdeal erstrebtwerden. Jehäufigerundjeweiter sichjene Rechts- überzeugung,die eommunis nichtdoatorum, sondernindootorum opjniovon Dementfernt,wasdasGesetz vorschreibtunderzwingt, desto schlimmeristesumdieRechtsordnungundum dieAchtung bestellt,dieihr dieRechtsgenossenschulden sollten.Darum kommtaber auch,wenn sich GesetzundRechtewiedereinmalwieeineewigeKrankheitfortgeschlepptund Vernunftzu Unsinn,WohlthatzurPlage gemacht haben,imWandel der Zeitenimmer wiederderAugenblick,woJederdie Qual solches Zwiespalts empfindetund sichwiederaufdasRecht besinnt,dasmit uns geboren ist- Dochwozuheute dieseBetrachtungen?Jn unserem rührigenZeitalter,

wodieMaschinederGesetzgebungnichteinenAugenblickstillsteht,woJeder- mann, wieandieAllmacht, soan dieUnfehlbarkeitdesGesetzgeberszu glaubenscheint? MüßteesdenunablässigenMühen dieses gesetzgeberischen Zeitalters nicht endlich gelungensein, wenigstensaufdenwichtigstenGebieten desRechtslebenseinenZustandzuschaffen,derdasJdealeiner vonder UeberzeugungdesVolkesgetragenenRechtsordnungbisaufdenunvermeid- lichen,allenMenschenschöpfungenanhaftendenErdenresterreichte?

Nichts kennzeichnetdenallgemeinenRechtszustandeinesVolkesbesser alssein Strafrecht.DieFreiheit,das Leben, dieEhredesMenschenwerden durchkeinGesetzsounmittelbar getroffenwiedurchdieSatzungendes Strafrechtesund durch ihre AnwendunginderRechtspflege Auf diesem Gebiet wenigstens,wo jedemEinzelnen täglichderVerlustvonGütern drohenkann, dieihmdieheiligstensind,wosichderWiderspruchzwischen derVolksüberzeugungunddemgeschriebenenGesetze fürdenEinzelnenwie für dieGesammtheitschmerzlicheralsanderswo fühlbarmacht,wird so

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sollteman vermuthen solche Kluft,wenn sieje bestand, längstüber- brücktsein.DennauchdieStrafgesetzgebnngist jabeiunswährendderletzten Jahrzehntemit beispielloser Rührigkeitam Werkegewesen.Mit unver- drossenemMühen hat sieesso herrlichweitgebracht,daßwirheuteneben den 370ParagraphendesReichsstrafgesetzbuchesnochgegen200strafrecht- liche Nebengesetzebesitzen;und rechnetman nochdieUnzahlkleinerund- kleinster Polizeiperordnungenin die Summe ein,sowirdman getrostbe- haupten dürfen, daßdieSaat derStrafgesetzgebungnochniesoüppigin dieHalme geschossenistwiein unseren Tagen.Und dieseunermüdliche Gesetzgebungwirddochihre Aufgabenichtalleindarinerblickthaben,immer neue Strafgesetzeaus ihrem fruchtbaren Schoßzugebären; siewirddoch- gleich emsigbedachtgewesensein,dasschonbestehendeRechtmitderRechts- überzeugungdesVolkesinEinklangzusetzen.Undwenn nichtinallen, sodochin denHauptfragen,diejenes Gefühl besonders nah berühren·

Wieistesnun inWirklichkeitbestellt?

sMan übertreibtnicht,wenn man ausspricht, daßdie öffentliche Meinung gegenüberdenErgebnissendermodernen Strafgesetzgebungund StrafrechtspflegeeintäglichwachsendesMißbehagenempfindet. Immeraufs NeuewirddieKlagelaut,daß zwischendenStrafurtheilenderGerichteund derallgemeinenRechtsüberzeugungeinWiderspruchklasfe,der dasGefühl derRechtssicherheitunddieAchtungvor derRechtsordnungernstlichgefährde.

Zahlrciche UrtheilederniederenwiederhöchstenGerichte müssensich öffent- lichdenschärfstenTadelgefallen lassen; undmagessolcherKritikimEin- zelnen nicht seltenanSachkenntnißundBesonnenheit mangeln: auchder sachkundigeundbesonneneBeurtheiler findet reichlichenAnlaßzuverwun- dertemKopfschütteln, wonichtzuSchlimmerem. Jch sehedabeivonden Fällen ab,woesnichtdasmaterielleStrafgesetzundseine Auslegung sind, was die Kritikherausfordert.Es istgewißetwas ganzVerschiedenes,ob ichdenRichter tadle,weiler ineinerihremWortlaut nachunstreitigen

·Aeußerungeinestrafbare MajestätbeleidigungoderGotteslästerunggefunden hat,oder, weileretwa gegenVernunftundBilligkeitdemeinzigenZeugen desVorfalls geglaubt hat,dermitdemAngeklagtenschwer verfeindetund vonRachsuchtgegen ihn erfüllt ist.Wirhabeneshier nichtmitsolchen Fällen leichtfertigerBeweiswürdigung,sondern lediglichmitdemJnhaltund derAuslegungdesmateriellen Strafgesetzeszuthun. Esist nichtimmer leicht,zubestimmen,obesmehrdasGesetzansichundseine schlechteFassung sind,diedenTadel verdienen, oder der Richter,der das verständige Gesetzunverständigauslegt. Auchdasbeste Gesetz ist nicht sichervorun- vernünftigerAuslegung;undauch hier giltdasWort,daß schlechtesDing inguter Handweitbesseristals gutes Dinginschlechter. Sehr häufig

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