«
.
Hamburgische
Dramacurgjh
Siebenund neunzigstes Stück.
·
Den Sten April, 176—8.»
«
M
iese Aufs-funng
genaubetrachtet, dürfte
,
,-
wohl-«nicht«in altenStücken befriedisends seyn. Denn zugegeben, daf. fremdes Sitten
derAbsicht
derKomödie nicht«- fo gut entsprechen, ais einheimischet" fo· bleibe noch ismmer
dieFrage, ob
dieeinheinisischm Sitten-.
nicht auch zur Absicht der Tragödie ein besseres Verhältniß haben,
als-fremde? ,Diefe. Frage-
.
ist wenigstens durch die Schwierigkeit, ein«-q- einheimischenVorfall ohne allzumerkliche»unds anstößigeVeränderungen fürdie Bühkkx he- quem
zumachen, nicht beantwortet Freylichk usedern einheimiifche Sitten auch einheimische Vorfälle:
wenn dennaber
nur mitjenen die Tragödie
amleichtesten und gewissestenihm-;
Zweck erreichte, so« müßte
esja dochwohl besser seyn, sich über alle Schwierigkeiten, weichesich bey Behandlung dieser
sing-m wegzusktzgm »k-
. V in
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354
; .in Absicht des Wesentlichsten zu kurz zu fallen,
.welche-s ohnstreitigder Zweckist. Auch werden
-nicht alle einheimische Vor-falleso merklicher-und anstößigerVerdinderungen bedürfen; und die deren bedürfen,ist
manja nicht Verbunden zu bearbeitem Aristoteles hat schon angemerkt, daß esgar wohl Begebenheiten geben kann und giebt,
diesich vollkommen so eräuguet haben;
als
sie der-Dichter braucht.
«Da dergleichen aber nur selten sind, so hat-er auch schon ent-
""schieden,s daß sich der Dichter
umsden wenigem Theil seiner Zuschauer, der
vonden wahren Umständen vielleichtunterrichtet ist
,lieber nicht bekümmern, als seiner Pflicht minder Genüge leistenmüsse.
-
«
Der Vertheil, den die einheimischenSitten
inder Komödie haben, beruhet auf
derinnigen Bekanntschaft,
inder
wirmit ihnen stehen.
»Der Dichter braucht sie
unsnicht erst bekannt zu machen-;
ersist aller hierzu nöthigenBeschrei- bungen
und Winkeüberhoben;
er kannseine
.
Personen sogleich nachihren Sitten handeln las- sen, ohne
unsdiese Sitten selbsterst langweilig zu schildern. Einheimische Sitten also erleich-
ternihm die Arbeit,
undbefördernbey dem Zu- schauer-dieIllusion.
Warum sollte ’nun der tragischeDichter sich dieseskwichtigen doppelten Vortheilo begeben?
Auch-er hat Ursache, sich die Arbeit so viel
als·
möglich
möglich zu erleichtern, seine Kräfte nicht
anNebenzwecke zu Verfchwenden,sondern sie ganz für den Hauptzweck zu sparen.
,Auch ihm
»
kömmt auf- die Illusion
desZuschauers alle-s
an. —-Man wird Vielleichthieran antworten, daß die Tragödie
derSitten nicht großbedürfe;
«
daßsieihrer ganz und gar entübrigetseyn konne.
Aber sonachbraucht sie auch keine fremde Sit-
ten;und
Vondem Wenigen,«was sie
vonSitten haben und zeigenwild wird
esdoch immer bes-- ser seyn,
wenn esvoneinheimischenSitten her- genommen isi,
alsvonfremden.
«
Die Griechen wenigstens haben
nieandere
’als ihre eigene Sitten, nicht blos
in derKo- mödie, sondern auch
inder« Tragödie, zutii
»Grunde gelegt« Ja sie haben fremden Völ- kern,
aus derenGeschichtesie den Stoff ihrer Tragödie
etwaeinmal entlehnten, lieber ihre eigenen griechischen Sitten leihen, als die Wir-«
kungen der Bühne durch unverständliche barba- rische Sitten entträften wollen. Auf das-Co-.
siume, welches unsern tragischen Dichtern so ängstlichempfohlen,wird,
,hielten sie wenig oder
,
—
nichts-«
DerBeweis hiervon können vornehm- lich
diePerser-innen
desAeschylus fennz und
dieUrsache,
warumsie sich so wenig
andas Eostnme binden szu dürfenglaubten-. ist aus der Absicht der Tragödieleicht zu folgern.
YV2
-«Doch
Doch ich gerathe
zuweit indemenigen Theil des Problem-o-
dermich itzt gerade
amwenig- sten angeht. Zwar
indemich behaupte, daß einheimische Sitten auch
inderTragödiezernag- licherseyn würden, als fremde: fo setzeichschon als unsireitig
voraus,daß sie
eswenigstens
inder Komödie sind. Und sind sie das, glaub-e ich wenigstens, daß sie
essind: so
kannich auch
dieVeränderungen, welche Herr Nomanns
inAbsicht derselben,
mit demStücke des-Terenz gemacht har, überhauptnicht anders
alsbil-
ligen.
- «-Er hat-teRecht, eine Fabel
,in welche so be-
«
fondere Griechische
undRdmifche Sitten so innig Verwebetsind«umzuschaffen. Das-Ben-
·
spiel erhält seine Kraft
nnr Vonseiner
innernWahrscheinlichkeit, »die jeder Mensch nach
dembeurtheilet,
wasihm selbst
amgewöhnlichsten ist.
Alle Anwendung fällt weg,
wo wir unserst mit Mühe
infremdeUmständeversetzenmüssen.
Aber
esist- auch
keineleichte Sache
miteinersolchenUmschassung. Jesoollkommner
dieFa-
·bel ist, desto weniger laßt sich der geringste Theil verändern, ohne das Ganze zu zerrüttem Und schlimm!
wenn mansich sodann
»nurmitFlicken begnügt, ohne im· eigentlichenVerstande
umzuschassen.
.·Das Stück heißt die Brüder-,
unddieses
«
bey
demTerenz
anseinem doppelten Grunde.
«
Denn
M 357 Denn nichtallein die beiden Akten, Micio und Deinen« sondern auch
diebeidenjun-gen Leute, Aeschinus und Ktesipho, sind Brüder. Deinen ist dieser beider Vater; Micio hat
deneinen,
denAeschinus,
nuranSohnes Statt angenom-
men.Nun begreif ich nicht«
warumunserm Verfasser diese Adoption mißfallen. Ich
weisnicht anders, als daß die Adoption auch
unter uns,auch noch itzt gebräuchlich, Eund Vollkom-
menauf den nehmlichenFuß gebräuchlich ist,
wiesie
esbey den Römern«war. Dem ohnge- achtet ist
er davonabgegangen: bey ihm sind
nur die
zwey Alten Brüder-, und jeder hat
einenleiblichen Sohn,
cden-ernach seiner Art erziehen Aber, desto besser! wird
manvielleicht sagen.
So sind denn auch die zwei) Alte wirkliche Vä-
»ter; und
dasStück ist wirklich eine Schule der·
Väter-—
d. i.solcher« denen die Natur die Vei- -t,erlichePflicht ausgelegt, nicht solcher ;
diesie freywillig zwar übernommen, die sichihrer aber schwerlich weiter unterziehen, als
esmitihrer eignen Gemachlichkseit bestehen
kann. .Pater esse« dich-·vab.i1«lis,
«qui
veres
« «
fciunr!
Sehr wohl! Nur Schade, daß durch Auflö- sung dieses einzigen Knoten, welcher bey dem Terenz ,den Aeschinus und Ktesipho unter sich- und beide mit dein Detnea, ihrem Vater-,
ver-Y k) s bindet,
358
M.bindet·,die ganze Maschine
auseinander falltz
«
nnd aus Einem allgemeinenInteresse
zweyganz verschiedene entstehen, die blos
dieCouvenienz
des
Dichters, und keinesweges ihre eigene Na-
rnr
zusammen halt!
·Denn ist Aeschinns nicht blos der
angenom- --mene,sondern der leibliche Sohn
desMicio,
was
hat Demea sich viel
umihn zu bekümmern?
Der Sohn-eines Bruders geht mich so nahe
-n'tan,
alsmein eigener. Wenn ich sinde,
dajemand meinen eigenenSohn Vers-ziehen geschähe
esauch in der bestenAbsicht
vonder
Welt, so habe ich Recht-«diesem gntherzigen Verführer
mitaller
derHestigkeit zn begegnen,
mitwelcher, beymTerenz, Deinen
demMicio begegnet.
-Aber
wenn esnicht
meinSohn ist,
wenn es
der eigene Sohn
desVerziehers ist,
waskann ich mehr,
wasdarf ich mehr, als daß ichdiesem Bei-ziehet
warne, undwenner»
meinBruder ist« ihn dsterss nnd ernstlich warne?
Unser Verfasser setzt den Demea
aus demVer- hältnisse,
inwelchem
erbey dem Terenz stehet, aber
erlaßt ihm die nehmlicheUngestümheit, zn welcherihndoch
nurjenes Verhältnißberech- tigen-konnte. Ia bey ihm schimpfet und tobet Demea noch
weitärger, als bey dem Terenz.-
»
Er will ans
derHaut fahren, »daß
eranseines
«Brudcrs Kinde Schimpf und Schande erleben
»muß.«-
-Wenn ihm
nunaber dieser
antwor-.. - «
rete:
iete:
»Du bist nicht klng- mein lieber Bruder-
»wenn du
glaubest;
dnkönntest-
an meinem—
-,Kinde Schimpf nnd-Schande- erleben. Wenn
"»mei"nSehn
einBube-ist und bleibt, so wird;
«wie das Unglück
-also auch der Schimpf
nur,
»meineseyn. Du magst
esmitdeinem Eifer ,,wol)«l gut meinen; aber
ergeht zu weit;
etbe- ,,leidig·etmich.
-Falls du mich
nurimmer se
»in-gernwillst, so komm
mirlieber nicht über
—»die Schwelle!
u.s.
w.«Wenn Mino-, sage ich, dieses
antwortete :·-nicht,wal)r, se wäre die Komödie san einmal
aus-scOder könnte Micio
etwanichtsd antworten? Ja mäßte vie-wohl
ei-- «gentlich nicht« so antworten?
.Wie Viel schicklicher eifert Demea beym Te renz. Dieser Aeschinns, den-
erein fo lieder- liches Leben zu führen glaubt- ist noch immer sein Sohn, ob ihn gleich der Bruder
anKin- des Statt angenommen. Und dennochbestehet der römische Mieio weit mehr anf seinemRechte als der deutsche. Du hast mir, sagt
er,deinen
"Sol)n einmal überlassen; belümmere dich um den,
der dirnoch übrig ist-;
—-.--- ——k nam
ambos
cui-arez
propemodum
·Repofcexe illum eli, quem dedi.
III-Okt-
Diese
«
360
«Dieseset-steckte Drohnngs, sehnt seinen Sohns znråck znsgebem ist
esauch-, die ihn zum Schweigen bringt; und doch kann Mino nicht-.
vor-langen
,daßsie asei väterliche Enpsindungm sey-ihm nneerdrücken solls Es ums den Miete zwarverdrießem das Demea auch
inversengeN niche aufhört, ihm immer die nehmlichen Vor- wärfesfku machen: aber
erkann
esdem Vater- M auch nichtverdenkewswenu
erfeinen Sohn—
wich-
willverderben-lassen. Kur-, dek.
Demeäwes Terenz ist
einMann, der für das
«Wohl dessenbesorgtist
-für den ihm die Natur- zn sorgen aufgab;
ierthut
eszwar auf die
un-rechte Weise, aber sdieMsi macht-I den Gen-nd nicht schlimmer-. Der Demea unsers Verfafs set-s« hingegen ist
einsbeschwerlich-r Zänker, der sich
ausVerwandtschaft zu allen Grobheiten be- rechxigerglan-br.,· dieeMiria auf keine Weise
an«
»Hem"bkojßen Bruder duiden müßte.
»I-»