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Philosophie und Leben. Jg. 3, H. 1 (1927)

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Academic year: 2022

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(1)

^ t l o f o p ^ t e t t n ö H e b e n

3. JA H RG AN G + 1. HEFT + JANUAR 192?

„ I m iDtenße öer IDolheexn^ett erßrebt « n fc r c eine fad>*

lt$ e 2Cusfprad>e ber b e t r ie b e n e n io e lta n f^ a u U c ^ e n Ä t z u n g e n . “

S ( n M e 3 T O a rb < n fe r u n 5 SZcJcr

SOlit beginn bes b r i 11 e n Jahrgangs übernimmt bic befannte pl)ilo=

fopbifcbe 93erlagsbucbhcmblung 8 e l i j SDt e i n e r , Seipgig, Slurje Strafte 8, ben Verlag meiner 3cttfcf>rtft „^PbiMopbte unb 2eben".

©leicbäeitig gebt bic 3eitfd)rift 3um (Saft in beutfdjen Settern über.

3)ies cntfpricfjt einer Anregung eines unferer angefetjenften 35oIfs=

päbagogen. Ss folt bamit febon äujjerlid) befunbet »erben, bafe in ihr

„beutfd) unb beutlid)" pt)ilofopbxert rotrb.

2ßie bisher, fo wirb es aud) weiterhin mein §>auptbeftreben fein, *^P ^ t = f o { o p b i e unb 2 e b e n in engfte 93e3iebung 3u fetjen; bas Reifet: g r a = gen unb feclifd>e 9t ö t e , toie fte bem namentlichen SERenfdjen bureb bas Seben aufgebrängt »erben, 3ur K l a r h e i t unb 91 u b e pbi!ofopbifd)er ‘Scfinnung 3U erbeben, anbererfeits allgemeine pbilofo=

pbifebe 2Infid)ten unb (£infid)tcn mit ben bef onberen A u f g a b e n unb ©egenfäfeen bes <£in3eI = unb bes ©e me i n f c b a f t s = I c b e n s in frudjtbare 33erbtnbung 3U bringen.

3cb Ijabe es banfbar empfunben, bafe mir fd)on bisher bic wertvolle SSR i t a r b e i t non Vertretern ber ßer f ebi ebenf t en pb i l0 f 0 - p b i f d j e n u n b r e l i g i ö f e n 9 t i d ; ) t u n g c n juteii würbe. 3d) er=

hoffe unb erbitte biefe SDtttarbeit aueb für bie Sutunft.

2)er baburd) ermöglichte f a d) I i d) e © e b a n f e n a u s t a u f d ) wirb 3tr>ar gegenüber nieten fragen niebt 3U einer übereinftimmenben Slnttcort führen, aber er wirb ben beteiligten fidler 3um ‘Beroufttfein bringen, rote bei allem Jrcnncnbcn boch ‘Sebeutfamcs ibnen g c m e i n = f a m ift: in erfter 2inie bas 6trebcn nad) ffiabrbeit unb überhaupt nad) fad)lid) ©ültigem, fobann bas ©efübl, bemjelben Volte unb berfclben großen ^ulturgemeinfcbaft ansugebören unb für beren Sufunft mitner»

antwortlich 3U fein.

'Pbüofopbie unb 2cbcn. I I I , 1. 1

(2)

2 ® a s O r g a n i f d ) e i m £ i d ) t c b e r ^ 5 l ) t I o f o p l ) i c

Sine Umfrage im letjten ^a^gang ijat in ben Antworten —• bei mannigfachen Anregungen im Sinjelnen, benen gern 9led)nung getragen

»erben wirb — übereinftimmenbe Bejahung ber SKotwenbigfeit einer folgen Scitfdjrift gebracht unb 3uftimmung 3U ber Art, wie id) bie Auf­

gabe ju löfen fuchte. 6 0 barf id> wohl bie alten greunbe bitten, lofophie unb 2eben" weiterhin ihre Anteilnahme 3U fchenfen unb mit3U>

helfen, bajj fie allen benen befannt werbe, benen ^hilofophie, nämlid):

S'tacfjbenfen, 2ebensbebürfnis ift. 6 0II bas ‘Seffehen ber 3cxtfd>rift bauernb gefiebert »erben, fo mufs ihre <23c3ict>cr3a^I nod) erheblid) 3U- nehmen.

®er Verlag ift gern bereit, ^robenummern an ihm aufgegebene Abref- fen 3u fenben. Auf bie wertoollen 33ucb » P r ä m i e n für Abonnenten- Werbung (fiehe britte Umfchlagfeite) fei befonbers bingewtefen. 3m 'Ver­

trauen barauf, bafe je ber S R i t a r b e i t e r unb 2 e f e r f i ch innerlich »erpfltdjtet fühlen w i r b , im S a u f e ber nach - ft c n SÜRonate mi n be f t e n s ei nen 33 e 3 1 e h e t h i n 3 u 3 u = g e w i n n e n , hat fich ber Verlag bereit gefunben, fd;>on jetjt einen urfprünglid) erft für fpäter in Ausfid)t genommenen ©ebanfen burch- 3ufüf)rcn. Och »erweife auf bie Anseige auf 6eite 2 bes Umfchlags über u n e n t g e l t l i c h e ‘ö u c h b e i l a g e n unb hoffe, bajj biefe Sin- richtung ba3it beiträgt, immer engere Ziehungen 3Wifd>cn 2efern, 9Jlit- arbeitern unb Herausgeber 3U Inüpfen.

®er Herausgeber unb (Schriftleiter:

“^rofeffor Dr. Auguft SSReffer.

£ ) a s @ r g a n if d )ß im 5 e r ^ Ü o j o p f n e

35on §>ans ©riefd), ßetpjig

Safe es „2ebcns"= Phänomene (b. i>. Srfcheinungen), „organifche"

Phänomene gibt, ift uns ber erfte Anlafo ber Unterjuchung. 2öir er- fajlcn bieje Phänomene 3unächft gan3 naio unb populär, wie jeber SDtcnjch es tut, aber cingeftcllt auf philojophie. Unb ba bemerfen mir jojort: ©ie Phänomene ber lebenbigen SBelt finb anbers als bie ber un­

belebten, unb 3it>ar baburd) anbers, bafe fie fich abjpielcn im Nahmen oon ©egenftänben, wekhe g a n 3 finb. 35er begriff ber © a n 3 h e i t fann in ber $at oon feinem »ermieben werben, ber fid) irgenbwte, fei es wiffenfcbaftlid) ober alltäglich, mit ben Phänomenen bes 2ebenbigen be-

(3)

Das Organifcfce im 2tcf)te bet *^>f)iIofop^>ie

fcbäftigt. Er tritt nicbt immer in Reinheit unb Ularbeit auj: man rcbct Don „Swedmäjjigfeit", pon „Regulation“ , »on „2lnpaffung", pon „9lor=, malcm unb Abnormen", ohne oft bcutlicf) su feben, was man bamit tut, bajj man nämlich ben 23egriff bes © a n 3 e n, bas aus S e i l e n beftebt, aber m e b r als bie 6umme {einer STeile ift, einfüf>rt. 6ogar bie ®ar=

wintften, welche alles öpejifijdje ((Eigenartige) am Organismus aus 3ufall ertlären »ollen, reben pon „2lnpaffung" unb 2lebnlid)em.

6 0 jüt>rt uns atfo fdjon bie allcrcrfte naioe ßrfaffung bes Orga=

nifcben auf ben © a n3b e i t s b c g r i f f .

© a n 3 finb in erfter 2inie logifcbe ©egenftänbe, „^Begriffe" im weitcften Sinne bes 2öortcs. Sie perlicrcn ihr „2ÖeSen", wenn man ihnen einen S e i l , b. b- ein SERerfmal, nimmt. (£ben barum beißen fie „ganj".

®efinierbar im eigentlicben Sinne finb Weber „2ßefen", nod>

„ganj", nod) „Seil". 2111c biefc 'SSegriffe werben oielmel)r in itjrcr 23e=

beutung gans unmittelbar g e f d; a u t , cbenfo wie etwa ber 23egriff

„ ‘Schiebung" unmittelbar in feiner 23ebeutung gefdjaut wirb, aber nicht befiniert werben fann.

®er begriff g a n 3 wirb nun weiter angewenbet auf e m p i r i ) d) c (b. b- in ber Erfahrung gegebene) ©egenftänbe, unb t)ört auf, fid) blojj auf iogijd)e ©egenftänbe 3U bestehen. 2Bir wollen pon S a d) = © a n 3 - b e t1 im Unterfcbiebe pon blofe logifcher ©ansbeit reben.

Ss liegt nun ber feltfame Sacbperbalt cor, bafe swar jeber einen empirifdjen ©egenftanb betreffenben begriff „gan3", aber barum nicht jeber empirifebe ©egenftanb } a cb g a n 3 ift.

®as ©egenteil »om fadjgans ift 3 u f ä 1 1 i g.

®ie 2ogtf w ü n f cb t, es möchte nid)ts in ber empirifeben 2BeIt 3U*

fällig, alfo faebunganj, jein, es möchte fid) alfo bie gan3e „2M t " obne weiteres mit einem 2Mtde als eine georbnete Sacbganjbeit febauen laffen.

2lber biefer logifdje 2öunfcb, welchen ict> als o r b n u n g s m o n i = ft i f cb e s 3 b e a I be3eid)net Ijabe*), ift unerfüllbar.

Oebocb fdjaut fcfjon ber naipc SUtcnfcb, obne fid) llarc 9icd)enfd)aft pon feinen ©rünben bafür 3U geben, bajj g e w i f f e S e i l e ber em=

pirifd)en 2Belt bie 23e3eid)nung f a cb g a n 3 oerbienen: ein fmnb, 3um 33eifpiel, ober ein Sijcb, melleicbt aud) ber Staat, wäbrenb 3. 53.

ein 2öalb ober ein Steinbaufe „3ufällig" finb.

2öas nun ift bas ftrenge logifebe K r i t e r i u m (S?enn3eicben) für 6ad)gan3beit.

*) 33gl. meine ?ßirf[icf)feits[et)re, 2. 9Iufl., 1922, 6. 149 ff., unb meine Otbnungs- (ei)ie, 2. 2IufI., 1923 6. 9tegifter.

(4)

4 ® a s O tganifd>c im 8 i d) t e bcr 'Ptiilo fo pfeie

SKan möchte pnäd)ft fagcn, bajj ein empirifchcr ©egenftanb bann fadpgans xft, wenn ber ihn meinenbe b e g r i f f fein „ 3öefen", {eine essentia, oerliert, falls man bem © e g e n f t a n b e irgenbeinen Seil nimmt. Gin Sifd) ohne ‘Seine, ein f>unb ohne S?opf finb ntd?t mehr ,r3Tifct>" ober „fm nb". 2Iber wie, rcenn td) bem £mnbe brei frnare abfdmcibe? ,,‘JBefentliches" barf nidjt genommen »erben, fagt man nun

»ohl. 2lber was ift „mcfentlid)"? S a s , was © a n ^e it ausmacht.

SRan fiel)t ben SfrlcI: auf u n m i t t e l b a r e m 3öege aus ihm heraustommen tann man nicht.

Onbireft, m i t t e l b a r mujj alfo über ©achgansheit entfliehen

»erben, unb 3» a r fo, bafe mir fagen: ein empirifchcr ©egenftanb ift bann factjganj, menn fid) fein Safein rächt reftlos aus f u m m e n » h a f t e n einjelnen ©efchehniffen ober aus ben 5lefultanten (b. h- Gr=

gebniffen) fotdjer ©efd)chmffc ober aus ben Stefultanten foldjer ©efd)ch- niffe genetifd) (b. h- in feinem Söerben) »erftehen läjjt.

6 0 tritt alfo ber begriff bcr 6 achgan3hcit in ‘Segiehung gum 33e=

griff ber H a u f a l i t ä t , unb bic gragc ift, ob fid) g a n 3 m a d) e n b c, alfo nicht fummen!)afte fa u fa lität benfen laffe.

SBer bas Seben rein mechanifch erflären voill, »erneint es, aber mit Unrecht. Senn ein ©efd)el)nis „faufal" faffen Reifet nur, einen 3ureid)en=

ben ©runb feines ©emorbenfeins in seitlid) früheren ©efd)ehniffcn o&cr 3 uftänblid)feiten fuchen, fagt aber n i d) t a priori (»on »ornherein) ct=

» a s über bas 5ßefen biefer ©cfd>ei>niffe ober 3 uftänblid)feiten, alfo aud) nicht über ihren fummenhaften, ihren „mechanifcben" (£haratter aus. 9Kcchanifche Äaufalität (im weiteften (Sinne bes ^Bortes „mcd)a=

nifd)") ift eine ber a priori möglid)en 21 r t e n ber Äaufalität, aber nicht

„Sfaufalität" überhaupt. 3 cf) t)abe in meiner O r b n u n g s l e h t e (2. 2Iufl. 6 . 197 ff.) gezeigt, bafj fogar oier »crfd)icbcne gormen »on SHaturfaufalität a priori benfbar finb, »on benen mechanifcbe ober

„(Sin3cll)cit"= fa u falität nur eine ift.

S er 33egriff nid)t=med)anifd)cr Slaufalität ift baburd) logifd) ge=

rechtfertigt: unb ba ber begriff „ganj" ebenfalls, toie t»ir voiffen, ein logifd) legitimer begriff ift, fo fönnen wir ben begriff bcr gan3macl)cn=

ben ober ber © a n 3 h e i t s = Ä a u f a l i t ä t als eine a priori m ö g - l i c ^ c gorm bcr Slaufalität in bcr Statur aufftellcn. O b biefc möglidje Slaufalitätsform »crroirtlicbt ift, raiffen mir bamit freilid) noch nicht.

2Bir gehen nun roeiter sur P rüfung f a f t i f ch e r S91öglid)feiten, nad)bem mir logifche (ober fatcgoriale) 9Jlöglid)!eitcn erörtert haben.

SBäre es benn f a d) I i ch bentbar, bafj neben meebanifdjer Statur»

faufalität in getoiffen <33c3irfcn bcr 9Zatur noch eine anbere faufalität*

form beftünbe, r»eld;e bie medjantfehe fa u fa litä t gleidjfam benuftt ober Icnft ober leitet ober tüie man es nennen trnll?

(5)

® a s O r g a ru ( d) e tm £icf)tc ber ‘■p I) il o f o p () t e 5

©ewift wäre es möglich, unb man braucht mit fokber Einnahme nicht einmal bas oberfte ^rin^ip ber 2el)re Don ber anorganifd)en ?öelt, ben €>a£ »on ber Erhaltung ber Energie, 3U Derlctjen, obwohl aud) bas fein 3Biberfinn wäre; benn ber ©aft Don ber Erhaltung ber Energie ift a p riori nur bann, w e n n es nur med)anifd)e Haufalitäf gibt, unb bas wirb ja eben geleugnet, fobalb man gangmaetjenbe S?aufalität als mög=

lid> suläfet. 2lber aud) eine nid)t=med)amf<^e 91aturlebre {oll ben ©a(5 con ber Energieerbaltung retten, jo lange es gebt: benn cs ift ein mit

‘Jtedjt feit langem anerfannter metbobifd)er ©runbfatj ber gorfchung, baf3 neue iJtaturfaftoren ftets nur im unbebingt notwenbigen SSRinimunl eingefüt>rt werben bürfen.

© a n 3 b e i t unb g a n 3 m a d) e n b e, b. 1). nid)t fummenbaft*

medjanifdje, H a u f a l i t ä t finb mitbin logifd) legitime ‘Begriffe, unb bie 2lrt, wie fie fxd? neben 6ummenl)aftmed)anifd)en äufeern tonnten, oermag feljr wobl grunbfätjlicb oorgeftellt 3U werben.

3Bir haben alfo ein 6d;ema möglichen Sftaturgefchebens unb fragen, ob es e m p i r i f cb = 0 e r w i r ! I i d) t , ob es, fo3ufagen, mit SnJjalt er­

füllt fei.

Safe bcr bloße ‘Scgriff bcr © a n 3 b e i t burd) ben inbiwbucllen Organismus erfüllt wirb, wiffen wir nun fd)on populär, unb an ibn, an bas organifdje O n b i o i b u u m , wirb batjer aud) in erfter 2inie bie grage anfnüpfen, ob es fummenbaftcr ober gan3mecbanifd)cr Äaufalität in jebem ein3clnen Salle feine Ejiften3 oerbantt.

§)ier, e r ft bier, fteben wir alfo bem f a d) 1 i d) c n Problem bes fo=

genannten „33ita[tsmus" gegenüber, naebbem bie SDtöglicbfeit einer oitaliftifcben 2el;re oorber in jeber s23e3iebung erörtert worben war.

Sie grage, auf eine ftrenge gorm gebracht, lautet wie folgt: Es feien in bc3ug auf einen organifeben Körper, etwa ein Ei, befannt:

1. bie 2 a g e aller materiellen Elemente (Sltomc, Eleltronen) in einem gegebenen 3eitpunft,

2. ibre © c f d ) W i n b i g ! c i t c n in bcmfelbcn

3. bas ©cfet3 ihrer 2ßcd)felwirfung ober, was basfelbe ift, bie »on ibnen ausgebenben S e n t r a l f r ä f t e ;

ift es aisbann, auf ber ‘Bafis biefer Slcnntniffe, möglich, a l l e s ooraus3ufagcn, was irgenbwann an jenem organifeben Körper gc=

fcfjebcn wirb?

9tun ift es natürlich unmöglich, bie foeben gefd)ilbcrten 23oraus=

fefeungen 311 erfüllen, ^raftifd) wirb man baber fo oorgeben, bafe man bie oerfebiebenen Slrten, in welchen bie Organismen auf experimentelle Eingriffe reagieren, unferfud)! unb fid) fragt, ob bas, was ba gefd)iebt, bei 2lnnabme bes 33orbanbenfeins unb ‘IBirfens eines „medjanifeben

©pftems", in bem foeben befinierten 6inne, oerftänblid) 311 madjen fei

(6)

6 ® a s O r g a n U d j e i m 2tcf)te b e r ' P b i t o i o p b i e

ober nicht. „3ft m af d) i ne IIe ‘'Präformation (33orformung) alles ©e=

fchehens möglich ober nicht?"; auch in biefe gorm fann bie grage gefaßt

»erben, mobet unter 2R a f cb i n e eine gegebene tppifdje Kombination phpfifalifd)cr unb cbemifcher 3Igentien (b. h- toirfenber Seile) eingeftellt auf bie £>erftellung eines beftimmten Gnbäuftanbes, oerftanben ift.

3n meinen biologifdjen ©Triften*) habe td) »erfudjt, bas £>ita=

liftifd;e 'Problem fadjlicb ju löfen. Srei ‘33crocife für bie Unmöglidjteit eines mechantfchen 33erftänbniffes bes Organifchen ließen fich aufftellen, einer ging aus oon einer Slnaipfe ber menfchltchen f>anblung, als 9ta=

turphänomen betrachtet, unb roiberlegte äugleicf) bie übliche gorm bes pfpebophpfifeben ‘parallelismus, bie groei anberen 33eroetfe bezogen fid) auf SCRorpboIogifches.

3d) roill hier nur einen meiner 33ctocife fachlich furj beranjieben, möchte aber oor allem anberen noch biefes eine befonbers betonen: ®afe ber Organismus in jebem Moment feines ®afeins ein m a t e r i = e I I e s , b. I). ein aus phpfifalifch unb d)emifd) ganj beftimmt gefenn=

aeiebnefer SKaterie jufammengefet3tes ©oftem ift, leugnet ber foge=

nannte ?5italismus felbftoerftänblid) nid)t. Sie grage ber Sehre oon ber S l u t o n o mi e bes S e b e n b i g e n , rnie td) an ©teile bes

?ßortes „33italismus" 3U fagen ooräiehe, behauptet melmebr nur, bafe bie Oefeftc, nad) tt>eld)cn bas ©pftem „Organismus" fich o e r ä n b e r t nxdjt lebiglicb fummenhaft=med)anifchc ©efctße finb.

Der etne meiner “Seweife für bie Slutonomie bes Sebenbigen, ben td) hier fura ermähnen rnill, geht aus »on getoiffen Srgebniffen ber e j = p e r i m e n t e l l e n ( Smbr pol ogi e . gaft alle biefe (£jpcrimente finb »on mir felbft suerft ausgeführt morben.

Ofoliert man bie erften jtoei ober »ier gurchungsgellen eines eben in feine Snftmd'lung eingetretenen Sies -— ettoa beim ©eeigel, bei ber SRebufe, beim Slmphiops, beim gifcf) — ooneinanber, fo erhält man aus j e b e r biefer ifolierten gellen einen oerfleinerten, aber organi- fatorifd) ganzen Organismus unb nid)t etwa bas ‘33ruchftüd eines fold>en.

2Iuch brei gellen bes Dterjelligen gurchungsftabiums sufammen=

genommen ergeben einen normalen unb fpmmetrifchen Organismus, unb nicht etwa ein 5Befen, bas an einer ©eite einen 2>efeft befttjt.

SKan fann weiter, etwa im ad)tselligen ober fed^ehnjelltgen ©ta=

biurn, etnäelnc gellen in ihrer Sage örtlid) miteinanber »ertaufdjen, ohne bie normale Sntroidlung ju ftören.

gerfd)neibet man bie aus etroa 1000 gellen beftehenbe fogenannte ,3 Iaftula" beliebig in awei Hälften, fo entfteht ans jeher §>älfte ber

*) ?39l. jumat bis ^ptjifofoptjic bes Orgaiüfcfjen, 2.2tufl., 1921.

(7)

® a s O r g a n i I d) e im 21 cf> t e ber ‘■p b i [ of o p l) i e

gange Organismus, klimmt man i^i an b e l i e b i g e m Orte b e ­ l i e b i g »iele Sellen/ alfo etwa 80 ober 126 ober 347 ober was man will, fo entwidelt fid) bas übrig bleibenbe 6tüd, als ob gar nid)ts ge»

fd)eben wäre.

bringt man gwei Eier mit parallel gerichteten Adjfen gur 33er=

fd)melgung, fo erhält man ei nen febr grofeen Organismus, einen

„9tiefen". ©iefer guerft r>on mir am ©eeigelei ausgeführte 23erfud) ift r>or furgem t>on 2R a n g o l b , einem 6d)üler ß p e m a n n s , am © bes <3Baffcrmold)es (Sriton) wieberholt worben unb bat baburd) feine bisher ifolierte Stellung »erloren.

Alle biefe ‘33crfud)c geigen, bajj bie eingelnen Sellen bes jungen Embrpo n i cf? t gu beftimmten morpbo!ogifd)en (Aufbau=) Seiftungen präformiert finb, wie 5B c i s m a n n unb bie „Soolutioniften" (33er=

treter ber Sntwidlungslebre) bes 17. unb 18. 3ahrf)unberts fid) bas ge­

bacht batten.

6ie geigen aber nod) »icl mehr:

(Sie geigen gunäd)ft, bafg jebe t>on ben gurd)ungs= ober ‘SSlaftula- gellen biefelbe ßeiftung oollbringen f ann, bajj jebe biefelbe p r o = f p c t t i o e ^ o t e n g (b. b- eine »orausblidenbe gäl)ig!eit) befiftt, unb bafs bie ©efamtbeit aller Sellen jeweils ein ä q u i p o t e n t i e l l e s (gleicbbefäbigtes) 6 p ft c m ift. ®as alles folgt baraus, bafe cs ja in meinem 53 e l i e b e n ftebt, w i e o t e l td) bcm Sleime nehmen unb w o ich es nehmen will, unb baf$ bod) ftets bas © a n g e berausfommt.

3So»on aber bängt cs nun ab, baft fd)Iiefelirf) jebe eingelne 3elle etwas gang ‘Seffimmtes Iciftct, wo bod) alle basfelbe leiften fönnen?

3m ©inne ber med)anifd)cn Sheorie müßte man fid) gum 33er=

ftänbnis ber ßmbrpoentwidlung eine allem gugrunbe liegenbe SÖtafchine, in bcm oben befinierten 6inne, ausbenten, unb wenn es bie ßjperimen- talcrgebniffe nid)t geben würbe, tonnte man wobl mit ber fjppotbcfc einer folgen ,,(£ntmidlungsmafd)ine" arbeiten, bie fid) nirf>t ol)ne wei=

teres mit ber ftriften ‘■präformationslehre ber alten Biologen gu bed'en braucht.

Aber angefidjts ber Sjperimentalergebniffe ift j e b e r ©ebanfe an eine SEKafcbine i r g e n b w e l c b e r Art unmöglid). S e n n ei ne SDiafcbine b l e i b t ni d) t w a s fi e ift, we n n man i b r an b e l i e b i g e m O r t e b e l i e b i g e S e i l e n i mmt ober i br e S e i l e b e l i e b i g o e r l a g e r t .

9tur als SDiafd)inenfbcoric alfo w ä r e ber 2ftcd)amsmus gu retten, aber gerabe eine „9Jlafd)ine" i ft unmögl i d) .

®amit wiberlegen bie ßjperimente jebe Art oon SRechanismus überhaupt.

(8)

8 2) as O r g a n i f d) e im Sicf>te bet ‘•p f> i [ o ( o p f) t e

6ot>iel in über einen ber 33 e ro e i { e bes 33italismus, roelcher natürlid), rote alle, ein inbiretter SSeroets tft: aus bem 33ereid) einer »ollffänötgen Sisjunftion (Einteilung) roerben alle SDlöglidjtctten bis auf eine ausgefchaltet.

2ln anberer ©teile ift bas hröx nur ©ti^ierte »on mir in ganzer Strenge burd)gefü!)rt unb rote ein Problem ber analptifd>en SDXedjanif behanbelt roorben*). Es läßt fich in ber Sat geigen, bajj ber !2Re=

d)anismus nicht nur „fe^r ttnroahrfcheinlich", fonbern gerabeju u n = m ö g l i d> ift.

3)Q5 ©efdjehen am organifchen 3nbiotbuum e r f ü l l t alfo eine ber a priori möglichen gormen ber 9taturfaufalität: b i e ©a n3h e i t s = f a u f a l f t ä t .

2lnbere Erfüllungen fönnten im 9ieid)e bes Überperfönltchen, in

^PhpfoQcnte (Entroicflung ber ©attung) unb ©efd)id)te, oorliegen, bod) finb f y m nur I^ppotf)etifd)e Entfd)eibungen möglich, roie benn a l l e Entfcheibungen mit 9tüdfid)t auf überperfönltche ®inge I>ppotf)etifd) bleiben müffen, roetl bas $berperfönltd)e n u r e i n m a l ejiftiert, fo baf3 mit ihm ntd)f, rote mit bem ^erfonalen, experimentiert roerben fann.

©as 9laturagens (b. h- bas rotrfenbe Etroas), roelches mit 6tcher=

heit im organifd)en Onbtotbuum, oieIleid)t noch ba3u in überperfönlicher gorm in ^Phplogente**) unb ©efd)td)te roirtfam ift***), habe ich E n t e = 1 e ch i ef) genannt. Es barf als guaftff) feeltfch begeichnet roerben, frei»

Ixd) nicht ber 3ntelligen3, fonbern bem Onftintt oerroanbt, rooburch bie gange SStologte in bas 23eretd) ber ©eelenroiffenfchaften gerüdt rotrb.

fiter hätte eine Sehre »on ber m e t a p h 9 f t f ch e n 33ebeutung bes Sehens angutnüpfen.

2Bir felbft roollen nur noch brei ©onberfragen fur3 behanbeln:

Enteled)ie garantiert nur ben allgemeinen 2ppus ber ©angheit einer organifchen ^erfon; bie Sage ber ein3elnen Selten in ihren etn=

gelnen Organen ift in jebem Snbtotbuum anbers unb baher 3 u f ä 1 1 1 g , roenn rotr als „gufällig" ausbrüdlich alles bezeichnen, roas nid)t int Slahmen einer ©an3heit fte'ht. ^hplogenie unb ©efd>id>te aber, roenn anbers ft'e überhaupt Evolutionen ftnb, ftnb ftd)erlxd> mit Kumulationen (Stnhciufungen) 3ufälliger 2trt ftarf oermifcht.

*) ©tfoungsbericfjte ber §>eibe(berger 2Ifabemie 1919 9tr. 18.

**) Sntroidlung ber ©attung. (®. §>g.)

***) 5tucfe ber para- ober mctapfocf)ifd)en <Jrfcf>etnungen {ei f)ier gebaut, wie fie ge«

rabe auc£> in 8fa!ten (SOIor fe111, 33ottaä8t, SKacfensie u. a.) [o erfolgreich ffubiert worben finb. 33gl. meinen Stuffaf; in Revue metapsychique, 1924, j?r. 1.

t ) ®as SBorf ffammt oon Slriftoteies (384—322) unb bebeutet eftoa: jielftrebige Kraft. (®. §g.)

f t ) guafi = gfeic&fam. (®. §g.)

(9)

® a s O r g a n i f d) e im Sichte bet f) i 1 o f o p I) i e 9

2)as ©emifchtfein t>on ©ansheit unb 3ufatt ift bie SBursel alles Dualismus*), ja bie SRifchung biefer logifd>en ©egenfäße i ft „Dualis- mus" in feiner ilrbebeutung, unb fo wäre benn alles ©an3heitlid)e, » e i l es eben nicht reftlos gan3heitlich ift, 3ugleich eine Slluftration bes D u a l i s m u s ber e m p i r i f d> e n 20 e 1 1. 3ßal>rfd)einltd) geht, wie fd)on 21 r i ft o t e l e s wußte, aller faftifcher Dualismus leßthin auf bas Dafein non sldog unb vir]**), b. h- auf bas Dafein con ©an3heits=

faftoren unb »on SDlaterie jurüd.***)

Das war bas Erfte. Das S^cite ift bas Problem ber g r e 1h e i1. Die Sogif ober „Orbnungslehre" benft poftulatorifd) bie Slttionen ber Entdecke als b e t e r m i n i e r t , auch bie 2I!tionen überperfönlicher 2lrt. Slber es möchte fein, baf3 biefes ^oftulat f ) ber Determination nur eine allsumenfcblichc 23efd)ränfthcit bebeutet, unb baf? im Reiche bes 2öirflichen g r e i h e i t im ed)tcn Sinne — nid)t im Sinne S p i n o = 3 a s unb S a n t s , welche bloße ‘äßefensgemäjjheit „greiheit" nennen — beftel)t. Es läßt fich seigen, baß bas Problem ber greiheit unlösbar ift, b. h•/ baß greiheit nie im ftrengen Sinne bewiefen ober wiberlegt wer=

ben fann, wenn auch gctüiffe bebeutfame Argumente 3U ihren ©unften fpred)en ff).

Enblicf) bie grage nach ber 3 a h l ber Enteled)ien unb 3uglcid) ber S e e l e n , benn jebe Enteled)ie hat „Seele" als gleidjfam inneres Korrelat.fff) ©ibt es t>i e l c Entetednen ober letzthin nur Eine, »eiche unter geroiffen ‘Sebingungen ben 3uftanb bes „2Mele=feins" annimmt?

2Ran benfe wieber an bie embrpologifchen 35erfud)e: Ein SOcaterial, weldjes ungeftört ei ne ^erfon (unb eine Seele) geliefert hätte, lann aud) t> i e l e “^erfonen (unb Seelen) liefern, unb umgefehrt, bei ben 25erfd)mel3ungen: was v i e l e s geliefert „hätte", liefert E i n e s .

können fich Entdecken (unb Seelen) „teilen"? können fie „cer=

fchmcisen"? Doch toohl nidjt. Dann aber muß bie Sehre »on einem letjten bpnamifch=feelifchen Etwas, bas fowohl im 3uftanb bes Eins=

toie bes 2Mele=feins ejiftieren fann, angenommen werben.*!)

Somel über Slusblide höd)ft=philofophifd)er 2lrt, welche burch bie oita!iftifd)e Biologie eröffnet werben.

*) SBörtlid): gwetyeitslebre. (D. |>g.)

**) eidos gorm, hyle Stoff. (©. ?)g.)

***) S5gt. SBirfüc^feitste^re, 2. 2lufl., 253-96.

t ) gorbetung.

t t ) 33gl- 5Birfiicf)teitste^ie, 2. Stuft. I. 1922 6.103 ff. unb SHtetapfofif, 1924 6 . 46 ff.

t t t ) 6ntfpted)ung.

* t ) Käbetes in W lo f . b. Organifdjen, 2. Stuft. 1921, 6 . 582 ff.

(10)

10 g tance als T h ron fo lg e r fxtedels

g r a n c e a fe X ^ r o n f o ^ c r Jp a e < M s

33on 21 uguft SReffer

5Ran bat fxcf) gewöhnt, eine mächtige ©trömung in unferer ©egen=

toartspbilofophie als „^ijilofop^ic bes Sehens" su bezeichnen. ßiner ber menfeblid) gcwinnenbften, liebenswürbigften Vertreter biejer 9ticb=

lung ift 9laoul g r a n c e (geb. 1874). (Eine 9leibc größerer 5Berf'e liegen oon ihm oor: „5)as Sehen ber ^flanje" (4 33be., 1905/10),

„^Pflanjenpfpchologie" (1907), „ “Die 91atur in ben tilgen" (1910), „®ie

©ewalten ber Srbe" (1920), »or allem fein grofj angelegtes Sebens- xr>erf „35 i o s , bic ©efelje ber Sßett" 1921 (3Balter ©eifert, Stuttgart, 10. Saufenb, 1922). ®a»on bat nun grance einen cerfürsten 9Zeubrucf in einem fdjmucf'en 33änbcbcn ber S?rönerfd)cn Xafcbenausgaben (2eip3tg 1926, 284 ©., geb. 3 SKarf) erfd>einen laffen.

£tn £ntt>ufiaft bes Sehens fpriebt hier 3U uns in fcblicbt r>erftänb=

lieber unb bod) fd)mungt>oll fortreifeenber ©prad)e, eine gülle »on (Ein^elwiffen uns biete unb boch immer nach jufammenfaffenben ©e=

banfen, nad) einheitlicher SBeltanfchauung innerlich gerichtet.

3öie für grances ganzes Denfen unb gorfchen ber 35ios, b. h- bas Seben, ber SÖIittelpunft ift, fo will er aud) im Sftittelpunft feiner Sehre com S r f e n n e n bas Sehen ftellen; gelehrt ausgebrüdt: feine Srfennt*

nistheorie ift biosentrifd). 3b* f>auptgebanfe ift: „9lid)ts wiffen wir wirf»

lieh als bajj wir leben, nichts fennen wir als unfere Jlenntniffe unb 9le=

lationen biefes Sehens mit ber ,3Belt'. Unfer Renten ift ,lebenbig', es ift bio^entrifch" (13). 5?om fnmmel, »om Sicht, Dom unenblich ©rofoen ober Uleinen, »on ben ewigen Seiten unb ben unausbentbaren Räumen hat unfere Erfahrung eben auch nur eine „goetifche"*), b. h- unferem Sehen unb ben erlebten finnlichen (Einbrüden angcpafjte Sorftellung.

5Bir übertragen unfere (Erben^eit aud) borthin, wo fie nicht gilt, ftellen uns irbifchen 9iaum cor, wo feiner ift; fo finb w ir — bic „SRoIIusfe",

„bie alles »ermenfdjlicbt, bas Unenblid^e enblich macht, bas su ©cbnelle

»erlangfamt, bas ju kleine »ergröfjert, aus ber ,2öelt’ einen ,Scbens=

raum' geftaltet. Unfer SSntelleft genügt nur für einen Sebensraum, alfo erfdjeint uns bas ,©ein' als ein folcber" (1 2).

®te Sftatur ift e i n b e i 1 1 i ch 3U oerftehen, nicht etwa finb bie ©e=

biete her Unbelebten unb ber ‘Sclebteftcn fchroff ju trennen (16). ®ie wefentlichen ©einsftufen finb: bas Sleftron (als 33eftanbtcil bes2Itoms), bas 2ltom, bas SÖtolefül, bie geformte StRaterie in ihren Ausprägungen als Slriffall, Seile, SeHgemcinfchaft »crfchiebenfter 2lrt unb Organis*

menftaat; bann bie 2ßeltförper, ©onnen= unb gijfternfpfteme, ber S?os=

*) ?5om griech. zoe = Seben.

(11)

granc6 als $ t)ronfoIger §aecfels 11

mos (b. i). bie 3Belt) unb bas 5Mos als ©efamtheit ber (Srlcbniffe (60).

®ic 3Belt ift fd)on burd) bic SDtannigfaltigfcit x^rcr Seite ftänbig 3a^>I=

lofen Störungen ausgefetjt. ©er gefamte SBcltproaefe ift aber baraus cinfjeitlid) au oerffchen, bajj er auf 2lusglcid), b. h- Überwinbung biefer Störungen gerichtet ift. „SBürbe bie ‘Jöelt auf alten ihren Stufen jum Ausgleich, alfo gur Harmonie, gelangen, bann wäre ber SSÖeltproaeft aus, aber nicht bie Sßett ju Enbe" (63). Stiles ©efd)et)en ift fomit nur ein ftetes «Spiel unb 2BiberfpieI non 2tusgleid)serfd)emungen. Einheit»

tid) ift es in bem Sinn, baß nid)ts auf bcr 5öclt ift, was nicht auf 33c=

wegungen aurüefgeführt werben tönnte, bic auf bem Streben nach einer

©Icichgetüid)ts= ober Ruhelage beruhen" (260). f>erftellung bes ©leid)=

geroid)ts, was ats glekhbebeutcnb gefegt wirb mit fjcrftellung ber §>ar=

monic ift fo ber Sinn altes 3Mtgcfd)ebcns, alfo aud) bes Sehens iiber=

haupt wie ber S9tenfd)engefd)id)te unb bes einaelnen SSRenfchenlebens (235, 254 f., 259).

9ttd)t als Entwitflung ins itncnblid)c ift bcr ‘JBeltproaefj au faffen,

»iclmehr ats eine „ewige SBicbcrfehr"*) oon Störungen unb ihren 2tus=

gteichungcn (51); aud) eine in eigentlichem Sinne „fchöpferifche" C£nt=

faltung, bic aus etgenffer innerfter Straff unb gülle heroorginge, gehört nach Srance nid)t aum Söcfcn bes Sehens, es ift wefentlid) Erhaltung gegen Störungen; nid)t Dom Onncrffen her fommt ihm ber Slnftojj aum Sßerben, aur 3inberung, fonbern Don außen, es ift Slnpaffung (260), Streben nach einem ©auerauftanb.

Somit crfd)eint auch ber Sinn bes gefd)id)tlid)en SBerbens als bas Errcid)en ber Harmonie im Sufammenleben ber Onbioibucn unb bcr 33ölfer, um baburch Sauer au erhalten. Stile gefd)id)tlid)en 53erfchie=

bungen unb Entwidlungen fricblofer unb friegcrifcb=reDotutionärer 2lrt finb nur Dorläufige ®urd)gangsftabicn (259).

Enblid) ift aud) bcr Sinn bes Einaellebcns nicht unfer ©tücf, fon=

bern bie fmrmonte mit bem ©anaen auf jeber Stufe bes Seins. „SSRan muß bie SBettgefefse nid)t nur fennen, fonbern man muß aud) nad) ihnen leben, ©emütig muß man fein. 2Bir fönnen nicht fo leben, wie mir wollen, fonbern muffen fo leben, roie es bas ©efetj unferes Seins uns oorfchreibt! 5Bir fönnen biefes ©efetj erfennen — es ift bas ewige Sittengefet3, bas alle ®enfer unb alle Religionen nur überfeftt haben in ihre Sprachen. 3hm muffen mir nachleben, ihm müffen wir uns Doll unb gan3 hingeben, aus tiefftem Sßiffen um bas Sein, bann fönnen roir auch gläubig oertrauen, baß toir eingeben werben in bas große 2Ri)fte=

rium bes ewigen Seins, in neue taufenb 33erwanblungen unb Seins=

*) Sßgr. basu ben 2Iuf[a(i t>on “p. SHeffer-'piafe: „gortfcfjritt ober ewige SBieber- fef)r", 3ai>rg. I, §>eft 7,8, ©. 262 biefer gtfcfjr.

(12)

12 gtonce als $f)ronfo[gev §> a e d e [ 5

ftufen, toenn toir nur erft einmal ben 2lnfd)luj3 gefunben haben an bic Harmonie mit bem Unenblidjen" (259 f.).

„Sie 5BeItharmonie ift unfere fmrmonie. Unb Harmonie mit bem Unenblichen bebeutet uns bic 23ollenbung unferes 293e}ens" (26).

Ser „Statur gemäfe", in Harmonie mit ber 2öelt ju leben, bas galt bereits ben alten ©toifern*) als Inbegriff aller 2öeisheit. Überhaupt xt>ill uns Dieles in ben ©runbanfehauungen grances burd>aus nicht fo neu oorfommen als uns ber 23erfaffer oerfid)ert (24 f.)

Onbeffen weit toichttger fcheint uns bie anbere grage, ob toir feine

©runbanfehauungen als g ü l t i g anerfennen fönnen.

grance in feinen Seiftungen als Staturforfcher unb n a t u r - to i f f e n f d) a f 1 1 i ch e r ©chriftfteller 3U beurteilen, holte tef) mich für nicht juftänbig; fdhtoere 23ebenfen aber mujj ich erheben gegen feine p h ü o f o p b i f c h e n 2el)ren.

3n feinen 2lusführungen über bas menfd)liche ß r f e n n e n geigt er fich »öllig befangen oon jener SKobeftrömung, bie über bas (Erfennen bas 2ßefentlid)e gefagt 3U hoben glaubt, toenn fie »erfichert, alles (£r=

fennen unb alle ‘Jöahrheit fei relatio (18 f., 20, 25 u. ö.).

2Benn man nun fragt, was eigentlich mit biefem 2lusbrud

„relatio" gemeint, fo finben toir feine einbeutige 2Intir>orf.

(Einmal hören toir: „n u r bic Relation (Segiebung »on ben Ob=

jeften 3u bem ©ubjeft) fei 3nhalt bes gorfchens (19, 266).

Stun fönnen toir ficJjerlid) aud) biefe Stelation unterfuchen, 3. 23.

toenn toir feftftellen, in toelcher 23egiel)ung Objefte 3. 23. bie Singe, bie toir fehen, 311 unferem ©efichtsfinn ftehen. 2lber baft all unfer gorfd)en auf bie Unterfuchungen folcher 23e3iebung befchränft fei, wäre fid)er eine unhaltbare Behauptung. 9Bir fönnen boch aud) lebigltd) mit bem ©ub=

jeft (3ch), ettoa in ber <’)3fpd)ologie nur mit ben (Erlebniffen unferes 3d) befchäftigt fein; toir fönnen aber auch gang ben Objeften bin*

gegeben fein.

(Es ift nun begeidmenb für bas ©chtoanfenbe unb Unfichere in grances Grfenntnislehre, bajg feine ©runbbehauptung: nur bie Sxelation (23egief)ung) groifchen bem ©ubjeft unb ben Objeften fei ©egenftanb un- ferer gorfchung — fich ihm unoermerft oerfd)iebt, fowohl fo, bafe er nur bas ©ubjeft unb bas ©ubjeftioe als btefen ©egenftanb anerfennt ober anbererfeits aud) eine (Erfenntnis bes Objeftioen für möglich erflärt, roie er ja fein ©pftem immer toicber als „objeftioe ‘’Philofophie" (19 u. ö.) begeid)net.

Sie oöllige „©ubjeftioierung" ber (Erfenntnis ift ja heute auch SJtobefache; oielen bebeutet bie Behauptung: alles ift relatio, genau fo

*) (Eine gried)ifd>*römifd)e Stiftung, begrünbet »on 8enon, um 300 »or (£&r.

(13)

g ra n c e als J lj r o n f o f g e r £> a e d e 1 s 13

Diel wie bie: alles ift fubjeftio (5. i>. n i d) t objeftiogültig). 6 0 lefen wir bet grance: 3n „<£r l e b n i f f e " (alfo etwas ©ubjeftioes!) »cr=

wanbett fid) bas gange „6ein". SÖteinem Erlebniffe aber fommt feine anbere ‘Sebeutung gu als bie einer Orientierung in begug auf anbere Erlebniffe (26). (Somit finb wir oöllig in ben Umfreis unferer C£rleb=

niffe, alfo bes 6ubjeftioen, hineingebannt!

(Somit toeife ich auch nicht, wie bie Söelt befebaffen ift; benn „idh erlebe ja nicht fie, fonbern mich" (264), ich weife nur »on mir: „wir brüden mit allem, was wir fagen, nur ,uns' aus" (261).

®iefen ffeptifchen, b. h- an aller Erfenntnis einer Dom ©ubjeft Per*

fdjiebenen, objeftioen 355elt oergweifelnben, Äußerungen ftehen aber an=

bere gegenüber, bie bamit unoereinbar finb, weil fie eine fblehe Er=

fenntnis als burdjaus möglich erfcheinen iaffen.

6 0 wirb erflärt: Onhalt unferes Söeltbtlbes fönnen „nur bie 3^e=

lationen ber Seile biefes fomplejen 6pftems fein" (20), bas helfet, ber uns in 9iaum unb Seit gegebenen Söirflichfeit.

Safe wir aber 33egiehungen gwifd)en ben Seilen bes uns ©e=

gebenen erfennen, befagt (ebenfalls etwas anberes unb weit me h r , als, bafe wir nur ‘Segiehungen j u u i t s erfennen, ober bafe wir gar cöllig in bas Stets unferes fubjeftioen Erlebens eingefponnen waren!

Übrigens würbe fd)on bie Erfenntnis ber 33egiel)ung eines Objefts gu mir, bcm «Subjeft, mich über ben 33ereid) bes (Subjeftioen hinausheben gu einem objeftioen 6ein.

■SÜBie wenig fid) aber grance bieje golgerung flarmaa)t, ja weldje in fid) wibcrfpred)cnben Behauptungen fid) bei ihm finben, bas mag folgenbe ©teile (22) geigen: „Es ftürmt jebergeit eine 6umme oon Er=

regungen auf unfer Empfinben ein; aber nur biejenigen, weld)e bas

©lüd haben, einen Safter unferes Empfinbungs» unb 33orftellungs=

mechanismus gu treffen, erhalten für uns ,6 ein’. 6 0 ift ,6ein’ nid)ts als Erregung bes 2ebensgefül)ls, ein in bie ,2Belt’ projigierter ,3Renfd)’."

£ier werben bod) offenbar „Erregungen" — man benfe an ®ber=

ober 2uftfd)wingungen — als etwas unabhängig oom (Subjeft (3d>), mit»

hin als etwas objeftio ©eienbes oorausgefetjt.

Sßenn man nun auch gugibt, bafe nur foldje Erregungen, bie unfere (Sinnesorgane genügenb ftarf treffen, „ f ü r uns ein 6 ctn erhalten", b. h- »on uns als feienb erfannt werben, fo wirb bod) bamit nid)t bas

„Sein" gu einer blofecn „Erregung unferes Sebensgefühls"! 6d)on bas ift mifelid), bafe grance gunächft Pon „Erregungen" fprid)t, bie auf uns einftürmen, g. S. aber gar nicht gemerft werben — worunter alfo nur äufeere phpfifalifd)e Vorgänge gemeint fein fönnen, unb bafe er bann

(14)

14 grance als J f jt o n f o lg c r fjaecJels

basTclbe 2Bort „Erregung" gebraust, um bie buref) jene äußeren 33or=

gänge in uns „erregten" Empfinbungen au bejeid^nen.

©aß aber nun gar biefe Empfinbungen felbft, biefe „Erregungen unferes ßebensgefühls" bem „©ein" gleid)gefeöt »erben, bas gcljt bod) über bie ©renae alles ©innoollen.

(Eine „Erregung" bat ein „©ein" ober bat feines, b. b- fie i ft ober ift nicht, aber baß fie bas „©ein" fei — !

5led)t l^ätte grance, wenn er fagen wollte, auf ©runb ber Er=

regung Empfinbung urteilten wir, baß ein toir!lid)er (feienber) Vorgang auf uns eingewirft habe.

S^ocb eine anbere, nicht minber oerwunberliche Slusfage über ben begriff „©ein" lautet fo: „Silles, was in unferem Erleben ein ©ein befißt*), befiljt cs nur burd) feine gunftionen. Unter gunftion t>er=

fteht man hierbei bie gefet3tnäßigen SSeaiehungen awifdjen ©roßen, ©e=

bilben ober Vorgängen" (Gl).

2llfo, wenn ich ietjt einen großen fmnb unb bann — ohne mid) bes erfteren 31t erinnern — einen Keinen f>unb wabrnchmc (unb infofern erlebe), fo haben biefe für fid) fein „©ein"; erft wenn ich fie in <33e=

3iehung feße, alfo etwa urteile: ber erfte fntnb war größer als ber jvoeite, follen fie ein „©ein befißen"!

grance oerfünbet, in feiner ^büofopbie empfange ber begriff

„© e i n" „einen anberen ©inn als oorher" (25).

Och muß betennen: ber 33erbad)t fomntf mir, biefer „neue ©inn"

fei ein „Ql)ne=©inn". Sebenfalls toürbe ich raten, es beim bisherigen 6inn ju Iaffen. ®iefem gemäß aber märe au fagen: wenn 33 e = a i e h u n g e n ein „©ein" hoben, b. h- toirflid> ejiftieren follen, fo müffen auch bie 33eaiehungsglieber, b. h- £>ie ©egenftänbe, awifchen benen bie Seaiehungen beftehen, wirflid) fein; baß fie e r ft burd) bie

‘Seaiehungen (gunftionen) ein ©ein hoben baw. empfangen, ift unbenf- bar. Vielleicht fönnen mir biefe ©egenftänbe nur baburd) e r f e n n e n , baß fie au uns unb untereinanber in S3eaiehungen ftehen, aber bas befagt bod» etwas gana anberes, als baß fie oermöge biefer '33eaiebungen erft ein ©ein haben.

Saß wir aber, um etwas au erfennen, in ‘Seaiehung au ihm treten müffen, ift eine ©elbftoerftänbüd)feit. ©ie barf natürlich nicht 3U ber oben aurüdgemiefenen Behauptung aufgebaufcht merben, baß wir n u r biefe

‘Seaiebung awifchen uns unb ben Objeften unterfuchen unb erfennen fönnen.

*) 33ciläufig an einer anberen Stelle (26) ijeifet es: Das ganje ©ein Dertoanbelt fid) in (Etlebnijfe.

(15)

gra n c e als T h ro n fo lg e r §aede [s 15 So bleibt alfo an bem oon grance protlamierten „Relatioismus"

nur noch bas faltbar, bafe 3nbalt unfcres 3Mtbilbcs rocfcntlid) „Rcla=

tionen ber Seile biefes fomplcjen Spftems in Raum unb Seit finb" (20).

2lber foldje „Relationen" tönnen bod) burd)aus guocrläffig fcftge=

ftellt »erben. 2Iud) grance jroeifelt gar nidjt baran, baß es für bie gange 5ßelt „gültige ©efcfec" (bic jolcbe begiebungen aus}pred>en) gibt, unb er ftellt eine gange Reihe foldjer ©efefec auf (41 u. ö.). Er täte bas bod) fidjer nicht, roenn er nicht übcrgcugt roäre, bafe fie wahr feien.

Sas binbert ihn aber nicht, gelegentlich roicber gang im Sinne ber SÖtobe, alles für rclatio gu erflärcn, unb ben ©ebanfen ber SBahrheit preisgugeben ober roenigftens fo gu reben, als ob er bas tue.

Sinn feiner „biogentrifeben" (b. i). bas ßeben in ben SCRittelpunft ftellenbcn) ffiiffcnfchaft fei nicht, „b i e ,2öahrhcit" gu finben. Eine foldje gibt cs cbenfotoenig, wie cs bie SRateric, ben Raum, bie 3^it, bic 2ßelt ober „bas ©ute", „bas Schöne" gibt, gür wen follte benn „b i e '5ßahr=

heit" gelten? Rur u n f c r e Wahrheit fuchcn mir, nämlid) „beftes Scben burd) ßrfenntnis unb ßinorbnung in bic gemeingültigen ‘33c=

giehungsoerfettungen ber Objcfte", bas heißt in bic ,,'2Bcltgefcfee" (22 f.).

2Bcnn aber ber Safe, baft ber 'Donner bem blife folgt, wahr ift, fo tüirb biefe 5Bahrheit nicht baburch erfchüttert, baß es Sßefcn gibt — tüte etwa £aub=33linbe — für bie toeber ber blife nod) ber ©onncr toaf)r=

nehmbar ift, — ebenforoenig, roie bie SBabrhcit oon Säfecn ber ßogif ober ber Rlatbematif baburch beeinträchtigt wirb, bajj oiclc 5Rcnfd)en fie nicht fennen ober nicht »erfteben. Ob ein Urteil „wahr" ift, hängt eben nicht banon ab, »er cs benft, toie »ielc cs benfen, ja nicht einmal baoon, ob es überhaupt jemanb benlt, fonbern lebiglich baoon, ob fein Dnhalt mit bem gemeinten Sachocrbalt übereinftimmt*).

Ob getoiffe Sachoerhalte für beftimmtc Scbctoefen wahrnehmbar finb, bas ift natürlich burd) beren 2lusftattung mit Sinnen bebingt, aber grance nennt felbft — mit Recht — „bie Sinncsbcgichung" „bas Dber=

fläd)lid)fte bes Erlebens" (31). ®od) er bcad)tet gar nicht, bafg unfer

$ e n f e n roeit über bas finnlich ©egebene hinausbringt unb bafe es mit feinen Urteilen bas Reale nicht oeränbert, fonbern fid) ihm getreu»

lieh anfehmiegt**).

5ßolltc man mit bem Safe, baß fü r ocrfd)icbcnc Söefen ocrfd)ic=

bene, alfo aud) fich roibcrfpred)cnbe Urteile roahr fein fönnten, ernft machen, fo würbe man eben bamit ben begriff ber Söahrheit unb alfo auch ben ber Srfcnntnis aufbeben; man roürbe oöllig bem Sfeptigismus (ber 3®eifclsfud)t) »erfüllen. ©iefe ©cfal)r bleibt grance nur bcshalb

*) 55g[. unferen 2Iuffa(j: „SBas ift 2öaf>rbeit", im 1. unb 2. §cft bes II. 39- 1926 biefer 8eitfcf)r.

**) 35gl. meine „(Einführung in bie (Erfenntnistbeorie" (Seipjig, Steiner. 3. 2tufl. 1927.).

(16)

16 grance als S b ro n fo lg e t fiaecfels

»erborgen, weil fid) ihm für ben 23egriff ber 3öahrf)eit ber bes SBertes überhaupt unterfchiebt, wie er benn auch an ber auletjt angeführten

©teile (22f) „3öahrf)cit" ohne weiteres mit bem begriff „beftes ßeben"

gleichfeßt. Sr felbft ftcllt in feinem ‘ffierf eine güUe »on ©äßen auf, bie ihren ©inn »ertieren würben, wollten fie nid)t — nicht „für" biefe ober jene —, fonbern fd)Iechthin wahr fein. SÜRan prüfe baraufhin ©äße wie „Oebe gorm »on Entfaltung cerläuft gleichgefcßlich" (52), „&iemen=

fpalten, bie am menfd)[id)en Organismus wieber »erfd)Winben unb »er=

wad)fen, bleiben an ben fjaien seit ihres Sebens erhalten" (53) unb be=

liebig »iele anbcre!

2Bas foll gegenüber biefem t a t f ä d) l i d) e n auf ©chritt unb Sritt erhobenen Slnfpruch, 2öahres auspfagen, bie 9tebe »on ber Relatiüität aller 2Bahrheit?!

Übrigens fommf grance felbft gelegentlich bas ©efühl, baß „biefe let3te grud)t »om 33aume ber Erfenntnis", „faft banal anmute", eine

„ ‘Sinfcnwahrheit" fei (50).

On ber Sat, fd)on bei Democrit im Slltertum, bann wieber bei Shonias oon 2lquin, bei Slant finben wir in immer »ertiefterer 5Beife bie Einfid)t, baß bas Srfennen nid)t ein einfad)es pafftoes Slufnehmen ober

„Slbbilben" eines „Dings an fid)" fei, fonbern babei neben bem ju er=

fennenben ©egenftanb aud) bas erfennenbe ©ubjeft unb feine 55e- fehaffenheit, baß neben bem 9licl)t=0d) aud) bas Och berüdfid)tigen ift.

2lber barf baraus gefolgert werben, baß ich n u r m i ch, nicht bie 5ö e i t erlebe?! Unb barf jemanb bies folgernb, boef) zugleich (264) ein 3Sud) über „bie ©efetje ber 2B ei t" fd)reiben?! —

grance bleibt in feinem Söerf nicht bei ber theoretifchen Erfenntnis flehen, er will uns aud) gührer fein 511m rechten Seben. ber bafür entfd)eibenben grage: 3Bas foll man tun? erflärt er: „Es gibt nur ei ne 2lntwort barauf: bie SBeltgefeße erfennen, um fie befolgen su fönnen, unb baburch in Etnflang fommen mit ihnen" (39).

grance ift 3laturforfd)er, unb wenn er »on 20 e 1 1 gefefßen rebet, fo meint er Rafurgefetje. Darin »errät fid) nun aber ber »öllig n a t u r a = l i ft i f ch e Eharafter feiner 2öelt= unb Sebensanfchauung, baß ihm biefe 31 a t u r gefetje, b. [)• ©efefee bes ©ei ns , bes 2Birflid)en, zugleich 3« 91 0 r m gefefeen, ©efefjen bes © 01 1 e n s werben, baß ihm „9latur unb Kultur unter biefelben ©efefcmäßigfeiten fallen" (30).

Das 9taturgefeß gilt ihm fo gugleid) auch als © i 1 1 e n gefeß (259), unb biefe 2Belt (b. i. bie Ratur) ift ihm sugleid) bas „2öeltgerid)t", benn

„eine unerbittliche ©cred)tigfeit fteeft im ©ein" (269). Satfäd)lid) ruft grance aus: „Och nahm bas ganse 2eib ber SSRenfchheit, biejen irren 2luffchrei aller Oahrhunberte, biefe S^ette oon 2öahn, Jorheit, Orrtum,

(17)

g ra n c e als T h ro n fo lg e r §>aecfets 17 Verbrechen, Blut unb Verzweiflung auf mich, unb nun habe id) etwas gefunben a ls S d) u l b unb i h r e g o l g e n" (269).

2lber es ift nun eines ber fid)erften (Ergebniffe ber erfenntnistheore- tifd)en 2lrbeit jur Klärung ber grage: was eigentlid) Statur unb 9latur=

erfcnncn bebeutct, baft bei ber naturwiffcnfd)aftlid)en (im Unterfd)ieb

»on ber ! u 1 1 u r wtffenfchaftlidjen Betrachtung a b gcfehen wirb »on jeglichem 20 e r t unb 2Bertunterfd)tcb; bajj bemnad) aud) bie fittlichen Begriffe ber „Sctmlb" unb ber „©erechtigfeit" in bem naturwiffenfehaft- lidjen 3Beltbilb gar nichts au tun haben.

©eroift ift biefe flare Sd)eibung »on Statur unb Kultur, naturnot=

wenbigem 3Biffen unb fittlichem ©ollen felbft erft ein fpätes, reifes (Er­

gebnis ber Kulturarbeit. Bei primiti»en ‘23ölfern, wo fo cieles noch un=

bifferenjiert ift, was fid) fpäter fdjeibet, finben wir noch allenthalben jenes nai»e Oneinanbermifchen bes 91atürlid)en unb bes «Sittlichen, »on ihnen wirb nod) Kranfheit als — Sd)ulb empfunben.

2lber barf einem heutigen ©enfer, ber geiftig=fittlicher gührer »on Kulturmenfchen fein will, ein folcher StücEfall in ganj nai»=primiti»e

©enfweife geftattet werben?! ©a wollen wir uns boch lieber an bie tiefe (Einficht ©oethes halten (ber fidjer fein „9tatur»erächter" war):

,,©enn unfühlenb ift bie Statur:

(Es leuchtet bie Sonne Ueber Böf’ unb ©ute, Unb bem Verbrecher

©längen, wie bem Beften,

©er SERonb unb bie Sterne.

9lur allein ber SERenfd) Vermag bas Unmögliche.

(Er unterfcheibet, 5öählet unb richtet.

(Er allein barf

©en ©uten lohnen,

©en Böfen ftrafen, feilen unb retten."

©a grance leiber nicht »on bem menfd)lid)en Vorzug, 3U „unter=

fcheiben" ©ebrauch mad)t, ba ihm „naturgefet5lid)e Berurfad)ung" unb

„Schulb" ungefdjieben ineinanberrinnen, fo fommt er trotj aller pathe=

tifchen SBorte über bas „2eib ber Kreatur" (269) boch nicht los »on jenem, »on Schopenhauer als „ruchlos" bejeichneten Optimismus, ber ba rebet »on ber „herrlichen, in ewiger Schönheit unb ftrahlenber Sebensluft fich ftets aufs 9leue wieberfdjaffenben (Erbe" (269).

^ b ilofop b ie unb Cebcn. I I I . 1 2

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